Orange O-Bass Test

Nach einer längeren Durststrecke, die sich durch die 80er- und 90er-Jahre zog, gelang der mittlerweile seit mehr als 40 Jahren existierenden britischen Firma Orange ein erstaunliches Millenium-Comeback. Seit der Jahrtausendwende gab es kein Jahr, in dem man in der Schmiede der optisch auffälligen Verstärkerprodukte nicht mit einer Überraschung aufwarten konnte. Einen großen Anteil an dieser Wiederauferstehung hat der seit 1998 zum Orange-Team gehörende technische Direktor Adrian Emsley, der stets mit unkonventionellen Designideen und offensivem Marketing für frischen Wind in der Company sorgt.

Orange_O_Bass_003FIN

Sein neuestes “Brainchild” ist besonders ungewöhnlich, denn zum ersten Mal stellt Orange ein Produkt vor, das nichts mit Amps, Boxen oder Pedalen zu tun hat: einen reinrassigen E-Bass! Genauer gesagt: einen knalligen Low-Cost-Bass im Vintage-Design, der auf den gleichermaßen simplen wie genialen Namen “O-Bass” hört. Das ruft natürlich Skeptiker auf den Plan. Fremdprodukt im eigenen Haus – ist das ein Geniestreich oder eher ein Ofenschuss?
Wir haben den Orange O-Bass in jener schrillen Farboption zum Test erhalten, die der Firma den Namen gibt. Wie man bei Orange selbst auf der Webseite den legendären Gitarristen Les Paul zitiert, soll dieser gesagt haben: “Menschen hören mit den Augen!”

Details

Voller Spannung fische ich den 3,6 kg leichten Orange O-Bass aus seiner im Lieferumfang enthaltenen Gigbag. Diese Gigbag erfüllt das, was man für den günstigen Gesamtpreis erwarten darf – nicht mehr, aber auch nicht weniger! Sie ist dezent gepolstert und besitzt immerhin sogar einen per Klettband versetzbaren Halsfixierungsblock, der verhindert, dass die angewinkelte Kopfplatte aufliegt, wenn man den Bass in der Tasche rücklings auf den Boden legt.
Unser in China produzierter oranger Testbass; allerdings existieren auch noch die beiden Farboptionen “Off-Black” und “Teardrop Sunburst” für all diejenigen, die es vielleicht doch lieber etwas weniger knallig mögen.
Die Form des aus Okoumé gefertigten Korpusses wurde an das Les-Paul-Design angelehnt, allerdings ohne ausgearbeitetes unteres Cutaway. Auffällig ist die Form des dreilagigen weißen Pickguards, das gemäß Orange-Designer Adrian Emsley entweder “einen Formel-1-Ring oder Seepferdchen-Konturen” skizziert. Äh, ja! Ungewöhnlicherweise fügt Orange bei Lieferung jedem O-Bass ein zweites Schlagbrett in alternativer Farboption hinzu, welches der Käufer bei Bedarf dann anstelle des installierten Pickguards anbringen kann. Beim orangefarbenen Modell hat man die Wahl zwischen einem weißen oder einem schwarzen Pickguard, bei den anderen Modellen kann man zwischen Weiß und Tortoise wählen. Eine schicke Idee, die eine begrenzter Form individuelle Gestaltungsmöglichkeit bietet.

Fotostrecke: 6 Bilder Der neueste Zögling der britischen Firma wird …

Ein hochohmiger (8 kOhm) passiver Splitcoil-Tonabnehmer soll laut Orange “knurren wie ein Polizeihund” und ist zusätzlich um einige Millimeter näher in die Halsposition gerückt als gemeinhin bei P-Bass-Konstruktionen üblich – angeblich, um dem Bass noch etwas mehr “Low End” zu verleihen. Die Soundkontrolle übernehmen spartanisch ein Lautstärkeregler und eine passive Tonblende, die ebenso wie die Klinkenbuchse auf dem Schlagbrett montiert wurden. Beim eventuellen Austausch des mitgelieferten alternativen Pickguards müssen diese Elemente daher leider auch stets neu verschraubt werden.
Der schlanke vierfach verschraubte Ahornhals wurde ebenso orange lackiert wie der Korpus. Seinen Übergang zur angewinkelten Kopfplatte hat im Sattelbereich nicht verstärkt. Der Headstock selbst ist mit vier großen offenen Mechaniken in asymmetrischer 2:2-Anordnung bestückt. Optische Besonderheit bietet ein weißes Overlay mit einem schwarzen “Orange”-Schriftzug.

