Fors Chiral und Doublet Test

 

Fors_Chiral_und_Doublet_Test

Seit seiner Einführung durch Ableton wird Max for Live von immer mehr Entwicklern als Plattform für Innovation und Experimente angenommen. Im Oktober 2020 trat Fors aus Schweden auf den Plan, das neue Unternehmen von Ess Mattisson, dem Engine- und Sounddesigner hinter dem Elektron Digitone sowie dem Elektron Model:Cycles, und Felisha Ledesma. 
Fors hat in diesem Jahr bereits zwei spannende Synthesizer auf Basis von Max for Live veröffentlicht –Chiral und Doublet. Insbesondere durch die Integration von MPE-Support für Chiral in Ableton Live 11 positioniert sich Fors dabei an vorderster Front, was neue Technologien angeht. Wir haben uns die beiden Klangerzeuger genauer angesehen – und auch einen Blick auf ein Bundle-Angebot geworfen.

Details

Quick Facts: Was ist Max for Live?

Max for Live ist eine Adaption der Entwicklungsumgebung Max/MSP für Ableton Live. Mit ihr können Synthesizer, MIDI-Tools und Effekte in Form von Ableton-Live-Geräten entwickelt werden. Neben einer weltweiten Community an Entwicklern programmieren auch die Macher der DAW selbst immer wieder neue „Max for Live“-Geräte, zuletzt etwa die Synth- und Effektreihe „Inspired by Nature“. Mithilfe von Max for Live können neuartige Klänge für Produktionen erzeugt und die DAW zu einer noch flexibleren Umgebung gemacht werden.

Chiral und Doublet

Nach dem Kauf über den Fors-Webshop erhältst du pro erworbenem „Max for Live“-Gerät ein „Ableton Live Pack“ in Form einer .alp-Datei. In dieser findet sich neben dem jeweiligen Synth ein Demo-Projekt als .als-Datei. Öffne das Paket und ziehe die Inhalte in deine Ableton Live User Library, links im Hauptfenster der DAW. Dort kann man die extern erworbenen „Max for Live“-Geräte in Ordnern sortieren. Anschließend kann man an das Demo-Projekt ran und sich mit der inkludierten englischen Anleitung mit den Synths vertraut machen.

Fotostrecke: 2 Bilder Chiral und …

Dann kann es losgehen. Wir gehen zunächst auf Chiral und dann auf Doublet ein. Beide verfolgen visuell einen ähnlichen Ansatz, weshalb es kurz um allgemeine Gemeinsamkeiten und Unterschiede gehen soll. 
Links findet man jeweils eine Sektion für die Soundquellen, komplett mit visualisierten Wellenkurven. Diese erleichtern den Zugang zur Klangerzeugung der beiden Geräte. Rechts daneben befindet sich die Abteilung für die Modulation – Hüllkurven, LFOs und andere Modulatoren stehen hier zum Erstellen komplexerer Sounds bereit. Während Doublet mit einer Unison-Option fettere Sounds erzeugt, lässt sich Chiral dank einer vollständigen ADSR-Hüllkurve flexibler konturieren. Außerdem verfügt letzteres Gerät über einen integrierten Saturierungseffekt und einen Halleffekt.

Praxis

Chiral in der Praxis

Bleiben wir direkt bei Chiral. Für dessen bis zu 16-stimmig polyphone Sounds ist ein Sinusoszillator verantwortlich, dessen Phase geformt werden kann. Dies visualisiert ein geniales 3D-Oszilloskop direkt im Synth: Im Init-Zustand ist es eine Schlaufe in Form eines Möbiusbands und der Ton logischerweise der einer Sinuswelle. 
Dreht man dann an den Reglern „Bend“ und „Fold“, verzerrt sich das Konstrukt – und gleichzeitig das Timbre des Sounds. Ähnlich wie bei Wavefoldern entstehen Obertöne, denen noch Rauschen hinzugemischt werden kann. Von weich bis kratzig ist bei Chiral damit alles drin.

