Earthworks SR314 Test

Das in diesem Testbericht besprochene Handheld-Kondensatormikro Earthworks SR314 gehört zu den wenigen Produkten, die schon bei der ersten Pressemeldung Vorschusslorbeeren von mir bekommen hat.

Earthworks_SR314_Test_1

Das hat weniger damit zu tun, dass mir Eartworks-Produkte klanglich in durchweg guter Erinnerung sind, sondern zugegebenermaßen damit, dass das Live-Gesangsmikrofon einfach um-wer-fend aussieht. Bedenkt man, dass schon das Studio-Kondensatormikro SV33 Eindruck bei mir geschunden hat, scheint man bei Earthworks wirklich Geschmack zu haben. Doch klar: Aussehen ist zweitrangig, bei Studio- wie Bühnenmikrofonen kommt es schließlich auf den Sound an. 

Details

Nicht das erste Gesangsmikro

Earthworks SR314 ist ein Livemikro, das aus gutem Hause stammt. Das amerikanische Unternehmen Earthworks hat sich einen Namen gemacht mit seinen Kleinmembran-Kondensatormikros. Das SR25, besagtes Studiomikrofon SV33, aber auch die Drummikros CMK4 sind allesamt klanglich beeindruckend. Mit dem SR314 ist aber nicht das erste Mikrofon für die Hände von Sängerinnen und Sängern erhältlich, das SR40V (Hyperniere, Frequenzgang bis 40 kHz) und das längliche SR20 (geringere Vocal-Spezialisierung) gibt es schon länger.

Kleinmembran-Kondensatorkapsel

Wie alle Earthworks-Mikros basiert auch das SR314 auf einer Kondensatorkapsel kleinen Membrandurchmessers. Und schraubt man den Metallgitterkorb ab, blickt man auf eine Konstruktion, die aussieht, als habe jemand ein Earthworks SR25 halbiert und die Kapselseite in das SR314 verfrachtet: Die charakteristischen Schalleintrittsschlitze zur Erzeugung der Nierencharakteristik sind auch dort zu sehen.

 

Fotostrecke: 3 Bilder Der Korb des EW SR314 lässt sich abschrauben.

Nicht durchgängig linear, sondern leicht für Stimme vorbereitet

Brettlinear zeigt sich der Pegelverlauf von 20 Hertz bis hinauf zu 3 kHz – gemessen für 12,5 cm Abstand. Aufgrund des Nahbesprechungseffekts wird bei korbnaher Besprechung eine ordentliche Portion Bass hinzukommen. Dass um die 4 kHz, besonders aber bei 8 kHz leichte Einbrüche im Pegelfrequenzgang zu verzeichnen sind, ist hingegen kein Makel, sondern für die Nutzung mit der menschlichen Stimme absolut sinnvoll, wenn man zu scharfe und spitze S-Laute vermeiden will. Im Vergleich zur 1kHz-Referenz gibt es kleine Boosts bei 10 und 15 kHz. Das ist ein Hinweis darauf, dass das Earthworks SR314 sehr offen klingen wird. Es ist zu hoffen, dass der Detailreichtum dem Pegel in den Höhen gerecht werden kann. Von 20 bis 30 kHz ist die Kurve übrigens linear, das ist keine Selbstverständlichkeit.
Anerkennung verdient in jedem Fall das sanft verlaufende Polardiagramm. Es zeigt keine relevanten frequenzabhängigen Ausbrüche bis 90 und 270 Grad, bis 150 und 210 Grad nehmen die Präsenzen eher ab als Höhen und Tiefen. Das ist üblich.

Rauscharm

Nach A-Filterung rauscht das Mikrofon mit 15 Dezibel, verträgt aber als „Peak Acoustic Input“ 145 dB SPL. Als Signal-Rauschspannungsabstand ist 79 dB(A) angegeben, als Empfindlichkeit 10 mV/Pa. Auch hier: alles ordentliche Werte.

