Lennar Digital Sylenth 1 v3.0 Test

Als ich vor Kurzem einen Testbericht meines Bonedo-Kollegen Patric Louis über den bereits etwas in die Jahre gekommenen SPL-Mikrofonvorverstärker Goldmike Model 9844 gelesen habe, musste ich feststellen, dass es nicht nur interessant ist, über das Neueste am Markt informiert zu sein. So gibt es diverse, weiterhin erhältliche Klassiker, die es wert sind, auch Jahre nach ihrem ersten Erscheinen unter die Lupe genommen zu werden.

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In diesem Fall handelt es sich kurioserweise um einen Software-Synthesizer, der bereits 2006 das Licht der Welt erblickte und sich ohne bemerkbare Weiterentwicklungen immer noch als einziges Produkt der holländischen Software-Schmiede Lennar Digital im Angebot befindet – der Sylenth 1. Dieser VA-Synth hat einen legendären Ruf und ist auf unzähligen EDM-Produktionen internationaler Künstler zu hören. Was kann er, wie klingt er und ist er auch zwölf Jahre nach seinem Erscheinen noch konkurrenzfähig? Die Antworten auf diese Fragen wollen wir durch den folgenden Test herausfinden.

Details

Geschichtliches

Das Synth-Plug-in galt seit seinem Erscheinen im Jahre 2006 als herausragendes Beispiel eines Software-Synthesizers, der es mit Hardware à la Access Virus aufnehmen kann. Selbstverständlich haben beim Sylenth 1, der mittlerweile in der Version 3.0.3.3 vorliegt, Weiterentwicklungen und  Detailverbesserungen stattgefunden, der Aufbau und die grundlegende Funktionalität unterscheiden sich in der aktuellen Version aber kaum von Version 1. Ein prägendes (Negativ-)Ereignis in der Historie von Sylenth 1 war der 32/64-bit-Wechsel diverser Hostprogramme.

Als 2013 Logic Pro X (ausschließlich 64 bit) das 32-bit-fähige Logic Pro 9 ablöste, kamen einige musikschaffende Kollegen doch ins Grübeln und Recherchieren, ob sie jetzt mit dem Update warten sollen, oder welche Möglichkeiten es geben könne, den holländischen Soft-Synth weiterhin in ihr Setup einzubinden. Die 64-bit-Kompatibilität ließ bis 2015 auf sich warten, was einigen Konkurrenzprodukten die Chance gab, sich zu etablieren und der Sylenth dadurch möglicherweise ein wenig aus dem Fokus der vorwiegend EDM-produzierenden Gemeinde gerückt wurde. Er ist aber immer noch da, in der Version 3.0 als AU-, AAX- und VST-Plug-in verfügbar und erfreut sich bei einigen clubmusikorientierten Kollegen nach wie vor großer Beliebtheit!

Im Gegensatz zum aktuellen Emulations-Hype legendärer Analog-Synthesizer, der sich in Produkten wie u-he Repro-1 /-5 sowie diversen Soft-Synths der Roland Cloud manifestiert, hat der Sylenth 1 allerdings kein konkretes Vorbild aus der Welt der Hardware, wobei einige stilprägende Merkmale wahrscheinlich vom legendären Roland VA-Synth JP-8000/8080inspiriert sind.

Das GUI der aktuellen Version des Sylenth 1.
Das GUI der aktuellen Version des Sylenth 1.

Klangerzeugung

Der 16-stimmige Sylenth 1 ist ein sogenannter virtuell analoger Synthesizer und arbeitet nach dem Prinzip der subtraktiven Synthese mit bis zu vier Oszillatoren je Klangprogramm. Die Oszillatoren bedienen sich der klassischen Wellenformen sowie Kombinationen daraus und bieten einen bis zu 8-stimmigen Unisono-Modus, der es mit Leichtigkeit ermöglicht, Klänge nach Art der berüchtigten Super-Saw zu programmieren. Jedes Preset setzt sich aus zwei Parts (A, B) mit jeweils zwei Oszillatoren, einem Filter (Low-, High-, Bandpass mit jeweils 12 und 24 dB/Okt.) und einer eigenen Lautstärkehüllkurve zusammen, während die weiteren Modulationsquellen (Mod Env 1/2, LFO 1/2) per Modulationsmatrix verschiedenen Parametern von Part A oder B bzw. beiden 

Fotostrecke: 4 Bilder Die Wellenformen der Oszillatoren

Effekte

Nachdem beide Parts der Klangerzeugung im Signalfluss zusammengeführt wurden, hat man die Möglichkeit, den Sound mit diversen  Mastereffekten zu veredeln oder auch brutal aufzupumpen. Hierzu stehen folgende Effekte zur Verfügung:

  • Distortion (Overdrive, Foldback, Clip, Decimate, BitCrush)
  • Phaser
  • Chorus (Single, Dual)
  • EQ (Bass, Treble /1+ 2-Pole)
  • Delay
  • Reverb
  • Compress

Aus heutiger Sicht ist die starre Reihenfolge (wie aufgelistet) der Effektmodule eine vielleicht etwas ungewöhnliche Einschränkung, aber dennoch zielführend und dazu fähig, produktionsfertige Sounds ohne die Verwendung externer Plug-ins zu realisieren. 

