Schon gewusst? Fast die meisten digitalen, analogen und virtuell-analogen Synthesizer seit etwa Mitte der 1980er Jahre bieten eine Modulationsmatrix. Die Idee ist ein “Free Patching” wie bei einem Modularsystem, allerdings ohne die entsprechende Hardware aus Steckfeld und Kabel benötigen zu müssen. Die Matrix ist eine praktische Alternative zum (semi-)modularen System. Leider erstaunlich, dass dieses Feature allgemein unterschätzt wird. Das liegt sicherlich daran, dass die meisten Synthesizer auch ohne zusätzliche Programmierung der Matrix ansprechende Sounds liefern. In diesem Workshop möchten wir mit einfache Tipps vermitteln, weshalb die Modulationsmatrix Klängen so viel Leben und Interaktion bietet und warum sie deshalb ein wichtiges Medium im Bereich des Sounddesigns darstellt. Keine Sorge, dazu man muss gar nicht so tief in die Menüs tauchen. Wir zeigen euch die wichtigsten Punkte, die man kennen sollte.
Quick Facts: Modulationsmatrix
In einer Modulationsmatrix lassen sich Parameter und Controller frei zuweisen. Sie bietet mehrere Slots für Verknüpfungen. Der Oberheim Matrix-12umfasst 20 Slots zur Verbindung von Quellen und Zielen. Üblicherweise werden die Quellen, Ziele und die Modulationswerte in einer Tabelle dargestellt. Bei jeder einzelnen Verknüpfung lässt sich die Intensität der Modulation “bipolar”, also in beide Richtungen (negativ wie positiv), bestimmen. Eine Adresse kann mehreren Zielen gleichzeitig zugewiesen werden.
Typische Quellen sind etwa Modulationsrad, Anschlag- und Druckdynamik (Aftertouch), LFO oder Hüllkurven. Als Modulationsziele können nicht nur Klangparameter wie LFO-Geschwindigkeit oder Filterfrequenz, sondern auch weitere Parameter (Arpeggiator oder Effekte) definiert werden. Die Anzahl der Slots variiert je nach Hardware-Instrument oder Software, wobei meist fünf bis zehn Verknüpfungen für die meisten Anwendungen reichen. Komplexere Eingriffe in die Klangstruktur oder eine Optimierung der Soundkontrolle ist meistens der Grund, weshalb eine Modulationsmatrix beim Sounddesign berücksichtigt wird.
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Einführung
Einige Instrumente sind sogar nach der Modulationsmatrix benannt worden, die mit dem analogen Synthesizer-Flaggschiff Oberheim Matrix-12 – zwischen 1985 und 1988 hergestellt – erstmals als „virtuelles Patching“ vorgestellt wurde. Einige Oberheim-Modelle sollten folgen. Bezahlbar sind der sechstimmige Matrix-6 und dessen Expanderversion 6R sowie der Matrix-1000 (mit 1.000 Presets an Board) kaum. Heute triumphiert buchstäblich der monofone Analogsynthesizer Arturia MatrixBrutemit einem aufstellbaren Bedienfeld mit 16×16 Tasten. Diese auffällige Button-Matrix dient nebenbei auch für einfache Dinge wie dem Anwählen der 256 Presets und Bedienen des Sequenzers. Bei vielen Synthesizern lässt sich heutzutage eine Modulationsmatrix finden. Man könnte diesen Workshop leicht mit etlichen Produkten füllen, drei eindrucksvolle Beispiele sollten aber genügen: Sequential Pro 3, Novation Peak/Novation Summit oder ASM Hydrasynth.
Natürlich verfügen auch viele Software-Synthesizer über eine Modulationsmatrix. Nicht nur der Arturia Matrix-12 V, sondern auch eine Freeware wie Odin 2 von TheWaveWarden bietet sie an zum Klangprogrammieren. Der Einfachheit halber und um die gleiche Ausgangsbasis zu haben, beziehen wir uns in diesem Workshop auf diesen polyfonen Synthesizer, der sich für Windows (ab Vista), Mac (ab OS X 10.11) und Linux auf der Produktseite des Herstellers kostenlos herunterladen lässt. In unserem Workshop geht es um einige typische Modulationsverbindungen. Diese lassen sich mit den meisten aktuellen Hardware-Synthesizern in einer sehr ähnlichen Form nachbauen. Allerdings ist die Modulationsmatrix von Odin2 umfangreicher als der Standard: Sie bietet bei jedem der insgesamt neun Slots gleich zwei Modulationsziele simultan sowie die Option eines „Modulation Scalings“ an, die wir aber in diesem Workshop nicht vertiefen möchten.
