Rock’n’Roll hat bekanntlich nicht nur eine musikalische, sondern auch eine historische, kulturelle sowie eine soziale Bedeutung. Er ist Ausdruck von Freiheit, Frieden, Rebellion, Anti-Establishment, Leidenschaft, Liebe, Hass, Sehnsucht, Hoffnung, Verzweiflung und vielem mehr. Müsste man all diese Aspekte in nur einer einzigen Person vereinen – es gäbe wohl nur eine Wahl: Ian Fraser Kilmister, besser bekannt als Lemmy. Rock’n’Roll kennt keine größere Galionsfigur und Ikone als den 2015 verstorbenen Motörhead-Bassisten und -Frontmann. Höchste Zeit also, dass wir einen Blick auf Lemmys Leben, sein musikalisches Wirken und seinen Einfluss auf die Geschichte des Rock’n’Roll werfen.

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Lemmy Kilmister: Die frühen Jahre
Ian Fraser Kilmister wurde als „Christkind“ am 24. Dezember 1945 im englischen Stoke-on-Trent geboren. Seine Kindheit musste er leider ohne Vater verbringen, der die Familie kurz nach Ians Geburt verließ. Bereits mit 7 Jahren nahm Ian zum ersten mal eine Gitarre in die Hand – und war begeistert.
Im Alter von 10 Jahren zog Ian mit seiner Mutter und Stiefvater auf die Insel Anglesey vor der Nord-West-Küste von Wales. In der dortigen Grundschule bekam er auch seinen Spitznamen „Lemmy“. Ohne Abschluss verließ er mit 15 Jahren die Schule, hielt sich mit verschiedenen Jobs über Wasser und spielte bereits in einigen Bands. Mittlerweile in Manchester angekommen, wurde er zunächst Gitarrist bei Reverend Black and The Rockin’ Vicars und nahm mit diesen mehrere Singles auf.

Roadie für Jimi Hendrix und erste Erfolge mit Hawkwind
Ende der 60er-Jahre zog es Lemmy nach London, wo er unter anderem als Roadie für Jimi Hendrix (!) arbeitete. Gleichzeitig war er nach wie vor musikalisch aktiv, unter anderem mit den Bands Sam Gopal oder Opal Butterfly.
Im Jahr 1971 lernte er Mitglieder der Band Hawkwind kennen, deren Gitarrist und Bassist gerade gekündigt hatten. Lemmy hoffte eigentlich, die Stelle des neuen Gitarristen zu bekommen, landete aber schließlich am Bass. Hawkwinds Single „Silver Machine“ erreichte sogar Platz 2 der englischen Charts und featurte Lemmy darüber hinaus als Sänger.
Motörhead werden geboren
1975 wurde Lemmy vom kanadischen Zoll wegen Drogenbesitzes verhaftet und Hawkwind trennte sich von ihm. Sein letzter Song, den er für die Band schrieb, hieß „Motörhead“. Dieser umgangssprachliche Begriff bedeutet so viel wie „Speed-Junkie“ – und wegen Speed war Lemmy schließlich verhaftet worden. Als kleinen ironischen Abschiedsgruss an die alten Kollegen nannte Lemmy auf Anraten seines Managers sein neues Projekt ebenfalls „Motörhead“.
Seit Beginn lässt sich Motörheads Musik nicht eindeutig einem speziellen Genre zuordnen. Einflüsse aus Punk, Rock’n’Roll, Blues, Metal etc. ergaben eine bis dato noch nie gehörte Mischung, welche unzählige Bands der nachfolgenden Generationen beeinflusste. Am besten lässt sich der Stil mit Adjektiven wie laut, schnell, roh, dreckig, aggressiv und provokant beschreiben.
Die unterschiedlichen Besetzungen von Motörhead würden fraglos einen eigenen Artikel füllen. Gitarristen, Drummer und nicht zuletzt das Management wechselten aus den unterschiedlichsten Gründen häufig, meistens ging es um das liebe Geld. Auch schwankte die Anzahl der Musiker immer wieder zwischen Trio und Quartett. Die wichtigsten Mitglieder im Laufe der Zeit waren an der Gitarre Larry Wallis, Philipp Campbell, Eddie Clarke und Michael Burston, an den Drums Phil Taylor und Mikkey Dee.
Das erste Album „On Parole“ (1975) wurde vom Plattenlabel nicht veröffentlicht und Lemmy erkannte, dass er andere Mitstreiter benötigte. „Fast“ Eddie Clarke ersetzte Larry Wallis an der Gitarre und der Drummer Philip „Philthy Animal“ Taylor kam für Lucas Fox in die Gruppe. Die folgenden Alben „Motörhead“, „Overkill“, „Bomber“ und „Ace Of Spades“ brachten der Band kommerziellen Erfolg und zementierten ihren Ruf als neue Größe in der Szene. Das legendäre Live-Album „No Sleep ’til Hammersmith“ kletterte sogar auf Platz 1 der britischen Charts, bekam eine Goldene Schallplatte und gilt bis heute als Meilenstein.
Die Zeit in den 80er- und 90er-Jahren war geprägt durch zahlreiche Besetzungswechsel, Wechsel des Managements und der Plattenlabels. Der kommerzielle Erfolg blieb aus, und die immer noch regelmäßig veröffentlichten Alben stießen auf gemischte Kritik. Das Blatt wendete sich erst zu Beginn der 2000er-Jahre. Dies hatte sicher auch damit zu tun, dass nun einige berühmte jüngere Musiker (wie z. B. Dave Grohl) Motörhead als ganz großen Einfluss nannten und so auch ihre eigenen Fans auf die Bedeutung der Band aufmerksam machten. Die Folge: Sämtliche von 2000 bis zu Lemmys Tod im Jahr 2015 veröffentlichten Alben erreichten solide bis hohe einstellige Chart-Platzierungen. Auch die jeweiligen Tourneen waren per se sehr erfolgreich, und Lemmy wurde endgültig zur Ikone und lebenden Legende des Rock’n’Roll.