Komplettansicht von Fors Chiral mit Tonerzeugung, Modulation und Effekten
Komplettansicht von Fors Chiral mit Tonerzeugung, Modulation und Effekten

Tone, Slope, Reverb

Abschwächen kann man den Klang mit dem Tone-Regler, der ähnlich wie ein Tiefpassfilter funktioniert. Beim Modulieren helfen in Chiral neben der Hüllkurve noch ein LFO und ein Slope-Generator (Attack und Decay), der pro Tastenschlag einmal getriggert oder geloopt werden kann. Die Modulationsmatrix erlaubt es, diese beiden Funktionsgeneratoren auf Elemente der Klangerzeugung, die AM, das Filter und weitere Ziele zu routen. So entstehen auf kleinem Raum komplexe Patches, von denen wir schon nach wenigen Stunden mehrere für spätere Produktionen abspeichern konnten. 

Audio Samples
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Chiral Arp/Space Chiral FX Dry Chiral Pad/Space Chiral Sync Bass Dry Chiral Chords Dry

MPE an Bord

So intuitiv das aufgeräumte Interface von Chiral zu bedienen ist, so flexibel kann es dank MPE-Support mit Controllern wie dem Roli Seaboard gespielt werden. Abhängig vom Tastendruck und der Spielposition können die Sinuswellen so pro Note über die Matrix gefaltet, gebogen und verzerrt werden. 

Die Modulationsmatrix von Chiral ermöglicht MPE-Integration. (Foto: Lukas Hermann)
Die Modulationsmatrix von Chiral ermöglicht MPE-Integration. (Foto: Lukas Hermann)

Doublet in der Praxis

Doublet hat leider keinen MPE-Support, aber dafür eine fast noch spannendere Art der Klangerzeugung. Das „Max for Live“-Gerät kombiniert FM-Synthese und Wavetables. Wem das zu kompliziert klingt, braucht sich nicht zu fürchten: Die Expertise von Mattisson, die er beim Entwickeln des Digitone bewiesen hat, zeigt sich deutlich. Doublet ist kinderleicht zu bedienen und erzeugt auch bei extremen Einstellungen musikalisch brauchbare Ergebnisse.

Komplettansicht von Fors Doublet mit Tonerzeugung, Unison und Modulation
Komplettansicht von Fors Doublet mit Tonerzeugung, Unison und Modulation

Grund ist die reduzierte FM-Engine. Es gibt nur zwei Operatoren: einen klingenden Oszillator (Carrier) und einen zweiten, der ihn moduliert (Modulator). Beide können ihre Form auf Basis interpolierender Wavetables verändern. Dafür stehen je Oszillator drei Optionen bereit: X, Y und Bend, die die Welle entweder symmetrisch verformen oder nach links oder rechts stauchen können. Zusammen mit der FM-Hüllkurve für den Modulator sowie seinem Feedback-Regler für Selbstmodulation gibt es endlose Möglichkeiten zum Sounddesign. 

Die Klangerzeugung von Doublet kombiniert FM-Synthese und Wavetables.
Die Klangerzeugung von Doublet kombiniert FM-Synthese und Wavetables.

Passendes Filter und LFO

Weil wie bei Chiral auch hier schnell viele Obertöne entstehen, hilft ein Tiefpassfilter dabei, den FM-Sound bei Bedarf abzurunden. Seine Flankensteilheit kann fließend angepasst werden – ein netter Zug für subtile Klangbearbeitung. Dahinter hat Doublet zum Modulieren neben einer AHD-Hüllkurve wiederum einen Slope-Generator und LFO mit klassischen Wellenformen sowie einer Jitter-Funktion für zufällige Werte, Tempo-Sync, Reset und (clever für FM!) Pitchtracking.

Detailansicht der Modulationssektion von Doublet
Detailansicht der Modulationssektion von Doublet

Klanglich hält Doublet, was man von einem Mix aus FM und Wavetables erwartet. Obwohl es paradox klingt: Die Sounds des Synths sind metallisch und zugleich organisch, scharf mit weicher Kante sozusagen. Allen, die für beide Synthesetypen etwas übrig haben, tut sich hier eine riesige Spielwiese auf. Und: Klingt Doublet mal etwas dünn, weil sich manche Phasen oder Frequenzen der Operatoren nicht ganz vertragen, hilft die 3-stimmige Unison-Funktion weiter. Der Sound wird gleich fetter, wenn sie einen Tick aufgedreht wird.

