Unsere aktuelle Testkandidatin, die Thomann Classic Guitar S 4/4, die auch unter der Bezeichnung Classica S geführt wird, stammt aus dem Portfolio des Musikhauses aus dem fränkischen Burgebrach und lässt sich mit dem Sammelbegriff „Einsteigerkonzertgitarre“ ziemlich treffend beschreiben. Die Version aus dieser Serie unterscheidet sich durch ihre vergleichsweise gehobene Ausstattung von ihren Schwestern, die nicht mit dem Buchstaben „S“ geadelt werden. Die Classic S setzt nämlich mit einer massiven Fichtendecke, einem Resonanzkörper aus massivem Ahorn und einem Griffbrett/Saitenhalter aus Akazienholz deutlich stärkere Akzente.
Die vernickelten Mechaniken der Firma Van Gent werten das Instrument noch weiter auf. Die Classic S 4/4 wendet sich an den angehenden Gitarrenklassiker, aber nicht ausschließlich, denn weiche Nylonsaiten dürften eigentlich jedem Einsteiger das Leben erleichtern, auch wenn der sich nicht unbedingt der Pflege hoher klassischer Gitarrenspielkunst verpflichtet fühlt. Ob die Classic S zum Schnäppchenpreis auch einen gehobenen Klang freisetzen kann, den die massiven Hölzer versprechen, werden wir weiter unten noch eruieren.
Korpus
Die Classic S 4/4 hält formal am traditionell-klassischen Erscheinungsbild fest. Die ausladenden Zargen (hier: 9,6 cm) weisen das Instrument als echte Vollakustikgitarre aus.
Wir werfen den Blick zunächst auf die massive dunkle Fichtendecke, die sich aus zwei gleich großen Teilstücken zusammensetzt. Üblicherweise befinden sich die breiten Jahresringe am Deckenrand und die schmalen näher an der mittig verlaufenden Nahtstelle, die hier sichtbar bleibt. Ein ansehnliches symmetrisches Faserbild mit feinen Maserungen prägt die Oberfläche, die mit hochglänzendem Lack hauchdünn offenporig versiegelt wurde. Leider findet man aber auch überall auf der Decke zahlreiche kleinere und größere unschöne „Materialfehler“. Aber abgesehen davon leistet massives Fichtenholz einen nicht zu unterschätzenden Beitrag bei der Klangentfaltung.
Mit Verzierungen und Einlegearbeiten hält sich unsere Kandidatin, wie fast alle Vertreter der Spezies Konzertgitarre, vornehm zurück. Das beherrschende Element der Decke bildet eine bunt gemusterte Rosette, die das Schallloch umrundet. Den Deckenrand säumt diskret eine einfach gestreifte schmale Randeinlage.
Eine Konzertgitarre kommt (fast) immer ohne Schlagschutz klar, da sie ihr Klangpotenzial erst richtig entfaltet, wenn sie gezupft wird. Der Strummer sollte die schöne massive Decke allerdings mit einem selbstklebenden Pickguard ausstatten.
Der klassische Rechtecksaitenhalter wurde, wie schon erwähnt, aus einem Stück Akazie geschnitzt. Die Nylonsaiten werden durch Führungen im Tieblock gefädelt und mit diesem fest verknotet. Mit einem Doppelknoten wird die Stimmung in der Regel auch dauerhaft aufrechterhalten, auch wenn eine frisch aufgezogene Nylonsaite üblicherweise eine längere “Eingewöhnungszeit” braucht, um „in-tune“ zu bleiben.
Aus welchem Material die einteilige Stegeinlage besteht, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Da sie aber unverleimt in der Fräsung ruht, kann man sie bei Bedarf auch gegen eine andere austauschen, wenn sich dort Kerben und Riefen bilden sollten. Besondere Vorkehrungen zur Stabilisierung der Intonation werden üblicherweise bei einer Konzertgitarre nicht ergriffen, allerdings stimmt die hier auf ganzer Länge.
