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Chandler Limited Abbey Road Studios Mic Amplifier Type REDD.47 E.M.I. Test

Chandler Limited Abbey Road Studios Mic Amplifier Type REDD.47 E.M.I. – der einkanalige Röhren-Mikrofonvorverstärker im Test bei bonedo: Was für fast unfassbare Begriffe auf der Frontplatte des 19“-Studiogeräts zu lesen sind… sie lesen sich fast wie ein Who-Is-Who der Tontechnik. Wenn nun noch irgendwo Rupert Neve und George Massenburg, API und SSL, Sound City und Air Lyndhurst zu lesen wäre, dann hätte man schon einen Großteil des Best-Ofs der gesamten Tonstudio-Szene zusammen.

Chandler_EMI_Abbey_Road_REDD_47_Mic_Pre_20

Nun, das ist vielleicht etwas übertrieben, aber die legendären analogen Mischpulte, in welchen die 47-Preamps zum Einsatz kamen (die REDD.51), das weltbekannte Studio in der Abbey Road in London selbst, ihr damaliger Betreiber EMI, der gleichzeitig in Hayes (Middlesex) Entwicklung und Herstellung eigener Technik unterhielt, und nicht zuletzt die Firma Chandler Ltd. von Mastermind Wade Goeke, der als bislang einziger Mensch nach Original-Unterlagen fertigen darf – das sind schon schlagkräftige Begriffe.
Und da gibt es einen weiteren Begriff, der in diesem Kontext genannt werden muss: „The Beatles“! Dies rührt daher, dass der Beatles-Sound von 1963 bis 1968 maßgeblich von der Akustik in Studio 2, den STC/Coles 4038, Neumann U 47 und U 67, AKG D19 und natürlich auch der REDD.51-Konsole mit ihren 47-Tube-Preamps bestimmt wurde. Allerdings kamen beim letzten Album der Liverpooler Pilzköpfe nur noch die Vorverstärker der TG-Konsole zum Einsatz, zu Beginn ist viel Siemens’ V72s-Preamp aus den REDD.17- und REDD.37-Konsolen zu hören.
Dass ein Chandler-Gerät den Job, eine Re-Issue herzustellen, sehr ordentlich durchführen wird, beweisen schon die anderen Studioprozessoren mit „EMI“-Tag, nämlich solche mit Transistortechnik: Der TG1 Limiter, der Stereo-Preamp TG2 (und sein API-500-Mono-Ableger), der Zener Limiter, der TG Channel Strip und der Curve Bender gehören zu den Stückchen Hardware, deren Abbild auf der Netzhaut eines wohl jeden Tontechnikers eine wohligere Schummerigkeit erzeugt, als es jede Zigarette am Morgen schafft. 

Details

„Chandler goes Tube“? – Nicht ganz!

Der REDD.47-Preamp ist das erste Gerät Chandlers mit Röhrentechnik. Wirklich? Ha! – Das könnte man meinen, wenn man ausschließlich auf die Studiotechnik schielt. Doch neben zwei Gitarren-Bodeneffekten hat Wade Goeke schon ein Gitarren-Topteil gezaubert, welches im Studiobetrieb durch eine durch den User verstellbare Tube-Bias auftrumpfen kann. Und der Sound des an klassische englische Amp-Designs (Marshall!) angelehnten Chandler GAV19T hat unseren Autor Robby Mildenberger dermaßen umgehauen, dass er mir (nachdem ich ihm noch einen JMI-Fuzz, ein Hiwatt-Top und ein –Comboverstärker als Testgeräte habe zukommen lassen) „verboten“ hat, ihn weiter zu versorgen. Er hätte sonst seinen Kaufreflex nicht mehr unter Kontrolle. Er lachte dabei zwar, meinte es aber doch irgendwie ernst. 