Audio Samples
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Doublet Sequenz Dry Doublet Bass Dry

Passend dazu: Roulette und Bokeh

Unison ersetzt natürlich keinen Effekt wie den Hall von Chiral. Wohl auch deshalb bietet Fors Doublet als Teil eines Bundles mit zwei weiteren Max for Live Geräten an: dem algorithmischen Sequenzer Roulette und dem Doppeldelay Bokeh. Zusammen kosten das MIDI-Instrument, der Synth und das Effektgerät ca. 48 Euro, die einzelnen Geräte liegen bei je 18 Euro, du sparst also ein wenig beim Gesamtkauf. Das „Trio“, wie Fors es nennt, eignet sich für User, die auf der Suche nach komplexen Melodien sind. 
Roulette ist ein zweiteiliger Sequenzer, für den Grundwissen in Musiktheorie zwar nicht erforderlich, allerdings auch nicht hinderlich ist. Sein linker Teil generiert eine Notenabfolge, die auf eine Skala quantisiert werden kann. Der rechte Teil transponiert diese Folge dann rhythmisch auf Basis von Zahlenwerten. Wird etwa „0 5“ im Bereich „First Transpose“ eingegeben, alterniert die Sequenz zwischen dem Grundton und seiner Quinte.

In Kombination mit unterschiedlichen Melodie- und Patternlängen sowie deaktivierten Schritten entstehen polymetrische Melodien, die es mit generativen Sequenzen aufnehmen können. Tipp: Nimm die Melodien, falls sie für dein aktuelles Projekt nichts sind, trotzdem in MIDI-Spuren auf und archiviere sie für später. Irgendwann kannst du sie bestimmt gebrauchen.

Bokeh, das Max for Live Doppeldelay mit Blur-Effekt von Fors.
Bokeh, das Max for Live Doppeldelay mit Blur-Effekt von Fors.

Speist man mit Roulette-Noten erst Doublet und hängt Bokeh an, vermag es letzterer Effekt, den sich ständig verändernden Sequenzen ganz leichte Delays oder auch komplexe Klangwolken hinzuzufügen. Basis dafür sind zwei unabhängige Delay-Linien. Du kannst sie mit Feedback verstärken, mit EQ-Sektionen tonal formen und mit den „Blur“-Reglern in Richtung Hall verwischen lassen, was allerdings schnell eskalieren kann; sei vor allem darauf gefasst, schnell mal die Mute-Taste der Spur drücken zu müssen. Auch Pitch-Veränderungen sind machbar, für ganz verrückte Sounds.

Audio Samples
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Doublet & Bokeh Bass Doublet & Bokeh Reverb

Fazit

Chiral und Doublet sind die bis dato besten „Max for Live“-Geräte von Fors. Auch wer kaum Ahnung von Phasenformung, FM-Synthese oder Wavetables hat, wird Spaß an ihnen haben. Chiral ist dank des integrierten Halls komplett eigenständig brauchbar und erzeugt warme Ambientsounds genauso gut wie wilde FX-Schlachten – und das ist bei einem so übersichtlichen Interface ein großes Kompliment. 
Doublet hat meiner Meinung nach die spannendere Synthese-Art vorzuweisen, ist aber in Sachen Modulation und aufgrund fehlender Effekte ein klein wenig eingeschränkter. Dennoch sind beide Synths enorm innovativ und klingen vor allem richtig hochwertig.
Die Trio-Zusätze Roulette und Bokeh sind etwas experimenteller. Sie esoterisch zu nennen, ginge wohl zu weit, aber man muss sich definitiv auf etwas gefasst machen. Neugierige, die gern mit Knöpfen oder harmonischen Verhältnisse experimentieren, werden nach erstem Hadern allerdings mit zwei ganz eigenen Werkzeugen im Produktionsarsenal belohnt.

PRO

  • innovative Synthesearten
  • übersichtliches Interface-Design
  • kreative Optionen und Modulationsmöglichkeiten
  • MPE-Support (bei Chiral)

CONTRA

  • steilere Lernkurve beim „Trio“ mit Roulette und Bokeh
Fors_Chiral_und_Doublet_Test

Preise

  • Chiral: ca. 30 Euro
  • Doublet: ca. 18 Euro
  • „The Trio“ (Doublet, Roulette, Bokeh): ca. 48 Euro
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
Contra
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Fors Chiral und Doublet Test
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