BOSS VE-500 Test

Das BOSS VE-500 ist der jüngste Sprössling der etablierten Vocal Performer Reihe aus dem Hause Boss/Roland. Neben einem klassischen Multi-Effekt im Bodentreter-Format besticht das VE-500 vor allem durch die verschiedenen Möglichkeiten einer externen Harmonie-Kontrolle für Auto-Tune und Harmonizer. All das klingt phasenweise wie die in Serie gegangene Reinkarnation des mystischen “Prismizers” aus dem Bon Iver Lager. Stimmt das? Und was steckt noch in der Vocal-Stompbox? Wir haben für euch genauer hingeschaut.

1_Boss_VE_500_011FIN

Details

Äußeres

Das Effektpedal kommt aufgeräumt im silbernen Aluminiumgehäuse daher und vermittelt auf Anhieb eine solide Verarbeitung, die man von Boss Geräten gewohnt ist. Mit seinen 170 x 138 x 62 mm nimmt das VE-500 etwa doppelt so viel Platz auf einem Pedalboard ein, wie ein herkömmliches Boss Pedal. Auf unkonventionelle Maße oder abgefahrene Rundungen am Gehäuse wurde glücklicherweise verzichtet, die Japaner setzen zumindest im Design ihre Tradition fort. Wenn man genauer hinschaut, werden allerdings technisch neue Welten erforscht.

Fotostrecke: 3 Bilder Das BOSS VE-500 ist der jüngste Sprössling der etablierten Vocal Performer Reihe aus dem Hause Boss/Roland.

Aufbau und Bedienoberfläche

Die Bedienoberfläche ist angenehm übersichtlich und schnell erschlossen: Drei Fußschalter bieten je nach Kombination direkten Zugriff auf die Preset-Anwahl oder Bypass-Schaltungen. Der dritte Switch aktiviert außerdem die Harmony-Sektion. Neben 50 Presets werden dem Nutzer insgesamt 99 Speicherplätze für seine individuellen Patches zur Verfügung gestellt. Drei variabel zuweisbare Potis für eine intuitive Klangbearbeitung befinden sich neben dem Display, welches einen Überblick über die aktuellen Einstellungen und Presets verschaffen soll. Die Effekt-Struktur besteht aus insgesamt sieben Parts.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Bedienoberfläche ist angenehm übersichtlich und schnell erschlossen.

Zunächst wäre da die grundlegende “Enhance”-Sektion, die das Vocal-Signal erst einmal mit Kompression, De-Essing und parametrischem EQ “säubert”, bevor weitere, künstlerische Effekte eingesetzt werden. Hier bietet das VE-500 dann neben einer in Stufen einstellbaren Pitch Correction insgesamt vier Effekt-Blöcke, die unterschiedlich geroutet und beispielsweise separat auf Haupt-Stimme und Harmonies gelegt werden können. In jedem Effektblock schlummern diverse klassische Stimmeneffekte wie Hall, Delay oder Verzerrung. Neben herkömmlichen Modulationseffekten sind mit Modi wie Lo-Fi, Slicer oder Ring-Modulation abstrakte, moderne Vocal-Klänge und Sequenzen möglich. Eine Rotary-Simulation, eine Freeze-Funktion und sogar ein simple Looper sind mit an Bord. Hat man sich in den vier FX-Blöcken ausgetobt, können zwei unabhängig arbeitende Reverb/Delay-Effekte dem Vocal-Sound die nötige Tiefe verleihen. Man merkt schnell: Der Bezeichnung “Multi-Effekt” macht das VE-500 scheinbar alle Ehre. Natürlich dürfen dann auch Vocoder, Harmonizer und Auto-Tune nicht fehlen. Diesen Effekten wohnt beim BOSS VE-500 eine interessante Zusatzfunktion inne.