Die Schaltung des REDD.47 ist nach dem Original aus der EMI-Entwicklungsabteilung aufgebaut…
Die Schaltung des REDD.47 ist nach dem Original aus der EMI-Entwicklungsabteilung aufgebaut…

Geschichtsunterricht, komprimiert: Der originale REDD.47

Das Vorgängerpult der REDD.51 war die REDD.37, welche vor allem in ihren späteren Ausführungen der .51 schon recht ähnlich war. Bis dahin setzte die EMI jedoch auf bewährte deutsche Rundfunktechnik und verbaute V72s-Röhrenpreamps (mit eigener Modifikation zu “V72s”). Dass in der REDD.51 andere Vorverstärker als die Siemens-/Telefunken-/TAB-/Maihak-Kassetten zum Einsatz kommen sollten, hatte wohl auch den Grund, dass man seitens der EMI von Fremdequipment unabhängiger werden wollte. Klanglich, das können unter anderem heutige Preise für Siemens-Preamps belegen, sind die V72 über alle Zweifel erhaben. Und in den EMI-Studios war niemand klanglich oder technisch unzufrieden mit den Preamps aus deutscher Fertigung. So ist das Design der REDD.47 nicht unähnlich in manchen Punkten. Doch anders als die Siemens- hatte die REDD.47-Kassette ein schaltbares Gain von 34, 40 und 46 dB – und sogar ein „Fine Gain Set“-Poti. In der Input-Stage wartete eine EF86 auf Arbeit (also eine Pentode), in der Output-Stage eine E88CC-Triode. Kleines Nice-to-know: Die REDD.51 „Stereosonic Four Track Console“ war mit 31 REDD.47-Amps bestückt, und zwar nicht nur für die Channel-Inputs, die Echo-Sends und -Returns, sondern für wirklich alle Verstärkungsaufgaben. Sogar für das Talkback-Mikrofon!

Chandler: Die Engineers der Abbey Road haben Wade Goeke den Bau der REDD- und TG-Geräte zugetraut.
Chandler: Die Engineers der Abbey Road haben Wade Goeke den Bau der REDD- und TG-Geräte zugetraut.

REDD.47 ein halbes Jahrhundert später

Die REDD.51-Konsolen des EMI-eignenen „Record Engineering Development Departments“, in denen 31 der REDD.47-Preamps verbaut wurden, sind im wichtigen Studio 2 der EMI erst 1964 installiert wurden, obwohl Mischpult und Vorverstärker schon 1959 entwickelt waren. Somit ist der Chandler-Amp die erste offizielle Herstellung eines REDD.47-Preamps außerhalb der längst geschlossenen Entwicklungsabteilung der einst so mächtigen Plattenfirma EMI und ihrer Studios nach geschlagenen fünf Jahrzehnten erhältlich – und erstmals ohne Beziehungen und/oder immensem Reichtum.

Der Line- und Mikrofon-Vorverstärker in voller Pracht: Chandler haben den Preamp um umfangreicheres Gain, feiner einstellbares HPF, Polarity, Phantomspeisung und DI-Input erweitert.
Nicht nur ein Re-Issue, sondern ein sinnvoll erweiterter, moderner und flexibler Mic Preamp: REDD.47.

Ein voll originalgetreues REDD.47-Re-Issue wäre toll, aber auch etwas dämlich

Wade Goeke wäre zwar authentizitätsbewusst, aber unternehmerisch sicher nicht ganz sauber im Kopf gewesen, wenn er den alten REDD.47-Preamp 1:1 als Re-Issue nachgebaut hätte. Ein Problem, das sich oft stellt, ist die Verfügbarkeit von Bauteilen, insbesondere Übertragern und Vakuumröhren. Die genannten Glaskolben sind auch heute noch problemlos zu beschaffen, Transformer kann man sich nach Vorgaben wickeln lassen – was Chandler für den REDD.47 auch gemacht hat. Eine der Änderungen gegenüber dem Original betrifft das Gehäuse:

19“-Gehäuse statt Kassettentechnik – mit Netzteil!

Der originale REDD-Vorverstärker wurde in die Seiten (!) des Mischpults eingebaut und dort mit einer Schraube fixiert, Chandler hingegen wählt einen etwas einfacheren Weg: Der REDD.47 ist statt in Kassettentechnik gepresst im gewohnt stabilen 19“-Gehäuse in zwei Höheneinheiten untergebracht. Was ein absolutes Novum für ein Chandler-Studiogerät ist: Das Netzteil ist eingebaut! Mit dem Hintergedanken, sich den Bereich, in dem Audioleitungen laufen, von hohen Spannungen und somit Einstreuungsmöglichkeiten freizuhalten, hat das Unternehmen dabei sicherlich recht. Aber jetzt eben anders. Lustig: Die EMI-Entwicklungsabteilung ging damals genau den anderen Weg und überließ erstmals die komplette Modul-Spannungsversorgung dem Pult-Backbone.

