Heritage Audio HA-609A Elite Test

Es gibt einen neuen Neve-Klon. Braucht keiner? Diesen vielleicht schon.

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Heritage Audio ist ein bekannter Neve-Nachahmer, wobei Nachahmer auf die schmeichelhafteste Art zu verstehen ist, denn die Spanier zeichnen die ehrwürdigen Geräte präzise und würdevoll nach. Der Heritage Audio HA-609A aus der Elite-Series ist sehr nah am Original gehalten.

Details

Gut abgeschrieben

Wem das Stichwort Diodenbrücke im Zusammenhang mit Heritage Audio bekannt vorkommt, irrt nicht, denn die Firma veröffentlichte 2019 bereits denHeritage Audio Successor, der ebenfalls an den Neve 33609 angelehnt ist. Im Gegensatz zum Successor ist der HA-609A, genau wie das Original, als Dual-Mono Gerät mit zwei identischen Kanälen aufgebaut und verfügt über getrennte Kompressor- und Limitersektionen.

Sowieso ist der Heritage Audio HA-609A nah am Original. Wenn man die Frontplatten vergleicht, fällt auf, dass alle Regler, Schalter und Anzeigen übernommen wurden. Selbst die Wertebereiche der Release-Zeiten und Ratios ist identisch mit dem 33609. Bei den Reglern wurde auf Old-School Neve-Knöpfe gesetzt und statt Kippschaltern hat der HA-609A Druckschalter. Das war es dann aber auch schon mit den Unterschieden.

Fotostrecke: 3 Bilder Der Heritage HA-609A ist ein detailgetreuer Neve 33609 Klon.

Links beginnt der Kanal mit der Limiter-Einheit. Der Threshold kann zwischen 0 und +20 dBU gesetzt werden, die Releasezeit reicht in vier Stufen von 50 ms bis 800 ms. Außerdem gibt es noch zwei Automaik-Modi, die Pegelspitzen anders behandeln als homogene Signale: A1 gibt Pegelspitzen eine Release-Zeit von 50 ms und ansonsten bis zu 800 ms Release, während A2 mit 50 ms und 1,5 s etwas gemütlicher zur Sache geht. Die Attack-Zeit kann mittels Schalter zwischen “ATTACK FAST” oder normal gewählt werden, wobei Heritage Audio keine Angaben über die genauen Zeiten macht. Der Limiter kann für jeden Kanal einzeln aus dem Signalweg genommen werden.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Anschlüsse sind spartanisch: rein und raus.

Der Kompressor ist ähnlich aufgebaut, auch hier gibt es den Knopf für schnellen Attack, Threshold und Release, wobei die Release-Zeiten mit 100 ms bis 1,5 s etwas langsamer sind als beim Limiter. Die beiden Automatik-Programme besitzt der Kompressor ebenfalls. Die Ratio reicht von 1,5:1 bis 6:1 und macht klar, dass für das Limiting ausschließlich die Limiter-Einheit zuständig ist.

Der Lautere gewinnt

Der Stereo-Link ist erstmal verwirrend, wenn man nicht weiß, was vor sich geht. Es werden nicht die Reglereinstellungen eines Kanals für beide übernommen, sondern die stärkere Gain-Reduction wird auch auf den anderen Kanal übertragen. Release, Makeup-Gain und Attack müssen händisch übernommen werden. Daher lohnt es sich im Stereobetrieb, einen Kanal zum Master zu bestimmen und im anderen Kanal den Threshold auf Maximum zu stellen, damit die Kanäle sich nicht in die Quere kommen.
Pro Kanal arbeiten im Heritage ganze drei Carnhill-Transformer. Je einer für Ein- und Ausgang und ein weiterer vor dem Makeup-Verstärker. Das dürfte für einiges an Färbung sorgen. Ansonsten geht es im Inneren des HA-609A reduziert und aufgeräumt zu.

Fotostrecke: 4 Bilder Innenansicht des HA-609A

Ein hübsches Detail ist das Metering. Die beiden VU-Meter sind wie beim Vorbild diagonal versetzt von einander angeordnet und mit je zwei LEDs sehr gut ausgeleuchtet. Darunter finden sich zwei weitere Bypass-Schalter, diesmal für das ganze Gerät, sodass wir jetzt bei insgesamt sechs Bypass-Schaltern sind. Aktiviert man den Kanalbypass, erlischt das Licht im VU-Meter, sodass sofort erkennbar ist, was aktiviert ist und was nicht. Angenehmerweise gibt es auch einen Netzschalter auf der Vorderseite. Das Netzteil ist extern und kommt mit Spannungen zwischen 100 V und 240 V klar, sodass sich der HA-609A auch in anderen Teilen der Welt ohne Probleme mit dem Stromnetz anfreunden kann.

Praxis

Ein haptisches Erlebnis

Das Gehäuse, in dem der Heritage Audio HA-609A untergebracht ist, gehört zur annähernd unverwüstlichen Sorte. Auch die restlichen Komponenten tragen dazu bei, dass man mit dem HA-609A ein wirklich fabelhaftes haptisches Erlebnis hat. Alle Regler haben einen sehr angenehmen Drehwiderstand und sind zudem gerastert. Weil die Druckknöpfe weiß auf grauem Untergrund sind, ist ihr Zustand sehr gut abzulesen ist. Die Potis sind mit der Frontplatte verschraubt und die Poti-Kappen sind mit den Achsen verschraubt. Hier wackelt wirklich gar nichts. Schade ist lediglich, dass die VU-Meter nur die Gain-Reduction anzeigen können und nicht bei Bedarf Eingangs- oder Ausgangspegel. Aber auch das ist dem Neve 33609 nachempfunden. “Moderne” Zusatzfeatures wie Dry/Wet-Regler, Sidechain-Filter oder Eingänge für externe Steuersignale sucht man vergeblich. Der HA-609A ist ein Purist.

