Ich weiß noch, wie ein Mitmusiker grinsend in den Proberaum kam und verkündete, das Ziel seiner Suche nach einer portablen und preiswerten Melotronsound-Lösung erreicht zu haben: Es handelte sich um eine niedliche Applikation für das iPhone, die deutlich billiger daher kommt als externe Samplerlösungen oder gar sündhaft teure Melo-Nachbauten. Über einen Touchscreen eine Klaviatur zu bedienen, ist im Falle von Melotronklängen zwar kein haptisches Erlebnis, aber immerhin machbar. Technische Lösungen, die zudem noch Nähe des Fingers oder den Druck registrieren, sind momentan sehr teuer. Bei Melo-Sounds ist es noch recht einfach, denn entweder werden sie gestartet oder nicht. Um viele andere Sounds – Klavier als Beispiel – vernünftig anzutriggern, bedarf es aber der Übertragung von Anschlagsstärke. Klar, dass man an einen Klangerzeuger auch eine Tastatur zum Einspielen anschließen möchte. Zudem gibt es ja noch andere Anwendungen für MIDI, und Apps sind ja mittlerweile für jeden erdenklichen Kleinkram erhältlich.
Line 6, seines Zeichens Vorreiter der Modernisierung des Musikmachens mit all seinen Vor- und Nachteilen, ist dem Wunsch nach einem iOS-MIDI-Interface schon vor einiger Zeit nachgekommen. Mittlerweile ist Version 2 in den Läden.
Keine Milliarden Ins und Outs, Taster, Schalter, Potis, Endlosdrehgeber, Settings, Treiber, Farben, Formen, Modi, System Settings oder sonst etwas: Der Line 6 MIDI Mobilizer ist einfach eine kleine schwarze Kiste, die man an den Dock-Connector von iPhone, iPod, iPad oder iPud (Ups, das gibt es nicht, zumindest noch nicht…) anschließen kann. Auf der anderen Seite findet man zwei 2,5mm-Mikroklinken-Buchsen, über denen sich MIDI-Receive- und -Send-LEDs in Dreiecksform befinden. Im Lieferumfang sind zwei Kabel, die auf einer Seite Klinken haben, auf der anderen einen 5-Pol-DIN-Stecker. Noch ein großes Relief-Logo und die Produktbezeichnung drauf, fertig ist das Stück.
4/4 …hat das Zeug zur Mogelpackung: Der MM ist rechts unten…
Wichtig zu wissen ist, dass der MIDI-Mobilzer im Grunde ganz banal das MIDI-Protokoll adaptiert. Das ist insofern positiv, als dass es wirklich möglich ist, damit alle zur Verfügung stehenden Nachrichten zu nutzen. Die Control-Change-Messages beispielsweise erlauben schließlich nicht nur die Steuerung und Veränderung von Sounds per Pedal, Slider, Regler und Taster, sondern auch die Steuerung von Mischparametern und einfach allem, was irgendwie per MIDI verändert werden kann. Es lassen sich über NRPNs sogar wirklich komplexe Aufgaben erledigen. Über die häufiger genutzten System-Exclusive-Messages sind Versand von ganzen MIDI-Arrangements (“MIDI File Dump”), OS-Updates und sogar Backups möglich. Selbst gegen Synchronisationen (etwa per MIDI Clock, SPP und “Commands”) hat der kleine Mobilizer nichts einzuwenden: Wirklich alles, was Apples CoreMIDI auf den i-Geräten unterstützt, kann mit dem kleinen Line-6-Gerät empfangen und versendet werden. Auch, wenn die Vorstellung vielleicht irritiert, aber es ist daher durchaus möglich, mit dem 88-Tasten-Hammermechanik-Stagepiano Sounds der iPhone-Apps zu steuern oder im Telefon komplette Mischszenen samt Automationen riesiger Live-Digitalpulte durch die Gegend zu tragen – und bei Bedarf zu regeln.
Üblicherweise wird die Schnittstelle jedoch sicher zum Musikmachen genutzt. Line 6 nennt auf der Webseite auch direkt einige Beispiele von Programmen, die Apples CoreMIDI unterstützen, darunter “Touch OSC” und “Fairlight Pro”. Als Standard fragt das iOS nach dem Einstecken des MM ii in den Dock-Connector, ob die Installation des Apps “MIDI Memo” erfolgen soll. Dies ist eine einfache Applikation, die das Aufnehmen und den Versand von MIDI-Daten ermöglicht (mit Akkorderkennung!).
Wer die aktuelle Version der kleinen Hardware nutzen möchte, der muss leider draußen bleiben, wenn das Apple-Gerät nicht mehr das jüngste ist: Das originale (erste) iPhone, das iPhone 3G (ohne “S”) sowie die iPod Touch der ersten und zweiten Generation sind nicht kompatibel.
Einstecken, verkabeln, App installieren, loslegen. So sollte es sein, so ist es glücklicherweise auch. Die Bedienung ist so einfach wie der generelle Aufbau des Mobilizers. Sofort kann man loslegen, mit den schönen, großen Tasten des Keyboards die Sounds in den immer besser werdenden Apps zu spielen. Allerdings gibt es einen Haken: Wer mit dem MIDI-Mobilizer seinen Dock-Connector blockiert, kann nicht auf zusätzliche Audio-Hardware zurückgreifen und ist auf das angewiesen, was das Apple-Gerät bereithält. Zwar gibt es deutlich schlechtere D/A-Wandler und Headphone-/Line-Outs, doch wirklich professionell ist das, was die kleine Klinkenbuchse da anbietet, nun auch nicht. Mit einem winzigen Kabel auf die PA? Jeder noch so kleine Wackler kann schließlich mit einem fiesen “Katung!”-Sound dem dann wenig begeisterten Publikum in die Gehörgänge schreiten. Das ist keine gute Lösung, allerdings bezweifle ich, dass es möglich wäre, den MIDI Mobilizer mit einer Durchschleifbuchse für den Dock Connector auszustatten. Hier haben wir eben ein systembedingtes Problem, an dem Line 6 keine Schuld trägt und auch keine Lösung parat haben kann. Es zeigt eher, dass Musikanwendungen auf iPhone und Co eben Randerscheinungen sind – das große Geld macht Apple ja eher mit den Musikhörern, nicht den -machern.
Im Betrieb ist es immer wichtig, dass die MIDI-Daten ohne große Verzögerung verschickt werden. Ein einfacher Note-On-Befehl, wie er beim Drücken einer Taste entsteht, benötigt nur knapp eine Millisekunde, oft auch nur zwei Drittel. Wahrgenommene Verzögerungen entstehen daher üblicherweise nicht durch MIDI selbst, sondern durch Hardware-Buffer, Treiber und die Klangerzeugung. Glücklicherweise ist CoreMIDI nicht nur bei OSX, sondern auch bei iOS so ordentlich programmiert, dass man hier keine Probleme erwarten muss. Offensichtlich liegt die Verarbeitungsgeschwindigkeit des Mobilizers genauso wie die durchschnittliche Übertragungskapazität deutlich über der der MIDI-Hardware, sodass die 31,25 kBit/s uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Auch wichtig: Eine zu geringe Leistung der Hardware konnte ich nicht feststellen, es waren nach Verlängerung auch übliche MIDI-Kabellängen (6 Meter) erreichbar. Darüber hinaus muss man jetzt keine allzu übertriebene Angst um seine Akkulaufleistung haben. Die 5Volt/5mA-Schnittstelle ist kein ausgewiesener Energiefresser. Dennoch: Gleichzeitig Aufladen geht ja nicht!
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