Fotostrecke: 4 Bilder Ungewohnter Anblick bei einem Chandler: Netzbuchse!

Gain – grob und „fain“

Wie bei den grauen Kassetten aus der Abbey Road gibt es ein Gain, welches die grundlegende Verstärkung regelt. Um nicht unzeitgemäß zu sein, überstreicht das „Voltage Gain dB“, an anderen Geräten „Coarse Gain“ und dergleichen genannt, nun in 6dB-Schritten einen deutlich üppigeren Bereich: 16 bis 52 Dezibel. „Fine Gain Set“ ermöglicht wie bei den alten Kisten eine Änderung von -5 bis +5 dB in ganzzahligen Schritten. Für ganz heiße Signale kann ein 20 dB Pad als Vordämpfung ins Spiel gebracht werden. Ein bisschen Rechnen lässt erkennen, dass man auch negative Pegelveränderungen erzielen kann – und schon mit geringen Boosts ist so mancher Mikrofon-Vorverstärker ein feiner Geheimtipp zum Veredeln von Line-Signalen… „Volume“, ebenfalls ein Regler auf der Frontplatte, agiert wie der Channel-Fader des REDD.51 Mixing Desks und ist als einziges Stellwerkzeug des Amps nicht gerastert. Es ist ein reiner Attenuator ohne Faderaufholverstärker – hat also Unity Level bei vollem Rechtsanschlag. Mit dem Poti werden Anpassungen zu nachfolgendem Equipment vereinfacht.

Pegel einstellen mit "Voltage Gain", "Fine Gain Set" und "Output"…
Pegel einstellen mit “Voltage Gain”, “Fine Gain Set” und “Output”…

Add-Ons: 48V, DI-Input, Pole und variables Hochpassfilter

Die zusätzlichen Einflussnahmen auf den Pegel sind nicht die einzigen Add-Ons des aktuellen Geräts. So findet sich neben der zuschaltbaren 48V-Phantomspeisung die Möglichkeit, mit einem Instrumentensignal die Verstärkerschaltung zu entern. Nicht unwichtig, denn was hochwertige Preamps für einen grandioses DI-Signal liefern können, trägt oft nicht unerheblich zum Nutzen eines solchen Geräts bei. Mir kommt spontan mein Tube-Tech MP-1A in den Sinn. Der DI-Input des EMI-Preamps ist frontseitig und muss aktiviert werden, auf der Rückseite des REDD.47 herrscht kalte Banalität: Netzstecker mit Sicherung, Eingangs- und Ausgangsbuchse als XLR. Eine weitere Schaltfunktion trägt den Namen „Pole“ und kann zwischen „North“ und „South“ geschaltet werden, um den klassischen arktischen Klirr oder die etwas modernere antarktische Soundvariante zu wählen. Blöder Witz, sorry, aber vielleicht mit einem wahren Kern: Natürlich ist „Pole“ die Phaseninvertierung des Signals und bedeutet „Polarity“. Man könnte es aber auch als Kenner einer Vielzahl von Preamps fehldeuten, denn die unmittelbare Nachbarschaft zum Hochpassfilter „Rumble“ könnte suggerieren, dass man die Flankensteilheit dieses Filters verstellen kann. 6dB/oct nennt man schließlich auch „1 pole“, 12dB/oct „2 pole“, 18dB/oct „3 pole“ und so weiter. Nun, dem ist nicht so. Das „Rumpelfilter“, also die Tiefensperre, war beim ursprünglichen Mischpultdesign eine einfache Steckfunktion mit festgelegter Grenzfrequenz. Chandler hat das Spulen-Hochpassfilter auch ordentlich aufgebohrt: Es sind nun neun Frequenzen von 30 bis 180 Hz. 

Gab es im Original natürlich nicht: schaltbarer DI-Input
Gab es im Original natürlich nicht: schaltbarer DI-Input

Die magischen 2%?

