Neumann V 402 Test

Die Ankündigung des Mikrofonvorverstärkers Neumann V 402 lief nicht so nüchtern ab, wie man es einem Aushängeschild für deutsche Ingenieurskunst zuschreiben würde, sondern durchaus modern mit einem zuvor gestreuten Video, welches offen ließ, worum genau es sich handeln wird.

Neumann_V402_Review_Die_Klangschmiede_7

Der Vorhang ist gelüftet, Neumann hat sich vom reinen Mikrofonhersteller zum Anbieter von Lautsprechern, Kopfhörern und Outboard entwickelt. Oder „zurückentwickelt“, denn schon früher wurden etwa Vinyl-Schneidemaschinen und Mischpulte hergestellt. Gregor Hennig beispielsweise ist ein großer Fan der seltenen TEV-Equalizer, wie er unter Lieblingsgear verrät.
Der Neumann V 402 fußt also auf einer großen Tradition, derer sich Neumann zweifelsohne bewusst ist, wenn man allein die „erneute Produktionsaufnahme“ von U 47 FET und U 67 und die kontinuierliche Weiterführung des Studioklassikers U 87 bedenkt. Und erfolgreich ist Neumann mit Produkten jenseits von Mikrofonen in jedem Fall: Die Lautsprecher, allen voran KH 80 und KH 120 sind international stark verbreitet, auch der Kopfhörer NDH 20 weiß viele zu begeistern.

Details

Neumann-Look (-and-Feel)

Zwei Höheneinheiten misst das 19“-Gerät, dessen Front mit dem gleichen satinierten Look schmeichelt wie die typischen Neumann-Mikrofone. Familiensache, Ehrensache. Eine weitere Farbe für die Raute hat man sich offensichtlich gespart, sie ist rot wie auf den transformatorlosen Mikrofonen der Berliner. Die Frontplatte ist horizontal zweigeteilt, die Bedienelemente gelten im Verstärkerteil oben dem ersten und unten dem zweiten Kanal. Alternativ zu den rückseitigen XLR-Inputs für Mikrofonsignale können über die vorderseitigen Klinkenbuchsen auch Signale von E-Gitarren, E-Bass, E-Piano oder manchen Pickupsystemen in den Neumann V 402 geleitet werden. Mikrofonsignalen setzt der V 402 eine Impedanz von 3 kOhm entgegen, Instrument-Signalen 3,3 MOhm. Hi-Z wird mit dem ersten Schalter der auf das Gain folgenden Reihe aktiviert. Wie alle, quittiert auch dieser die Aktivierung durch einen rot leuchtenden Ring.

Fotostrecke: 5 Bilder Rote Raute: Das Neumann-Logo auf einem Preamp, das freut die Tontechnikergemeinde!

60 dB Gain

Rechts neben dem DI-Input befindet sich das Gain, welches einen Verstärkungsbereich von 20 bis 60 Dezibel aufweist (bei DI: 0-40 dB). Die Eingangsstufe ist wie der gesamte Signalpfad aus hochwertigen Bauteilen gestaltet, so kommen dort beispielsweise MKT-Folienkondensatoren von Kemet und Texas Instruments OPA1611 Op-Amps zum Einsatz. Im Ergebnis erzielt Neumann beim V 402 einen Frequenzgang von 10 Hz bis 100 kHz (Abfallswerte 3 dB, gültig für ein Gain von 40 dB).

Schaltfunktionen und Metering

Das Gain kann durch eine Vordämpfung von 20 dB verringert werden, um „heiße“ Signale nicht zwangsweise in die Übersteuerung zu fahren. Und selbstredend versorgt der Neumann V 402 Mikrofone im Bedarfsfall mit 48 Volt Phantomspeisung. Und wie es sich für einen Preamp gehört, fehlt auch die Signalinvertierung nicht. Das zuschaltbare Hochpassfilter besitzt feste Werte mit einer Filtereckfrequenz von 60 Hertz bei einer Flankensteilheit von 12 dB/oct. Beide Kanäle bieten Zehnsegment-Pegelanzeigen, welche in 6dB-Schritten den Pegelbereich von -24 dBu bis +24 dBu (= Peak!) anzeigen.

