Audeze LCD-5 Test

Der amerikanische Kopfhörerspezialist Audeze zählt mit seinen häufig hochpreisigen Modellen tatsächlich zu den Luxusmarken unter den Kopfhörerherstellern.

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Der brandneue Magnetostat LCD-5 ist – gemeinsam mit dem Audeze CRBN Electrostatic – das aktuell teuerste Modell der „Flagship Series“ aus Kalifornien, der haarscharf unterhalb der 5000-Euro-Grenze über die Ladentheke geht. Was diesen Preis möglicherweise (!) rechtfertigt, lest ihr im folgenden Review!

Details

Bauweise und Technik

Wie der erst kürzlich von mir getestete Audeze LCD-2 Closed-back handelt es sich um einen sogenannten magnetostatischen Kopfhörer, in diesem Fall in offener Bauweise mit ohrumschließenden Hörmuscheln. Hörer dieser Wandlerart werden übrigens auch als planar-magnetisch oder orthodynamisch bezeichnet und dominieren das Portfolio des amerikanischen Herstellers. Im Vergleich zu den weit verbreiteten dynamischen Kopfhörern sowie den exotisch-seltenen Elektrostaten, besitzen magnetostatische Kopfhörer typische Merkmale und Eigenschaften. Um welche Vor- wie auch Nachteile es sich hierbei handelt, könnt ihr bei Interesse im Detail in unserem Feature Schallwandler von Kopfhörern nachlesen. Da magnetostatische Wandler in der Regel mit sehr großen Permanentmagneten bestückt sind, ist eine häufig imposante Gehäusegröße und das damit verbundene hohe Gewicht ein bauartbedingt potenzieller Nachteil. Durch einen speziellen Materialmix gelingt es dem Hersteller, das Gewicht des LCD-5 gegenüber vergleichbaren Modellen deutlich zu reduzieren. Er wiegt mit 420g beispielsweise beachtliche 270g weniger als das Vorgängermodell LCD-4. Gegenüber dem LCD-4 halten sich die Unterschiede in den weiteren technischen Angaben aber im Rahmen. Auffallend ist aber beispielsweise eine sehr geringe Impedanz von lediglich 14 Ohm gegenüber 200 Ohm beim Vorgängermodell sowie eine Verringerung der Membrangröße auf 90 mm (LCD-4: 106 mm), was allerdings immer noch dem doppelten Durchmesser eines durchschnittlichen dynamischen Schallwandlers entspricht. Der Übertragungsbereich übertrifft mit überdurchschnittlichen 5 bis 50000Hz den menschlichen Hörbereich großzügig und macht neugierig auf die tatsächlichen Wiedergabeeigenschaften des LCD-5. Weitere technische Angaben findet ihr übrigens am Ende dieses Testberichts.
Wie bei allen Herstellern von Kopfhörern, und das trifft insbesondere auf ambitionierte Spitzenmodelle zu, besitzt der LCD-5 verschiedene technische Errungenschaften und Finessen, die das Modell in der Produkthierarchie gegenüber den günstigeren Modellen abgrenzt. Das übliche Ziel: Optimierung der Impulswiedergabe, niedrige Verzerrungen, Vermeidung von Resonanzen zur angestrebten Frequenzwiedergabe und vieles mehr. Fluxor-Magnetfeld, superdünne „Nano-Scale Parallel Uniforce Membran“ und Fazor Waveguide sind die herstellerseitig genannten Spezialitäten des vorliegenden Testobjekts, auf deren akademische Detailerklärung ich mir an dieser Stelle aber bewusst verzichte. Entscheidend ist: Wie klingt der LCD-5? Die Antwort auf diese Frage folgt im Praxisteil.
Auch in diesem Review möchte ich wieder darauf hinweisen, dass sich die starken Magnete dieser speziellen Kopfhörergattung negativ auf Personen mit einem Herzschrittmacher auswirken können.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Innenansicht der Ohrmuschel ermöglicht offenbar den Blick auf die spezielle Anordnung der Permanentmagnete.

