Nanu, so schnell schon das nächste Update? Ableton Live 12.2 erscheint keine 18 Monate nach dem Release von Live 12 und weniger als ein Jahr nach dem Update auf 12.1. Wir haben uns die Betaversion mit den Updates von Auto-Filter, Browser und dem neuen Tool Expressive Chords bereits genauer angesehen.

Ableton Live 12.2: Komplett neuer Auto-Filter
Die Berliner DAW-Schmiede hat in diesem Update den vielleicht wichtigsten Audioeffekt von Live überarbeitet und erweitert – den Auto-Filter. Fünf neue Filtertypen sind dabei: Vowel, DJ, Comb, Notch + LP und Resampling. Das Vowel-Filter erzeugt, man kennt es aus anderen Filtern, einen fast stimmhaften Charakter im gefilterten Sound, und zwar vor allem, wenn man es moduliert. Resampling ist weniger Filter und mehr LoFi/Bitcrusher-Effekt. Mit Comb wiederum zieht ein Kammfiltereffekt mit metallischer Wirkung in das Filter ein. Indessen kombiniert DJ einen Lowpass- mit einem Highpass-Filter, wie man es von einigen DJ-Mixern kennt. Notch + LP war hingegen in der alten Version Teil des Morph-Filters.

Auch bei den Filteremulationen hat Ableton einiges verändert. Die vier Emulationen SVF, DFM (neue Analogemulation), MS2 (angelehnt an das Filter aus dem Korg MS-20) und PRD (angelehnt an das Moog-Ladder-Filter) hat man bezüglich CPU-Auslastung und Overdrive-Verhalten optimiert. Außerdem hat der Hersteller dem Effekt neue LFO-Wellen spendiert, einen LFO-Quantisierungsmodus eingebaut und den Sidechain-Eingang erweitert. Und endlich – das ist fast am wichtigsten – kann man die Ausgangslautstärke und den Effektanteil separat einstellen – und das samt Clipper, wie man es aus dem Glue Compressor kennt.
Bei all den neuen Features und Verbesserungen bleibt am Ende noch die wichtigste Frage zu klären: Wie klingt das alles? Neben Utility ist der Audio-Effekt der Effekt, den ich am häufigsten in Live nutze. Von simplen Highpass-Filtern über zackige LFO-Spielereien auf öden Synth-Pads bis hin zur ultimativen LoFi-Maschine fehlt Auto-Filter in fast keinem meiner Projekte. Und was soll ich sagen, Auto-Filter 2.0 hat mich durch die Bank weg begeistert, vor allem wenn es ans Sounddesign ging.
Browser und Bounce: Ableton Live 12.2 bringt Nachbesserungen
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Beginnen wir mit der kleinsten Neuerung mit dem größten Nutzen: Bounce in Place. Damit hakt Ableton wieder einmal einen Langzeitwunsch aus der Community ab. Seit gefühlt zwei Jahrzehnten hat sie neidisch auf die Konkurrenzprodukte von Cubase, Logic und Co. geblickt. Dabei ging es darum, ein, zwei Takte eines MIDI-Clips im Arrangement zu markieren und anschließend per Rechtklickmenü „Bounce to new Track“ wählen zu können – in der finalen Version 12.2. wird die Funktion dann wohl „Auf neue Spur bouncen“ heißen. Wählt man die Funktion aus, wandelt die DAW die Takte in einen Audio-Clip der gleichen Länge in eine neue Spur um. Damit ist Resampling in Lichtgeschwindigkeit möglich. Das ist zwar ein superwichtiges Feature, aber am Ende keine Revolution – nur ein Aufholen der schon lange bouncenden Konkurrenz.
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Das schlagwortbasierte Suchen im neuen Browser von Live 12 hat man sich zwar schön gedacht, schoss aber allein optisch mit dem zusätzlichen Tag-Browser etwas über die Ziellinie. Im 12.2 Update hat man bei Workflow und Anzeige des Browsers subtil nachgebessert. Der Tag-Browser ist jetzt auf Wunsch aufklappbar und bleibt ansonsten versteckt. Dafür informiert die Anzeige des Vorhörsounds jetzt direkt über die Tags jedes Presets. Zudem kann man den meisten Icons links andere Symbole zuweisen.
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Die Tags jedes Presets sieht man jetzt unter der Ergebnisliste – genauso das Pack, aus dem es stammt.