Fotostrecke: 5 Bilder Klassische PU-Bestückung: ein P-Bass-Pärchen.

Der Zugang zur bidirektionalen Halsstellschiene liegt im Sattelbereich und wird von einer vierfach verschraubten schwarzen Kunststoffplatte verdeckt, welche das O-Bass-Logo schmückt. Apropos Sattel: der schwarze Kunststoffsattel wirkt auf mich etwas grob gefeilt. Die Saiten liegen tief in den Sattelkerben versenkt, was ihnen zwar einen festen Sitz im Sattel verleiht, bei Verwendung dickerer Saitenstärken allerdings dazu führen könnte, dass man die Kerbenbreite nachfeilen muss. Bei dünneren Saiten könnte dies zudem potenziell ein Rasseln der Leersaiten begünstigen.
Die Mensur beträgt 34 Zoll, und für die Bundierung des Rosewood-Griffbretts wurden 20 Medium Jumbo-Bünde verwendet. Zur Orientierung dienen sowohl Punkteinlagen (Dot Inlays) auf dem Griffbrett, als auch kleine Punktmarkierungen an der oberen Griffbrettflanke. Der Hals-/Korpusübergang liegt im Bereich des 16. Bundes im oberen Korpusbereich, während der untere Bereich bis zum 19. Bund ausgeschnitten ist. Dennoch ist der Zugang bis zum 20. Bund minimal eingeschränkt, da der Daumen der Greifhand nicht über den Halsbefestigungsblock am 16. Bund gelangen kann.

Fotostrecke: 4 Bilder Das Griffbrett des Orange O-Basses besteht …

Die Brücke ist eine Standard 2D-Winkelblechbrücke aus Chrom mit einkerbigen Reiterchen. Doppelte Führungsschienen, in denen jeweils die Höhenstellschrauben lagern, verhindern ein seitliches Verschieben der Reiterchen. Die Saitenaufhängung erfolgt durch Fädelführung im Blechwinkel der Bridge. Da der O-Bass über kein oberes Cutaway-Horn verfügt, ist der vordere Gurtpin in der Korpuskurve kurz vor dem Halsübergang angebracht. Die Verkürzung des Bodies in diesem Bereich führt zwangsläufig zu einer Verlagerung des Schwerpunktes und resultiert in einer durchaus spürbaren Kopflastigkeit.

Fotostrecke: 4 Bilder Traditionell: als Steg kam ein klassischer Blechwinkel zum Einsatz.

Die Verarbeitung des Testbasses wirkt insgesamt gut und solide. Lediglich im Bereich der Halstasche im Bereich des Übergangs von Hals zu Korpus ist eine sichtbare Lücke erkennbar, die man souveräner hätte hinbekommen können. Im Verlauf des Tests konnte ich diesem Umstand jedoch keine negativen Einflüsse auf Sound und Handling abringen.

Praxis

Optisch finde ich ihn sehr gelungen und man kann deutlich erkennen, in welchem musikalischen Lager man bei der Firma Orange den O-Bass ansiedelt. Zweifelsohne werden sich extrovertierte Seelen stärker zu diesem Instrument hingezogen fühlen als solche, die eher auf dezente Erscheinung Wert legen.
Von der Optik abgesehen ist es aber auch das Spielgefühl, dass dazu einlädt, den O-Bass eher der Rock-Tradition als anderen Stilrichtungen zuzuschreiben. Der Hals fühlt sich schmal an und die Art und Weise, wie der Bass am Körper hängt, lädt schon aufgrund der Kopflastigkeit dazu ein, einen Rock’n’Roll “Monkeygrip” auszupacken – also den Hals eher zu umklammern, als ihn mit schulmäßiger Lagengreifhand zu bezimmern.
Negativ muss ich anmerken, dass ich schon deutlich bessere Auslieferungs-Setups gesehen habe. Ich musste die Oktavreinheit neu justieren – und das teilweise sehr drastisch! Das heißt, dass an diesem Bass vermutlich vorher wenig bis gar keine Oktavjustierung vorgenommen wurde. Ausliefernde Musikläden werden also gut beraten sein, diese Arbeit im Sinne der Kunden zu erledigen. Auch die schon angesprochene Sattelkerbung scheint nicht unter ästhetischer Feinabstimmung erfolgt zu sein; zu grob wirken auf mich die Feilspuren. Davon abgesehen kann ich aber keine Fertigungsmängel erkennen.

