Die schwedische Synthesizer-Firma Clavia hat es sich im Bereich der Drum-Module offenbar gemütlich eingerichtet. Nach längerer Abstinenz vom analogen Percussion-Markt wurde 2012 das erste Nord Drum vorgestellt, zwei Jahre später hat man mit der zweiten Generation nachgelegt, um Drummern und Produzenten jetzt die dritte Version, das Nord Drum 3P, zu präsentieren. Das originale, erste Modul ist nicht mehr erhältlich, Nummer 2 wird es allerdings – vorerst – weiterhin zu kaufen geben. Aber was ist eigentlich das Besondere an den auffälligen, traditionell rot lackierten Kisten? Die Antwort ist einfach: sie besetzen eine Nische, die es vorher in dieser Form nicht gab. Anders als Roland, Yamaha oder Alesis hat man sich bei Clavia nämlich der „virtuell-analogen“ Klangerzeugung verschrieben, was bedeutet, dass hier keine vorgefertigten Drumsounds oder Samples abgerufen werden, sondern die Klänge komplett synthetisiert werden.
Das ist eigentlich nur logisch, denn Clavia hat hier im Grunde das Konzept seiner bekannten Tasten-Synthies auf ein mit Stöcken bedienbares Interface übertragen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Drum-Modulen ergeben sich deutlich mehr Beeinflussungsmöglichkeiten der Klänge, weil sie von Grund auf designt werden. Die Kehrseite besteht im Umstand, dass die erreichbaren Sounds nicht die Authentizität eines guten Schlagzeug-Samples erreichen, sondern immer ein bisschen artifiziell klingen. Der typische E-Drum-Spieler, der die Vorteile von geringem Platzbedarf, regelbarer Lautstärke und möglichst echt klingenden Drumsounds sucht, ist allerdings auch nicht die Zielgruppe unseres Testkandidaten. Clavia wendet sich hier eher an experimentierfreudige Drummer, Elektro-affine Live-Spieler und Produzenten, die den fetten Clavia Analog-Sound in ihre Tracks einbinden möchten. Dies war allerdings auch schon bei den Modellen 1 und 2 der Fall, neu ist das jetzt fest integrierte 6-fach Pad sowie die Effektsektion, welche dem 3P beeindruckende Sound-Welten spendieren soll. Wie sich die rote Flunder im Test macht, lest ihr auf den folgenden Zeilen.
Details
Den meisten elektronischen Produkten merkt man schon beim ersten Kontakt an, ob sie eher kostengünstig zusammengeschustert wurden oder ob Stabilität und Detailqualität bei der Entwicklung im Fokus standen. Beim Nord Drum 3P ist definitiv Letzteres der Fall, dem Aufdruck „Handmade in Sweden“ wird alle Ehre gemacht.
Flach, rot, stabil
Wie schon die beiden Vorgänger verfügt das Gerät über ein dickwandiges, rot lackiertes Metallgehäuse, dessen Regler und Schalter robust und Live-tauglich wirken. Auch die, mit dem Gehäuse verschraubten, Buchsen machen einen sehr stabilen Eindruck. Ein interessantes Detail ist die zum Spieler geneigte Bedienfläche, hier kommt Synthie-Feeling auf! Die sechs quadratischen Gummipads entsprechen weitgehend denen des Nord Drum 2 Pads, mit dem Unterschied, dass sie beim 3P eben ein fester Teil des Geräts sind. Seinen Strom bezieht es über ein externes Netzteil chinesischer Herkunft, auf der Unterseite des 3P befinden sich vier Bohrlöcher, mit deren Hilfe sich ein mitgelieferter Kunststoffdorn befestigen lässt. So lässt sich das Modul zum Bespiel mit einer Multiklammer an einem Stativ befestigen. Wer sich als Nord Drum 2-Kenner fragt, wofür denn die vielen zusätzlichen Schalter gut sind, dem sei gesagt, dass Clavia jedem Taster nur noch zwei Hauptfunktionen zuweist, nicht mehr vier wie beim Vorgänger. „Row Select“ entfällt also, was ich persönlich begrüße.