Sonstiges

Als Performance-Tool oder Quell zusätzlicher Inspiration gehört ein Arpeggiator samt Step- und Chord-Sequencer zur Ausstattung des Sylenth 1. Vom weiteren Funktionsumfang ist der pragmatische Soft-Synth eher konservativ ausgestattet, was aus meiner Sicht nicht wirklich kritikwürdig ist. Lediglich ein etwas ausgefeilterer Preset-Browser, z. B. mit Suchfunktionen nach Soundkategorie anstatt der starren Einteilung in die vier Soundbänke (mit jeweils vier Subbänken à 128 Sounds), würde dem Sylenth 1 mit seiner Masse an Presets ganz gut stehen.

Die Bank-basierte Verwaltung der Presets
Die Bank-basierte Verwaltung der Presets

Praxis

Installation

Die Installation auf meinem Macbook Pro (macOS 10.12.6, 2,8 GHz Intel Core i7) verlief reibungslos. Zum Aktivieren des Synths per Code, also ohne Dongle o. Ä. ist eine Internetverbindung erforderlich. User, die den Sylenth1 per Payment Plan „abzahlen“, müssen laut Herstellerinformationen auch während des Arbeitens mit dem Synth online sein. Außerdem können sich Interessenten hier eine Demoversion des Sylenth 1 herunterladen. Die konkreten Systemvoraussetzungen findet ihr am Ende dieses Testberichts. 

GUI

Mit dem Sylenth 1 findet man sich schnell zurecht, was wahrscheinlich an der sinnvollen Aufteilung in Part A und B liegt, die man schnell verinnerlicht und somit einen guten Überblick über alle verfügbaren Parameter erhält. Mein Favorit ist die letzte Evolutionsstufe des Ur-GUI, die Oberfläche namens „Sylenth 3.0“, die unter einer Auswahl diverser Skins im anwählbar ist.

Fotostrecke: 4 Bilder Die „Sylenth 3.0“-Skin. Außerdem zu sehen: Alle Parameter sind in die Automation implementiert.

Sound

Der, auf subtraktiver Synthese basierende Sylenth 1 ist grundsätzlich ein vielseitiger Synthesizer mit einem überzeugenden und druckvollen  Sound. Seine Preset-Auswahl ist stilistisch allerdings stark auf EDM-lastige Musikstile fokussiert. Aber hören wir doch einfach mal rein. Die ersten Audiobeispiele wurden auf Basis des Init Patches mit lediglich einem (von vier) Oszillatoren unter Zuhilfenahme der (automatisierten) Unison-Funktion erzeugt.

Audio Samples
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01 Sinus 1Osc – Unison 02 Saw 1Osc – Unison 03 Pulse 1Osc – Unison

Die folgenden Hörbeispiele demonstrieren die vorhandenen und vollkommen unbearbeiteten Wellenformen eines einzelnen Oszillators:

Audio Samples
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04 Sinus + Triangle 05 Pulse + HalfPulse + QuarterPulse 06 Saw + TriSaw + Noise
Die schematische Darstellung des Klangerzeugung des Sylenth 1 (Quelle: Manual/Lennar Digital)
Die schematische Darstellung des Klangerzeugung des Sylenth 1 (Quelle: Manual/Lennar Digital)

Abschließend folgen einige Beispiele verschiedener Soundkategorien, bei denen ausschließlich die internen Effekte des Lennar-Digital-Soft-Synths zum Einsatz kommen.

Audio Samples
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07 Pad Sounds 08 Bass Sounds 09 Key Sounds 10 Lead Sounds 11 Hover Sounds

Performance

Der Sylenth 1 ist ein Synth-Plug-in, mit dem man ohne Reue drauf loslegen kann. Auf meinem Laptop, das jetzt auch schon ca. drei Jahre auf dem Buckel hat und nicht gerade das Ende der Fahnenstange ist, kann ich problemlos eine inflationäre Anzahl von Sylenth-Instanzen öffnen, ohne dass mein Rechner nur ansatzweise herausgefordert wird, oder dass sich sonstige Zickereien bemerkbar machen. Im Gegensatz dazu gibt es „hungrigere“ Instrumente, die ich klanglich und kreativ sehr schätze, aber die ich mich in einem fortgeschrittenen Produktionsstadium häufig nicht mehr zu öffnen traue. Mit dem Sylenth 1 kann man auch in komplexen Projekten – ab einem gewissen Punkt trifft das auf jedes Projekt zu – dem Impuls etwas Neues auszuprobieren bedenkenlos nachgehen, ohne dabei Soundkompromisse einzugehen, oder das Projekt ins Stottern zu bringen.  