Viele Jahre des exzessiven Drogen- und Alkohol-Missbrauchs sowie intensives Rauchen mehrerer Schachteln Zigaretten am Tag verlangten von Lemmy jedoch unweigerlich ihren Tribut. Lemmys letzte Lebensjahre waren stark von gesundheitlichen Problemen, Operationen, Krankenhausaufenthalten und abgebrochenen oder gar abgesagten Konzerten geprägt. Das im August 2015 veröffentlichte Album „Bad Magic“ wurde nichtsdestotrotz noch einmal ein großer Erfolg und erreichte in Deutschland sogar Platz 1 der Charts. Am 28. Dezember desselben Jahres erlag Lemmy jedoch leider einem Krebsleiden.
Lemmy wurde im “Forest Lawn Memorial Park” in Hollywood, Kalifornien begraben – einem prominenten Friedhof, auf dem viele bekannte Persönlichkeiten ruhen. Lemmys Asche wurde jedoch nicht nur dort beigesetzt: Ein Teil davon wurde in Patronenhülsen gefüllt, die an enge Freunde und Wegbegleiter verschenkt wurden, ganz im Sinne seines exzentrischen Lebensstils.

Lemmy: Musikalischer Stil
Lemmy spielte eigentlich Gitarre und wurde sozusagen “über Nacht” zum Bassisten. Auf das neue Instrument übertrug er einfach seinen gitarristischen Stil und entwickelte daraus etwas völlig Neues. Hier sind ein paar der wichtigsten Merkmale von Lemmys Personalstil:
- Anschlag mit dicken Plektrum in Nähe des Halses
- Definierter Sound mit wenig Bass, aber viel Mitten und Höhen
- Benutzung des Steg-Tonabnehmers
- Aggressiv-bissiger Sound durch Verzerrung seiner Marshall-Verstärker
- Viele Leersaiten als Drohnen-Ton plus gegriffene Töne, um Akkorde darzustellen
- Viele Songs in Tonarten wie E, A, D, um Leersaiten verwenden können
- Zahlreiche Powerchords aus Quinten oder Quarten
- Schnelle Tempi der Songs
- Viele in Punk verwurzelte Rhythmen, Zählzeit 1 auf Downbeat, Zählzeit 3 vorgezogen, oder zeitaktig: Erster Takt Zählzeit 1 auf Downbeat, zweiter Takt Zählzeit 1 vorgezogen
- Keine elaborierten Grooves mit Drums, meist aggressive durchgespielte Achtelgrooves mit einigen gebundenen oder vorgezogenen Noten
- #Hauptsächlich Pentatonik oder Bluestonleiter, wenig anderes Tonmaterial wie Skalen oder Arpeggios
Lemmy: Equipment
Lemmys Equipment ist ebenso legendär wie er selbst und hat sich kaum über die Jahre geändert.
Hier sind einige Bässe, mit dem Lemmy ab und zu gesichtet wurde:
- Hopf Studio-Bass
- Gibson Thunderbird IV
- Hagström H8 8-String-Bass
- Minarik Inferno Bass
- James Trussart Steelcaster
- Gibson EB-3
- B.C. Rich Mockingbird Bass
- Burns Bison Bass
u. a.