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Anschlüsse
Waren die Rückseiten der Vorgängermodule noch recht dicht mit Klinkenbuchsen besetzt, sieht es beim 3P übersichtlicher aus. Der Grund ist der weitgehende Verzicht auf Trigger-Eingänge. Mit Ausnahme eines extern anschließbaren Kickdrum-Triggers – der als große Klinke ausgelegt ist – muss der 3P-Nutzer mit den sechs integrierten Pads vorlieb nehmen. Damit entfällt auch der CAT6 Ethernet-Anschluss, welcher beim Nord Drum 2 der Verbindung mit dem Nord Pad diente. Es bleiben MIDI In und Out, zwei große Klinkenbuchsen für die Stereoausgabe sowie ein als Miniklinke ausgelegter Kopfhörerausgang. Über eine USB-Schnittstelle verfügt unser Testkandidat, wie auch seine Vorgänger, nicht.
Die Arbeitsweise des Nord Drum 3P entspricht der eines digitalen Synthesizers
Wie eingangs erwähnt, bestehen die Sounds der Nord Drum Synthesizer nicht aus Samples oder vorkonfigurierten PCM-Grundklängen, sondern werden aus Wellenformen synthetisiert. Clavia bezeichnet die Funktionsweise als „virtuell-analog“, womit nichts anderes gemeint ist, als dass die Möglichkeiten eines analogen Synthies digital simuliert werden. Wer also die archaischen Stromflüsse eines alten Moog im Nord Drum vermutet, wird enttäuscht, Klangerzeugung und Steuerung werden hier von einem DSP-Chip übernommen. Die Vorteile liegen allerdings auf der Hand. Neben Kosten und Größe sind das vor allem die Speicherbarkeit von Sounds und Kits sowie die Interaktion mit externen, ebenfalls digital arbeitenden Geräten wie Computern, Sequencern und Tablets. Clavia bietet auch eine iPad-App zur Steuerung des 3P, dazu könnt ihr unten mehr lesen.
Bedienelemente und Funktionen
Wer schon Erfahrungen mit den Nord-Synthesizern von Clavia gemacht hat, wird sich am 3P sofort zurecht finden, aber auch Neulinge werden – zumindest was das Bedienkonzept angeht – schnell durchblicken. Fast alle Taster am Gerät besitzen zwei Funktionen, allzu tiefes „Menütauchen“ wird dem User also nicht abverlangt. Eine weiße Beschriftung beschreibt die Primär-, die rote darunter die Sekundärfunktion. Drückt man den „Lower Param“-Taster ganz links, wird die Sekundärfunktion aktiviert. Der linke, unbeschriftete Drehregler ist als Endlos-Encoder ausgelegt, mit ihm verändert man die Werte der an den Tastern ausgewählten Parameter.
„Drum Kit Select“ und „Drum Select“ verbessern die Sound-Organisation
Im Vergleich zum Nord Drum 2 hat Clavia die Sounds des 3P übersichtlicher organisiert. Wo es vorher nur einen „Program“-Taster gab, findet sich jetzt ein „Drum Kit Select“ sowie ein „Drum Select“ Schalter. Wer sich also einen schnellen Überblick über die Möglichkeiten des 3P machen möchte, aktiviert einfach den Drum Kit Taster und geht dann mit Hilfe des Endlos-Encoders die vorprogrammierten Kits durch. Vier Gruppen gibt es, Clavia benennt sie mit den Buchstaben A bis D. In jeder Gruppe befinden sich jeweils 50, im Auslieferungszustand schreibgeschützte, Presets, welche nach Klangtypen sortiert sind. A beherbergt analog-perkussiv klingende Kits, welche meistens aus Kick, Snare und Hi-Hats in der oberen Pad-Reihe, sowie Tom-artigen Sounds in der unteren Reihe bestehen. In Gruppe B werden diejenigen fündig, die perkussive Sounds mit melodischen Elementen mixen möchten, in Gruppe C geht es rein melodisch zu. Hier dominieren glockenartige Klänge und an Steeldrums und Hangs erinnernde Sound-Skulpturen. In Gruppe D haben sich die Clavia-Entwickler an teils krassen Effekt-Sounds ausgetobt, hier dürfte der ein oder andere Nine Inch Nails-Fan auf seine Kosten kommen. Hat man die Kits nun durchgehört und möchte sich eigene zusammen stellen, kommt der „Drum Select“-Button ins Spiel. Drückt man ihn, zeigt das – vier Ziffern darstellende – Display zunächst keine Werte an. Dies ändert sich mit dem Dreh am Endlos-Encoder, pro Pad hat der User nun die Wahl zwischen den vorprogrammierten und sortierten Klängen: Bassdrums, Snares, Toms, Hi-Hats, Cymbals, Percussion, Bells, gestimmte Percussion und Effekte. Dreht man weiter, tauchen acht mal 50 leere User-Speicherplätze auf. Das wirkt praktisch organisiert und ist ein großer Vorteil, wenn es um das schnelle Aufspüren passender Sounds geht. Hier hat das 3P im Vergleich zum Nord Drum 2 klar die Nase vorn.