Die VU-Meter zeigen lediglich die Gain-Reduction an.
Die VU-Meter zeigen lediglich die Gain-Reduction an.

Bessermacher

Klanglich ist der Heritage Audio HA-609A ein vielseitiges Werkzeug. Er sorgt für eine sehr angenehme Anreicherung mit Obertönen, die dynamisch auf das Signal reagiert. Auffällig ist, dass diese Färbung schon bei recht niedrigen Pegeln entsteht. Bis man dem HA-609A allerdings richtige Zerrsounds entlocken kann, muss man schon mächtig laute Signale in das Gerät schicken. Erkennbar ist das am besten an der Klangbeispielreihe mit dem E-Bass. Das Gerät klingt gut im Grenzbereich und kann auch aggressiv zuschnappen, aber wirklich zu Hause ist der HA-609A auf dem Mix- oder Drum-Bus. Hier können Kompressor und Limiter in Arbeitsteilung locker ihr Ding machen und Mix oder Drums ordentlich “Glue” mitgeben. Auf Vocals sorgt der Kompressor mit Leichtigkeit für angenehme Sättigung. Gefühlt verleiht der HA-609A dem Signal direkt eine griffige Struktur.

Audio Samples
0:00
E-Bass trocken E-Bass, Kompressor, Gain-Reduction:3 dB, Release:800 ms, Attack:Slow E-Bass, Limiter & Kompressor, Gain-Reduction:6 dB, Release:100 ms, Attack:Fast E-Bass, Limiter & Kompressor, Gain-Reduction:15 dB, Release:100 ms, Attack:Fast Drum-Bus trocken Drum-Bus, Kompressor, Gain-Reduction:3 dB, Release:400 ms, Attack:Slow Drum-Bus, Kompressor, Gain-Reduction:6 dB, Release:A1, Attack:Fast Drum-Bus, Limiter & Kompressor, Gain-Reduction:12 dB, Release:100 ms, Attack:Fast Drum-Bus, Limiter & Kompressor, Gain-Reduction:15+ dB, Release:100 ms, Attack:Fast E-Gitarre trocken E-Gitarre, Kompressor, Gain-Reduction:3 dB, Release:400 ms, Attack:Slow E-Gitarre, Kompressor, Gain-Reduction:6 dB, Release:100 ms, Attack:Fast E-Gitarre, Limiter & Kompressor, Gain-Reduction:12 dB, Release:100 ms, Attack:Fast Vocals trocken Vocals, Kompressor, Gain-Reduction:3 dB, Release:400 ms, Attack:Slow Vocals, Limiter, Gain-Reduction:3 dB, Release:800 ms, Attack:Slow Vocals, Limiter & Kompressor, Gain-Reduction:9 dB, Release:100 ms, Attack:Fast

Kaum Rauschen

Die Rauschanfälligkeit, für die die Diodenbrücken-Kompressoren berüchtigt sind, ist beim Heritage Audio HA-609A zum Glück zu vernachlässigen. Auch bei maximalem Makeup-Gain macht sich das Grundrauschen des HA-609A kaum bemerkbar.

Heritage HA-609A in Benutzung
Heritage HA-609A in Benutzung

Fazit

Der Heritage Audio HA-609A ist ein tolles, musikalisches Werkzeug für Mix-Bus und Drums. Der HA-609A ist aber ohne Probleme auch auf anderen Signalen einsetzbar. Er wird dem Anspruch einer hervorragenden Kopie absolut gerecht. Nun mag man natürlich finden, dass knapp 1900 Euro viel Geld für eine Kopie ist. Das stimmt. Bedenkt man jedoch, dass das Vorbild in etwa den doppelten Betrag kostet, sieht es schon wieder anders aus.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • warmer Klang
  • leicht einzustellen
  • vielseitig einsetzbar
  • schöne Obertöne
  • rauscharm
  • hervorragende Verarbeitung
Contra
  • Metering nur Gain-Reduction
Artikelbild
Heritage Audio HA-609A Elite Test
Für 1.850,00€ bei
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Features und Spezifikationen
  • Dual-Mono/Stereo Kompressor und Limiter
  • Class-A-Diodenbrückenschaltung
  • zwei XLR-Eingänge
  • zwei XLR-Ausgänge
  • Ratio von 1,5:1 bis 6:1
  • Drei Carnhill Transformer pro Kanal
  • Release Kompressor zwischen 100 ms und 1,5 s
  • Release Limiter zwischen 50 ms und 800 ms
  • True-Bypass
  • Stereo-Link
  • externes Netzteil (100 V bis 240V)
  • Preis: € 1799,–(Straßenpreise am 27.05.2020)
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Robert sagt:

#1 - 29.05.2020 um 11:00 Uhr

0

Thanks! The Bonedo tests are always excellent. Removes i.a. the low-end of the kick... Nature of the beast, but would really like to keep those freq.

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