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Kaotica Eyeball Test

Kaotica Eyeball im Test bei bonedo – Testberichte in unserem Online-Magazin beziehen sich größtenteils auf Instrumente und technische Geräte, diesmal ist es allerdings “nur” ein rundes Stück Schaumstoff. Dieses kugelförmige Objekt wird komplett über ein Studiomikrofon gezogen und soll laut Hersteller das Klangergebnis stark verbessern, indem es den Klang direkt zum Mikrofon kanalisiere und ihn derart isoliert, dass man quasi überall aufnehmen könne.

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Ich möchte mein wachsames Auge und mein nicht minder wachsames Ohr (besser jeweils zwei davon) diesem Wunderball widmen. Es ist nun nicht so, also würde die ganze Welt davon reden, doch Aufsehen hat er zumindest schon erregt.

Details

Der Eyeball konnte auch iBall heissen…

…alleine schon, was seine Verpackung angeht. Der knapp 20 Zentimeter durchmessende Schaumstoffball ist in einem Displaykarton eingepackt und glotzt einen an wie ein Zyklop. Befreit man den Eyeball aus der Verpackung, erkennt man auch schon, wie er benutzt wird: An seiner Unterseite befindet sich ein Loch, mit dem das Objekt auf einem Pappzylinder zentriert wird. Ebendieses Loch dient dazu, den Eyeball über ein Großmembranmikrofon zu stülpen, um es durch die große Öffnung, die wahlweise mit dem blau bespannten Poppschutz abgedeckt wird, zu besprechen. Das war es prinzipiell auch schon mit der Beschreibung der Anwendung.

Fotostrecke: 3 Bilder Schöne Display-Verpackung

Ziele des Kaotica Eyeball

Der Eyeball, zwar nicht kompakt, aber dafür wirklich federleicht, soll überallhin mitgenommen werden können, um unabhängig vom Aufnahmeort immer den gleichen Sound zu ermöglichen – das Schlagwort lautet “Portable Studio Booth”. Seine Beschaffenheit habe die Eigenschaft, die Einwirkungen auf das aufgenommene Signal zu minimieren und ein “pures” Signal zu erhalten. “Phasenanomalien” und Auslöschungen in akustisch schlechten Umgebungen sollen verhindert werden können. Dagegen ist prinzipiell nichts zu sagen, denn es wird schwierig für reflektierten Schall, auf direktem Wege die Mikrofonmembran zu erreichen, die schließlich nur axial zugänglich ist. Dies gilt zumindest für hohe Frequenzen, alleine konzeptionell ist es so gut wie unmöglich, mit ein paar Zentimetern Schaumstoff signifikante Änderungen im Mitten- und Bassbereich zu verursachen – es gibt in der Raumakustik die “Lambda-Viertel”-Regel, nach der eine Frequenz erst nahe des Viertels der Wellenlände effektiv zu bedämpfen ist. Bei 1 kHz beträgt Lambda/4 noch immerhin 8,5 Zentimeter, bei 100 sogar 85 Zentimeter. Das Problem ist, dass Auslöschungen (und Überhöhungen) durch den Kammfiltereffekt im Höhenbereich gemeinhin weitaus weniger schwerwiegende Auswirkungen haben als darunter.

Nahansicht des Eyeball mit installiertem Poppschutz
Nahansicht des Eyeball mit installiertem Poppschutz

Frequenzgang mit und ohne Eyeball identisch – Wunderwaffe?