Fotostrecke: 2 Bilder Typische Bedienelemente eines Mic Pres

Das kleine Extra

Eine Besonderheit bei einem Mikrofonvorverstärker ist ein integrierter Kopfhörerverstärker. Der Neumann V 402 besitzt einen solchen, dem sogar eine eigene Spannungsversorgung zugute kommt. Jeder Kanal kann einzeln im Pegel geregelt werden. Ein kleiner Schalter entscheidet, ob der linke Kanal links und der rechte rechts zu hören sind, oder ob beide Signale auf beide Seiten geroutet werden. Lediglich eine 6,3mm-Klinkenbuchse auf der Frontplatte gibt das Signal aus.

Diese Regler, der Schalter und die Buchse unten rechts sind ein echte Besonderheit bei einem Preamp.
Diese Regler, der Schalter und die Buchse unten rechts sind ein echte Besonderheit bei einem Preamp.

Ringkerntrafo

Die Spannungsversorgung erfolgt nach alter Väter Sitte mit einem ordentlich dimensionierten Toroid-Transformator. Oft bedeutet das, dass die Versorgungsspannung händisch umgeschaltet werden muss, beim Neumann V 402 ist das nicht der Fall. Viel Aufwand wurde betrieben, um die resultierenden Versorgungsspannungen die Amps glatt und störgeräuscharm zu bekommen.

Praxis

Qualitätssache

Der zweikanalige Mikrofonvorverstärker Neumann V 402 ist ohne Zweifel ein gelungenes Stück Hardware: Die verwendeten Materialien, die Perfektion bei der Herstellung – all das ist absolut standesgerecht. Genauso ist die Haptik der Regler und Schalter ohne Tadel. Neben dem taktilen ist auch das optische Feedback gelungen, was vor allem auf das Konto der LED-Ketten und der Ringbeleuchtung geht. Die Beschriftungen und Stellungsmarkierungen dürften für den robusten Alltagsbetrieb gerne etwas kräftiger ausfallen, wenn man mit größeren Sichtabständen und/oder ungünstigem Licht arbeitet.

Der Neumann Preamplifier V 402 im Studioeinsatz.
Der Neumann Preamplifier V 402 im Studioeinsatz.

Fragestellung 

Es ist absolut löblich, dass Neumann dem V 402 einen Kopfhörerverstärker spendiert hat. In einigen Situationen kann dieser recht hilfreich sein, etwa beim Einschätzen von Soundeinstellungen oder Mikrofonpositionierungen, wenn Schallquelle, Mikrofon und Preamp sich an einem Ort befinden. Zudem kann dem Kopfhörerverstärker eine wirklich hohe Qualität attestiert werden, spielt er doch linear, schnell und auch mit hochohmigeren Hörern reichlich laut. Ich muss jedoch gestehen, dass mir die Konzeptionierung nicht ganz erschließt. Zunächst: Es gibt in Studios, ob großen oder kleinen Bedroom-Studios selten einen generellen Mangel an Kopfhörerverstärkern. Dann steht die Frage im Raum, wann der HP-Amp von praktischem Nutzen ist. Als Monitoring für den Aufnehmenden eher weniger: In Recording-Situationen, ob nun „One-Room“ oder klassisch räumlich getrennt in Regie und Aufnahmeraum, wird man im Großteil der Fälle zu einem Playback-Signal singen. Und wenn es Sprachbeiträge sind, dann ist es Usus, dass über den Kopfhörer auch Talkbacksignale eingespeist werden und zuvor aufgenommene Teile vorgespielt werden. Ganz ehrlich wäre ein einfacher Audio-Input eine gute Wahl gewesen und hätte den Nutzungswert weit nach oben geschraubt. Wenn es nach mir ginge, hätte Neumann unter Verzicht auf die Kopfhörerfunktionalität die stellenweise simple Ausstattung etwas erweitern können. Über verschiedene Flankensteilheiten und Grenzfrequenzen bei Hochpassfiltern freue ich mich genauso wie über zwei Line-Ausgänge pro Kanal oder so simple Dinge wie eine XLR-Buchse auch auf der Vorderseite. Eine interessante Möglichkeit, die man wenn es denn sein muss als „Hack“ bezeichnen kann, ist die zeitweise Nutzung des V 402 als reinen Kopfhörerverstärker für externe Signale: Gain auf Minimum und Pad drücken in beiden Kanälen – fertig ist der hochwertige HP-Amp!