Erst muss der Schreibschutz deaktiviert werden
Eine der wichtigsten Tasten am Nord Drum 3P ist die „Shift/Exit“- Taste. Gleichzeitig mit anderen Schaltern betätigt, ermöglicht sie fast alle Organisationsaufgaben. Wenn ihr das 3P nicht ausschließlich im Auslieferungsmodus verwenden wollt, müsst ihr mit ihrer Hilfe zunächst den Schreibschutz deaktivieren. Dazu drückt ihr „Shift“ und „System“ gleichzeitig und dreht per Endlos-Encoder die Display-Anzeige auf „PR OF“. Jetzt könnt ihr nicht nur nach Herzenslust die Werks-Sounds hin und her schieben, ihr könnt sie auch verändern und abspeichern. Das Verschieben ist sehr einfach: findet ihr beispielsweise die Bassdrum in Drumkit 1A zwar toll, würdet sie aber gerne zusammen mit den fünf anderen Sounds in Drumkit 5D verwenden, drückt ihr im Ursprungskit einfach „Shift“ und „Copy“, wandert dann per Endlosregler in eurer Wunschkit, spielt das Pad an, wo der Sound ertönen soll und drückt „Shift“ und „Paste“ – fertig. Möchtet ihr einen von euch veränderten Sound abspeichern, drückt ihr „Shift“ mit „Store Drum“, das Display fängt an zu blinken, ein weiterer Druck auf „Store Drum“ speichert den Sound. Bastelt ihr an einem Sound herum, habt ihn aber noch nicht gespeichert, zeigt ein Punkt im Display an, dass der Sound verändert, aber eben noch nicht gespeichert wurde. Aber welche Möglichkeiten der Sound-Beeinflussung bietet das Nord 3P, und was ist neu hinzu gekommen?
Sound-Architektur
Das Nord Drum 3P ist ein waschechter Synthesizer, und dass in seiner Sound-Engine eine Menge Potenzial steckt, haben schon seine beiden Vorgänger bewiesen. Dementsprechend hat man bei Clavia diesbezüglich auch nichts verändert. Grundsätzlich besteht jeder Sound aus derselben Wellenform, welche mit Hilfe dreier Hauptparameter verändert werden kann: Noise, Click und Tone. Auch ohne Vorkenntnisse im Bereich Klangsynthese lässt sich hier direkt drauflos modifizieren und schrauben, wirklich effektiv wird es allerdings erst, wenn man sich ein bisschen mit den Wirkungsweisen der teilweise doch recht zahlreichen Unterparameter befasst. Die Bedienungsanleitung bietet detaillierte Beschreibungen aller Parameter, ich möchte hier daher nur kurz zusammenfassen, was das 3P leistet.
Im Noise-Sektor kann dem Sound weißes Rauschen beigemischt werden, dessen Beschaffenheit sich anhand diverser Unterparameter modifizieren lässt. Da wäre als wichtigster Bestandteil der dynamische Multimode Filter zu nennen, welcher als Low Pass, High Pass oder Band Pass Filter fungieren kann. Einstellbar ist weiterhin die Frequenz, ab welcher der Filter den Noise-Anteil zu manipulieren beginnt, Decay bestimmt die Länge des Rauschens nach dem Anschlag. Aktiviert man den Parameter „Dyn Filter“, lässt sich über das Einstellen positiver oder negativer Werte festlegen, ob die Hüllkurve den Filter öffnet oder schließt. Interessant scheint auch der „Dynamic Decay Mode“ zu sein, dieser beeinflusst die Decay-Länge in Abhängigkeit von der Anschlagstärke.