Kaotica stellen eine vergleichende Frequenzgangmessung bereit, die den Frequenzgang eines Mikrofons mit und ohne den Eyeball zeigt, um darzustellen, dass nicht mit Veränderungen zu rechnen ist. Beide Frequenzgänge der Messung sehen sich äußerst ähnlich, was kein Wunder ist: Messungen dieser Art werden üblicherweise im reflektionsarmen Messraum durchgeführt, sodass von Wänden, Decke und Fußboden sowieso kein Signal zum Mikrofon dringt. Dadurch wird nur der Direktschall gemessen. Und ob mit Ball oder ohne, der Schall, der zur Membran dringt, wird bei axialer (also “frontaler”) Positionierung der Schallquelle direkt auf die Membran treffen. 
Allerdings hat es gute Gründe, dass Tonstudios seit ihres Aufkommens eben nicht komplett schalltot gemacht werden, sondern mit der gezielten Steuerung von Reflexionen arbeiten – denn diese gehören zum natürlichen Schallempfinden zwingend dazu. Sicher sind harte Reflexionen durch eine Wand möglicherweise störend, doch kann jeder, der einmal einen Messraum betreten hat, bestätigen, dass dieser vor allem unnatürlich wirkt. Natürlich kann es vorkommen, dass in jedem Fall die vorhandene Akustik eine Katastrophe ist – aber dort wird man eher nicht aufzeichnen wollen. In jedem normalen Wohnraum lässt sich bei nicht allzu entfernter Mikrofonierung eine Position für die Aufnahme von Vocals finden, mit der man zumindest ordentlich arbeiten kann. 

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Praxis

Es gibt sehr, sehr viele verschiedene Mikrofone. Der Kaotica Eyeball passt aber selbstredend nicht auf alle, es muss schon eine Standardgröße sein. Ein MG UM 92.1S ist ein wenig zu dünn, um den Ball selbst halten zu können. Damit dies möglich ist, sollten es mindestens vier Zentimeter sein, sind es weniger, muss der Ball eben irgendwo aufliegen. In einigen Beispielvideos zum Kaotica ruht der Ball auf den Armen einer Mikrofonspinne (die ja im Übrigen fest mit dem Ständer verbunden sind, nicht mit dem Mikrofon…). 

Fotostrecke: 2 Bilder Dieses Mikrofon ist zu schmal…

Ein CAD E 200 oder ein M 149 Tube wären deutlich zu dick und würden den Ball beschädigen. Die typische, konische U-67-Form ist gut geeignet, durch das flexible Material lässt sich die Höhe recht gut einrichten. Kleine Mikros, wie etwa das TLM 103, sind jedoch nicht hoch genug, auch “Front-Address”-Mikrofone, solche mit besonderer Bauform, ich denke da an Blue und einige Bändchen sowie natürlich fast alle Kleinmembraner – aber im Regelfall werden bekanntlich Großmembran-Kondensatormikrofone benutzt. Ich installiere den Eyeball auf einem solchen und vergleiche die Signale des Sängers.

Audio Samples
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normaler Reflexionsfilter Kaotica Eyeball