Einfache Modulationen für den Keyboarder
Als Live-Performer an den Tasten möchte man einen Klang zunächst mit den gängigen Spielhilfen variabel oder ausdrucksvoll gestalten. Das sind neben der Velocity (Anschlagdynamik) der Aftertouch (Druckdynamik) und das Modulationsrad. Meist sind noch weitere Slider (Schieberegler) und Knobs (Drehregler) am Instrument vorhanden, mit denen sich Parameter der Klangerzeugung und der Effektsektion live (in Echtzeit) steuern lassen.
Ein Klassiker ist es, die Filterfrequenz per Aftertouch zu steuern. So einfach geht’s: Odin 2 starten, per „Reset Synth“ einen neutralen Startpunkt wählen und dann sich direkt in die Modulationsmatrix begeben: Als Source wird „Channel Pressure“ (monofoner Aftertouch) selektiert, als „Dest 1“ wird „Filter 1 Frequency“ aufgerufen und in der Spalte zwischen Source und Destination noch einen positiven Modulationswert (zwischen 70 und 100) bestimmt. Fertig – die erste Modulationsverknüpfung steht! Zur Probe nun einen Akkord spielen und per Druckdynamik das Filter glänzen lassen.
Nun werden die anderen Modulationsquellen mit der Filterfrequenz probiert: Sehr beliebt ist das Steuern per Rad, wozu man einfach „ModWheel“ als Source aufruft. Mit „MIDI Velocity“ lässt sich das Filter anschlagdynamisch spielen, per MIDI-Note ist ein Filter Tracking möglich: Bei einem Wert von – 50 setzt das Filter im oberen Notenbereich deutlich ein, während die auf der linken Hälfte des Keyboards gespielten Töne weniger oder gar nicht gefiltert werden. Mit dem „Unison Index“ sind fein bröselnde Sounds möglich, wenn man den Unsiono-Wert in der Oszillator-Abteilung erhöht. Das Angebot der Zielparameter richtet sich bei Odin 2 übrigens am jeweils verwendeten Oszillator/Filter-Typ.
Rhythmisch effektiv moduliert
Sobald als Modulationsquelle ein „Impulsgeber“ gewählt wird, entstehen Modulationen, die rhythmisch verwendet werden können. In der Matrix des Odin 2 (und bei vielen anderen Synthesizern) sind es namentlich die LFOs, Hüllkurven mit Loop-Funktion und der Arpeggiator, die in der Liste der Sources (Quellen) dafür relevant werden.
Markant ist vor allem die Modulation der Lautstärke per LFO, der Tempo-synchron in Achtelnoten laufen kann. In der Matrix ist eine solche Verknüpfung schnell erstellt: LFO 1 als Source wählen, einen Modulationswert von etwa 70 nehmen und dann als Ziel „Amp Gain“ (im Ordner „Amplifier) adressieren. Beim LFO 1 selbst wird „Sync“ aktiviert und „1/8“ ausgewählt. Mit einem zweiten LFO kann jetzt noch ein rhythmisches Panning (Links-Rechts-Bewegungen) programmiert werden. Dafür nutzen wir den nächsten Slot der Modulationsmatrix und rufen LFO 2 als Quelle und „Amp Pan“ als Ziel mit dem maximalen Modulationswert 100 auf. Aller guten Dinge sind drei … einen LFO 3 hat der Bodin tatsächlich auch noch. Mit ihm soll das Filter rhythmisch moduliert werden. Im nächsten Slot der Modulationsmatrix stehen sich LFO 3 und „Filter 1 Frequency“ gegenüber.
Unbedingt probieren sollte man auch den Fall „LFO moduliert LFO“. So zum Beispiel wirkt LFO 1 auf die Filterfrequenz ein und LFO 2 moduliert wiederum die Geschwindigkeit des ersten LFOs. Dies hat den Effekt, dass das Tempo der rhythmischen Filtermodulation per LFO 1 ein ständiges Auf und Ab erfährt. Werden beide LFOs noch Tempo-synchronisiert, lassen sich sogar komplexe LFO-Wellenformen für rhythmische Begleitmuster entwickeln. Anstelle des LFOs sind auch die Hüllkurven gut einsetzbar, weil sie sich bei Odin 2 (und bei anderen Synthesizern wie Moog Sub37 oder Novation Peak) als Loop nutzen lassen. Die Hüllkurve arbeitet pausenlos, am Ende (Release) setzt sie wieder vorne (Attack) an.
Nicht zuletzt lässt sich sogar mancher Arpeggiator als Quelle in eine Modulationsmatrix einbinden – so auch bei Odin 2. Hier steht für jeden der 16 Schritte des Arpeggiators zwei Modulationsregler (Mod 1 und Mod 2) zur Verfügung. Man dreht an den Reglern und entwickelt komplexere Modulationsmuster, die sich nun in der Modulationsmatrix einspeisen lassen (Source = Arp Mod 1 oder Arp Mod 2) und damit Filterfrequenz oder andere Parameter in Bewegung versetzen. Der Arpeggiator kann aber ebenso gut als Modulationsziel adressiert werden. Drastisch wird es, wenn „Arp Speed“ als Destination ausgewählt wird. Mit einem LFO als Quelle lässt sich die Arpeggiator-Geschwindigkeit rhythmisch interessant modulieren – eine gute Inspiriation!
