Pro & Contra Sechssaiter-Bass: Der sechssaitige E-Bass hat es nach wie vor nicht gerade leicht. Bis zum heutigen Tage muss er sich mit Vorurteilen herumplagen und wird gerne in die Schublade „Jazz, Fusion, Virtuose, Solobass“ gesteckt – ein Schicksal, das er mit seinen Fans teilt. Ohne einen Ton zu spielen, werden Sechssaiter-Bassist:innen häufig mit bestimmten Labels versehen. Dazu müssen sie sich noch dumme Sprüche wie „Jaco brauchte auch nur vier Saiten!“ anhören. Dabei bietet ein Sechssaiter-Bass ja deutlich mehr Frequenzumfang und ist damit einem Viersaiter automatisch in zahlreichen Situationen überlegen! Warum also sollte man einen 4-Saiter und einen 5-Saiter vorziehen, wenn man einen 6-Saiter-Bass spielen kann? Ihr merkt es schon: Dieses Thema ist höchst kontrovers! Daher widmen wir uns heute den Pros und Cons zum Thema „Sixstring Bass“ sowie den zwei Punkten: „Warum du unbedingt einen 6-Saiter-Bass spielen solltest“ bzw. „Warum du besser keinen Sechssaiter spielen solltest“.
Sechssaiter-Bass – History
Den Anfang machte die Firma Danelectro bereits 1956 mit einem Sechssaiter, der eine Oktave tiefer als eine Gitarre gestimmt war (E-A-D-G-B-E). Diesem Beispiel folgte die Firma Fender im Jahre 1961 und brachte den Fender Bass VI auf den Markt. Beide Instrumente tragen auch den Namen „Bariton Bass“ – sie hatten allerdings noch herzlich wenig mit den heutigen Sechssaitern zu tun.
Der für die E-Bass-Welt entscheidende Schritt war, dass sich der legendäre Bassist Anthony Jackson 1974 beim Bassbauer Carl Thompson einen sechssaitigen Bass anfertigen ließ, da er sich eine größere tonale Range wünschte. Diesen nannte er „Contrabass Guitar“. Im Vergleich zum herkömmlichen Viersaiter besaß dieses Instrument eine tiefere sowie eine höhere Saite, war aber nach wie vor in Quarten gestimmt (B-E-A-D-G-C). Die Mutter aller modernen 6-Saiter war geboren!
Allerdings war Anthony aufgrund der schwierigen Bespielbarkeit nicht gerade zufrieden mit dem Ergebnis und arbeitete daraufhin zielstrebig weiter an verschiedenen Detaillösungen. Zur selben Zeit baute Carl Thompson aber auch einen Fünfsaiter mit tiefer B-Saite – und auch Alembic experimentierten in dieser Phase mit demselben Thema. Das Thema „mehrsaitige Bässe“ nahm also langsam Fahrt auf!
Speziell Bassbauer, welche auf Kundenwunsch Instrumente anfertigten, bekamen immer mehr Anfragen in diese Richtung, was automatisch zur Weiterentwicklung von Fünf- und Sechsaitern führte. Was kaum jemand weiß: Bereits im Jahr 1980 baute kein Geringerer als Michael Tobias seinen ersten siebensaitigen Bass.
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Schon Mitte bis Ende der 1980er-Jahre war der Sechssaiter dank Vorreitern wie Anthony Jackson oder John Patitucci fester Bestandteil der Basswelt und wurde damals vor allem im Bereich Jazz-Rock bzw. Fusion eingesetzt.
Heute hat sich das Blatt gewendet – der Sechssaiter ist mittlerweile in nahezu jeder Stilistik zu Hause. Ein Genre sticht aber heraus: Contemporary Gospel bzw. Contemporary R&B. Deren tieffrequente Protagonisten setzen seit einigen Jahren auf ein neues Soundideal mit Fünf-, Sechs- und sogar Siebensaitern. Meist stammen diese Instrumente aus Boutique-Schmieden, wie MTD (Michael Tobias Design), Fodera, Ken Smith etc. und sind mit aufwendigen Aktivelektroniken ausgestattet.
Gerade Gospel-Bassist:innen haben während der letzten Jahre jegliches Schubladendenken abgelegt und bilden aktuell die Speerspitze, wenn es darum geht, das volle Potenzial moderner Sechssaiter auszuschöpfen.
Sechssaiter-Bass – Pros
Die Pros und Cons sind natürlich sehr subjektiv und können nur eine recht grobe Aufteilung sein:
- Dank mehr Saiten werden weniger Lagenwechsel notwendig
- Hohe Töne klingen auf einer C-Saite transparenter als z. B. auf der A-Saite
- Aufgrund der höheren Masse haben Sechssaiter meist ein besseres Low End als Fünfsaiter
- Das Verhältnis der Masse zur Anzahl der Saiten verhält sich ähnlich wie beim Viersaiter
- Akkorde oder Soli klingen transparenter
- Weite Voicings von Akkorden sind problemlos möglich, die Töne können über mehrere Saiten verteilt werden
- Sechssaiter-Bässe sind nach wie vor kein Mainstream bzw. immer noch etwas Besonderes, was ein Alleinstellungsmerkmal ist
- Man kann in jeder denkbaren musikalischen Situation „mitreden“ – von ultratiefen Basslines bis zum Begleiten mit Akkorden: „One bass fits all!“
Sechssaiter-Bass – Contra
- Größerer Korpus, mehr Masse
- Breiterer Hals bzw. Griffbrett
- Aufgrund der ersten zwei Punkte Handling und Bespielbarkeit schwieriger
- In der Regel mehr Gewicht als ein Viersaiter
- Bei Umstieg auf einen Sechssaiter muss man neue Fingersätze lernen
- Beim Spielen sind zwingend mehr Saiten abzudämpfen
- Optisch sind Sechssaiter nicht in jeder Stilistik authentisch
Sechssaiter-Bassisten und -Sounds
Wie bereits angedeutet, begann alles im Bereich Jazz und Fusion. Mittlerweile findet man Sechssaiter aber eigentlich überall. Hier sind ein paar Genres mit den wichtigsten Playern.
