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Eventide Misha Test

Eventide Misha ist ein intervallbasierter Sequenzer mit CV- und MIDI-Features und einem Oszillator im Eurorackformat. Wir haben uns das Modul einmal genau angesehen.

Eventide Misha: intervallbasierter Sequenzer und Oszillator im Eurorackformat. (Quelle: Lukas Hermann)
Eventide Misha: intervallbasierter Sequenzer und Oszillator im Eurorackformat. (Quelle: Lukas Hermann)

Melodien entstehen durch das Kombinieren von Intervallen. Das weiß jeder, der sich ein wenig mit Musiktheorie auseinandergesetzt hat. Aber warum muss man trotzdem bis heute beim Programmieren von Sequenzern einzelne Noten und nicht einfach Intervalle eingeben? Eventide hat sich diese Frage offenbar vor einiger Zeit gestellt – und als Antwort das Eurorackmodul Misha entworfen.

Der MIDI– und CV-kompatible Eurorack-Sequenzer greift das Konzept der seriellen Musik auf. Anstatt Patterns aus beliebig vielen Noten, die sich auch mehrfach hintereinander wiederholen können, spielt er Tonleitermaterial gleichmäßig aus. Alternativ kann der Musiker mit einem Controller und Mishas Hilfe frei durch Tonleitern gleiten. Ohne deren Töne gezielt spielen zu müssen. Da stellt sich die schnell die Frage: Für welches Modularsystem und welchen Kompositionsansatz eignet sich dieses Bedienkonzept?

Details

Eventide Misha: Erster Eindruck

Um die Frage des Bedienkonzepts zu klären, muss man zunächst das Panel des Moduls verstehen. In dessen Zentrum stehen ein fast quadratisches Display und ein „V“ aus bunt leuchtenden Buttons. Ersteres zeigt die Skala an, mit der gerade seriell gearbeitet wird und die Buttons von 0 bis +4 bzw. -4 stehen für Intervallsprünge innerhalb dieser Skala.

Die Front des Eventide Misha wird von den großen, farbigen Intervallbuttons beherrscht. (Quelle: Lukas Hermann)

Darüber liegt eine Reihe an Ports und Patchpunkten. Von links nach rechts finden sich: Ein USB-Port für Firmware-Updates, MIDI In-/Out, drei CV/-Gate-Paare – ebenfalls In/Out – sowie ein Audio-Ausgang und ein Clock-Eingang nebst SD-Kartenslot. Zwei Encoder zur Display- bzw. Menüsteuerung gibt es noch, dazu Shift-/User-Buttons mit Sonderfunktionen wie der Oktavlage und zwei Buttons zum Aufnehmen und Starten von Sequenzen.

Quintenzirkel – und darüber hinaus

Am Interessantesten ist das, was auf dem Display passiert. Es stellt Tonabfolgen nicht in Form von Steps, sondern kreisrund dar. Oben steht die Tonleiter und ihr Grundton. Von denen gibt es bis zu 100 in vier Bänken. Die ersten zwei sind ab Werk mit Tonleitern gefüllt. Die anderen können vom Nutzer frei mit Scala-Dateien beladen werden. Letzteres läuft über die mitgelieferte SD-Karte.

Eventide Misha: Display
Auf dem Display des Eventide Misha Moduls wird die aktuelle Tonleiter kreisrund visualisiert. (Quelle: Lukas Hermann)

Mit einer Shift-Funktion stellt man ein, in welchem Oktavbereich Misha agieren soll, um danach auf Knopfdruck frei gespielt zu werden. Kenntnisse der Tonleitern sind nicht nötig, die Intervall-Buttons springen immer passend zum nächst höheren, gleichen oder tieferen Ton.

Der Tonreihen-Sequenzer

Misha versteht sich auf alle Arten von Skalen. Angefangen bei Pentatonik bis hin zu mikrotonalen Tonsammlungen mit 48 Intervallen pro Oktave. Die Länge der Tonleitern ist dem Modul sehr wichtig. Sie bestimmt nämlich, wie viele Schritte der „Tonreihen-Sequenzer“ leistet. Dieser wird über den Record-Button aktiviert und zeugt am stärksten vom Einfluss serieller Musik auf Misha. Hat eine Skala etwa sieben Töne, bestehen Patterns, die über die Intervall-Buttons eingegeben werden, auch maximal aus sieben Steps. Dabei muss jeder Ton einmal vorkommen.