Den Sattel hätten die Erbauer durchaus etwas sorgfältiger bearbeiten können ...
Den Sattel hätten die Erbauer durchaus etwas sorgfältiger bearbeiten können …

Zweifelsohne erwartet man aufgrund der Pickup-Bestückung einen soliden P-Bass-artigen Sound – und diese Erwartung wird auch voll erfüllt. Und siehe da: Der Sound des O-Basses erscheint mir tatsächlich über alles erhaben! Dabei scheint mir der Frequenzbereich in beide Richtungen hörbar erweitert worden zu sein. Die Bässe reichen besonders tief nach unten und die Höhen sind sehr präsent und aggressiv. Ob man diese Klangeigenschaften mit dem Knurren eines Polizeihundes assoziieren möchte, wie man bei Orange verkündete, sei jedem selbst überlassen.
Mag sein, dass vieles an diesem Bass anders ist, als man es von einem P-Bass gewohnt wäre, aber der Sound katapultiert ihn definitiv vollwertig in eine Liga, in der man normalerweise mehr Geld auf den Tisch blättern muss. Mir gefällt auch die praxisnahe Verwendbarkeit der passiven Tonblende, mit deren Hilfe man den Sound sehr variabel gestalten kann und die selbst ganz zugedreht den Ton nicht stumpf abtötet oder muffig erscheinen lässt, wie dies häufig gerade bei preiswerten Instrumenten der Fall ist.

Einschränkungen muss ich jedoch in Bezug auf den Spielkomfort feststellen – und die sind ganz klar dem Design geschuldet. Durch das fehlende obere Cutaway des Les-Paul-artigen Korpusshaping erhöht sich die Kopflast durch den verlagerten Schwerpunkt, zusätzlich begünstigt durch die Wahl großer Mechaniken an der Kopfplatte. Darüber hinaus ist der Body an den Kanten ohne jegliche Mulden oder Abflachungen gestaltet worden. Im ersten Moment ist das überhaupt kein Problem. Man kommt gut damit klar und kann alle gängigen Spielmethoden anwenden. Nach längerer Spieldauer treten die Komforteinschränkungen dann aber eventuell – je nach individueller Spieltechnik – stärker zutage. Beim Plektrumspiel, aber auch unter Umständen beim Fingerspiel, wird der rechte Unterarm durch die scharfe Korpuskante abgedrückt, was bei längerer Spieldauer schon mal etwas unangenehm werden kann. Besonders begünstigt wird das, wenn man im Sitzen spielt und dabei versucht, durch Auflegen des rechten Unterarmes der Kopflast etwas entgegenzuwirken. Dies verstärkt nämlich abermals den Druck der Korpuskante. Aber wie heißt es so schön: Man kann sich an alles gewöhnen und sicherlich werden geneigte Bassisten auch hier einen “Workaround” finden. Tatsache ist aber, dass es ergonomisch bessere Lösungen gibt.

Das Bild ist Konzept: mit einem gewissen Maß an Kopflastigkeit muss man beim leider O-Bass leben!
Das Bild ist Konzept: mit einem gewissen Maß an Kopflastigkeit muss man beim leider O-Bass leben!

Der relativ schwache Griffbrettradius und ein engeres Stringspacing begünstigen die Verwendung eines Plektrums, worauf der O-Bass mit einem wirklich tollen, drahtigen und kernigen Sound reagiert.
Was der O-Bass aber auf jeden Fall in erster Linie generiert, ist Spaß! Dazu zählt auch die Option der optischen Umgestaltung mittels des mitgelieferten alternativen Pickguards. Das mögen sicher einige Leser als Gimmick abtun, aber es geht schließlich beim Musikmachen um den Fun-Faktor. Ich sehe hier jedenfalls definitiv einen relevanten Mehrwert für den Käufer! Nicht jeder wird davon Gebrauch machen, aber wer weiß schon, ob man nach mehreren Jahren nicht doch einmal die andere Farbvariante des Schlagbretts ausprobieren möchte?
In dem Preissegment, in welchem der O-Bass rangiert, kann man ihn absolut bedenkenlos empfehlen, auch durchaus in professionellen Lagern.