Fotostrecke: 5 Bilder Enhance Sektion mit Kompression, De-Essing und parametrischem EQ

Anschlüsse und Zusatzfunktionen

Ein Mikrofoneingang mit einstellbarer Eingangsempfindlichkeit und zuschaltbarer Phantom Power eröffnet mir den Blick auf die Anschlussmöglichkeiten. Für Vocal-Effekte üblich: zwei XLR-Buchsen und leider keine Klinken für den Output. In 2018 wären Kombibuchsen durchaus eine Option gewesen. Glücklicherweise kann das Output-Routing variiert werden. Nutzen kann man die Buchsen nicht nur als Stereo Out, sondern auch als doppelten Mono Out oder als Split-Out für Wet/Dry. Auf der Rückseite lassen mich vor allem die “Instrument”-Buchsen aufhorchen. Ein externes (Melodie-) Instrument kann hier angeschlossen werden. Spielt man nun einen Akkord oder eine Melodie auf einer eingestöpselten Gitarre oder einem Keyboard, analysiert das VE-500 die tonalen Informationen in Echtzeit und nutzt sie als Grundlage für Harmonie/Autotune/Vocoder-Effekte. Natürlich kann man die Tonart des Harmonizers auch manuell einstellen, die intuitive Ebene durch ein externes Instrument ist jedoch ein interessantes Zusatzfeature. Um das entsprechende Instrument trotzdem mit “Original”-Output spielen zu können, kann es via “Through”-Ausgang unbearbeitet beispielsweise zum Pedalboard durchgeschleust werden. Schlau.
Allerdings handelt es sich hier kaum um die Verewigung des “Prismizer”-Effektes aus dem Hause von Bon Iver/Francis & The Lights: Der Boss-Algorithmus schließt anhand externer Instrumente lediglich auf die Tonart/Skala. Die tatsächlich klingenden Harmonie-Intervalle basieren jedoch immer noch auf der Einstellung im VE-500 und nicht auf den Einzeltönen des gespielten Akkordes, wie es beim “Prismizer” der Fall ist. Im VE-500 kann auf den Halbton genau bestimmt werden, welche Intervalle zum gesungenen Ton erklingen sollen.

Fotostrecke: 4 Bilder Die Rückseite des VE500 mit allen Anschlußmöglichkeiten

SOFTWARE

Externe Kontrolle ist auch auf digitalem Wege über (USB-) MIDI und eine Editor-Software möglich.
Wer bei seinen Vocal-Sounds ins Detail gehen will, dem sei diese Software ans Herz gelegt. Zwar lassen sich jegliche Einstellungen auch am Gerät tätigen, jedoch werden in der Software alle Parameter eines Patches sehr übersichtlich angezeigt. Das Gerät selbst ist logischerweise eher performance-orientiert. Es ist recht anspruchsvoll, bei dem kleinen Bildschirm einen Überblick über all die Möglichkeiten und aktuellen Einstellungen zu behalten, da tappt man unter Umständen schnell im Dunkeln beziehungsweise bleiben viele Möglichkeiten unentdeckt. Da kommt die Editor Software ins Spiel: Sie bietet am Rechner genug Raum und Zeit, wirklich alle Einstellungen bis ins letzte Detail nachvollziehen zu können. Das stolze Angebot an Effekten, Details und Speicherplätzen wurde mir erst so richtig bewusst, als ich die Editor Software öffnete. Hier dürfte man bis ins letzte Detail auf schnellem Wege an das klangliche Ziel gelangen. Wenn es mal schnell und pauschal gehen soll, lassen sich aber wie gesagt auch diverse und vor allem wesentliche Einstellungen mit etwas Tipperei in dem Gerät selbst tätigen. Auf dem Papier wirkt das VE-500 wie ein unfassbar vielseitiges Vocal-Pedal, das kaum Wünsche offen zu lassen scheint. Kann es die technischen Möglichkeiten auch klanglich ausfüllen?