Morphing per Modulationsrad
Wie schon gesehen, ist man ziemlich frei bei den Zuordnungen. Wenn man einen konkreten Plan hat, ist das oft noch besser als ein kreativer Zufall. Wir möchten nun mit einer Quelle auf verschiedene Zielparameter gleichzeitig Einfluss nehmen. Auf diese Weise sollen Morphing-ähnliche Klangabläufe entstehen. Als Quelle dient das Modulationsrad. Die Idee ist es, von einem „dunklen ruhenden Sound“ in einen „hellen bewegungsreichen Sound“ zu morphen – so die einfache Formulierung. Für dieses besondere Synth-Pad benötigt man zwei verschiedene Einzelklänge, die auf Oszillator 1 und 2 basieren. Beim „Morphing“ muss der erste Sound ausgeblendet werden, während der zweite Teilklang mehr in Erscheinung tritt. Auch Effekte müssen in der Modulationsmatrix berücksichtigt werden.
So einfach kann man bei der Programmierung inklusive Matrix anhand des Init Sound des Odin 2 vorgehen: Im ersten Schritt schrauben wir die Filterfrequenz ein wenig herab und rufen für Osc 1 den „Wavetable Oscillator“ mit dem Wavetable „Voice C“ auf. Der Basisklang für beide Oszillatoren ist damit quasi schon fertig und wird mit dem Chorus-Effekt ein wenig angereichert. Für das „Morphing“ kommen hauptsächlich die ersten drei Slots der Modulationsmatrix zum Einsatz: Die Lautstärke von Osc 1 wird komplett reduziert und die von Osc 2 etwa um die Hälfte angehoben. Gleichzeitig dreht das Modulationsrad das Filter auf und mischt noch einen Delay-Effekt ein, dessen Wet-Regler zunächst auf Null steht. Ein wenig animiert wird der Sound mit LFO 1 (moduliert den Wellenstatus des Osc 2) und LFO (einfaches Panning). Nun ist er mit dem Rad und vor allem dank der Modulationsmatrix dynamisch spielbar.
Patch Check
Schauen wir einmal nach, was sich die Soundprogrammierer bei Odin 2 gedacht haben. Wie zu erwarten bei diesem flexiblen Synthesizer, sind öfter animierte Klangabläufe per Matrix umgesetzt werden. Im Fall der Wavetable-Synthese ist es zum Beispiel das Preset „Funny 2“ (Arp&Sequences). Der LFO1 moduliert die Wavetable-Position beim ersten Oszillator. Beim Preset „Blinking Pad“ (Atmospheres) steuern LFO1/2 den OSC2/3. Per XY-Pad lassen sich Filterresonanz und Wavetable-Position drastisch verändern, so realisiert bei Preset „Voyage 1a X-Y“ (Atmospheres).
Auch die Vector-Synthese innerhalb von Odin 2 ist für dynamische Klangveränderungen ideal. Anspieltipp ist das Preset „Glass Morph ARP“ (Arp&Sequences). Der Arpeggiator verändert die Position des Vectorpunkts OSC1 XY. Die Bewegungen auf dem Pad sind zwar zu hören, werden aber nicht sichtbar dargestellt. Beim Preset „Minor Song“ (Arp&Sequences) moduliert ARP Mod 1 rhythmisch die Filterfrequenz des Formant-Filters.
Am besten geht man selbst auf Entdeckungstour: In der Modulationsmatrix nach den Controller/Parameter-Zuweisungen schauen und dann gezielt Modulationswerte auf Null setzen oder einen Slot komplett löschen, um jeweils die spezielle Wirkung akustisch zu erfahren. Nach einer Zeit bekommt man ein besseres Gefühl für die passenden Modulationswerte. Man sollte sich in die Soundkonzepte hineinversetzen und bei jeder Aktion am Synthesizerbeide Ohren offen halten.
Weitere Audiosbeispiele zu Modulationen
Schlusswort
Soweit eine kurze Einführung. Im Lauf eines Synthesizer-Lebens wird man noch sehr viele praktische Erfahrungen sammeln, wie sich die Parameter in einer Modulationsmatrix geschickt adressieren lassen. Inspirierend kann schon vor allem „Random“ als Quelle sein. Jedenfalls sollte man die Matrix beim Soundprogramming möglichst ausgiebig erkunden sowie unsere einfachen Beispiele einmal am eigenen Synthesizer nachbilden. Damit entstehen lebendige Live-Performances wie auch komplexe modulative Presets.
Viel Spaß beim virtuellen Patching!