Fotostrecke: 4 Bilder Traumpaar: Neumann/Telefunken U 47 bei den Aufnahmen der Audiofiles mit dem V 402

Neutral und schnell

Beim ersten Anschließen des Neumann V 402 zeigte sich schon sofort das, was sich im Studio „Die Klangschmiede“ festigte: Der V 402 ist ein klarer, neutraler Amp „von der schnellen Sorte“. „Schnell“ deshalb, weil er Transienten bei allen Verstärkungen ohne erkennbare Verrundungen durchreicht. Das ist besonders im Stereobetrieb hervorragend, denn dadurch gelingen enorm scharfe und plastische Raumabbildungen; Rückwürfe und Bleed-Signale werden deutlich besonders deutlich gezeichnet. Dazu kommt die enorme Kanalgleichheit in Bezug auf sämtliche Parameter. Alleine für diese Eigenschaften: Hut ab!

Im Vergleich mit einem einstmals als linear eingestuften, heutzutage aber natürlich als deutlich färbendem Preamp angesehenen Telefunken V 672 (gerackt von Vintage City) wird besonders deutlich, wie gering der Klirr des 402 ist. Sehr auffällig ist vor allem, dass diese Klangeigenschaften (oder genauer: deren Abwesenheit!) über den gesamten Gainbereich konstant bleiben. All das bedeutet natürlich auch: Wer „Mojo“ sucht, ist definitiv fehl am Platze, der Amp ist explizit als neutral und ohne eigenen Charakter entwickelt und wird auch als solcher beworben. Klangformung durch die Technik erhält man bei Neumann nur durch entsprechende Mikrofone, allen voran sicherlich U 67 oder U 47 FET. Mikrofone dieses Typs können am Neumann V 402 ihre wundervollen Eigenschaften sehr detailliert feilbieten. Das (dereinst für den amerikanischen Markt gebaute und dementsprechend mit der Handelsmarke „Telefunken“ gelabelte) Neumann U 47 sorgt in der Klangschmiede so schon regelmäßiges für Begeisterung. Mit dem V 402 konnte es aber enorm brillieren und seinen edel glitzernden Seidenschleier über das Aufnahmesignal werfen. Auch anderen Charaktermikrofonen tat die Verstärkung durch den V 402 sehr gut, etwa dem AEA A440, dem EV RE20, dem Shure SM7B oder auch „nur“ dem Mojave MA-201FET. Die sehr cleanen Mikrofone im Test, unter anderem ein Schoeps CMC68xt, ein Earthworks SR314 und ein Audio-Technica AT5045, lieferten in Verbindung mit dem Neumann-Preamp eine sehr gute Arbeitsgrundlage, die enorm tiefes EQing und starke Dynamikbearbeitung erlaubte. Neben der feinen Auflösung und der Detailzeichnung von besonders Höhen und Hochmitten sind die straffen und knochentrockenen Bässe eine explizite Nennung wert.

Audio Samples
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Telefunken U 47 an Neumann V 402 Telefunken U 47 an Telefunken V 672 Telefunken U 47 an True P-Solo Ribbon Audio-Technica AT5045 an Neumann V 402 Audio-Technica AT5045 an Telefunken V 672 Schoeps CMC68xt an Neumann V 402 Earthworks SR314 an Neumann V 402 Electro-Voice RE20 an Neumann V 402 Electro-Voice RE20 an Telefunken V 672 Electro-Voice RE20 an True P-Solo Ribbon Coles 4038 an Neumann V 402 Coles 4038 an Telefunken V 672 Coles 4038 an True P-Solo Ribbon AEA A440 an Neumann V 402 AEA A440 an Neumann V 402, HPF aktiviert AEA A440 an Telefunken V 672

Vor allem für die passiven Bändchenmikros Beyerdynamic M130 und Coles 4038, aber auch Röhrenmikrofone nutze ich gerne die kleinen Preamps True P-Solo Ribbon. Diese verzichten bewusst auf Phantomspeisung und liefern bedeutend mehr Gain (76 dB maximal). Generell wirken die Trues ein wenig frischer als der V 402, was von vielen zunächst als „besser“ wahrgenommen werden wird, jedoch auch minimal „bissiger“ und „hektisch“ wirken kann. Den schnell etwas trägen Tauchspulenmikros und bei naher Besprechung doch sehr bassigen Bändchen tut das aber gut. Der 402 ist insgesamt ausgeglichener und nicht so kristallin, aber alles andere als teilnahmslos. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich für cleane Verstärkung passive Ribbons eher mit dem True verstärken, andere mit dem Neumann.