Fotostrecke: 3 Bilder Bedienoberfläche der Editor Software

Praxis

Workflow

Wie so oft bei Multi-Effekten ist das Verhältnis der Parameter-Anzahl zu den Bedienelementen auf der Frontplatte stark unausgeglichen. Intuitive, ausufernde Klangexperimente auf der Bühne erfordern mehr Schalter und Knöpfe. Funktionen wie der Looper oder Tap Tempo taten sich beispielsweise erst nach einer längeren Suche in den Submenüs auf. So dürfte das VE-500 auf der Bühne wohl ein Preset-Pedal bleiben, die riesige Palette an Klangdetails müssten zuvor im Studio/Proberaum in akribischer Handarbeit oder mittels der sehr nützlichen Editor Software eingestellt werden. Geht es dann aber auf die Bühne, erfolgt die reine Anwahl der voreingestellten Sounds durch das System mit den drei Fußschaltern sehr straight und unmissverständlich.

KLANG

Der Reverb hat einen angenehm milden Grundsound und lässt sich je nach Anlass von sanftem “Enhancement” bis hin zu deutlich hörbaren Räumen und Hall-Fahnen variieren. In den Submenüs finde ich hierfür diverse hilfreiche Parameter wie einen High Cut oder Pre Delay. Insgesamt sind fünf klassische Reverb-Algorithmen (Room, Hall, Plate, Ambience, Mod) im Angebot, deren separate Vorstellung hier doch ein wenig den Rahmen sprengen würde.

Audio Samples
0:00
Reverb Plate Reverb Mod

Das Delay, welches klanglich an die hauseigene “Digital Delay” von Boss erinnert, macht ebenfalls einen guten Job und lässt sich aufgrund der Selbst-Oszillation auch für experimentelle Modulations/Pitch-Effekte nutzen. Neben einem einfachen Mono Delay sind hier auch Stereo-Echos möglich.

Audio Samples
0:00
Delay

Der Vocoder bietet verschiedene synth-basierte Carrier wie Saw, Square etc. Aber auch ein “Talk Box”-Sound ist mit an Bord, der die alte, große Kiste mit dem Schlauch nahezu überflüssig macht. Nutzt man die eigene Stimme als Modulator, lassen sich die Vocoder-Harmonien/Melodien via externem Instrument kontrollieren. Mischt man dieses Signal dann der Originalstimme bei, kommen dabei warm anmutende, blühende Stimmwelten heraus. Nicht so schön wird es, wenn die Stimme gleichzeitig Modulator und Melodiegeber ist. Sie wird dann erst einmal hörbar durch einen Auto-Tune geschickt, bevor der tatsächliche Vocoder-Effekt eintritt.

Audio Samples
0:00
Vocoder Talk Box Octave Vocoder Source: Mic Vocoder Source: Guitar

Die Einstellung der Tonskala/-art, auf deren Basis der Harmonizer arbeitet, gestaltet sich etwas unübersichtlich. Alternativ erkennt das Pedal Harmonie-Informationen auch über den Anschluss eines externen Instrumentes, was beispielsweise für Gitarristen interessant ist: Ist diese Hürde durchstanden und ein Workflow wurde auserkoren, so erhält man solide, hier und da leicht plastisch klingende Harmonien.

Audio Samples
0:00
Harmonizer
Mit seinen 170 x 138 x 62 mm nimmt das VE-500 etwa doppelt so viel Platz auf einem Pedalboard ein, wie ein herkömmliches Boss Pedal.
Mit seinen 170 x 138 x 62 mm nimmt das VE-500 etwa doppelt so viel Platz auf einem Pedalboard ein, wie ein herkömmliches Boss Pedal.

Die Intensität des Pitch Correction Effektes ist leider nicht stufenlos regelbar, sondern in vier Härtegerade aufgeteilt. Während man bei den kleineren Härtegraden kaum einen Effekt feststellt – was positiv und negativ sein kann – sind vor allem im “Robot”-Modus sehr abstrakte, moderne Klänge möglich.