Boden und Zargen bestehen aus massivem Ahorn, es fehlt jedoch die typische helle Ahorn-Optik, da die Oberfläche dunkel-nussbaumfarbig gebeizt wurde. Die Maserungen bleiben aber sichtbar und das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Ein schmales, schwarzes, umlaufendes Band (Binding) schützt die Stoßkanten rundherum an der Decke und am Boden. Die beiden Bodenhälften sind nicht symmetrisch gemasert.
Konzertgitarren sind von Haus aus eben keine Umhängeinstrumente und deshalb kommt die Classic S ohne Gurtknöpfe aus der Produktion. Diese können aber bei Bedarf (gegen Aufpreis) montiert werden.
Interieur
Im Innenraum geht alles klassisch zu. Wie bei unserer Kandidatin wird das Holz dort in der Regel nicht lackiert, sodass sich das helle Ahornholz mit seinen Strukturen blicken lässt. Ein leichter Halsblock, der mit dem Halsfuß, der Decke, dem Boden und den Zargen verleimt wurde, stabilisiert die Konstruktion. Drei quer verleimte Leisten am Boden und unter der Decke – Standard bei Konzertgitarren sind eigentlich vier – sorgen dafür, dass sich die beiden Boden- und Deckenhälften nicht voneinander ablösen. Die Leisten an der Decke sind perfekt spiegelbildlich angeordnet. Ein Leistenpaar kann man im Oberbug, ein zweites im Bereich der Taille und das dritte im Unterbug an der breitesten Stelle ertasten. Ein sehr dünner aufgeleimter Bodenmittelstreifen verbindet die beiden Bodenhälften und dürfte für stabile Verhältnisse sorgen. Ein jeweils am Boden und der Decke rundum verleimter Holzstreifen ersetzt die sonst üblichen Reifchen. Auch der fragile Schalllochbereich ist mit zusätzlichen Holzstreifen verstärkt. Verarbeitungsmängel konnte ich nirgendwo entdecken.
Hals und Griffbrett
Der Hals aus Ahornholz, ebenfalls nussbaumfarbig gebeizt, benötigt keine zusätzlichen Stabilisierungsmaßnahmen (z. B. Truss-Rod), zumal Nylonsaiten die Halskonstruktion nicht so stark belasten wie Stahlsaiten. Ein spitzer Halsfuß und die gefensterte Kopfplatte, ebenfalls aus Ahorn, wurden angesetzt und miteinander verleimt. Die Verleimstellen bleiben zwar sichtbar, aber es ist nahezu ausgeschlossen, dass sich die Bauteile ausgerechnet dort lösen. Der Hals-Korpusübergang befindet sich am 12. Bund, wie es sich für eine Konzertgitarre gehört.
Auf dem aufgeleimten, nicht eingebundenen Griffbrett aus Akazienholz haben 18 Bundstäbchen Platz genommen. Diese wurden ordentlich abgerichtet, auch an den Kanten. Wie hier gibt es auf dem Griffbrett einer Konzertgitarre fast nie Bundmarkierer, allerdings findet man sie bei unserer Kandidatin im Kleinformat an der Sichtkante. Eine Griffbrettwölbung benötigt die traditionelle Konzertgitarre nicht und ihr Griffbrett wird in der Regel auch nicht lackiert, so auch hier. Der Sattel wurde passgenau eingesetzt und korrekt ausgekerbt. Mit einer Breite von 52,0 mm (Sattel) bei einem Halsumfang von 13,0 cm findet man jeweils standardgerechte Abmessungen vor. Die Normalmensur von 65 cm ist natürlich auch bei der Classic S gesetzt.
Kopfplatte
Zum traditionellen Klassik-Look gehört auch die doppelt gefensterte Kopfplatte mit der rundgeschwungenen Kuppel. Die Nylonsaiten werden um sechs Kunststoffroller mit breiter Achse gewickelt, weshalb sie unter anderem auch recht selten reißen. Die offenen Mechaniken der Firma Van Gent mit vergoldeten Zahnrädern sind auf beiden Seiten auf einer einteiligen vernickelten Grundplatte (“three on a plate”) verschraubt. Gestimmt wird mit griffigen Stimmflügeln aus Kunststoff. Sie arbeiten leichtgängig und halten die Tonhöhe sicher, allerdings sollte man eine gewisse „Einschwingungszeit“ nach dem Aufspannen einplanen.