Zwei Singles ihres ersten Albums waren bereits gefloppt – die britische Band Culture Club um Paradiesvogel Boy George hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, mit ihrem 1982er-Debütalbum „Kissing To Be Clever“ den erhofften Durchbruch zu schaffen. Die dritte Single „Do You Really Want To Hurt Me“ brachte dann endlich die Wendung. Nach drei Wochen an der Spitze der britischen Charts folgten Nummer-1-Platzierungen in weiteren 23 Ländern! „Do You Really Want To Hurt Me“ ist eine erfrischende Mischung aus Pop, New Wave und Reggae. Letzteres trägt zu einer rhythmisch und melodisch interessanten Bassline bei, die aus der Feder von Bassist Mikey Craig stammt. Bis heute ist der Song noch immer täglich im Radio zu hören und begeistert mit seinem zeitlosen Sound. Höchste Zeit also, dieser Perle der 80er-Jahre einen eigenen Bass-Workshop zu widmen.
„Do You Really Want To Hurt Me“ – Video
Im diesem Video kann man noch einmal sehr gut sehen, warum Frontmann Boy George 1982 für Aufsehen gesorgt hat:
„Do You Really Want To Hurt Me“ – Rhythmik
Eigentlich weist Mikey Craigs Beitrag viele Aspekte einer typischen Reggae-Bassline auf. Alles ist sehr fließend, in der Regel haben wir es mit einer Kette an Tönen zu tun, und es stehen keine einzelnen Synkopen isoliert im Raum. Grundsätzlich basiert die Bassline auf Achtelnoten, die Sechzehntel sind eher als Variation zu sehen.
Bassist Mikey Craig greift hier ausschließlich auf zwei Varianten zurück. Entweder teilt er die erste Achtel einer Viertel in zwei Sechzehntel auf, oder er wählt die Kombination Sechzehntel-Achtel-Sechzehntel, um eine Viertel in mehrere rhythmische Bestandteile zu zerlegen. Wie so häufig im Reggae ist die ständige Repetition der Schlüssel zum typischen hypnotischen Feeling. Das rhythmische Motiv ist hier genauso wichtig wie das melodische!
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„Do You Really Want To Hurt Me“ – Tonmaterial
Die Form des Culture-Club-Hits ist etwas ungewöhnlich, denn es gibt keinen klaren Vers oder Chorus. Nach Analyse der Akkorde „des Teils mit Gesang“ ergibt sich schnell die Lösung G-Dur. Mikey Craigs Bassline bestätigt dies dann auch noch einmal. Die entsprechenden Töne lauten: G, A, B, C, D, E und F#. Hier und da schleicht sich eine kleine chromatische Überleitung ein.
Abgelöst wird der Vers/Chorus von einem instrumentalen Abschnitt. Hier wechseln wir mit den Akkorden Bb, Ab und G-Moll kurz in die – Achtung, aufgepasst! – parallele Dur-Tonart der Moll-Subdominante. Kurz gesagt: Es geht nach Eb-Dur! Mikey geht hier auf Nummer sicher und beschränkt sich auf Grundton, Quinte und Oktave der jeweiligen Akkorde.
Im letzten Drittel des Tracks erwartet uns noch ein Unisono-Riff von Gitarre und Bass, welches auf der G-Moll-Tonleiter basiert. Tja, so war das in den 80er-Jahren, da ging es auch in der Popmusik harmonisch noch ganz schön zur Sache!
„Do You Really Want To Hurt Me“ – Spieltechnik und Basssound
Schon nach dem ersten Ton hört man den unverkennbaren Music-Man-Sound. Ich vermute entweder ein Stingray- oder ein Sabre-Modell mit der klassischen zweibandigen „Boost Only“-Elektronik. Eine typische Einstellung ist hier „Alles auf 10“, Bässe und Höhen sind also maximal angehoben – und exakt so klingt es auch auf dem Hit von Culture Club!
Die präsenten Höhen sprechen nicht für einen Verstärker mit Box, sondern eher dafür, dass der Bass direkt ins Pult gespielt wurde. Ein hochwertiger Preamp und ein Kompressor sind hier eher wahrscheinlich. Meine Wahl fiel auf meinen 78er Stingray mit allen Reglern voll aufgedreht, einen Origin Effects Cali76 Bass Compressor und auf die Ampeg SGT-DI, bei der aber nur der Preamp zum Einsatz kam.
„Do You Really Want To Hurt Me“ – Transkription
Hier findet ihr die Noten, TABs und das von mir eingespielte Klangbeispiel.
Viel Spaß und bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt!