Bitwig Studio 3.3 Beta Test

„Wired for Sounds“ („Für Sounds verkabelt“) ist das Motto des dritten Updates von Bitwig Studio 3. Ähnlich wie bei der Konkurrenz werden mit jedem neuen Update neben Verbesserungen und Bugfixes auch neue Instrumente und Sounds sowie Workflowveränderungen mitgeliefert. In Version 3.3 sind z. B. Polymer, ein Hybrid aus Modular- und Analogsynth sowie ein waschechtes Wavetablemodul dabei. Wie sich die Neuheiten im Praxisalltag machen, was trotzdem noch fehlt und was vielleicht sogar zu viel ist, lest ihr in unserem Update-Test. 

Bitwig_Studio_3-3_01_Aufmacher
Wer einen Upgrade-Plan von Bitwig hat, durfte sich vor kurzem gleich zum zweiten Mal in diesem Jahr freuen. Die nächste Fuhre an Instrumenten, Features und Modulen wurde als Beta der Version 3.3 von Bitwig Studio 3.3 veröffentlicht. Im Vergleich zu großen Updates wie z. B. bei Logic Pro-X 10.5 macht Bitwig eher kleinere Schritte, was die Menge an Neuerungen pro Update betrifft. Dafür ist man hier aber auch erheblich schneller: 3.2 ist gerade einmal sechs Monate alt. Und so langsam scheint es, als seien sich die Berliner immer bewusster darüber, wer ihr Zielpublikum ist. Die Bitwig-Community ist irgendwo zwischen Sounddesignern. Modularsynthnerds, Knöpfefricklern und Technofeen beheimatet. Ihre Sounds MÜSSEN komplex und anders klingen, ihre Synthesizer auseinander gebaut und modifiziert und die Presetordner ignoriert werden. Dieser bunten Bastlermischung gerecht zu werden und dabei gleichzeitig potentielle Neukunden nicht mit einem zu komplizierten Einstieg zu verschrecken, das ist und bleibt dabei die Herausforderung von Bitwig. 

Details

Polymer – Hybrider Modularsynth

Kommen wir zum Star des Updates – Polymer. Der ist als Einstiegsdroge für diejenigen gedacht, die sich zwar für Modularsynthese und The Grid interessieren, denen das aber bisher zu kompliziert war. So eine Wand voller Kabel und blinkender Module kann anfangs ja schon etwas abschreckend wirken. Will man also über den Tellerrand eines „einfachen“ Synthesizers wie FM-4, Phase-4 oder Polysynth schauen, aber noch nicht gleich Kabel stecken, ist Polymer zur Stelle. Im Oszillatormodul kann die Syntheseart ausgetauscht, im Filter verschiedene Typen ausgewählt und die Hüllkurven an verschiedene Module geknüpft werden. Der grundsätzliche Signalfluss ist in Polymer jedoch festgelegt – wir sind schließlich immer noch im Land der semimodularen Synthesizer.

Fotostrecke: 2 Bilder An der Oberfläche ist Polymer ein sehr simpel gehaltener, subtraktiver Synthesizer mit einfachem Signalfluss.
Vier Synthesearten in sieben Auswahlmöglichkeiten bringt Polymer mit: Vier Analogsynthesizer-Module (Pulse, Sawtooth, Sine, Triangle), ein Wavetablemodul, Phase-1 (der kleine Bruder vom FM-Synth Phase-4) und Swarm, ein Unison-Oszillator. Dazu gibt es ein Sub-Oszillator-Modul, mit dem sich ein nach unten oktaviertes Basssignal dazu drehen lässt und ein Noise-Modul, das allerdings – etwas überraschend – keine Auswahl über die Art des Rauschens anbietet, nur White Noise ist im Angebot. Danach wählt man im Filtermodul aus fünf Filtern aus (zwei Lowpass-Filter, zwei Multimode-Filter, ein Combfilter). Moduliert wird grundsätzlich von zwei Hüllkurven aus, einer für die Lautstärke, einer für das Filter. Praktischerweise lassen sich Noise- und Suboszillator in die Filterhüllkurve umrouten, was zu ungewöhnlichen Sounddesignmöglichkeiten führt. Presetsounds, anhand derer man die Möglichkeiten und den Sound des Instruments kennenlernen könnte, sind in der Betaversion noch fast keine dabei – das dürfte aber beim Erscheinen der finalen Version 3.3 anders sein.
Audio Samples
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01. Preset “Wavetable Wavy” 
02. Preset “Wavetable Plucky” 
03. Preset “Wavetable Steppy” 
04. Pulse-Oszillator mit Filterhüllkurve 
05. Swarm-Oszillator mit SVF-Multi-Resonant-Filter
 06. Phase-1-Oszillator mit 16-Step-Modulator und Comb-Filter


Wie alle Instrumente und die meisten Effekte in Bitwig Studio bringt Polymer auch eine aufklappbare Großansicht an, die aber, anders als bei den anderen Synthesizern, keine Wellenformen in Großaufnahme zeigt, sondern The Grid. Das steckt nämlich unter der Haube von Polymer. Will man den Signalweg verändern, kommt schnell die Ernüchterung: Die Kabel sind in dieser Ansicht unverrückbar, lediglich die Parameter lassen sich verstellen. Aber keine Bange, ein Rechtsklick auf den Titel links am Polymer, anschließend „Convert to Poly Grid“ auswählen und schon sind wir auf dem bekannten Modularspielplatz. Auf diese Weise können wir beispielsweise das Routing von Noise- und Sub-Oszillator ändern. Die beiden Oszillatoren sind standardmäßig in Polymer immer so geroutet, dass man vom Hauptoszillator nichts mehr hört, wenn sie voll aufgedreht sind. Wir fügen dann ein Mixermodul hinzu und routen Oszillator, Suboszillator und Noisemodul in die Eingänge – damit haben wir mehr Kontrolle über die Signalanteile.

Fotostrecke: 2 Bilder So sieht Polymer unter der Haube aus. Die Regler können verstellt werden, Kabel gelöscht werden dagegen nicht.

Wavetable – Synthese à la Serum

Die Wavetable-Synthese ist mittlerweile in quasi jeder DAW angekommen und so gibt es sie als Modul in Polymer und in The Grid im 3.3 Update von Bitwig Studio. Das Update bringt von Haus aus ca. 200 Wavetables in verschiedenen Kategorien und Klangfarben mit. Die Wavetables sind alle im WT-Format vorhanden, das man auch vom fantastischen Freeware-Synthesizer „Surge“ kennt. Auch Wavetables im normalen WAV-Format kann das Modul lesen. Per Drag-and-drop kann man diejenigen, die auch in Serum importierbar sind, in „Wavetable“ überführen. Graphisch erinnert das Instrument an die dreidimensionale Darstellung der Wavetables in Serum oderAbleton Lives Wavetable. Dazu gibt es etwas versteckt im Wavetable-Modul noch einen Unison-Bereich, der den Oszillator auf bis zu sechszehn Unison-Instanzen aufblasen kann. 

Audio Samples
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07. Wavetable “Robo ah”
 08. Wavetable “Carpenter Reso” mit 7-Sekunden-Ramp 
09. Wavetable “Bell Fractal +1”
 10. Wavetable “Bell Fractal +1” mit 5-fach-Unison im “Fat”-Modus 
11. Wavetable “Bell Fractal +1” mit 7-fach-Unison im “Focus”-Modus
 12. Wavetable “Bell Fractal +1” mit 16-fach-Unison im “Complex”-Modus


Neben den üblichen Reglern für die Breite und „Verstimmung“ der Unison-Kopien gibt es dazu noch die Möglichkeit, zwischen drei Unison-Arten auszuwählen: „Fat“, „Focused“ und „Complex“. Diese bestimmen, wie die Stimmen im Unison-Stack geschichtet werden. „Fat“ schichtet sie flach nebeneinander im Stereopanorama, „Focused“ setzt eine laute Hauptstimme in die Mitte und die anderen Oszillatorstimmen leise verstimmt an den Rand und bei „Complex“ werden die Unsion-Instanzen verwischt – laut Beschreibung entstehen hier wohl Polyrhythmen zwischen den Unison-Stimmen, das Retriggern bei neuen MIDI-Noten soll so besonders weich klingen. 

Fotostrecke: 2 Bilder Die graphische Darstellung der Wavetables im Browser hilft bei der Auswahl enorm.

Praxis

Timestreching, Clipfades und Project Sections – Bitwig Studio 3.3 mit Worklflowverbesserungen

Timestretching – also das Verändern der Länge von Audio- oder MIDI-Clips in der Timeline (samt Inhalt – also der Geschwindigkeit) war ein lange von der Community gewünschtes Feature. Mit gehaltener ALT-Taste verwandelt sich nun in Version 3.3 der Mauszeiger am Anfang und Ende der oberen Ränder von Clips in das Stretch-Werkzeug, das nun die Dauer und damit Geschwindigkeit des Inhalts relativ zum Songtempo verändert. Im Arbeitsalltag ist diese Funktion sehr praktisch und hat viele Anwendungsfelder. Falls beispielsweise ein viertaktiges Loop von Bitwig nicht ganz auf das Songtempo angepasst wurde und im Raster dreieinhalb Takte lang ist, ist das mit dem neuen Werkzeug nun ein Leichtes, das zu ändern.

Fotostrecke: 3 Bilder Bei gehaltener ALT-Taste lässt sich am Anfang und Ende eines Clips jeweils im oberen Eckenbereich das Timestretching-Werkzeug benutzen.

Bei den Fade-ins eines Audioclips haben sich die Bitwigger etwas ziemlich Geniales einfallen lassen, um zu verhindern, dass ein Fade-in erst so knapp vor dem Transienten eines Drumsamples ansetzt, dass es diesen beeinflusst. Gesetzt den Fall, dass das Sample etwas Vorlauf hat, bis der Transient abspielt, kann man dieses nun wie gewohnt direkt am Transienten schneiden. Der Fade-in kann nun quasi im bereits abgeschnittenen Teil beginnen und wird nicht, weil man etwa zu knapp geschnitten hat, in den Transienten faden und ihn damit abdämpfen. Klingt kompliziert, hilft im Samplingalltag aber ungemein. Dazu lässt sich nun der Clip-Gain in Clips am oberen Rand direkt per Maus einstellen und man muss nicht mehr im Inspector nach der Gain-Einstellung suchen.

Fotostrecke: 2 Bilder Hat man mehrere Audioclips angewählt und möchte deren Lautstärke gleichzeitig und im Verhältnis ändern, geht dies nur in der Gain-Anzeige des Infobereichs.

The Grid – neue Module und neues bei Modulen

Zwei neue Modulatoren und acht The Grid Module sind neu. Bei den Modulatoren ist Ramp vor allem in Verbindung mit dem Wavetabe-Oszillator ein sehr praktisches Modul. So „fährt“ man sägezahnwellenähnlich einmal durch das Wavetable und muss sich nicht mit der richtigen Einstellung einer Hüllkurve oder eines LFOs herumschlagen. Geschwindigkeit, Loop-Modus und Verlauf lassen sich im Modul einstellen. Dazu kommt der Vibrato-Modulator, ein laut Bitwig besonders musikalischer LFO, der gerade durch die Möglichkeit, die Modulationswelle zu verzögern und langsam einzufaden, eine ganz eigene Charakteristik bei Modulationen bekommt. Vibrato ist bereits standardmäßig in jeder neuen Polymer-Instanz aktiviert und mit dem „Pitch“-Verbunden. Modwheel hoch, Vibrato, go!

Fotostrecke: 3 Bilder Der Vibrato-Modulator ist in Polymer voreingestellt. Beim Ramp-Modulator lässt sich neben der „Rampenzeit“ noch bestimmen, ob die Bewegung geloopt wird oder nicht.

Eine grundsätzliche Neuerung bei allen Modulatoren ist die Möglichkeit, den Verlauf einer Modulation im Inspector von einer einzigen linearen in sechs weitere umzuändern. Wird zum Beispiel die Lautstärke eines Synthesizers mit einem LFO-Modulator bewegt, so kann diese Bewegung von gleichmäßig auf und ab (linear) zu exponentiell verändert werden. Bei den acht neuen The-Grid-Modulen sind unter anderem ein Sub-Oszillator für ordentlich Bassanteil, ein Panning-Modul sowie ein Phasensplitter hinzugekommen. Letzterer kann ein Phasensignal auf mehrere Ausgänge aufsplitten. Der Spielplatz The Grid ist somit bei sage und schreibe 173 Modulen angekommen.