Wer Chandler kennt, der weiß, dass es dort bestimmt keine Messprotokolle und genauen technischen Angaben gibt. So auch beim EMI-Vorverstärker: Frequenzgang, Rauschspannungsabstand – all das sucht man vergeblich. Das ist durchaus sympathisch und bei Charaktergeräten auch sinnvoll. Lediglich die Aussage, dem Signal bis zu 2% THD hinzufügen zu können, wird verlautbart. Und das lässt hellhörig werden, denn 2% Verzerrungen sind schon mehr als nur „ein bisschen angeraut“. Nun, üblicherweise geht es für mich­ schnell nach dem Auspacken eines Testgeräts in den Praxistest, doch diesmal müssen erst ein paar Beatles-Platten unter der Nadel bewegt werden. „Beatles For Sale“ und „Revolver“ mit geschlossenen Augen über elektrostatische Kopfhörer, dann fühlt man sich noch mehr bereit für den REDD.47!

Viele Daten zum REDD.47 von Chandler gibt es nicht – aber Mastermind Wade Goeke hat gute Ohren…
Viele Daten zum REDD.47 von Chandler gibt es nicht – aber Mastermind Wade Goeke hat gute Ohren…
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Praxis

Chandler hier ohne Black Box unterwegs

Ein Blick auf das Äußere und in die Innereien des EMI/REDD.47-Preamps macht deutlich, dass sich bei Chandler bezüglich der Fertigung nichts geändert hat. Die Frontplatte ist kräftig, das Gehäuse stabil und schwer. Wie immer ist das Platinenlayout aufgeräumt, übersichtlich und für den Fall von Defekten leicht zu reparieren. Auf eine „Black Box“, also in Harz eingegossene Teile der Schaltung zum Schutz vor neugierigen Blicken, verzichtet der Hersteller. Schließlich hat er das Schaltungsprinzip nicht entwickelt. Die wenigen Bauteile im Verstärker sind ausreichend dimensioniert und mit Sicherheit aufwändig selektiert. Vorbildlich ist die Verkabelung im Gehäuse – die mechanische Sicherheit war wohl genauso wichtig wie die Verringerung von elektromagnetischen Einstreuungen auf den Audioweg. Außerdem ist genug Platz im Gehäuse, das Vorbild galt aufgrund von Abwärmeproblemen als „Röhrengrab“. 

Fotostrecke: 5 Bilder Um die Schaltung wird kein Geheimnis gemacht. Rechts, abgetrennt durch ein Schutzblech, befindet sich das Netzteil.

Ohne Meter kann es auch gehen

In die gleiche Kerbe schlägt die Haptik des REDD.47. Alle Bedienelemente lassen sich mit genügendem, aber nicht zu hohem Widerstand bewegen. Das gilt im Übrigen auch für das nicht gerasterte Volume-Poti und auch die kleinen Umschalter. Wer es noch nicht gemerkt hat: Es gibt kein VU-Meter, keine LED-Pegelanzeige, keine Overload-LED, nichts dergleichen. Das kann man natürlich anprangern, doch bei einem Gerät wie dem Beatles-Preamp ist die typische Arbeitsweise (hoffentlich!) kein Schnell-Schnell. Ein Amp wie der REDD.47 wird per Gehör gepegelt, für den Ausgangspegel gibt es das Volume-Poti und ein Meter des nachfolgenden Geräts, beispielsweise eines Analog-Digital-Wandlers.

Verstärkung: Gar nicht so stark

Die 57 Dezibel Maximalverstärkung des EMI-Vorverstärkers sind nicht gerade üppig, die weiteren Preamps aus dem Test liefern im Falle des Lydkraft Tube-Tech MP-1 70 dB, im Falle des True Systems P-Solo Ribbon sogar 76 dB Gain – das ist eine um den Faktor acht höhere Spannungsverstärkung! Es ist also spannend, wie der Abbey-Road-Preamp auf Mikros mit Übertragungsfaktoren um die 1 mV/Pa umgehen wird. Signale von Großmembran-Kondensatormikrofonen mit Brutalo-Outputs von um die 50 mV/Pa werden da wohl eher keine Probleme bereiten…

Vocals mit Microtech-Gefell UM 92.1S

Audio Samples
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REDD Fine Gain 0 REDD Fine Gain -5 REDD Fine Gain +5 REDD Gains max., Fader -8 REDD Rumble 0 REDD Rumble 70 REDD Rumble 180 True Systems P-Solo Ribbon Lydkraft Tube-Tech MP-1A