Ich stelle fest: Veränderung: Ja. Verbesserung: Eigentlich nicht. Natürlich verringert die Konstruktion die Reflexionen im Höhenbereich, aber das in den wenigsten Fällen wirklich gut. Und um ausschließlich ein Direktsignal zu erhalten, was je nach Situation teilweise durchaus gewünscht sein kann, kann man auch zu anderen Mitteln greifen, die der Studiobetrieb oder sogar eine Durchschnittswohnung bereithalten. Ich habe schon Mikrofon und Sängerin unter eine Daunendecke gesteckt, um einen nahen und geradezu klaustrophobischen Sound zu erlangen.
Aber ganz im Ernst: Wäre eine derartige Konstruktion akustisch überwiegend sinnvoll und der resultierende Sound das Ziel tontechnischen Bestrebens, dann würden Mikrofone genau so aussehen. Das tun sie aber nicht. Denn: Ist der von Kaotica propagierte “pure vocal tone” überhaupt wünschenswert? Diesem Ziel näher kommen würde man vermutlich, wenn man Kontaktmikrofone (wie die von Barcus Berry) an Hals, Stirn und Brustkorb eines Vokalisten befestigen würde. Ich weiss, dass ich mich wiederhole: Es ist in den meisten Fällen nicht erstrebenswert – und nebenbei gesagt: durch den Eyeball alleine konzeptionell auch nicht möglich, ein Signal einiger seiner wichtigen Bestandteile zu berauben. Wer schon mal den Fehler begangen hat, ein Streich- oder Holzblasinstrument zu nah zu mikrofonieren, der weiss, wovon ich rede – und künstlicher Nachhall kann auch nicht alles wieder gutmachen, sollte man wissen.
Mikrofone unterscheiden sich nicht zuletzt durch die Art und Weise, mit der Signale aufgezeichnet werden, die eben nicht frontal einfallen. Es wird oft viel Mühe seitens der Hersteller darauf verwendet, Polardiagramme möglichst breitbandig und mit sanften Verläufen zu gestalten, da ist es kaum hilfreich, mit dem Eyeball die Richtcharakteristik frequenzabhängig zu verändern. Denn dass die Schaumstoffkugel nicht  linear sein kann, ist ein physikalischer Grundsatz und lässt sich mit den Audiobeispielen ordentlich nachvollziehen. Doch auch der Direktschall leidet, denn das Objekt formt zu einem gewissen Grad einen Resonanzraum, denn die innere Kugelform ist ein idealer Ort für Moden genau einer bestimmten halben Wellenlänge und ihrer Vielfachen – mit dieser Problematik haben übrigens auch die beliebten Reflexionsfilter wie jene von sE Electronics zu kämpfen. Überdies entsteht durch den Verschluss der eigentlich offenen Bereiche um die Mikrofonkapsel ein Druckstau. Bedenkt man zudem, dass der rückwärtige Schall essentiell für die Richtcharakteristik ist, kann man sich sicherlich denken, dass dies zumindest nicht von den Herstellern intendiert ist.   
Nun gut, ich bin nun wirklich nicht der strikt nach Vorschriftenheft handelnde Ingnieur im weißen Kittel, der niemals unorthodoxe Wege gehen würde – dafür habe ich schon die krudesten Mikrofonierungen gemacht. “Resonanzen? Veränderungen des Frequenzgangs und der Richtwirkung? Her damit!”, könnte als Ausruf von mir selbst stammen. Und ja: Der Kaotica ist irgendwie eine Art Effektgerät. Und es gibt keine “schlechten” Effekte. Aber es gibt viel zu teure Effekte, und zu dieser Gattung gehört das runde Ding zweifelsohne. Ein Softball aus dem Sport oder ein Schaumstoffball aus dem Kinderspielzeuggeschäft kostet  irgendwas zwischen zwei und zehn Euro. Mit einem Taschenmesser bewaffnet, kann man dann hingehen und Löcher reinschneiden, wie man lustig ist. 

Audio Samples
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Kaotica Eyeball ohne Poppschuz Kaotica Eyeball mit Poppschutz Kaotica Eyeball um 90 Grad auf Mikro gedreht

In gewisser Hinsicht mag der Eyeball helfen, Umgebungsgeräusche zu verringern, etwa bei Aufnahmen im Freien (Ich habe auf einer der ersten Aufnahmen, die ich beim Aufkommen der ersten bus-powered USB-Audiointerfaces gemacht habe, im Hintergrund eine ferne Landstraße, Blätterrascheln und den sauerländischen Traktorfahrer mit seinem Mähgeschirr. Aber mich hat ja niemand gezwungen, irgendwo auf dem Acker aufzunehmen.). Allerdings wird man gegen viele Signalanteile auch mit dem Eyeball nicht viel ausrichten können. Die Funktion eines Windjammers kann bei gestecktem Poppschutz-Einsatz durchaus funktionieren, allerdings sind einfache Windschutze deutlich billiger (und oft genug im Lieferumfang eines Mikrofons) und richtig gute Windschutze deutlich besser – etwa solche von Rycote. Gut: Ein normaler Windschutz hat auch keine Öffnung für den ungehinderten Eintritt von Direktschall, allerdings werden Verwirbelungen die Effektivität deutlich verringern. Nicht umsonst ist ein normaler Windschutz geschlossen. 