Die umfangreichsten Unterparameter findet ihr im Bereich „Tone“, in dem der Körper des jeweiligen Sounds definiert wird. Dies geschieht zunächst über die klassischen Synthese-Zutaten in Form von Wellenform-Parametern. Hier bestimmt ihr zum Beispiel, ob der Sound eher tonal erklingt oder den Charakter eines Geräuschs besitzt, wie beispielweise bei perkussiven Instrumenten, die meistens keinen klaren Grundton besitzen. In Gruppen sortiert, bietet das Nord Drum 3P hier eine Vielzahl von Synthesemöglichkeiten. Neben den Klassikern Sinus-, Dreieck- und Rechteckwellenmodulation finden sich auch spezialisierte Werkzeuge zur Synthese von Fellen und Becken, ein Ringmodulator und verschiedene Formen der FM-Synthese. Auch im Tone-Bereich findet sich wieder die „Dyn Filter“-Funktion. Hier ermöglicht sie die Modulation der Frequenz in Abhängigkeit von der Anschlagstärke. Auch der Dynamic Decay Mode ist hier wieder an Bord, die Anschlagstärke steuert die Länge des Ausklangs. Über die Parameter „Bend“ ist einstellbar, ob und wie sich die Tonhöhe nach dem Anschlag verändert und wie lange diese Veränderung ausklingt. Pitch nimmt Einfluss auf die generelle Tonhöhe. Im Gegensatz zu allen anderen Funktionen im Tone-Sektor bezieht sich der Parameter „Scale Preset“ auf alle sechs Pads und ihr tonales Verhältnis zueinander. So lassen sich im Handumdrehen pentatonische Skalen, Hang-Stimmungen oder feste Intervall-Skalen festlegen.
Im Sektor „Click“ geht es zwar weniger umfangreich, aber nicht minder wichtig zu, denn hier wird die Art des Anschlags-Sounds und ihre Lautstärke definiert. Die Unterkategorien Noise, Pulse, High Passed und Click sorgen dafür, dass das Nord Drum 3P eine große Bandbreite Synthie-typischer Transientenklänge abdecken kann.
Im Effektbereich wartet das 3P mit einigen Neuerungen auf
Reverb und ein erweitertes Delay heißen die Zutaten, die dem 3P zu einer „neuen Sound-Dimension“ – so Clavia im Originalton – verhelfen sollen. Doch zunächst möchte ich kurz die schon vom Nord Drum 2 bekannten Effekte vorstellen. Hierbei handelt es sich um EQ und Distortion. Jeder Kanal besitzt einen einbandigen, parametrischen Equalizer mit fest eingestellter Bandbreite. Bis zu 24 db können hier gecuttet oder geboostet werden, PA-bedrohenden Bass-Orgien steht also nichts im Wege. Der Distortion-Bereich bietet drei Klangfarben, der Röhren-Overdrive erzeugt von subtiler Sättigung bis zu kreischender Zerstörung eine Menge Optionen zur Verschärfung des Signals, während die Sample Rate Reduction eine Art 80er Jahre Lo-Fi Charakter erzeugt. Ein Ringmodulator ist für klassische, analoge Vibratos und Glockentöne zuständig. Was beim Nord Drum 2 „Echo“ hieß, wurde beim Testkandidaten zu „Delay“. Der User hat hier nicht nur die Möglichkeit, die Anzahl der Echo-Taps einzustellen, auch ihr Abstand zueinander kann über den „Tap BPM“-Taster manuell eingegeben werden. Zusätzlich ist die Anzahl der sich im Echo wiederholenden Taps einstellbar. Auf diese Weise lassen sich – neben sphärischen Klängen – auch tolle, rhythmisierende Patterns spielen, beziehungsweise erstellen. Den größten Anteil am „vergrößerten“ Sound des 3P gegenüber seinen Vorgängern dürfte allerdings der Reverb-Effekt haben. Seine einstellbaren Parameter setzen sich aus „Color“ und „Type“ zusammen. Ersterer bestimmt den Anteil tiefer und hoher Frequenzen in der Hallfahne, mit Type lassen sich verschiedene Raumgrößen simulieren. Natürlich lässt sich der Reverb-Anteil auch global, also auf das ganze Drum Kit, anwenden.