Presonus Studio One V3 Artist

Irgendwie ist es schon eine merkwürdige Tatsache, dass mit Logic, Cubase und Presonus Studio One drei weltweit renommierte DAWs ihren Ursprung innerhalb der Stadtgrenzen bzw. dem Speckgürtel von Hamburg haben. Studio One ist der aufstrebende Rookie dieses Trios. 

Presonus_Studio_One_Artist_Test_B01_Aufmacher


Die DAW Software des amerikanischen Herstellers, der vielen in erster Linie für sein Portfolio an Studiogeräten bekannt sein dürfte, erfreut sich wachsender Beliebtheit und bietet mit der Version „Artist“ eine kostengünstige, beim Kauf von Presonus Hardware teilweise kostenlose, Variante an, welche insbesondere für Einsteiger interessant sein dürfte. Wozu Studio One Artist in der Lage ist und welche Einschränkungen man im Vergleich zur Vollversion Studio One Professional in Kauf nehmen muss, könnt ihr in unserem Testbericht lesen.

Details

Übersicht

Presonus Studio One Artist ist prinzipiell eine vollwertige DAW, die sämtliche Plug-ins, Klangerzeuger und Library Sounds bereitstellt, welche eine komplette Musikproduktion ermöglichen. Die Anzahl der Audio-, Instrumentenspuren und Busse sowie der unterstützten Hardware Ein- und Ausgänge ist seitens der Software nicht limitiert, was der Artist Version einen absolut professionellen und erwachsenen Touch verleiht. Neben 30 Effekt-Plug-ins gehören die folgenden Klangerzeuger zur Austattung der DAW:

Instrumente

  • Mai Tai: Polyphoner Analog-Modelling-Synthesizer
  • Mojito: Monophoner subtraktiver Synthesizer
  • Impact: Drum-Sample
  • Presence XT: Sample Player für Presonus Libraries (liest in Studio One Professional auch Fremdformate)
  • Sample One: Puristischer Sampler
Fotostrecke: 5 Bilder Der Mai Tai ist ein hervorragend klingender VA Synth.

Ausstattungsunterschiede

Die Libraries und mitgelieferten Audioloops bieten eine solide, stilübergreifende Auswahl an Sounds, gegenüber der Vollversion ist der Umfang allerdings eingeschränkt, wobei sich diverse Sound Sets bei Bedarf direkt aus der DAW dazu kaufen und installieren lassen.

Der Shop für Plug-ins, Sounds und Add-On Features ist direkt in die DAW integriert.
Der Shop für Plug-ins, Sounds und Add-On Features ist direkt in die DAW integriert.

Weiterhin gibt es im Vergleich zu Studio One Professional einige, aus professioneller Sicht teilweise wesentliche Einschränkungen. Im Kern handelt es sich aus meiner Sicht dabei um die folgenden Punkte:

  • keine VST-/AU Unterstützung
  • kein MP3 Export
  • kein profitauglicher Multibandkompressor

Allerdings lassen sich diverse Features als sogenanntes Add-On zusätzlich erwerben, was auch auf die beiden erstgenannten Punkte zutrifft. Allerdings sind knapp 80 Euro für den VST, AU und Rewire Support in Relation zum Preis der Artist Version ein stattliche Summe. Hierzu ist anzumerken, dass einige Plug-ins von Drittherstellern dennoch funktionieren. So war ich zunächst stutzig, Kontakt von Native Instruments nutzen zu können. Meine Nachfrage bei Presonus hat ergeben, dass derartige Überraschungen in diversen Kooperationen und Bundles der Vergangenheit begründet sind.

Knapp zehn Euro für den MP3 Converter sind vergleichsweise human.
Knapp zehn Euro für den MP3 Converter sind vergleichsweise human.

Effekt-Plug-ins

Im Grunde bietet Presonus Studio One Artist aber alle Effekte, die man für eine gut klingende Produktion benötigt. Die vorhandenen Plug-ins klingen durchweg gut, sodass auch ambitionierte Homerecorder die Abwesenheit eines vollwertigen Multibandkompressors (der vorhandene Tri-Comp ist eine recht simple Variante dieses Effekts ) und eines Faltungshalls verschmerzen können.