Am nützlichsten ist jedoch die kleine Änderung bei der Sortierung der Suchergebnisse. Sie mag trivial erscheinen, doch wird sie alle, die den Live-Browser häufiger benutzen, ziemlich erfreuen: Ab 12.2 ist es nämlich möglich, sich mehr als eine Spalte neben dem Presetnamen anzeigen zu lassen, auch die Spalte „Ort“ ist neu. So kann ich die Suchergebnisse nach Live-Pack-Zugehörigkeit und Größe sortieren, was das Stöbern bei vielen Suchergebnissen ungemein erleichtert.
Roar röhrt schöner: Ableton Live 12.2 verbessert den Distortion-Effekt
Roar ist einer der am besten klingenden Distortion-Effekte auf dem Markt, vor allem wenn es um die kreative Soundzerstörung geht. Die Feedback-Schleife, die das Signal mit verschiedenen Delay-Zeiten und sogar auf Noten basierend noch einmal durch die Distortion Engines jagt, sorgt für abgefahren kaputte Sounds. In Ableton 12.2 kommen neue Features dazu. So konnte man den Note-Modus in Roar bisher nur auf einer Note basierend nutzen. Jetzt kann man MIDI-Noten (aus der eigenen oder jeder anderen Spur) in Roar routen, die Feedbackschleife folgt dann (monophon) den Tonhöhen.
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MIDI-Input im Sidechain und neuer Dispersion-Filter

Auch Audiosignale könnt ihr jetzt per Sidechain aus anderen Spuren in Roar schicken und per Envelope Follower als Modulator nutzen – da hüpft und groovt die Verzerrung im Rhythmus des Percussion Loops! Zu den vielen Routingmöglichkeiten zum Splitten des Signals kommt bei Roar in diesem Update noch die Option hinzu, das Delay-Signal vor der Feedbackschleife zu setzen. Und mit dem Dispersion-Filter ist jetzt ein All-Pass-Filter der Kategorie Kilohearts Disperser dabei – hervorragend für glitchige Color-Basses oder LoFi-Vibrato-Effekte. Soundtechnisch ist das eines meiner Highlights.
Expressive Chords: Max-for-Live Device zum Akkorde triggern
Noch ein Akkordgenerator? An sich schon, doch wandelt dieser Noten in Akkorde weitaus musikalischer um als das Chord-MIDI-Tool in Ableton oder die Transformation-Werkzeuge in MIDI-Clips. An sich ist Expressive Chords ein kleines Max-for-Live-MIDI-Werkzeug, das man vor ein Instrument, zum Beispiel ein Piano oder Rhodes legt. Auf allen Pads im Device liegt ein Akkord und jedes Pad wird jeweils wiederum mit einer MIDI-Note getriggert.
Will man eigene Akkord-Sets in das Device laden, braucht man eine Akkordfolge in einem MIDI-Clip. Diesen legt man auf der Spur mit Expressive Chords ab und wählt dort „Import Chords from Clips“. Allerdings könnt ihr die abgelegten Akkorde weder im Device nachbearbeiten noch auf andere Pads schieben. Clips kann man außerdem nicht per Drag-and-drop ablegen. Da ist noch Luft nach oben.
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Hier stellt ihr Reihenfolge und Geschwindigkeit des Strum-Pattern von Expressive Chords ein.
MIDI-Effekt Expressive Chords in Ableton Live

Vor allem könnt ihr jetzt über die Parameter Tilt und Strum die Spielweise der Pad-Akkorde verändern – so klingen sie weitaus muskalischer und „gespielter“. Tilt verändert die Velocity der gespielten Noten. Steht es ganz links, ist die erste Note am lautesten, ganz rechts umgekehrt. Strum verschiebt hingegen das Timing der Noten im Akkord, so wie man Akkorde auch häufig auf dem Klavier spielt.
Über Invert stellt man verschiedene Umkehrungen der Akkorde ein, während Articulate Reihenfolge und Rhythmus der durch Strum verschobenen Noten verändert. Alle vier Parameter könnt ihr zufällig variieren – per Mod Wheel, MPE Slide oder Velocity geht das pro gespielte Note. Und das klingt. Was ich als jemand mit wenig Klavierspiel-Know-how hier aus Klavierakkorden geholt habe, ist weit entfernt von den maschinellen House-Akkorden, wie man sie aus den Neunzigern kennt.
Neues für Meld, Drift und Operator
Der in Live 12 neu dazugekommene Soft Synth Meld bekommt einen neuen Oszillator spendiert, den Chord Osc. Hier sind quasi mehrstimmige Akkorde als Intervalle aus Saw-Waves eingebacken. Über Shape wechselt man zu verschiedenen Akkordvarianten mit Quarten, Septimen und mehr. Inversions erlaubt das stufenlose Wechseln zwischen verschiedenen Umkehrungen. Man verschiebt damit die Terzen oder Quinten um Oktaven nach oben. Praktischerweise lässt sich der Chord Osc über den globalen Skala-Modus auch direkt in eine Tonart zwängen. Interessant klingt der Oszillator vor allem dann, wenn man besagte Parameter per Envelope oder Envelope moduliert.