Kein Koffer

Das Mikrofon ist aus massivem Stahl gefertigt, macht einen dementsprechend unzerstörbaren Eindruck und wiegt stolze 680 Gramm! Ein Koffer gehört nicht zum Lieferumfang, der Käufer des nicht gerade preiswerten Edelmikrofons muss sich mit einer Reißverschlusstasche und einem einfachen Gummi-Mikrofonclip begnügen. 

Fotostrecke: 4 Bilder Der Korb und der Korpus bestehen aus Stahl!

Praxis

Gut gebaut und schwer – sehr schwer

Die Verarbeitungsqualität des Earthworks SR314 ist ein Gedicht. Selbst die filigran wirkenden Korbstege wird wohl kaum ein Sturz aus Mikrofonstativ-Höhe beeindrucken. Aber nein: Ausprobiert habe ich es dennoch nicht. Die Haptik des SR314 ist grandios, man hält ein wirklich wertiges, handschmeichelndes Werkzeug in der Hand. Durch den großen Umfang ist man trotz fehlendem Kopf-Korpusübergang nicht geneigt, die Schalleintritte zu verdecken. Aber: Wer sehr kleine Hände hat oder besonders zart ist und lange Gigs bestreiten muss, sollte zumindest ein Stativ parat haben: 680 Gramm sind viel! Zur Einordnung: Ein Shure SM58 wiegt mit knapp 300 Gramm deutlich weniger als die Hälfte.

Mangel: Das Design betrifft ausschließlich das Mikrofon selbst

Stichwort Stativ: Ich finde, dass das Earthworks SR314 das schönste aktuell erhältliche Bühnenmikrofon ist. Da gibt es sicher auch andere Meinungen, aber es ist wohl Konsens, dass das Mikrofon ein durchdachtes, ästhetisches Design besitzt und nicht „Form follows Function“ verfolgt. Die schlicht funktionale Mikrofonklemme zerstört jedoch dieses Bild. Das SR314 hätte einen optisch passenderen Halter verdient. Anderen hochwertigen Bühnenmikrofonen wie etwa von Neumann, DPA oder auch Schoeps stehen derartige einfache Halter gut zu Gesicht, das Earthworks kommt auf einem Stativ wegen der Klemme nicht so zur Geltung, wie es das verdient hätte.

Die einfache Halterung will nicht so recht ins Bild passen. Bei vielen anderen Mikrofonen ist das nebensächlich – das wundervolle SR314 leidet aber darunter.
Die einfache Halterung will nicht so recht ins Bild passen. Bei vielen anderen Mikrofonen ist das nebensächlich – das wundervolle SR314 leidet aber darunter.

Der Klang ist natürlich natürlich

Das war es aber schon, was ich zu kritteln hätte, denn klanglich ist das Earthworks SR314 nicht weniger als eine Offenbarung. Auch bei maximaler Besprechungsnähe geraten die Tiefen nie außer Kontrolle, sondern bleiben äußerst schnell und klar, bilden ein hervorragendes Fundament und ermöglichen auch Sängern mit tiefem Register eine vorbildliche Pitchkontrolle. Die Poppempfindlichkeit ist außerordentlich gering, solange man die 45 Grad Besprechungswinkel nicht übersteigt. Wohl nicht zuletzt dem massiven Stahlkorpus und -Korb ist es zu verdanken, dass Trittschall- und Handgeräusche sehr verhalten bleiben. 

Audio Samples
0:00
Earthworks SR314, 0 cm Earthworks SR314, 5 cm Earthworks SR314, 5 cm, 45 Grad Earthworks SR314, 5 cm, 90 Grad Earthworks SR314, 5 cm, 180 Grad Earthworks SR314, 5 cm, handheld Earthworks SR314, 2 cm, Sprache Sennheiser e865, 0 cm Sennheiser e865, 5 cm Sennheiser e865, 5 cm, 45 Grad Shure SM58, 0 cm Shure SM58, 5 cm

Am anderen Ende des Spektrums übermittelt das SR314 Höhen, die guten Studiomikrofonen in nichts nachstehen. Verfärbungen, Verschmierungen, reibende Klangkomponenten: Ich konnte in Studio- und Liveumgebung nichts in diese Richtung feststellen. Das Mikrofon formt ein klein wenig gesangsspezifisch den Sound, was aber in jeder Livesituation passend ist, zumal nicht übertrieben wird. Dass die Übertragung der Höhen so schnell und ohne Pegelabfall stattfindet und die 180-Grad-Dämpfung des SR314 etwas geringer ausfällt als bei den Mitten, bedeutet, dass Feedbacks am Ehesten im Höhenband stattfinden können. Allerdings ist besonders die 180-Grad-Dämpfung generell sehr hoch und dadurch die Feedbackanfälligkeit gering. 