Verarbeitung und Materialmix

Während sich die augenscheinliche Gehäusekonstruktion des LCD-5 den meisten Audeze-Modellen stark ähnelt, ist der Materialmix ein markantes Unterscheidungsmerkmal zu den Modellen der etwas günstigeren Produktlinien. Anstelle von Stahl und Kunststoff dominieren bewusst besonders leichte Werkstoffe wie Magnesium, Aluminium und Kohlenstofffaser die Rahmenkonstruktion. Optisch auffallend und durchaus attraktiv ist die Einfassung der Ohrmuscheln aus braun schimmerndem Acetat, das man eher von der Brillenherstellung kennt. Die körperaufliegenden Polster sind aus echtem Leder gefertigt. Die Verarbeitung des sehr robust wirkenden und subjektiv exzellent designten Kopfhörers ist so makellos, wie man es für den Preis erwarten darf. Für den professionellen Einsatz zählt zudem die unkomplizierte Austauschbarkeit der Bauteile.

Fotostrecke: 2 Bilder Leichte Kohlefaser (Carbon) statt Stahl beim Kopfbügel

Lieferumfang

Das Audeze-Flaggschiff wird im standesgemäßen Aluminiumkoffer geliefert. Der weitere Lieferumfang umfasst ein beidseitig geführtes 6,35mm-Klinkenkabel (OCC) in einer Länge von ca. 2,5 m und vergoldetem Stecker. Dieses ist herstellertypisch auffällig geflochten und endet in zwei verriegelbaren Mini-XLR-Steckern, die an beiden Ohrmuscheln befestigt werden. Anstatt einer gedruckten Dokumentation befindet sich im Koffer eine Plastikkarte mit dem Verweis auf das Manual der Homepage. Zum Zeitpunkt meines Tests war allerdings noch keine LCD-5-spezifische Anleitung verfügbar und der allgemeine LCD-User Guide wurde ebenfalls noch nicht aktualisiert. Das soll keine Kritik sein, sei aber der Vollständigkeit halber erwähnt.

Fotostrecke: 6 Bilder Der stabile Aluminiumkoffer gehört zum Lieferumfang.

Praxis

Verwendungszweck

Im Gegensatz zu Kopfhörern mit geschlossenen Ohrmuscheln eignen sich offene Kopfhörer wie der Audeze LCD-5 eher nicht für die Verwendung unter lauten Umgebungsgeräuschen oder in Aufnahmeräumen. Geeignete Einsatzorte können das heimische Wohnzimmer oder auch Regieräume von Ton- oder Masteringstudios sein. Offene Referenzkopfhörer werden von vielen Engineers zur Mix- oder Mastering-Kontrolle, unter anderem aufgrund ihrer tendenziell natürlicheren Räumlichkeit und Unempfindlichkeit gegenüber Resonanzen, bevorzugt. Mit seinen exzellenten Wiedergabeeigenschaften eignet sich der Audeze LCD-5 für ambitionierte Musikkonsumenten wie auch professionelle Anwender zu dem soeben genannten Einsatzzweck.

Testbedingungen

Zwar gibt es zu diesem Thema kontroverse Meinungen und Quellen, aber ich habe den LCD-5 vor meinem mehrtägigen Test etwa 20 Stunden eingespielt. Der Test erfolgte am SPL Phonitor mini und den Kopfhöreranschlüssen eines Apollo X4 von Universal Audio. Hierbei kamen Fremd- und Eigenproduktionen sowie DAW-Instrumente und Signalprozessoren zum Einsatz. Außerdem bot es sich an, meine offenen Kopfhörer Focal Clear Mg Professional und AKG K812 zum Vergleich heranzuziehen. Beide Modelle sind mit dynamischen Schallwandlern ausgestattet, deutlich günstiger und richten sich in ihrem Premiumanspruch als Flaggschiffmodell des jeweiligen Herstellers prinzipiell an die gleiche Zielgruppe. Im Testverlauf zeigte sich, dass die Modelle von Audeze und Focal meinen vielfach bewährten AKG K812 klanglich dann doch in verschiedenen Parametern überflügeln, sodass ich verstärkt Bezug auf den Clear Mg Professional nehme.

Der Audeze LCD-5 ist für zahlungskräftige Konsumenten und Profis gleichermaßen interessant.
Der Audeze LCD-5 ist für zahlungskräftige Konsumenten und Profis gleichermaßen interessant.