Seine große Liebe galt aber der US-Kultmarke Rickenbacker, hier eine kleine Auswahl:
- Rickenbacker 4004LK Lemmy Kilmister „Rickenbastard“ mit handgeschnitzten Korpusflügeln, Eichenblatt-Ornamenten, drei Humbuckern und goldener Hardware – seit 1996 sein Hauptinstrument
- Rickenbacker 4000 Lemmy Kilmister „Born To Lose“
- Rickenbacker 4003







Saiten und Plektren:
Lemmy bevorzugte sowohl dicke Saiten als auch dicke Plektren.
- Dean Markley 2674 Blue Steel
- (später) Dunlop Lemmy Signature Stainless Steel Bass Strings 0.50 – 105
- Dunlop Nylon 1.14 Pick




Verstärker und Boxen:
Wie viele englische Musiker setzte auch Lemmy auf britische Verstärker und Boxen – regional und nachhaltig, sozusagen. Hier sein wichtigstes Equipment:
- Marshall 1992 Lemmy Kilmister Signature Head
- Marshall Super Bass Head „Murder One“
- Marshall 1979L 4×15-Box
- Marshall 1960B 4×12-Box
- Marshall MF280L Lemmy Kilmister 4×12-Box
Lemmy Kilmister: Musikalische und kulturelle Bedeutung
Lemmy und Motörhead beeinflussen seit ihren Anfangstagen im Jahr 1975 so ziemlich jede Band im Bereich Punk, Rock, Hardrock und Heavy Metal mit allen ihren Unterteilungen. Ihre musikalische DNA befindet ist heutzutage quasi omnipräsent und die Band wir von Musikern im höchsten Maße respektiert bzw. verehrt.
Motörhead dachten nicht in Genres, sondern machten einfach 40 Jahre lang ihr ganz eigenes Ding. Dabei rissen sie viele Schranken und Bretter in den Köpfen vieler Musiker und Fans ein. Laut Metallica-Drummer Lars Ulrich schafften Motörhead sogar das unmögliche Kunststück, die häufig oppositionelle Lager aus Punk und Metal zu vereinen, indem sie zeigten, dass beides kein Gegensatz sein muss.

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Lemmys Weg, sich selbst immer treu zu bleiben, immer authentisch zu sein, nicht auf den Mainstream zu schielen, sondern kompromisslos das eigene Ding durchzuziehen, eine Meinung zu haben, die man sich tatsächlich selbst gebildet hat (heute nicht selbstverständlich) etc., ließen seinen Bekanntheitsgrad weit über die Musik in die Popkultur transzendieren. Lemmys Konterfei ist weltweit bekannt und symbolisiert alle genannte Punkte ganz unabhängig davon, ob man nun ein Fan von Motörhead ist oder nicht.
Sein schon zu Lebzeiten bestehender Status als Legende des Rock’n’Roll zeigt sich unter anderem daran, dass über ihn eine eigene Doku gedreht wurde, Charaktere in Videospielen auf ihm basieren, eine Asteroid und mehrere Tierarten nach ihm benannt sind, und vielem mehr.
Chapeau, Herr Kilmister – wir verneigen uns vor dir!
Thomas Meinlschmidt
Markus sagt:
#1 - 16.05.2025 um 08:17 Uhr
Moin, eine schöne Hommage an Lemmy, genau getroffen. Wer Rock 'n' Roll liebt und lebt, für den wird Lemmer immer heraustagend sein. Zwei Fehler haben sich aber eingeschlichen, Eddie Clarke war Gitarrist und Phil Taylor der Drummer. Die Kultmarke Rickenbacker sitzt in den USA. Sorry für die Erbsenzählerei ;-)
Thomas Meinlschmidt sagt:
#1.1 - 16.05.2025 um 08:43 Uhr
Hey Markus, freut mich, dass dir unser Artikel gefällt. Und Danke für die Hinweise, wird zeitnah korrigiert. Wie ich aus Rickenbacker Engländer machen konnte, kann ich auch nicht mehr nachvollziehen ;) Liebe Grüße Thomas Meinlschmidt
Antwort auf #1 von Markus
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