Vocals mit Sennheiser MD-421-II

Audio Samples
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REDD Fine Gain 0 REDD Fine Gain -5 REDD Fine Gain +5 True Systems P-Solo Ribbon Lydkraft Tube-Tech MP-1A

Vocals mit AKG D19

Audio Samples
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REDD Fine Gain 0 REDD Fine Gain -5 REDD Fine Gain +5 REDD Tumble 180 True Systems P-Solo Ribbon

Vocals mit Coles 4038

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REDD Gains full REDD Gains full, Rumble 180 REDD + Triton FetHead True Systems P-Solo Ribbon Lydkraft Tube-Tech MP-1A

Bass über DI-Input

Bassist: bonedo-Autor Rainer Wind

Audio Samples
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REDD clean REDD hot + Rumble 180 True Systems P-Solo Ribbon

Und tatsächlich: Nutzt man ein ausgangsschwaches Mikrofon wie das Coles 4038 (0,56 mV/Pa!), hat man auch dann noch mehr als genügend Headroom, wenn das grobe und das feine Gain voll aufgerissen sind. Erfreulich: Es rauscht dennoch kaum, der EMI-Amp zeigt noch keine Kompressionserscheinungen oder unschön klingende Verzerrungen. Um sehr geringpeglige Signale stärker zu boosten, lässt sich beispielsweise mit phantomgespeisten Vorschalt-Preamps wie dem Cloudlifter oder dem Triton FetHead arbeiten. Letztgenannter bietet etwas mehr als 20 Dezibel Verstärkung. Eine andere Möglichkeit ist, vor oder nach dem REDD.47 einen weiteren Amp zu benutzen. Erlaubt ist schließlich, was gefällt. „Heiß“ angefahren, kann der Vorverstärker schön satte Färbungen erzielen. Dynamische Mikrofone alleine liefern für sehr starke Prägung nicht genug Pegel am Input. Ach ja: Als Klangfärber für Line-Signale (Pad einschalten und Gain niedrig halten!) eignet sich der Chandler REDD ebenfalls hervorragend. Der Thermionic Culture Vulture lässt grüßen!

Fine Gain und Hochpassfilter beeinflussen den Klang

Interessant: Mit Fine Gain ändert man nicht nur den Pegel, sondern bekommt mehr Farbe in das Signal! Und auch das für die Chandler-Reissue erweiterte Hochpassfilter senkt nicht nur brav die Tiefen ab. Nein: Je höher man es ansetzt, desto mehr „Grain“ bekommt das Signal, desto stärker klingt es nach Übertrager. Und das klingt toll! Ich bin begeistert, wie man dem Signal Tiefen rauben und gleichzeitig Ecken und Kanten hinzufügen kann. Um stärker soundbildend Einfluss zu nehmen, wären mir noch höhere Eckfrequenzen des Hochpassfilters durchaus lieb gewesen. 

Rumble-Filter: Der HPF tut mehr als nur "Rumpeln" zu entfernen!
Rumble-Filter: Der HPF tut mehr als nur “Rumpeln” zu entfernen!

Ein bisschen Aufwand ist schon nötig…

In Chandlers Marketing-Texten ist etwas von „easily reproduce“ im Zusammenhang mit Sounds bestimmter Beatles-Songs zu lesen – eine maßlose Vereinfachung. Der Engineer muss wissen, was er da tut, denn es gibt kaum einen anderen so „schwierig“ zu bedienenden Preamp. Man muss ihn wirklich kennenlernen, um sein Klangverhalten in die richtigen Bahnen lenken zu können, so reagiert er auf Bändchen komplett anders als auf Kondensatormikrofone, arbeitet aber auch klar deren Unterschiede heraus. Nun, den hohen Aufwand des Kennenlernens wird man sicher leisten wollen, wenn man einen so hohen Preis für einen Mono-Preamp zu bezahlen bereit ist…