fazit

„Zum Klingen verkabelt“ – so oder so ähnlich lautet das Motto des 3.3-Updates (etwas frei übersetzt). Und es trifft die immer deutlicher definierte DAW-Welt von Bitwig wie den Nagel auf den Kopf. Das klingt auch alles richtig gut, ist allerdings mit Frickelei verbunden. Aber genau dieser Schritt in Richtung mehr Eigenständigkeit, mehr Bitwig, weniger „Enhanced Ableton“, mehr Baukasten und weniger Nachahmen tut der DAW gut. 
Andererseits: Komplexe Instrumente mit 16-fach-Unison-Wavetable-Monstern zu ermöglichen, damit die CPU gleichzeitig ganz schön zu fordern und dabei immer noch keine Möglichkeit bieten, Spuren einzufrieren, ist schwer verständlich. Und man kann nur hoffen, dass es in 3.4 (oder spätestens Version 4) die Möglichkeit gibt, Poly Grid zurück zu Polymer zu verwandeln. 
Alles in allem kann man dennoch sagen: „Weiter so, Bitwig!“ Das große Feature von Version 3, The Grid, wird stets ausgebaut und weiter verknüpft, die Modular-DAW im Produktionsalltag immer noch bedienungsfreundlicher und neue Instrumente kommen außerdem laufend hinzu. Wir sind gespannt auf das nächste Update.

Bitwig_Studio_3-3_01_Aufmacher
Pro
  • Polymer-Instrument bietet einfachen Start in die Welt von Modularsynthese
  • Polymer-Instrument kann in Poly Grid umgewandelt werden
  • Wavetable-Modul bringt besondere Unison-Modes für Klangvielfalt mit
  • Stretch-Werkzeug für Audio- und MIDI-Clips erleichtert Tempoanpassungen
  • Project Sessions Liste vereinfacht Navigation in großen Projekten
Contra
  • Poly Grid Instrumente können nicht in Polymer zurückverwandelt werden
  • kein Track-Freeze trotz immer leistungshungrigerer Instrumente
Features
  • plattformübergreifende DAW (Windows, OS X, Linux)
  • Sequenzer zum linearen Arrangieren
  • Clip-Mode zum nichtlinearen Songaufbau
  • volle Multi-Core- und Multi-Prozessor-Unterstützung
  • VST3 Support
  • Device Nesting: Instrumente zu multitimbralen Layern verbinden
  • integrierte 32/64-Bit-Plugin-Bridge
  • Sandbox als Plugin-Crash-Schutz
  • Multi-Display-Unterstützung für bis zu drei Bildschirme
  • unbegrenzte Audio-, MIDI- und Effektspuren
  • 36 Modulatoren
  • 41 Audio-Effekte
  • 13 Software-Instrumente
  • 17 Container
  • 14 Noten-Effekte
  • 8 Hardware-Effekte für CV zur Anbindung von Analog-Synthesizern
  • MIDI- und Note-Expressions, einschließlich Micropitch Pitch-Kontrolle
  • automatisches Sample-Slicing für Sampler und Drum-Maschine
  • Open Controller API: ermöglicht das Erstellen und Anpassen von MIDI-Controller-Mappings inklusive Scripting für den Zugriff auf nahezu alle DAW-Funktionen
  • Datei-Import: WAV, MP3, AAC, WMA, FLAC und Ogg Vorbis
Systemvoraussetzungen
  • Mindestens Mac OS X 10.13
  • Mindestens Windows 7 (64-bit)
  • Mindestens Ubuntu Linux 17.04
  • 4 GB RAM
  • 400 MB Standardinstallation
  • 12 GB Vollinstallation
  • Auflösung: Minimum 1280 x 768
Preis
  • Vollversion: 379,- EUR
  • Bitwig Studio 16 Track (abgespeckte Version): 99,- EUR
  • Upgrade von Bitwig Studio 16 Track auf Vollversion: 280,- EUR
  • Upgrade-Plan (alle Updates für die nächsten 12 Monate): 159,- EUR
  • Upgrade Plan für 16 Track: 49,- EUR
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Polymer-Instrument bietet einfachen Start in die Welt von Modularsynthese
  • Polymer-Instrument kann in Poly Grid umgewandelt werden
  • Wavetable-Modul bringt besondere Unison-Modes für Klangvielfalt mit
  • Stretch-Werkzeug für Audio- und MIDI-Clips erleichtert Tempoanpassungen
  • Project Sessions Liste vereinfacht Navigation in großen Projekten
Contra
  • Poly Grid Instrumente können nicht in Polymer zurückverwandelt werden
  • kein Track-Freeze trotz immer leistungshungrigerer Instrumente
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