Ableton Note ist da! Die erste iOS-App aus dem Hause Ableton bringt das Beatbauen auf die Straße. Oder in den Park. Oder ans Gate vor dem Flug. Wie schlägt sich die App im Vergleich zur Desktop-DAW Live? Ist Note eine ernstzunehmende mobile DAW wie Cubasis, Garageband, FL Studio Mobile oder Beatmaker?
Zwar gibt es mit Apps wie Touchable Pro, LK for Ableton Live oder V Control Pro/einige Drittanbieter-Tools, um die DAW über ein Tablet oder Smartphone fernzusteuern, trotzdem war direktes, mobiles Musikproduzieren bei Ableton bisher nur ein Wunschtraum.
Die Idee von Note: unterwegs Beats bauen, Ideen skizzieren, mit Sounds aus der Umwelt mobiles Sounddesign betreiben – und Cloud-Synchronisation. Sprich: Die Idee von unterwegs kann man dann zuhause am Rechner im großen Live gleich weiterbearbeiten – oder auf einem anderen iOS-Device.
Details & Praxis
Die iOS-App bringt 56 Drum Kits (aufgeteilt in Hybrid, Acoustic und Electronic) mit, die alle jeweils in einem 16-Pad-Drum Rack stecken. Außerdem sind 261 Synth-Sounds und 36 melodische Sampler-Instrumente dabei. Diese spielt man entweder auf 25 Pads oder auf Pianotasten polyphon.
Neben den beigelegten Sounds kann man im Sampler-Instrument auch seine Umgebung aufnehmen und diese Klänge als Instrument nutzen. Wer möchte, lädt Sounds und Samples über den „Teilen“-Dialog aus anderen Audio Apps in den Sampler. Die App umfasst sieben Effekte, die man auch aus Live kennt: Channel EQ, Chorus/Ensemble, Delay, Phaser/Flanger, Redux, Reverb und Saturator.
In jedem Projekt kann man bis zu acht Instrumente laden. Ideen spielt man in Clips ein, ausschließlich mit MIDI-Noten. Diese Clips strukturiert man, ganz wie in der Session View in Ableton Live, in bis zu acht Szenen oder Zeilen. Das fertige Ergebnis exportiert man als Audio-File (Wav oder M4a). Der neue Cloud-Sync-Service von Ableton synchronisiert die Projekte auf Wunsch. Den Beat baue ich also unterwegs auf meinem iPhone, zuhause dann die Basslinie auf meinem iPad oder dem Rechner.
Installation, Onboarding und erster Eindruck von Note
Nach der Installation wird man zum Einstieg von einem fünfseitigen Intro begrüßt, das die wichtigsten Funktionen und den Workflow erklärt. Drei vorgefertigte Demo-Tracks gibt es, Juicy Tuesday, Casolare und Yeah. Ich wähle ersteres aus, um mir einen Überblick zu verschaffen.
Jede Zeile in der Projektansicht repräsentiert einen Teil der Songstruktur, wie in der Session View in Live. Ich muss etwas suchen, um herauszufinden, wie man von Zeile zu Zeile springt. Die erste Ansicht des Projekts blendet diesen Bereich schlicht aus. Erst, wenn man unten auf den entsprechenden Button drückt, tauchen die nummerierten Zeilen links auf. Tippt man auf eine Zeilennummer spielt die App die darauf befindlichen Clips ab.
Session View Workflow in Ableton Note
Möchte man Clips stoppen, bleibt das wie in der großen Session View etwas umständlich. Laufen fünf Clips in einer Zeile und ich will nur einen stoppen, suche ich nach einem leeren Clip-Slot in der Spalte des jeweiligen Instruments und drücke dort den Stopp-Button. Bei Spalten, in denen es keine leeren Slots gibt, muss man den laufenden Clip gedrückt halten und dann im Menü „Clip Stoppen“ wählen.
Dieser Ablauf ist alles andere als intuitiv für das schnelle Arrangieren eines Tracks, geschweige denn für die Bühnen-Performance. Hier hätte Ableton mit Gesten arbeiten können: ein Doppel-Tippen zum Beispiel oder die Möglichkeit, den globalen Stopp-Button mit einem Finger zu halten und dann alle Clips, die man stoppen will, darüber zu deaktivieren.