Klang

Vorweg möchte ich anmerken, dass ein hoher Verkaufspreis nicht immer gleichbedeutend mit top Wiedergabeeigenschaften ist. Mir sind durchaus Kopfhörer für vierstellige Euro-Beträge bekannt, deren Wiedergabequalität nicht das Niveau eines guten 150-Euro-Modells erreichen. Das trifft auf den Audeze LCD-5 aber definitiv NICHT zu! Klanglich zählt er – soviel vorweg – absolut zu den bestklingenden Kopfhörern, die ich bisher verwendet habe. Andererseits ist mir ebenfalls aufgefallen, dass der Flaggschiff-Magnetostat in keiner Wiedergabedisziplin irgendwelche Vorteile gegenüber dem dynamischen Ausnahmekopfhörer von Focal besitzt, da auch bei dieser Wandlerart in den letzten Jahren offenbar enorme Entwicklungen stattgefunden haben. Im Einzelnen:

Frequenzabstimmung

Die Frequenzwiedergabe des LCD-5 ist ausgewogen und frei von Überzeichnungen. Nicht selten besitzen Referenzkopfhörer verschiedener Hersteller einen stark abweichenden Klangcharakter. Das ist beim direkten Vergleich mit meinem „Präferenzkopfhörer“ von Focal erfreulicherweise nicht der Fall – trotz unterschiedlicher Wandlertechnik folgen beide Hersteller offenbar der gleichen Klangphilosophie bei ihren Flaggschiffen. Dennoch sind leichte Unterschiede auszumachen. Während beide Kopfhörer den mittleren Frequenzbereich aus musikalischer wie tontechnischer Sicht adäquat und beispielsweise nicht unangemessen eingebettet wiedergeben, erklingen beim Audeze die unteren Mitten zu Gunsten der oberen Mitten etwas reduziert, wodurch Gesangsstimmen ein wenig kühler klingen können. Eine weitere Abweichung findet sich im Bassbereich, in dem der Audeze im Direktvergleich mit dem Clear Mg Professional etwas nüchterner agiert. Dennoch ist die Basswiedergabe, ähnlich dem AKG K812, quantitativ und tonal immer noch gut bewertbar. Subjektiv fallen mir professionelle Klangentscheidungen mit dem potenteren Bass des Focal-Kopfhörers aber leichter. Hohen Frequenzen spielt der LCD-5 souverän ausbalanciert und gleichmäßig ohne nennenswerte Schärfe. Am Tongenerator entpuppt er sich oberhalb von etwa 14 kHz zudem als etwas standfester als der Focal Kopfhörer, der ab 13,5 kHz eine etwas stärkere Dämpfung offenbart. Allerdings darf man in diesem Bereich die Praxisrelevanz auch nicht überbewerten. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Frequenzwiedergabe des Audeze LCD-5 kritischen Beurteilungen bei Misch- und Mastering-Bearbeitungen gerecht wird.

Impulswiedergabe

Eine hohe Impulstreue zählt zu den typischen Charaktermerkmalen magnetostatischer Kopfhörer. Der Grund hierfür ist die geringe Trägheit durch Verwendung einer besonders dünnen Membran und quasi der Wegfall einer schweren Schwingspule, wie sie zumindest bei klassischen dynamischen Kopfhörern vergangener Dekaden anzutreffen ist. Die genannten Vorzüge treffen demnach auch auf den LCD-5 zu, dessen Membran laut Hersteller so flach wie ein Blutplättchen sein soll. Die präzise Impulswiedergabe, sowohl Ein- als auch Ausschwingzeiten, des LCD-5 bewirkt eine detailreiche Wiedergabe und begünstigt die kritische Dynamik- und Transientenbearbeitung bei professionellen Audio- und Musikproduktionen. Dass es der dynamische Ausnahmekopfhörer von Focal trotz dieses Hintergrundwissens schafft, sogar noch eine Spur lebendiger und authentischer zu klingen, soll die vorhandenen Qualitäten des Audeze LCD-5 absolut nicht schmälern. Allerdings sehe ich darin ein Beleg für meine zuvor geäußerte Ansicht, dass das die magnetostatische Wandlertechnik nicht zwingend klangliche Vorteile gegenüber aktuellen dynamischen Kopfhörern besitzt.