Fotostrecke: 2 Bilder Poppfilter im Plastikring aus der Nähe

Der blaue Poppschutz, welcher in die vordere Öffnung eingesetzt wird, funktioniert nach dem bekannten Prinzip zweier Stoffe, die sich dem Schallwellen-Tsunami, der bei Plosivlauten wie dem “P” entstehen, entgegenstellen. Dies tut er ordentlich und verändert die Höhen auch nicht stärker als ein normaler Poppschutz.
Meine Meinung zum Eyeball scheint deutlich, dies liegt einerseits an den vielen negativen Aspekten des Kaotica-Tools selbst, andererseits am grotesken Preis. Wer weiß: Vielleicht ist der Eyeball ja die Fingerübung eines Marketing-Studenten – oder schlimmer noch ein Testobjekt, um herauszufinden, in welchen Branchen sich irrsinnige Margen erzielen lassen, wenn man nur geschickt die Werbetrommel rührt. 

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Fazit

Wenn der Kaotica Eyeball 19 Euro kosten würde, dann würde ich sagen “Leute, das Teil kann man ab und zu mal ausprobieren und ist dann und wann vielleicht ganz hilfreich.” Aber 200 Euro für ein Stück Schaumstoff? Das macht schon sprachlos. Liebe Leser: Macht mit eurem Geld etwas Vernünftiges. Geht mit jemandem fein essen, gönnt euch einen Tag in der Therme, leistet euch eine tolle Sonnenbrille, schafft euch ein paar gute Platten an, kauft euch gute Kabel, einen kranken Boutique-Bodentreter, einen richtig guten Mikrofonständer mit Schnickschnack, einen schönen, kleinen Gitarrenverstärker, vielleicht zwei Shure SM57, bezahlt endlich das gecrackte Plug-In, das ihr dauernd nutzt – was auch immer, das Geld wird damit besser investiert sein als es beim Eyeball der Fall wäre. Nicht, dass der Kaotica Eyeball gar nicht funktioniert, aber meist schadet er mehr als dass er nützt, ist zickig in der Handhabung und einfach nur un-ver-schämt überteuert. Lasst euch nicht verballhornen.

Unser Fazit:
2 / 5
Pro
  • ermöglicht Variation des Klangs
  • vermindert Reflexionen im Höhenbereich
Contra
  • verändert viele positive Eigenschaften eines Mikrofons zum Schlechteren
  • zielt auf im Regelfall nicht wünschenswerte Klangeigenschaften ab
  • passt nur auf bestimmte Mikrofone
  • maßlos überteuert
Artikelbild
Kaotica Eyeball Test
Für 199,00€ bei
Kaotica Eyeball mit eingesetztem Poppschutz – Frontansicht
Kaotica Eyeball mit eingesetztem Poppschutz – Frontansicht
Spezifikationen
  • Mikrofonaufsatz aus Schaumstoff
  • Mikrofondurchmesser sollte zwischen 4 und 6,5 cm liegen
  • filtert nicht axial eintreffenden Schall
  • Poppschutz (im Lieferumfang) einsetzbar
  • Preis: € 199,- (UVP)
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Kaotica Eyeball mit eingesetztem Poppschutz – Frontansicht

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Profilbild von Gregor Marini

Gregor Marini sagt:

#1 - 30.06.2014 um 18:32 Uhr

0

Hab das Teil testen können u. kam zum selben Ergebnis wie Nick Mavridis. Wenn man sich allerdings im Internet umschaut wie dieses Produkt allgemein beurteilt wird, wird man sich bewußt wie viele inkompetente Leute im Musikbusiness arbeiten! - Hier noch ein interessanter Beitrag von Sengpiel Audio: http://www.sengpielaudio.co...

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