Trotz minimaler Mängel bei der Verarbeitung: Sound und Optik des O-Basse sind erstklassig!
Trotz minimaler Mängel bei der Verarbeitung: Sound und Optik des O-Basse sind erstklassig!

Zuletzt präsentiere ich euch noch einige Soundbeispiele, damit ihr euch einen guten Eindruck vom Orange O-Bass machen könnt:

Audio Samples
0:00
Fingerspiel, Ballade Finger-Groove Fingerspiel, Vintage-Sound Plektrumspiel Slapspiel

Fazit

Den Orange O-Bass kann man getrost als “hip” bezeichnen. Die Optik garantiert auf jeden Fall, dass man als Bassist wahrgenommen wird – dies allein besitzt ja in unserer visuell geprägten Medienwelt mehr Relevanz denn je! Neben seiner extrovertierten Signalfarbenoptik bietet der O-Bass aber auch einen wirklich hörenswerten Sound. Dieser ist ganz klar angesiedelt in klassischen Anwendungsgebieten wie Rock, Blues, Soul, ist aber durchaus auch fähig, in andere Gefilde vorzustoßen. Die Verarbeitung ist gut, die Bespielbarkeit gleichfalls – und der Preis schlicht sensationell!
Außergewöhnlich ist auch, dass zu diesem Budget noch ein zweites Pickguard in alternativer Farbgebung hinzugepackt wird, ebenso wie eine Gigbag. Ein kleiner Wermutstropfen ist sicherlich die deutlich spürbare Kopflastigkeit des Basses, und auch das Fehlen ergonomischer Kantenrundungen kann sich schon mal auf den Spielkomfort auswirken. Davon abgesehen gibt es aber am O-Bass absolut nichts auszusetzen. Er ist definitiv ein Winner für Liebhaber grollender P-Bass-Sounds auf der Suche nach optischen Alternativen zu einem wirklich sehr fairen Preis.

Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
  • tolles Preis-/Leistungsverhältnis
  • gute Verarbeitung
  • toller Vintage-Sound mit viel Low End und moderner Note
  • zweites Pickguard in alternativer Farbgebung als kostenlose Beigabe
  • schrilles Retro-Design
  • Gigbag
Contra
  • ausgeprägte Kopflastigkeit bedingt durch Korpusdesign
  • Korpus ohne Shapings; die Oberkante des Bodies kann speziell beim Plektrumspiel auf den Unterarm der Anschlaghand drücken
  • Auslieferungszustand ohne erkennbare Justierung der Oktavreinheit
Artikelbild
Orange O-Bass Test
Orange_O_Bass_010FIN
Technische Spezifikationen:
  • Hersteller: Orange
  • Modell: O-Bass
  • Herstellungsland: China
  • Korpus: Okoumé (massiv)
  • Hals: 4-Punkt geschraubt, Ahorn (lackiert in Korpusfarbe)
  • Griffbrett: Palisander mit Punktinlays aus Perlmutt
  • Kopfplatte: angewinkelt mit weißem Overlay
  • Bünde: 20 x Medium Jumbo-Bünde
  • Brücke: Standard-Winkelblech, verchromt
  • Mechaniken: offen, groß mit Medium-Wickelachse (zur Mitte hin konisch zulaufend)
  • Mensur: Standard 864 mm / 34 Zoll
  • Gewicht: 3,6 kg
  • Tonabnehmer: 1 x Splitcoil passiv
  • Regler: Volume, passive Tonblende
  • Ausgänge: 1 x Monoklinke
  • Extras: Gigbag, Stellschlüssel, zweites separates Pickguard in Schwarz
  • Preis: 439,00 EUR (UVP)
Hot or Not
?
... im Namen Tradition, sondern ist auch bei der Farbgebung der Amps und Boxen Konzept.

Wie heiß findest Du dieses Produkt?

Kommentieren
Profilbild von MB

MB sagt:

#1 - 20.09.2016 um 19:40 Uhr

0

Klingt nicht wirklich nach Preci. Hatte ich mehr erhofft. Schade, dass er so koflastig ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Bonedo YouTube
  • Sire Marcus Miller F10-6 NT - Sound Demo (no talking)
  • First notes on the Sire Marcus Miller F10-6 NT #shorts #sirebass #marcusmiller #siremarcusmillerf10
  • First notes on the Marleaux Consat Custom Bolt-On #bassguitar #marleaux #bass #bassbonedo