Räumliche Abbildung

Der LCD-5 spielt äußerst transparent mit einer grandiosen Lokalisation und Separierung einzelner Mixbestandteile. Allerdings erreicht der Audeze-Kopfhörer nicht ganz die natürliche Raumanmutung der Focal Referenz oder wie ich es vom Sennheiser HD-800 S in Erinnerung habe. Das Mittensignal wirkt in Relation zum Seitensignal ein wenig reduziert, wodurch die Stereobühne (kopfhörertypisch) überbreit erscheint und beispielsweise mittig positionierte Gesangsstimmen in den Hintergrund rücken und etwas stärker eingebettet erscheinen als es beispielsweise bei vielen professionellen Studiomonitoren der Fall ist. Diese Unterscheidung ist kein dramatischer Kritikpunkt und disqualifiziert den LCD-5 keinesfalls von kritischen Klangbewertungen, subjektiv empfinde ich die räumliche Abbildung des dynamischen Focal Kopfhörers als etwas natürlicher und somit geeigneter für klangentscheidende Maßnahmen als Tonschaffender wie auch zum privaten Musikgenuss.

Tragekomfort

Dank Leichtbau, einer simplen wie genialen Kopfband-Konstruktion à la AKG und komfortablen Polstermaterialien aus Echtleder, räumt der LCD-5 mit dem Vorurteil auf, dass Magnetostaten Defizite im Tragekomfort haben. Der Sitz und die Anpassung an meine Kopfform ist perfekt und auch über einen längeren Zeitraum bequem zu tragen. Für einen Kopfhörer in offener Bauweise ist der Anpressdruck zwar beherzt, aber aufgrund der komfortablen großen Ohrpolster absolut unproblematisch – top!

Fotostrecke: 4 Bilder Komfortable Ohrpolster aus echtem Leder

Fazit

Der Audeze LCD-5 ist ein Liebhaberstück, dass man vielleicht am besten eher emotional als rational bewerten sollte, wie es bei vielen Luxusartikeln eben der Fall ist. Der komfortable „Leichtbau-Magnetostat“ sieht umwerfend aus und ist entsprechend seines Preises im edlen Materialmix hochwertig verarbeitet. Die Wiedergabeeigenschaften sind exzellent und sollten den Geschmack ambitionierter Musikliebhaber wie Tonprofis gleichermaßen treffen. Allerdings findet man eine solche Wiedergabequalität, wenn auch vereinzelt, bereits in deutlich günstigeren Preisregionen – das ist aus eigener Erfahrung einfach mal ein Fakt! Wer fähig und bereit dazu ist, knapp 5000 Euro in einen Kopfhörer zu investieren, der erhält auf jeden Fall ein Top-Produkt mit hohem Prestige-Faktor!

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Features & Spezifikationen
  • magnetostatischer Kopfhörer
  • offen
  • magnetostatische Treiber (90mm)
  • Fluxor-Magnetanordnung
  • Neodym (N50)
  • ohrumschließend
  • Fazor-Waveguides
  • Kopfbandaufhängung aus Karbonfaser
  • Ohr- und Bügelpolster aus Leder
  • Transportkoffer aus Aluminium
  • Kabelführung beidseitig (abnehmbar, Mini-XLR)
  • 1,9m-Kabel (OCC) mit 6,35mm-Klinkenstecker (vergoldet)
  • Übertragungsbereich 5 – 50000 Hz
  • Impedanz 14 Ohm
  • Empfindlichkeit 90 dB
  • max. Schalldruckpegel > 130 dB
  • THD
  • Magnesiumgehäuse
  • Gewicht 420 g ohne Kabel
  • Preis: € 4990,- (Straßenpreis am 22.11.2021)
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • detailreiche Wiedergabe
  • exzellente Separierung von Mixbestandteilen
  • natürliche, unaufgeregte Frequenzabstimmung
  • abnehmbares Kabel
  • robuste Konstruktion
  • hohe Gewichtseinsparung gegenüber Vorgängermodell
  • hervorragender Tragekomfort
  • stabiler Transportkoffer aus Aluminium
Contra
  • sehr teuer!
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Audeze LCD-5 Test
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