Noch ein Wort zum maximalen Gain: Es ist einem für seine kapazitiven Mikrofone weltberühmten Unternehmen wie Neumann eigentlich gar nicht anzukreiden, dass die maximale Verstärkung nur etwas oberhalb der in Audio-Interfaces eingebauten Preamps endet. 60 dB Gain sind für Kondensatormikrofone absolut ausreichend, 70 oder gar 80 benötigt man allenfalls beim Umgang mit dynamischen, vor allem Bändchenmikrofonen. Das einzige dynamische Neumann-Mikrofon (BCM 705), aber auch die vielen klassischen dynamischen Allrounder aus der Sennheiser-Großfamilie können bei leisen Schallquellen und größeren Abständen noch mit 60 dB Gain ausreichend angehoben werden, viele passive Bändchen haben es da schon etwas schwerer. Immerhin erlaubt die Rauscharmut des V 402 bei Bedarf noch etwas nachträgliche Anhebung in der DAW, zudem klingt auch die Maximalverstärkung des Neumann V 402 genau so wie eine geringere – viele Audiointerfaces „quetschen“ da schon recht ordentlich.

Neumanns Zweikanal-Preamp ist natürlich kein Schnäppchen. Doch der Preis stimmt: Für zwei wirklich cleane Mic Pres im 19“-Gewand sind immer Preise von mindestens 2000 Euro nötig, besonders dann, wenn sie wie der V 402 nicht in Billiglohnländern hergestellt werden. Grace Design m201, Millennia HV-3C, Earthworks 1022, Forssell SMP-2 oder auch GML 8302 oder Avalon 2022 liegen preislich zumindest in einem ähnlichen Bereich wie der V 402.

Fazit

Neumann hat mit dem Mikrofonvorverstärker V 402 an ruhmreiche Traditionen angeknüpft. Klanglich ist der Vorverstärker aber kein Audiohistorismus-Produkt, sondern eindeutig ein Kind der Moderne. Er verstärkt hoch neutral bei besten technischen Werten, mit enormer Fein- und Grobdynamik, glattem Pegelfrequenzgang und – und da steigen einige andere Hersteller dann aus – mit konstanter Leistung über den gesamten Regelbereich und sehr gutem Channel-Matching. Ausstattungsseitig hat jeder User ein etwas anderes Anforderungsprofil, ich beispielsweise hätte mir anstatt des für viele Szenarien nicht sehr hilfreichen (wenngleich hervorragenden!) Kopfhörerverstärkers andere Features gewünscht, in erster Linie ein etwas höheres Gain und mehr Flexibilität bei der Hochpassfilterung. In jedem Fall bekommt ein Käufer des Neumann V 402 einen Preamp, der hochwertig, zuverlässig und zu einem fairen Preis zwei Mikrofon- oder DI-Signale auf Line-Pegel bringt.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • sehr cleane Verstärkung
  • sehr gute Impulsweitergabe
  • starke Klangkonstanz über gesamten Gainbereich
  • hohe Kanalgleichheit
  • wertige Haptik
  • hohe Herstellungs-, Material- und Verarbeitungsqualität
  • hilfreiches Metering
  • Kopfhörerausgang
Contra
  • kleinere konzeptionelle Dinge
Artikelbild
Neumann V 402 Test
Für 2.699,00€ bei
Neumann_V402_Review_Die_Klangschmiede_6
Features und Spezifikationen
  • zweikanaliger Transistor-Mikrofonvorverstärker
  • Gain: 20 bis 60 dB (DI: 0 – 40)
  • HPF, Polaritätsinvertierung, Phantomspeisung, Vordämpfung schaltbar
  • eingebauter Kopfhörerverstärker
  • Frequenzgang: 10 Hz – 100 kHz (-3 dB)
  • 19″/2HE
  • Preis: € 2633,– (Straßenpreis am 24.8.2020)
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