Audio Samples
0:00
Auto Tune Extreme Auto Tune Robot

Ein Zwischenresümee: Viele der Effekte klingen hier und da ein wenig dünn und digital. So bin ich auch beim Distortion Effekt ein wenig enttäuscht, welcher recht kratzig, mittenlastig und nicht wirklich organisch oder natürlich klingt. Das VE-500 bietet zwar eine große Auswahl an Effekten, in deren Klangnuancen wäre allerdings ein wenig mehr Feenstaub und Finesse wünschenswert gewesen. Wie sagt man so schön: Qualität vor Quantität. Jedoch präsentiert sich das Pedal auch von vornherein mehr als ein Multi-Effekt-Pedal und behauptet keineswegs, ein detailverliebter Boutique-Effekt zu sein.

Audio Samples
0:00
Distortion

Dass der ambitionierte Klangforscher und Experimentliebhaber mit dem “VE-500” durchaus seinen Spaß haben kann, beweisen Effekte wie “Rotary” oder “Granular“, die mithilfe der Potis einiges an Schrauberei erfahren können.

Audio Samples
0:00
Special FX Granular Special FX Rotary

Fazit

Das BOSS VE-500 besticht besonders durch seine enorme Vielseitigkeit und die intelligente Einbindung externer Instrumente in den Workflow. Klanglich brilliert die Stompbox weniger durch ihren etwas dünn und pauschal anmutenden Grundsound, vielmehr ist es die unglaubliche Menge an möglichen Sounds und Parametern, die sich dank einer smarten Software bis ins Detail editieren lassen. Live erfolgt die Bearbeitung eher mühsam durch die minimalistische Bedienoberfläche, welche wiederrum auf der Bühne durch ihre Übersichtlichkeit sehr hilfreich ist. Für klangorientierte Sänger und Sängerinnen ist die Stompbox ebenso interessant wie für Instrumentalisten, die live beispielsweise Backing-Vocals beisteuern.

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • großes Angebot an Sounds
  • solide Verarbeitung
  • viele Bearbeitungsmöglichkeiten
  • übersichtlicher Live-Workflow
  • hilfreicher Software Editor
  • Einbindung externer Instrumente/MIDI
Contra
  • Klang etwas dünn/mittenlastig
  • Detailbearbeitungen live nur schwer umsetzbar
  • keine Kombi-Output-Buchsen
Artikelbild
BOSS VE-500 Test
Für 425,00€ bei
Der jüngste Sprössling der BOSS VE Reihe lässt rein technisch für Vocalisten kaum Wünsche offen.
Der jüngste Sprössling der BOSS VE Reihe lässt rein technisch für Vocalisten kaum Wünsche offen.
Technische Spezifikationen
  • Enhance-Sektion für den Grundsound + Hall, Delay, Modulation, Verzerrung, EQ, Filter sowie diverse Effekte für die weitere Klangbearbeitung
  • eigenständiger Looper
  • XLR-Mikrofoneingang mit einstellbarer Empfindlichkeit und aktivierbarer Phantomspeisung
  • Stereo-Out (XLR)
  • drei zuweisbare Fußschalter
  • zwei Expression-Pedal Anschlüsse
  • 99 User-Speicherplätze zum Abspeichern von Patches
  • drei zuweisbare Potis
  • MIDI- und USB-MIDI-Eingang zur Integration einer Harmony/Pitch-Engine aus einem externen MIDI-Keyboard
  • Graphic LCD
  • Instrumenten/Thru-Eingänge (6,3 mm Klinke) zum Anschluss bzw. Durchschleifung externer Instrumente
  • DC Netzteileingang (Netzteil im Lieferumfang enthalten)
  • Ladenpreis: 399,00 Euro (Dezember 2018)
Hot or Not
?
1_Boss_VE_500_011FIN Bild

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • Subtle Compressor Tones with the Wampler Mini Ego 76 Compressor!
  • Atmospheric Fingerpicking on the Harley Benton HBJ-45E
  • iZotope Ozone 12 Bass Control Demo (no talking)