Will ich im Arrangement einen Clip löschen oder duplizieren, tippe ich ihn an, halte ihn und wähle ihn im Menü aus. Zum Verschieben in einen anderen Clip Slot halte und schiebe ich den Clip und muss das aufploppende Menü ignorieren. Falls ich einen Clip versehentlich lösche oder falsch verschiebe, gibt es unten links einen Undo-Button.
Wie exportiert man fertige Tracks in Note?
Die Exportfunktion finde ich nicht in der Hauptansicht aller Projekte, sondern oben rechts in den Einstellungen des geöffneten Projekts. Hier aktiviert man das Metronom, stellt die Songgeschwindigkeit (auch per Tap Tempo) und die Tonart ein. Auch Songs exportiert man hier, wahlweise als unkomprimiertes WAV oder als komprimiertes M4A.
Die App exportiert eine Audiodatei, in der jede Zeile aus dem Projekt einmal durchläuft. Leider kann ich nicht wählen, ob ich Zeile zwei zum Beispiel zweimal hören und Zeile drei dafür schon nach der Hälfte abbrechen möchte. Nach dem Export kann man die Datei entweder direkt in der App anhören oder über den „Teilen“-Dialog von iOS per Email, Messenger Apps oder AirDrop verschicken.
Ein Wort zum Thema Bluetooth-Kopfhörer: Die Latenz ist, wie bei allen anderen iOS-Apps, viel zu groß, um live einen Beat einzuspielen. Note warnt beim Einsatz von Bluetooth-Audio vor der Verzögerung. Wo man den Sound aus den iPhone- oder iPad-Lautsprechern ohne Verzögerung hört, ertönt er über Bluetooth-Kopfhörer, technisch bedingt, erst knapp eine halbe Sekunde, nachdem man den Bildschirm berührt hat. Beim mobilen Musikmachen wird man um kabelgebundene Kopfhörerlösung nicht herumkommen.
Ein neues Projekt in Note erstellen und erste Sounds einspielen
Für ein eigenes Projekt wählt man im Sets-Bereich „Neu“. Drei Instrumente sind bereits geladen – ein Drum Set, ein Basssound und ein FM Synth. Mit einem Tap auf die Titelzeile der Drums öffnet sich das Instrument. Hier sieht man oben ein paar Einstellungen, unten sechzehn Pads, auf denen ebenso viele Drum-Sounds liegen. Ich spiele ein paar, ein erster Rhythmus entsteht, sogar die MIDI-Noten kann ich in der Mitte zwischen Pads und Reglern sehen.
Automatisch aufgenommen wird nichts. Eine alte Bekannte aus Live, die Capture-Funktion, fängt die Idee ein. Sobald ich einen Rhythmus eingespielt habe, drücke ich unten auf das Capture-Symbol – schon legen die Drums los, und zwar in dem Tempo, das ich ursprünglich gewählt habe – ganz wie in Live. Weitere Sounds kann ich zum gespielten Rhythmus einfach overdubben: Rhythmus spielen, unten „hinzufügen“ tippen, fertig.
Unten rechts gibt es den Quantisierungsbutton: Einmal tippen, dann gilt die Quantisierung für ein voreingestelltes Sechzehntelraster. Wer andere Raster möchte, hält den Quantisierungsbutton gedrückt.
Arbeiten mit dem Drum Sampler in Note
Will man Achtelnoten einer Hi-Hat spielen und bekommt das partout nicht wie gewünscht hin, greift man auf den Note Repeater zurück. Mit einem Tap auf das Symbol zum Einblenden der Seitenleiste greift die „Repeat“-Funktion, die eine Note nach dem eingestellten Raster wiederholt. Wer will, kann wie auf dem Push in Echtzeit zwischen verschiedenen Rastern, beispielsweise Achteln und Achtel-Triolen, wechseln und so schönste Trap-Hihats erzeugen.