Fotostrecke: 4 Bilder Der Pro EQ bietet alles Wesentliche was man für einen Mix benötigt.

Besonderheiten von Studio One

Eine Besonderheit von Studio One ist die konsequente „Drag and Drop“-Funktionalität bei der Verwendung von Plug-ins, welche wir im Praxisteil näher betrachten.

Ferner war Studio One eine der ersten ARA-kompatiblen DAWs. ARA (demnächst ARA2) ist eine Schnittstelle, die es erlaubt andere Programme wie beispielsweise Celemony Melodyne als Bestandteil des Audio Editors nahtlos in die DAW zu integrieren, wodurch sich diverse Vorteile im Workflow ergeben. Wer mehr hierzu erfahren möchte, wird in unseren Workshops Celemony Melodyne Essential und Celemony Melodyne Studio fündig. Nutzer von Studio One Artist können eine zeitlich begrenzte Testversion von Melodyne Essential nutzen, in der Vollversion der DAW ist eine Lizenz für Melodyne Essential bereits enthalten. Apropos Testversion: Studio One Professional, also die Vollversion kann 30 Tage lang kostenlos getestet werden!

Praxis

Installation

Nachdem man einen User Account eingerichtet hat, werden der Installer und alle Inhalte zum Download bereitgestellt. Alternativ hierzu ist der gesamte Content auch als USB-Stick erhältlich. Die Installationsdatei von Presonus Artist ist mit der Vollversion identisch, wobei je nach Lizenz des Users lediglich die erworbenen Funktionen freigeschaltet werden. Die in Artist enthaltenen Samples und Soundinhalte umfassen ca. 5GB. Positiv anzumerken ist, dass kein iLok oder Ähnliches zum Arbeiten mit Studio One erforderlich ist, da man sich mit seinen Accountdaten einloggt. Wem der iLok ohne ersichtlichen Grund einfach mal so abraucht, wie es mir vor einigen Wochen passiert ist und mich Zeit, Geld und Nerven gekostet hat, der weiß diesen Umstand zu schätzen.

Die Soundinhalte von Studio One Artist
Die Soundinhalte von Studio One Artist

Sound Content

Bei einer DAW ohne AU-/VST Unterstützung ist die Qualität der mitgelieferten Instrumente und Soundinhalte natürlich von großem Interesse. Hier bietet Studio One Artist viel Licht und ein klein wenig Schatten. Die virtuellen Synthesizer Mai Tai und Mojito klingen einfach großartig und decken das komplette Repertoire absolut druckvoll von edel bis schmutzig ab, sodass man VA Synths von Drittherstellern nicht zwingend vermisst. Die Drum Samples des Impact decken stilistisch einen großen Bereich ab und ein Mangel an Soundqualität und „Impact“ ist auch hier nicht auszumachen. 
Für gemischte Gefühle sorgt bei mir lediglich der Sample Player Presence XT. Dass dieser nur eine begrenzte Auswahl an teilweise etwas hausbackenen „Brot-und-Butter“-Sounds bietet, kann man angesichts der Tatsache, dass es sich um eine abgespeckte Studio One Variante handelt, nicht wirklich kritisieren. Teilweise gefallen mir die Sounds sehr gut, teilweise offenbaren sie aber auch Schwächen, wie z.B. ein deutlich vernehmbares Rauschen auf diversen Samples. In den Preset Setting wurde in solchen Fällen teilweise rustikal gefiltert, wodurch der resultierende Sound zu dumpf und wenig authentisch klingt. Weiterhin werden einige Patches nicht geladen, obwohl ich sie anwählen kann. Ob es sich hierbei eventuell um Sounds von Studio One Professional, die irrtümlich im Browser angezeigt werden, oder einen sonstigen Bug handelt, ist nicht eindeutig nachvollziehbar.
Aber hören wir doch einfach mal rein: Das erste Audiobeispiel ist ein kurzes, wirres Arrangement, bei welchem alle Klangerzeuger sowie auch einige Soundeffekte, die in den Audioloops enthalten sind, zum Einsatz kommen. Im folgenden sind verschiedene Sounds der beiden Synths Mai Tai und Mojito zu hören sowie Presence XT . Letzterer hat zwar ebenfalls synthetische Sounds im Angebot, im folgenden Hörbeispiel sind allerdings einige Naturinstrumente aus den Presets zu hören. Auf dem E-Gitarren Patch kam zusätzlich das Plug-in Ampire XT zum Einsatz.