24 Plug-in Instanzen mit jeweils 4-stimmigen Akkorden bei einer eingestellten I/O-Puffergröße von 256 Samples
24 Plug-in Instanzen mit jeweils 4-stimmigen Akkorden bei einer eingestellten I/O-Puffergröße von 256 Samples

Fazit

Auch wenn es laut einem befreundeten jungen DJ und Producer aktuell vielleicht angesagtere Soft-Synths gibt, lässt sich der Sylenth 1 auch 2018 gewinnbringend in Musikproduktionen einsetzen und ist dank seiner druckvollen Sounds, einer zugänglichen Bedienung und seines lächerlich geringen Resourcenbedarfs eine Bereicherung für jedes DAW-Setup zur Produktion zeitgenössischer Pop- und Dance-Stile. Grundsätzlich schraube ich sehr gerne an Synths herum, die überwiegend produktionsfertigen Sounds. Die tolle Soundbank mit Artist Presets integriert sich verlockend gut in bestehende Mixes, sodass die Gefahr besteht den Sylenth 1 als „Preset-Schleuder“ zu missbrauchen – was nicht immer schlecht sein muss. Nicht selten geht die Magie bzw. Energie einer Produktion oder eines Songs ohnehin verloren, wenn man zu lange am Sound feilen muss. Wie man ihn auch einsetzt, der Sylenth 1 von Lennar Digital hat’s immer noch drauf!

PRO

  • hochwertiger, bei Bedarf brachialer Sound
  • hohe Auswahl amtlicher EDM-Sounds
  • übersichtliche und umfassende Modulationsmatrix
  • geringe CPU-Last
  • zweckmäßige und gut klingende Effekte
  • frei skalierbares GUI

CONTRA

  • Browser nicht mehr zeitgemäß
  • im Vergleich zur Konkurrenz keine weiteren Synthesearten
LennarDigital_Sylenth1_B01_Test

FEATURES

  • 16-stimmige Polyphonie
  • 4 Oszillatoren mit bis zu 8-fachem Stereo-Unisono
  • Modulationsmatrix
  • 2 gleichzeitig nutzbare Stereofilter (Low-, High, Bandpass, jeweils 12 und 24 dB/Okt.)
  • 4 ADSR-Hüllkurven
  • 2 LFOs mit 11 Wellenformen
  • Effektsektion (Distortion, Phaser, Chorus, EQ, Delay, Hall, Kompressor)
  • 2500+ Presets
  • Kompatibilität:
  • Mac OSX 10.6 oder neuer
  • Windows 2000, XP, Vista7, 8, 10 (32/64bit)
  • mindestens 128MB RAM 😉
  • AAX , AU, VSTi

Preis:

  • 165,- EUR einmalig oder monatlich 9,95 EUR (Payment Plan)
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • hochwertiger, bei Bedarf brachialer Sound
  • hohe Auswahl amtlicher EDM-Sounds
  • übersichtliche und umfassende Modulationsmatrix
  • geringe CPU-Last
  • zweckmäßige und gut klingende Effekte
  • frei skalierbares GUI
Contra
  • Browser nicht mehr zeitgemäß
  • im Vergleich zur Konkurrenz keine weiteren Synthesearten
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Lennar Digital Sylenth 1 v3.0 Test
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Profilbild von Henry

Henry sagt:

#1 - 12.06.2018 um 20:39 Uhr

0

In der Tat immer noch ein sehr schöner Brot-und-Butter-Synth. Ganz sicher nicht so aufregend, wie die neuesten Kreationen aus den Häusern Waldorf oder NI und dergleichen, aber schnell geladen, schnell ein Bass, Lead oder Pad zusammen geschraubt und die musikalische Skizze ist ohne weiteres im Kasten. Ich habe seit gut zehn Jahren eine Lizenz - und mit lebenslangem Upgrade-Recht ist das mal eine nachhaltige Investition!

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JB sagt:

#2 - 27.03.2019 um 14:35 Uhr

0

Ich hatte Sylenth installiert und es war bislang der einzige Softsynth, den ich „zurückgegeben“ habe dank der Kulanz des Herstellers.Grund dafür ist die Festlegung auf EDM. Sylenth mag ein guter Softsynth sein, aber die Sounds sind inzwischen alle überhört. Wirklich inspirierendes habe ich nicht gefunden.Sicher kann Sylenth mehr als EDM, aber der Appetit am Schrauben ist mir beim Durchhören der Presets vergangen.

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