Der Skala-Modus dient der globalen Tonart. Er ist in diesem Update in zwei weiteren Audioeffekte von Live eingezogen: den Spectral Resonator und den Resonator. Beide Effekte agieren bei entsprechend angewählter Tonart in Lives neuem Tuning-Browser ab jetzt auch mikrotonal. Dadurch sind ganz neue klangliche Experimente erlaubt: Ihr könnt mit dem Resonator zum Beispiel ein Synth-Pad zu einer indischen Raga-Tonart verdrehen. Außerdem hat man die maximale Stimmenanzahl bei Operator auf 32 erhöht und Drift einen optionalen High-Quality-Modus verpasst, den ihr per Rechtsklick auf die Titelleiste aktiviert.

Natürlich lässt sich der Berliner Hersteller nicht in die Karten schauen, wenn es um die nächsten großen Updates geht. Der genannte Operator ist mehr als reif für eine grundlegende Überarbeitung inklusive voller MPE-Kompatibilität. Auch hört man häufig aus der Ecke der Filmmusik- und Postproduzenten, dass die DAW mehr als zu wünschen übriglässt, was die Kompatibilität und Synchronizität von Filmdateien angeht.
Und der freie Plugin-Standard CLAP darf gerne langsam in die engere Auswahl der nächsten Updates kommen. Am überfälligsten ist allerdings eine Überarbeitung des im Vergleich zur Konkurrenz recht dürftig funktionierenden PDC (Plugin Delay Compensation) und die häufig recht wackelige Synchronisierung mit externem MIDI-Gear.
Hoffen wir auf Live 12.5!
FAZIT
Auch ein kleines Update kann begeistern. Ableton Live 12.2 legt genau an den Stellen nach, wo es gejuckt hat. Gerade das Update von Auto-Filter ist gelungen, vor allem soundtechnisch hat man sich im Vergleich zum Original hier noch einmal übertroffen. Und alle DAW-Anhänger kennen das Gefühl, wenn die präferierte Software endlich, endlich ein langersehntes Feature nachlegt: Bounce-in-Place macht den Resampling-Workflow noch schneller.
Ich bleibe allerdings bei meiner Kritik zu 12.1: Hier habe ich die wenig aussagekräftige Undo History bereits bemängelt. Wie man dieses doch eigentlich so nützliche Feature derart unfertig einführen konnte, bleibt mir ein Rätsel. Und so musikalisch Expressive Chords auch ist, so wenig zu Ende gedacht wirkt auch dieses Device. Wobei man hier fairerweise sagen muss, dass nach der Betatestphase ja meist noch nachgelegt wird. Hoffen wir es.
Features
- DAW für Windows und Mac
- Mehrspuraufnahmen bis zu 32 Bit / 192 kHz
- Integriertes Max for Live (Suite) Version 9
- Session View für das Sammeln von Ideen und die Live Performance
- Auto-Filter: Neue Oberfläche, neue Filtertypen und Analogemulationen, mehr Modulationsmöglichkeiten
- Roar: Dispersion-Filter, MIDI-Sidechain,
- Browser mit Filterfunktion und Auto-Tagging, mehr Spalten zum Sortieren,
- PREISE:
- Ableton Live Suite: 599,- EUR
- Ableton Live Standard: 279,- EUR
- Ableton Live Intro: 79,- EUR
- Auto-Filter mit verbessertem Sound
- Bounce-in-Place für schnelleres Resampling
- Browser ist aufgeräumter
- Dispersion Filter in Roar für LoFi-Effekte
- Expressive Chords wandelt MIDI-Noten in sehr musikalische Akkorde um
- Undo History nicht aussagekräftig
- (Umständlicher Workflow bei Import in Bearbeitung von Akkorden in Expressive Chords)