Bei jedem der sechzehn Drum Samples gibt es acht Einstellungen für die Klangveränderung wie Filter, Tonhöhe, Hüllkurve und Panning. Außerdem gibt es acht Regler, die die Effekte des Pads verändern, und noch einmal acht Regler, die den Master-Effekt des gesamten Drum Kits beeinflussen. So passe ich nicht nur den Sound der Drum Samples an, sondern ich kann auch alle Regler auf Clip-Länge automatisieren.
Das passiert fast automatisch. Sobald ich einen Regler durchdrehe, während die Note spielt, taucht in der Clip-Ansicht in der Mitte eine gestrichelte Bewegungskurve auf. Ich muss nur noch auf „Hinzufügen“ drücken, und schon ist die Kurvenbewegung im Clip aufgezeichnet.
Sampler-Workflow in Ableton Note
Die Sample-Lautstärke sucht man hier vergebens. Sie versteckt sich im Bereich der Wellenform. Man steuert sie nicht etwa über einen Regler, sondern, indem man auf die Wellenform tippt und sie nach oben (lauter) oder unten (leiser) zieht. Für die Lautstärke und das Panning des gesamten Instruments geht man wiederum zur Mixeransicht.
Man kann die Samples nicht nur in einem Drum Rack oder Sampler austauschen, sondern auch direkt über das Smartphonemikrofon Geräusche aus der Umwelt aufnehmen. Hier geht es vor allem um einzelne Töne, Phrasen sind mangels Time-Stretching oder Slicer kaum praktikabel.
Um die Stille am Anfang einer Aufnahme wegzuschneiden, gibt es weder Auswahl- noch Schneidewerkzeuge. Man zieht in der Wellenform-Ansicht einfach den Beginn des Samples nach links, schon spielt die Aufnahme ohne Pause.
Ich füge dem Beat ein zweites Instrument hinzu, einen Bass. Um einen passenden Sound zu finden, gehe ich in den Browser. Praktischerweise spielt jedes Preset beim Antippen einmal ab, so bekommt man gleich eine Vorstellung vom Sound. Ich entscheide mich für einen Acid-Bass.
Acid-Bassline mit dem Repeater erzeugen
Ich könnte die Basslinie nun entweder chromatisch aufgeteilt auf den fünfundzwanzig Pads oder eingeschränkt über die in den Einstellungen festgelegte Tonart einspielen. Eine dritte Variante wäre die Pianotastatur. Umschalten kann man das im Menü, wo man auch den Repeater findet. Das Piano ist für mich zwar zugänglicher als die gleichfarbigen Pads, aber gerade auf dem iPhone 13 sind die einzelnen Klaviertasten so schmal, dass schnelle Rhythmen ohne Spielfehler kaum möglich sind.
Ich entscheide mich wieder für den Repeater, denn es soll eine Acid-Bassline werden. Wie beim TB-303 spielen bei dieser Bassline variierende Velocity-Werte sowie unterschiedlich starke Verzerrungen und Resonanzen eine entscheidende Rolle. Diese Variation erzeugt man in Note, indem man die Klavierasten im Piano-Modus jeweils oben (hohe Velocity) oder unten (geringe Velocity) tippt und hält.
Sobald die Basslinie steht, beginne ich, einige der Effektparameter zu automatisieren. So kommt noch mehr Leben in den Sound. Das funktionier immer nach dem Prinzip: Abspielen, Parameter bewegen, „Hinzufügen“ tippen. Als Effekt lade ich hinter den Bass in FX1 den Saturator und automatisiere einige Parameter. Falls man eine Automationskurve im Clip löschen oder kurzzeitig muten will, reicht ein Tap und Halten auf den automatisierten Parameternamen.
Songstruktur in Note und Synchronisation mit Live
Ich füge weitere Instrumente hinzu: ein Pad, ein Keys-Sound und ein selbst aufgenommenes Sample – ich quake ins Mikrofon und spiele sehr tiefe Töne, fertig ist der Drone im Hintergrund. Dann dupliziere ich die erste Zeile der Clips bis zum Maximum von acht Zeilen. Die Songstruktur entsteht, indem ich Clips in den oberen Zeilen lösche – ganz wie in der Session View.
Begonnen habe ich das Projekt auf einem iPhone 13, die Sample-Bearbeitung und Songstruktur habe ich auf einem iPad Mini 4 vorgenommen – die Synchronisation läuft mühelos und ohne Verzögerung. Ich exportiere die WAV-Datei und schicke sie per AirDrop an mein Macbook Pro.
