Native Instruments Noire Test

Neoklassik ist ein Genre, von dem mittlerweile vermutlich jeder schon mal gehört hat, denn die Max Richters, Ólafur Arnalds, Laurence Ipsums und Nils Frahms dieser Welt sind ziemlich präsent. Für die einen ist es Fahrstuhlmusik, für die anderen ernstzunehmender Post-Minimalismus. 

Native_Instruments_01_Noire_Test


Alen Akteuren liegt indessen eine tendenziell ruhige und weiche Klangästhetik zugrunde – und natürlich ein Klavier. Da liegt es nahe, dieser Strömung (oder besser: dieser Klangästhetik) eine eigene Library zu widmen. Wie durch Native Instruments bereits vor einiger Zeit mit „Una Corda“ begonnen, wird das Ganze nun mit „Noire“ um einen Flügel ergänzt. Nicht um irgendeinen Flügel wohlgemerkt, sondern um den Yamaha CFX von Nils Frahm persönlich, aufgenommen in dessen Studio, dem Saal 3 des Funkhauses Nalepastrasse in Berlin.
Aufgenommen wurde mit raren Mikros und in zwei Varianten, einmal „normal“ und einmal mit Hämmern, die mit speziellem Filz präpariert worden sind und so einen besonders intimen Sound erzeugen. All das in Verbindung mit der Tatsache, dass Galaxy Instruments bereits in der Vergangenheit mit sehr ausgefuchsten Instrumenten auf sich aufmerksam gemacht hat, lässt auf eine hochinteressante Library schließen und damit auf einen obligatorischen Bonedo-Testkandidaten.
 

Details

Der Einstieg; Instrumente und GUI

Der Einstieg kommt schon mal gut, weil die Library auf das Nötigste reduziert ist. Sie ist gut sortiert, man wähle zwischen Noire Felt und Noire Pure und schon geht’s los. Jedes Instrument bietet etliche Presets für die jeweiligen zwei Unterinstrumente Grand Piano und Particles. Ich mache Noire Felt auf und es öffnet sich ein großes, gut sortiertes GUI. Ich erblicke das Bild von einem von Nils‘ Flügeln in seinem Studio sowie vier Symbole oben links im Fenster und fünf Drehregler am unteren Rand. Gut gelöst: sobald ich mit der Maus über die Symbole oder Regler fahre, erscheint ganz unten im Fenster ein Infotext zum entsprechenden Objekt inklusive kurzer Bedienungsanleitung. Erster Punkt für Galaxy Instruments, denn noch einfacher und eleganter kann man die Infobox-Thematik nicht lösen. Die Regler steuern Color, Tonal Shift, Dynamic, Reverb und Delay, während die vier Symbole für Piano Tab, FX, Particles Tab und Space stehen. Mehr gibt es zum Opener nicht zu sagen und ich mache mich auf in Richtung Piano Tab.
 

Gut sortierte GUI; das Einstiegsfenster von Noire
Gut sortierte GUI; das Einstiegsfenster von Noire

Die Piano Edit-Page; Piano Tab

Vier Parameter gibt es insgesamt zu entdecken, von denen das erste auf den schönen Namen Anatomy hört. Hier lassen sich Release, Attack und Resonance regeln, was so weit so bekannt ist. Aber auch der Anteil der Obertöne lässt sich steuern, ein schönes Beispiel für sympathischen Wahnsinn. Weiter geht’s mit Noises, und zwar den Noises von Pedal, Mechanik und Filz. Als nächstes kommt Tone an die Reihe; Tonal Depth sorgt für zusätzliche Resonanz, mit dem Low-Keys-Slider lässt sich das Volume aller Töne unterhalb von C1 beeinflussen und – jetzt geht’s ab – per Sub lassen sich extra aufgenommene Sub-Signale beimischen, wobei man die Range des Sub selbst bestimmen kann – fett!


Den Abschluss bilden die Settings. Velocity- und Pedalverhalten wirkt zwar nicht so spannend wie Sub, aber, dass man zwischen neun verschiedenen Tunings auswählen kann, könnte in Sachen Klanggestaltung noch sehr interessant werden, gerade wenn man das Klavier mit Instrumenten in anderer Stimmung kurzschließt.
 

Ein gleichermaßen reiches wie übersichtliches Angebot; die Edit-Page
Ein gleichermaßen reiches wie übersichtliches Angebot; die Edit-Page

Die FX Page

Den Anfang macht der EQ. Wir reden hier nicht von Bändern und Q-Faktoren, denn die Parameter sind nach Effekt benannt. Soll heißen, statt Highs, Mids und Lows gibt es hier Presence, Body und Bass, jeweils mit zwei Alternativen. Angenehm nerdig finde ich die Tatsache, dass man sich aussuchen kann, ob Noises jeglicher Art mit durch den EQ geschickt werden sollen oder nicht. Es schließen sich Optionen für Transienten und ein Kompressor an, wobei auch der Kompressor lediglich Presets mitbringt. Stereo Image ist vorhanden und selbsterklärend, während Style eine ganze Effektkette in Gang setzt. Drei Kategorien von Style werden geboten: Timbre, Moving und Contionuous. Für diese drei stehen über zwanzig Presets zur Verfügung. Abgerundet wird das Angebot mit Ambient-Geräuschen z. B. aus dem Saal 3, mit Mikros oder Radiogeräuschen und  ich kann sogar einen Noise-Anteil für den Pianisten regeln!? Ich freu mich schon auf den Praxisteil und frage mich ob Ächzen, Stöhnen und leises Gefluche des Pianisten graduell zunehmen, wenn ich Noire Chopin-Etüden spielen lasse.

EQ, Kompressor und allerhand Geräusche; die FX Page
EQ, Kompressor und allerhand Geräusche; die FX Page

Die Particles-Engine

Jetzt wird’s ein bisschen irre. Die Particles-Engine kann man sich ungefähr so vorstellen wie ein Chaosdelay; durch einen gespielten Ton wird eine Tonkaskade unterschiedlicher Dauer, Rhythmik und Tonhöhe in Gang gesetzt. Der Effekt ist tatsächlich ein bisschen so, als würde man auf einen staubigen Teppich klopfen: Ein Schlag erzeugt eine chaotische Wolke rund um das Gebiet, auf das man geklopft hat. Wie sich diese Wolke verhält, lässt sich per Engine auf dutzende Arten beeinflussen. Natürlich gibt es eine satte Anzahl an Particle-Presets und der generische Regler ist der für den Anteil der Particles am Gesamtklang.
Linksseitig im Fenster befindet sich die Sektion Algorithm. Neben Dichte, Sync-Verhalten und Decay lässt sich zwischen verschiedenen Modes wählen, die die Partikelsteuerung beeinflussen (z. B. Range, Tonqualität, Quelle, etc.). Mit Variation hat man ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem sich in das Mikrotiming der Particles untereinander eingreifen lässt. Vervollständigt wird das Fenster durch Source und Effects. In Source lässt sich zwischen je vier Quellen für den tonalen und den geräuschhaften Anteil der Particles wählen, inklusive Optionen für Timbre und Attack. Effects hingegen bleibt schlank und easy; da wäre zum einen ein Filter mit den beiden Polen Low Cut und High Cut sowie die Option für Diffusion (eher hall- oder delayartig), deren Intensität und Timing, in-sync oder nicht in-snyc, sich ebenfalls hier steuern lässt.

Chaosdelay 2.0?; die Particles-Engine
Chaosdelay 2.0?; die Particles-Engine

Reverb & Delay

Es bleiben Reverb und Delay, beide recht übersichtlich, aber mit allem, was Sinn ergibt. Das wären beim Reverb natürlich Size und Pre-Delay sowie die Möglichkeit, aus fünf Hall-Charakteren zu wählen (Vintage, Room, Mystique, Piano, Reverse). Außerdem stehen etliche Presets für unterschiedliche Halltypen (Space, Digi, Plate, Spring, etc.) zur Verfügung. Das Replika Delay wartet mit fünf Charakteren (Modern, Analogue, Tape, Vintage, Diffusion) und Parametern für Time, Feedback, Depth, Low-/High-Cut, Rate und Saturation auf euch. Angeboten wird das Ganze entweder in einfacher Stereomanier oder als Ping-Pong-Delay. Unterm Strich sieht es so aus, als hätte Galaxy Instruments einen Regler für alles beigelegt, was man auch nur im Entferntesten an einem Klavier regeln kann. Bleibt die hochinteressante Frage danach, wie das Ganze klingt und sich in der Praxis verhält. Hier kommt die Antwort:

Zwei Effekte für ein Halleluja; Reverb & Delay
Zwei Effekte für ein Halleluja; Reverb & Delay
Kommentieren
Schreibe den ersten Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.