Eventide Misha: Outputs
Tonhöhen-Informationen werden oben am Modul via MIDI oder CV ausgegeben. (Quelle: Lukas Hermann)

Lediglich die Reihenfolge wird vom Musiker festgelegt. Ist der siebte Ton erreicht, startet die Sequenz automatisch und spielt im Tempo einer internen oder externen Clock die programmierte Tonfolge ab. Im dabei angezeigten „Play“-Menü kann man live mit ihr interagieren. Dabei kann man das relative Tempo anpassen, die Sequenz in andere Tonarten oder Oktavlagen transponieren, die Reihenfolge verändern und mehr. Leider gibt es beim Programmieren keine direkt zugängliche Option für variable Schrittlängen und Swing fehlt als Feature derzeit auch noch.

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Praxis

Eventide Misha – verschiedene Nutzungsansätze …

Es gibt mehrere Varianten, Misha als Sequenzer für Klangerzeuger zu nutzen und zu spielen. Zum einen ist es möglich, via MIDI-Out oder CV und Gates Mono-Tonfolgen bzw. neun Akkordtypen über Misha an Synths oder Module weiterzugeben.

Zum anderen wird der Sequenzer mit einem angeschlossenen MIDI-Keyboard zum Kreativ-Instrument. Dann kann man mit wenigen Klaviertasten in komplexen Tonleitern frei durch die Oktavlagen spielen. Intervallwechsel nach oben und unten finden über nur neun weiße Tasten auf dem Controller statt. Die schwarzen helfen beim Transponieren, beim Legato-Spielen und anderen nützlichen Aktionen.

Eine dritte Variante beim Spielen gibt es auch noch: Das Modul ist mit einem rudimentären internen Oszillator ausgestattet, der über einen Stereo-Ausgang immer mitklimpert. Seine Parameter sind allerdings fix, Sounddesign ist nicht möglich. Unser bescheidenes Urteil: Eher weniger brauchbar.

Eventide Misha: Rackansicht
Bis zu drei Oszillatoren können vom Eventide Misha im Eurorack angesteuert werden. (Quelle: Lukas Hermann)

… und ein Tipp

Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Konzept des intervallbasierten Sequenzers am besten via MIDI, am intuitivsten hingegen direkt im Rack funktioniert. Es ist erstaunlich: Wenn man auf den Tasten des Moduls herumprobiert, entstehen viele Überraschungsmomente – man achtet mehr auf das Display und die angezeigten Noten. Das Spielen exotischer Skalen via MIDI ist hingegen deutlich musikalischer, weil man dabei eher auf das Ergebnis hört und weiter vom Modul „entfernt“ ist.

Audio Samples
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Eventide Misha: C Pentatonik Eventide Misha: D Harm Minor Eventide Misha: Tonreihe [BohPier 13] Eventide Misha: B Blues [Interner Oszillator] Eventide Misha: Triplet Blues Eventide Misha: Eb IoPenta Eventide Misha: Jazz Chords [Digitone]

Für die gesteigerte Musikalität des MIDI-Steuerungswegs sorgen zudem einige Zusatzparameter, die im MIDI-Gebrauch möglich werden. Gerade Sample-Instrumente wie Software-Pianos klingen mit der übertragbaren Anschlagdynamik und über die CV-Inputs modulierten MIDI-CC-Werte deutlich lebendiger. Wie das alles funktioniert, erklärt der mitgelieferte „Quick Start Guide“ übrigens hervorragend.

Eventide Misha: Schrägansicht nah
Misha bietet mit Skalen und Intervall-Sequenzen ein interessantes Konzept um Tonfolgen entstehen zu lassen. (Quelle: Lukas Hermann)

Keine Patterns!