Synchronisationsworkflow
Von iPhone zu iPad und zurück funktioniert die Sync-Funktion schnell und ohne Probleme oder Datenverlust. Nach dem ersten Start der App aktiviert man die Funktion in den Optionen von Note und loggt sich anschließend im eigenen Account bei Ableton.com ein. Ohne einen Account ist die Funktion nicht nutzbar. Was laut Ableton wohl vorerst nicht geplant ist: die Synchronisation von Live zu Note.
Ein Projekt unterwegs anzufangen, es zuhause am Mac weiterzubearbeiten und die synchronisierte Version dann wieder zurück auf dem iDevice zu nutzen, ist also nicht möglich. Wäre auch schwierig, hier noch mehr Spuren, Plugins und Automationen zu laden. Importiert man übrigens ein Projekt aus Note mit einem Wavetable-Synth in Ableton Live Standard oder Intro, kann man den Soft Synth dort nicht im Detail verändern und bearbeiten, weil es Wavetable nur in der großen Suite gibt.
Sobald man die Cloud-Funktion in den Optionen unter „Library“ aktiviert, taucht der entsprechende Ordner unter „Orte“ im Browser auf. Auf Ableton.com kann man die Cloud-Funktion im eigenen Account einmalig freischalten – wie in der App. Bis zu fünf Projekte speichert und synchronisiert die Cloud. Ob es später eine kostenpflichtige Abo-Version mit größerem Speicher geben wird, hat der Hersteller nicht verkündet. Diese Fünf jedenfalls lassen sich direkt in Live öffnen. Wie beim Projekt-Import kann man innerhalb der DAW einzelne Spuren oder Clips eines Note-Projekts direkt importieren.
Fazit
Wer den Workflow der Session View von Ableton Live schätzt und zum Ideenerzeugen nutzt, wird Ableton Note lieben – vorausgesetzt man hat ein iPhone oder iPad. Der Workflow mit der Capture-Funktion, das sofortige Mitschneiden von Automationsbewegungen, das Synchronisieren zwischen den iDevices – Ableton macht hier viel richtig. Den holperigen Workflow der Session aber nicht mit mehr Touch-Gesten aufzubrechen, ist eine vertane Chance. Neuzugänge bekommt die App mit diesem Workflow eher nicht. Auch die fehlenden Verbindungen in das restliche AUv3-Universum, was Effekte und Sequencer betrifft, sind hoffentlich nur vorrübergehend.
Andererseits steckt für den Preis eine Menge Sounds drin. Die App überzeugt mit kreativen Werkzeugen wie der direkten Sample-Aufnahme und dem schnellen Automatisieren. Damit macht sie jedes Warten auf die Bahn, das Abhängen in der Hängematte und das Samplen von Möwen auf der Düne zu einem der besten mobilen Musikerlebnisse, die ich bisher mit mobilen DAWs hatte. Und bei dem kleinen Preis macht man sicherlich nichts verkehrt.
- Mit 40 Drum Kits und über 230 Sounds große Auswahl für viele Genres
- Soundqualität der mitgelieferten Sounds
- Direkte Audio-Aufnahme im Sampler
- Workflow für die Clip-Automation sehr zugänglich
- Session View Workflow zum Stoppen, Kopieren und Löschen von Clips umständlich
- Keine Einbindung von externen AUv3-Instrumenten und Effekten
Features
- iOS-App zum mobile Musikmachen
- Acht Instrumente/Spuren pro Projekt
- Acht Zeilen/Szenen pro Projekt
- Direkte Synchronisation von bis zu fünf Note-Projekten über Cloud-Sync über alle iDevices und Ableton Live
- Weiterbearbeitung der Note-Projekte in Live
- 56 Drum Kits (Acoustic, Electronic, Hybrid)
- 261 Synth-Sounds (Bass, Brass, Strings, Keys, Plucks, etc.)
- 36 Sample Sounds
- Export als Wav und M4A
- Regulär: 6,99 € (Straßenpreis: 18.10.2022) im Apple App Store