"Nutzerperspektive"
“Nutzerperspektive”

In der Gesamtbetrachtung zeigt sich, wo die klangliche Hauptleistung des Eartworks SR314 liegt: Es ist die Natürlichkeit, die nur wenige Handheldmikrofone zu erhalten in der Lage sind. Neben des hervorragend ausgetüftelten Pegelfrequenzgangs sind es auch die fantastische Detailzeichnung, die über den gesamten Frequenzgang identisch hoch bleibt, und die Abwesenheit jeglicher klanglicher Hinweise auf plötzliche Änderungen von Phasenlagen. Das bedeutet insgesamt, dass das Signal des EW-Mikros im Pult auch brutal bearbeitet werden kann, seine Klangqualität davon aber unbeeindruckt bleibt. Das kennt man von guten Studiomikrofonen und anderen sehr hochwertigen Livemikrofonen in Kondensatortechnik (DPA, Schoeps, Neumann) und rechtfertigt alleine schon den Preis des SR314. Unter den dynamischen Handhelds ist es höchstens das Shure KSM8 Dualdyne, das annähernd in der gleichen Liga spielt. Die Vergleiche mit dem Shure SM58 und dem Sennheiser Evolution e865, die allerdings nur ein Achtel/ein Viertel kosten, machen die Grandezza des SR314 deutlich.

Fazit

Das Earthworks SR314 ist ein ausgezeichnetes Werkzeug für Profis mit Eignung für eigentlich alle Anwendungen mit unterschiedlichen Stimmen. Es klingt äußerst natürlich, klar und durchsetzungsfähig, minimiert dabei eher ungewollte Bestandteile der Stimme. Dazu zählen allzu spitze Konsonanten, Handling Noises und Popplaute. Allerdings sollte der Nutzer dieses Mikrofons über eine gute Mikrofondisziplin verfügen, da eine seitliche Besprechung zu verstärkter Poppanfälligkeit führt (axial ist sie äußerst gering). Tontechniker, die mattere Mikros gewohnt sind, sollten aufgrund der Übertragungsqualitäten mit dem Bereich über 10 kHz vorsichtig sein, um dort ein Koppeln zu vermeiden. Earthworks hat mit dem SR314 zudem ein gestalterisch wie verarbeitungstechnisch grandioses Livemikrofon auf den Markt gebracht, das definitiv auch im Studio Anwendung finden kann.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • exorbitant klare und natürliche Übertragung von Stimmen
  • Nutzbarkeit auch für andere Anwendungen
  • geringe Poppempfindlichkeit
  • guter Umgang mit S-Lauten
  • Signal durch Effekte sehr gut formbar
  • tolle Haptik
  • sehr edles Äußeres
Contra
  • Halterung wird dem edlen Erscheinungsbild und dem Preis nicht gerecht
Artikelbild
Earthworks SR314 Test
Für 779,00€ bei
Earthworks_SR314_Test_8
Features und Spezifikationen
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 48 V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 20 Hz–30 kHz
  • Übertragungsfaktor: 10 mV/PA
  • maximaler Schalldruckpegel: 145 dB SPL
  • Ausgang: XLR male
  • Lieferumfang: Klemme und Tasche
  • Preis: € 829,– (Straßenpreis am 19.8.2019)
Hot or Not
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Die einfache Halterung will nicht so recht ins Bild passen. Bei vielen anderen Mikrofonen ist das nebensächlich – das wundervolle SR314 leidet aber darunter.

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