Und was kommt am Ende beim Spielen heraus? Viel Neues! Misha zwingt einen dazu, das Konzept der Sequenz neu zu denken. Man kann hier keine langen Patterns programmieren, sondern muss sie selbst erarbeiten und spielen. Komplexe Melodien entstehen nur mithilfe der eigenen Finger. Die über Shift-Kombinationen aufrufbaren 18 Presets dienen im Live-Einsatz dazu, bestimmte Tonleiter-, Akkord- und Tempi-Einstellungen aufzurufen, mit denen man Songs am Controller performt.

Das erfordert von geübten Pianisten ein Wegdenken vom 12-Ton-Klavierlayout. Alle anderen ohne große spielerische Kenntnisse sind hingegen freier im Umgang mit Tönen als je zuvor. Die wahre Kunst liegt in beiden Fällen darin, sich auf Misha als Improvisationsinstrument einzulassen. Wer einen kreativen Sequenzer mit Projektstruktur sucht, ist hier nicht richtig. Man muss Intervallkombinationen auf der MIDI-Klaviatur ausprobieren, auf den Charakter von Tonleitern und Transpositionen hören und das dann live oder beim Aufnehmen in die DAW aktiv umsetzen. Nur so entfaltet Misha sein Potenzial.

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Fazit

Ich habe mich beim Auspacken des Moduls direkt gefragt, für wen es eigentlich gedacht ist. Und so ganz ist die Frage auch nach ausgiebigem Testen nicht weggegangen. Es macht Spaß, mit ihm Melodien zu erkunden, definitiv. Aber: Wer setzt sich mit dem Intervallkonzept des Misha derart intensiv auseinander, um fortan nur noch mit ihm zu spielen? Und: Mit welchen Synths ist das am besten möglich? Eine Frage, auf die ich keine Antwort gefunden habe. Denn Aspekte wie die fehlende „echte“ Polyphonie – es stehen nur Akkorde oder Mono-Sequenzen zur Verfügung – und die limitierte Speicherbarkeit sind starke Argumente gegen das Modul als „Mastermind“ beim Komponieren oder Performen.

Daher ist Misha im wahrsten Sinne des Wortes ein experimentelles Instrument. Der Musik-Riese Eventide hat mit Misha etwas gewagt, das unbedingt zu würdigen ist. In Bezug auf seinen langfristigen Erfolg denke ich: Nur wenn Misha eine kleine, überzeugte Anhängerschaft findet und in Zukunft noch ein paar Updates mit Features wie Swing oder variable Schrittlänge erhält, kann es sich als neuer Weg des Komponierens und Spielens im Geiste serieller Musik entwickeln. Doch ich glaube, dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist.

Eventide Misha Eororackmodul
Mit seinen Skalen und Intervall-Sequenzen ist das Eventide Misha kein Modul für jedermann. (Quelle: Lukas Hermann)

Features

  • Tonreihenbasierter Sequenzer, inspiriert von der klassischen Kompositionstechnik der seriellen Musik
  • Innovatives Bedienkonzept: Eingabe von Noten & Sequenzen über die Wahl von Grundton, Tonskala und Intervalltasten
  • 100 interne Tonskalen und Speicherplätze für 100 Nutzer-Skalen (unterstützt Scala-Dateien)
  • Clock Divider für rhythmische Variationen
  • 4 frei belegbare User-Tasten
  • Speicherplätze für 18 Presets
  • Interner Oszillator
  • USB-C Port für MIDI- und QWERTY-Tastaturen
  • MIDI In/Out: 3,5 mm TRS Klinke
  • 3 CV/Gate Ausgangspaare zur Ansteuerung von 3 Stimmen
  • 3 zuweisbare CV/Gate Eingangspaare
  • Audio-Ausgang für internen Oszillator: 3,5 mm Stereo-Klinke
  • Clock-Eingang
  • Scala-Import und Firmware-Updates über microSD-Karte
  • Strombedarf: 105 mA (+12 V) / 5 mA (-12 V)
  • Breite: 28 TE – Tiefe: 19 mm

Preis

Eventide Misha: ca. 649 € (Sztraßenpreis am 30.08.2022)

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