Jazz / Fusion: Gerald Veasley, John Patittucci, Anthony Jackson, Steve Bailey, Oteil Burbridge, Alain Caron, Jimmy Haslip etc.
Contemporary Gospel und R&B: Andrew Gouché, Fred Hammond, Sharay Reed, Jermaine Morgan, Daric Bennett, Justin Raynes, Kaybass etc.
Rock / Metal: John Myung (Dream Theater), Tye Zamora (Alien Ant Farm), Phil Lesh (Greatful Dead), John Stockmann (Karnivool)
Cross Genres: Thundercat
„Typische“ Sechssaiter-Sounds gibt es eigentlich nicht. Das Besondere ist aber sicherlich der erweiterte Frequenzumfang und die damit verbundenen Möglichkeiten. Hier eine B-Dur-Skala vom tiefsten bis zum höchsten Ton (23. Bund auf der C-Saite):
Auf einem Viersaiter klingen Akkorde bekanntlich mitunter etwas mulmig und undifferenziert. Dank einer hohen C-Saite kann man Akkorde nun in tieferen Lagen mit dünneren Saiten spielen. Dies führt unweigerlich zu einem differenzierteren Sound:
Auf einem Viersaiter beschränkt man sich bei Chord-Voicings zumeist auf drei Töne. Dank der hohen C-Saite eines Sechssaiters kann man Akkorde wesentlich interessanter klingen lassen, indem man einen weiteren Ton hinzufügt. Hier ein C-Major7-Akkord mit den Tönen C (Grundton), E (Terz) und B (Septime):
Jetzt nehme ich noch die None D noch hinzu, welche ich auf der C-Saite greife. Das klingt doch schon wesentlich spannender, oder?
Manche Akkorde bekommen durch einen weiteren Ton erst ihre wahre Bedeutung, wie z. B. ein C7#9, der jedem bekannt sein sollte, der schon einmal Jimi Hendrix gehört hat. Auf einem Viersaiter bleibt der Chord ohne die #9 „nur“ ein einfacher C7-Akkord. Mit der #9 auf der C-Saite kommt der eigentliche Charakter erst so richtig zur Geltung:
Aktuelle Kaufempfehlungen für Sechssaiter-Bässe
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Sechssaiter-Bässe – Fazit
Richtet man seinen Blick ausschließlich auf den praktischen Nutzen, so hält der Sechssaiter fraglos alle Trümpfe in der Hand. Er bietet einen erweiterten Frequenzumfang in beide Richtungen und ist so für wirklich alle denkbaren musikalischen Szenarien gerüstet. Er kann alles, was ein Viersaiter kann – bietet aber zahlreiche zusätzliche Optionen! Das bessere physikalische Verhältnis der Anzahl der Saiten zur Masse des Instruments bringt Sechssaitern zudem einen Vorteil gegenüber den etablierten Fünfsaitern. Nicht zuletzt hebt er sich optisch vom Mainstream ab. Fall gelöst – wir alle brauchen also einen Sechssaiter, oder?
Tja, wenn es im Leben doch nur immer so einfach wäre! Man kann sicherlich nicht von der Hand weisen, dass Sechssaiter-Bässe leider unweigerlich mit der Bürde eines erschwerten Handlings und anspruchsvoller Bespielbarkeit kommen. Und den erweiterten Frequenzumfang für Soli oder Akkorde nutzen sicher auch nur einige Player. Zudem sind wir ja häufig durch unsere musikalischen Idole geprägt und tendieren daher mehrheitlich eher zu „konservativeren“ Bässen.
Unbestritten erweitert ein Sechssaiter aber das Spektrum eines Viersaiters – und somit auch das musikalische Spektrum seines Besitzers! Wer also mit dem Gedanken spielt, sich dem Thema Sechssaiter zu widmen, sollte es wie die gegenwärtigen Gospel-Bassisten machen und sich auf keinen Fall durch Vorurteile und Sprüche wie „Braucht keiner!“ oder „Jaco hatte auch nur vier Saiten!“ beeindrucken lassen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass der legendäre Jaco Pastorius aufgrund seiner Neugierde und Experimentierfreudigkeit heutzutage sogar einen Neunsaiter spielen würde. Und: Mit der Einstellung „Braucht doch keiner!“ würde schon seit Jahrhunderten keine Weiterentwicklung mehr stattfinden!
Bis zum nächsten Mal, Thomas Meinlschmidt