Trotz aller Färbung immer transparent

Egal, welches Mikrofon, ob Line-Signal oder ein Instrument per DI: Der Chandler EMI REDD.47 tritt immer selbstbewusst auf und prägt Signale eindeutig. Sie rücken alle ein Stück in Richtung Hörer, werden präsent und direkt, sodass ich mich fast fragen muss, wie man damit wohl umgehen soll, wenn alle Signale einer Aufnahme diese Behandlung bekommen (Nun, es scheinen ja schon Leute in den 1960ern hinbekommen zu haben…). Das Signal wird angereichert, die Verzerrungsprodukte sind nicht zu überhören. Aber: Das Signal wird niemals dick, träge oder behäbig. Versteht man Röhrenwärme als Andicken wie mit einer Sahnesauce, greift man besser zum 610er-Preamp von Universal Audio. Der REDD bleibt immer transparent, fein und detailliert, engt die Dynamik nicht ein, lässt Signale trotz aller Färbung atmen – und das ist grandios. Wer einmal einen Siemens V72 oder auch 76 gehört hat, wird diese Beschreibung sicher nachvollziehen können. Und ja, es gibt durchaus Ähnlichkeiten! Mir erscheint der REDD dennoch etwas aggressiver, wilder, rockiger, weniger ausgewuchtet. Besonders auffällig ist, wie der Tube-Tech MP-1A im Vergleich dasteht: Edel, aber brav. Auch dieser ist meisterlich darin, Signalen eine leichte Farbe mitzugeben und einen hochwertigen Schimmer zu verleihen. Doch ist der Tube-Tech da weitaus vorsichtiger, während der REDD durchaus unzivilisiert hinlangen kann. Bei aller Präsenz ist der Sound des REDD aber nie beißend oder nervig. Sollte man im zweistelligen Kilohertzbereich Signalanteile vermissen, kann man guten Gewissens dort etwas anheben (in den Abbey Road Studios mit dem Brilliance Pack, von dem Softube eine hervorragende Software-Version gefertigt haben).

Selbst wenn man den Preamp richtig heiß fährt, er bewahrt immer seine Transparenz!
Selbst wenn man den Preamp richtig heiß fährt, er bewahrt immer seine Transparenz!

Anbetungswürdig

Bei allem Gerede von den Beatles und der Abbey Road: Dieser Mikrofonvorverstärker ist ein äußerst flexibles Gerät für jegliche Produktionssituation. Alle möglichen Signale, selbst Bass-DI, Sprache, Streicher, Synthesizer, alle Musikrichtungen von Pop über Rock bis Jazz… für alles ist der REDD.47 hervorragend geeignet. Einen Amp, der sich zuverlässig klanglich identifizieren lässt und mit starken Schultern seinen Charakter zeigt, der sich bei Bedarf durchaus zurückhält oder eben stark in den Vordergrund spielt – der ist wirklich anbetungswürdig. Einen derart reichen, tiefen Klang findet man wahrlich sehr selten und nur bei den absoluten Top-Geräten. Wirklich, es ist gut, dass ich euch mein Klangempfinden per Text mitteile. Denn würde ich darüber reden, könnte ich mich vor Euphorie in Trance begeben und mein Gegenüber vor Glück jauchzend würgen. Nein, keine Sorge: Ich bin wirklich „sane“ in der Birne, wie der Brite sagt. Der REDD.47 ist es aber nicht: Er ist ein unglaubliches Biest. Es gibt viele Preamps, die man aufgrund ihres Charakter beknien muss, Neve 1073, Tube-Tech MP-1A und MP-2A, API 512, Chandlers Germanium– und der TG-Preamp, die alten Siemens-Kassetten V72 und V76 – und dieses Gerät, dessen Testbericht ihr gerade lest, gehört zweifellos dazu. Ab-so-lut. Ich will einen REDD. Nein, halt, stop: Zwei! Ich will zwei!

Gehört in den On-Zustand: Power-Switch des 47.
Gehört in den On-Zustand: Power-Switch des 47.
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Fazit