Audio Samples
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Studio One Artist – All Instruments Mai Tai – diverse Sounds Mojito – diverse Sounds Presence XT – Arrangement

Was gefällt?

Eine herausragende Stärke von Studio One ist die konsequente Drag and Drop-Funktionalität des Programms. So lassen sich Instrumente und Plug-ins intuitiv auf eine Spur, bei gleichzeitigem Drücken der Option-Taste sogar auch auf einzelne Regions ziehen, um beispielsweise einzelne Schläge einer Drumloop oder Worte einer Gesangsspur mit einem Effekt zu versehen. Im Grunde bieten auch andere DAWs diese Möglichkeit, bei Studio One animieren diese Event FX aber zum kreativen Einsatz und Experimentieren, da sich verwendete Plug-ins übersichtlich im Signalfluss ändern oder auch wieder deaktivieren lassen ohne dass man in irgendwelchen Undo-Listen suchen muss.

Fotostrecke: 2 Bilder Der intuitive Einsatz von Event FX animiert zum kreativen Experimentieren.

Weiterhin bietet Presonus DAW unzählige durchdachte Details, Funktionen und Makros, die einen hohen Nutzwert haben und den Workflow beschleunigen. Einige davon sind in den folgenden Abbildungen zu sehen:

Fotostrecke: 4 Bilder Die Erstellung eines separaten Monitor Mix ist absolut praktikabel und unkompliziert.

Selbst die abgespeckte Artist Version bietet schon ausgewachsene Profi-Features, wie das Exportieren von Stems und auch das allgemeine Handling ist ausgezeichnet. Obwohl ich mittlerweile über 20 Jahre mit Logic arbeite, stehe ich mit der, aus meiner Sicht frickeligen Automation stets auf Kriegsfuß. Bei Studio One hingegen gelingen aus dem Stehgreif präzise Einstellungen, wie in der folgenden Abbildung zu sehen ist.

Fotostrecke: 3 Bilder Präzise wie ein Hüllkurvengenerator – die einfach zu handhabende Automation in Studio One

Was gefällt nicht?

Neben den bereits genannten Einschränkungen gibt es allerdings auch Kritikpunkte an der DAW von Presonus. Gegenüber Logic und Pro Tools läuft Studio One etwas instabil auf meinem Rechner (MacBook Pro, 2,8GHz Intel Core i7, RAM 16GB, macOS Sierra). Während des Tests fanden vereinzelt Programmabstürze statt oder plötzlich war kein Audiosignal mehr zu hören, was mit einem Neustart des Programms aber stets behoben werden konnte. „Vereinzelt“ bedeutet, dass derartige Vorkommnisse maximal alle paar Stunden aufgetreten sind, in erster Linie beim Öffnen eines neuen Plug-ins oder Instruments oder beim Umschalten von Presets der Klangerzeuger. Soweit nichts wirklich Dramatisches, teilweise erzeugte es in mir nostalgische Gefühle, indem es mich an meine „PC-Jahre“ erinnerte.
Ein weiterer Kritikpunkt fällt tendenziell unter die Rubrik „Geschmackssache“. Das GUI von Studio One empfinde ich im Vergleich zu den soeben genannten DAWs als etwas unübersichtlicher, was insbesondere auf den Mixer zutrifft. Möglicherweise ist eine weitere Eingewöhnung für mich als „Studio One-Anfänger“ erforderlich, in einigen Konstellationen wirkt Studio One optisch aber ein wenig überladen. 