Nun, es sind nicht Namen, und es ist auch nicht Equipment, das Studios, Engineers und Musiker berühmt macht. Aber es sind die Namen EMI, Abbey Road und Beatles, deren Erfolg zumindest zu einem kleinen Stückchen auf einem charaktervollen Preamp fußt. Und somit ist der Chandler Limited Abbey Road Studios Mic Amplifier Type REDD.47 E.M.I. (so lautet schließlich der volle Name) ein herausragender Vorverstärker – nicht nur, was die illustren Begriffe angeht: Klanglich steht der REDD in einer Reihe mit API, Neve, Siemens und anderen Charaktermonstern. Und natürlich spielt das Hard-to-get-Spielchen auch eine entscheidende Rolle bei der Wiedererweckung seines Mythos, denn „echte“ REDD.47-Preamps gibt es so gut wie nicht zu kaufen. Es gibt DIY-Nachbauten und Anlehnungen. Bisher. Jetzt gibt es den Chandler.
Sicher: Für den EMI-Mic-Pre zahlt man einen der höchsten Beträge, die man pro Kanal überhaupt ausgeben kann. Das ist heftig. Mir fallen spontan sonst nur Siemens-V72-Nachbauten des verstorbenen TAB-Funkenwerk-Genies Oliver Archut und andere Ultra-Exoten ein, die als reine Preamps ebenso viel oder mehr kosten. Ich zittere ein wenig bei diesen Zeilen, doch muss ich sagen: Der REDD.47 ist den hohen Preis durchaus wert. Er klingt unnachahmlich, ist dabei aber erstaunlich flexibel. Der Chandler-REDD ist einerseits schlicht und einfach die einzige Möglichkeit, den Preamp-Sound der wichtigen mittleren Sechzigerjahre des wahrscheinlich wichtigsten Studios der Welt zu kaufen. Andererseits ist er bestimmt nicht auf Sechziger-, Abbey-Road- und Beatles-Sound festgenagelt, sondern einfach ein unfassbar genialer Preamp. Danke, Chandler. 

Pro
  • unfassbar reicher Charakter
  • Färbung weit regelbar
  • interessantes Hochpassfilter
  • sehr gut auch mit Line-Signalen nutzbar
  • sehr gutes DI-Signal
Contra
  • recht wenig maximales Gain
Nicht nur ein Re-Issue, sondern ein sinnvoll erweiterter, moderner und flexibler Mic Preamp: REDD.47.
Nicht nur ein Re-Issue, sondern ein sinnvoll erweiterter, moderner und flexibler Mic Preamp: REDD.47.
Features und Spezifikationen
  • einkanaliger Röhren-Mikrofonvorverstärker
  • von Abbey Road Studios lizensierter Nachbau des REDD.47 aus der REDD.51-Konsole
  • DI-Input
  • neunstufiges Hochpassfilter
  • Polaritätsinvertierung
  • 48 Volt Phantomspeisung
  • Pad
  • akzeptiert Line-Signale
  • bis zu 57 dB Gain
  • eingebautes Netzteil
  • 19″/2HE
  • Preis: € 3538,– (UVP)

Zugegeben: Es gehört nicht in einen Testbericht, doch hier möchte ich unbedingt ein paar Anspieltipps geben. Es gibt hervorragende Produktionen, die mit der REDD.51 gefahren wurden und in denen somit fast ausschließlich REDD.47-Preamps zu hören sind. Neben allen Beatles-Studioalben von „A Hard Day’s Night“ bis „Yellow Submarine“ – ich würde jetzt spontan einmal „Beatles For Sale“ und „Revolver“ nennen – ist es nicht verkehrt, sich alleine aus klangästhetischer Sicht „The Piper At The Gates Of Dawn“ von Pink Floyd, „The Madcap Laughs“ ihres Ex-Frontmannes Syd Barrett, die unfassbare „Odessey And Oracle“ von The Zombies und das erste Konzeptalbum der Musikwelt auf die Ohren zu geben: „S.F. Sorrow“ von „The Pretty Things“.

Ihr wollt originale REDD.47-Preamps im Einsatz hören? Das lohnt sich oft nicht nur klanglich, sondern ganz einfach auch musikalisch!
Ihr wollt originale REDD.47-Preamps im Einsatz hören? Das lohnt sich oft nicht nur klanglich, sondern ganz einfach auch musikalisch!
Unser Fazit:
5 / 5
Pro
  • unfassbar reicher Charakter
  • Färbung weit regelbar
  • interessantes Hochpassfilter
  • sehr gut auch mit Line-Signalen nutzbar
  • sehr gutes DI-Signal
Contra
  • recht wenig maximales Gain
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Ringo sagt:

#1 - 20.03.2015 um 22:13 Uhr

0

Traum Gear!! Jetzt kann ich nimmer einschlafen!

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John sagt:

#2 - 01.04.2015 um 21:27 Uhr

0

I think that was rather Grand!! I'll take one home with me ✌️

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pipifax sagt:

#3 - 30.05.2016 um 18:06 Uhr

0

Hammer Gerät. und hammer Test.

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