Das GUI von Studio One in „Äktschen“
Das GUI von Studio One in „Äktschen“

Fazit

Presonus Studio One Artist ist eine preiswerte und in der Summe absolut empfehlenswerte DAW für ambitionierte Einsteiger, die schon jede Menge Profi-Features aufweisen kann und außerdem wirklich tolle Synths an Bord hat. Herausragend sind die intuitive und kreativitätsfördernde Drag and Drop-Funktionalität bei der Verwendung von Plug-ins und Instrumenten sowie die Vielzahl intelligenter Detaillösungen, die den Workflow beschleunigen. Aus meiner Sicht ist der fehlende Support von VST-/AU Plug-ins das einzige wesentliche Manko der abgespeckten Artist Version, wobei dies für DAW-Einsteiger vielleicht keine hohe Relevanz hat und diese Funktion bei Bedarf außerdem als Add-On separat zu erwerben ist. Presonus Studio One, ob nun Artist oder Professional, ist eine absolut ernstzunehmende Alternative zu den entsprechenden Versionen der historisch etablierten Platzhirsche von Steinberg und Apple.

PRO

  • vollwertige DAW
  • überzeugende VA Synths
  • inspirierende „Drag and Drop“-Funktionalität
  • spielerischer, inspirierender Umgang mit Event FX
  • unlimitierte Anzahl an Spuren, Bussen und Hardware I/Os
  • viele gut durchdachte Details/Funktionen mit hohem Praxiswert
  • ARA-Kompatibilität
  • hervorragende Dokumentation (auch deutschsprachig)

CONTRA


  • keine AU/VST Unterstützung
  • teilweise etwas instabil auf meinem MacBook Pro (macOS Sierra)
  • durchwachsene Soundqualität der Presence XT-Presets
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FEATURES

  • Unbegrenzte Zahl an Audio-, Instrumentenspuren und Bussen
  • Hardware I/O unbegrenzt
  • 30 native Effekt-Plug-ins
  • 5 virtuelle Instrumente
  • Audio Processing 32-Bit
  • Timestretching in Echtzeit
  • ARA-Kompatibilität, z.B. mit Melodyne
  • Melodyne Essential (Trial)
  • Event FX
  • diverse Comping Funktionen
  • Arranger Track
Systemanforderungen: Mac OSX 10.8.5 oder neuer, Intel Core 2 Duo Prozessor, 4GB RAM, Windows 7 x64/x86 SP1 + Plattform Update, Windows 8.1 x64/x86, Windows 10 x64/x86,
  • Intel Core 2 Duo oder AMD Athlon X2 Prozessor, 4GB RAM

Preis

  • 97,58 € (am 27.03.2018)
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • vollwertige DAW
  • überzeugende VA Synths
  • inspirierende „Drag and Drop“-Funktionalität
  • spielerischer, inspirierender Umgang mit Event FX
  • unlimitierte Anzahl an Spuren, Bussen und Hardware I/Os
  • viele gut durchdachte Details/Funktionen mit hohem Praxiswert
  • ARA-Kompatibilität
  • hervorragende Dokumentation (auch deutschsprachig)
Contra
  • keine AU/VST Unterstützung
  • teilweise etwas instabil auf meinem MacBook Pro (macOS Sierra)
  • durchwachsene Soundqualität der Presence XT-Presets
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Presonus Studio One V3 Artist
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Profilbild von Stefan

Stefan sagt:

#1 - 27.03.2018 um 07:06 Uhr

0

Ich hätte StudioOne bereits mehrfach mal im täglichen Workflow getestet, aber die fehlende bzw. für ca. 80 € nachrüstbare VST-Unterstützung war und ist für mich immer noch ein absolutes NoGo. Das können selbst die kleinen Cubase-Versionen LE und AI.

Profilbild von Christian

Christian sagt:

#2 - 03.10.2019 um 10:46 Uhr

0

Würde Studio One auch gerne ne Chance geben, aber wenn die Artist Version keine VST und den Kontakt Player unterstützt, kann ich damit nichts anfangen. Somit wären die gekauften PlugIns von Wave, der DrumSampler von GGD per Kontakt Player usw nicht nutzbar :-(

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