Retronyms Hook iOS Test

Die in San Francisco angesiedelte Software-Schmiede Retronyms betritt mit ihrer Anwendung „Hook“ den Markt der Sample-basierten Remix-Toolboxes für iPhone und iPad. Die Kalifornier sind unter anderem bekannt für ihre Apps iMPC, die iOS-Variante von Akais berühmter MPC sowie Tabletop, einer modularen iOS-Workstation und Phase84, einem Phase Distortion-Synthesizer. Damit haben sie bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass sie imstande sind, hochwertige Software zu veröffentlichen. Ob der neueste Spross der Familie daran anschließen kann, klären wir im folgenden Test.

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Der Editing-Bereich für Samples …

Details

Als Remix-Toolbox ermöglicht Hook dem Benutzer das Triggern von Samples über eine Pad-Matrix. Retronyms neuester Wurf bietet dafür bereits vorinstallierte Sample-Packs an, die kostenlose iPhone-Version beinhaltet ein „House Set“, die iPad-Variante für 12,99 Euro kommt mit insgesamt fünf Bundles daher. Über den App-internen Store lassen sich zusätzlich noch weitere 18 Pakete erwerben, die Preise variieren dabei zwischen 4,99 und 9,99 Euro. Das Angebot reicht von der „AraabMuzik“ und damit Trap-lastigen Kollektion über „Retro Wave“, einer Auswahl an 80er Synthie-Sounds bis hin zu einem Yamaha DX7 Pack. Der Fokus liegt auf elektronischen und urbanen Sounds. Wer auf House, Hip-Hop und ähnliches steht, liegt hier also goldrichtig. Wer eher organische Jazz- oder Rock-Sounds sucht, schaut in die Röhre.
Das Layout von Hook ist in fünf Bereiche aufgeteilt: Die Pad-Matrix ist die Ausgangslage, hinzu kommt eine Mixer-Sektion, die jeweils noch in die Unterpunkte Mix, FX und Sends eingeteilt wird, dazu ein Editing-Bereich inklusive Sample-Bibliothek, der „Flux-Fader“, ein laut Retronyms intelligenter Crossfader sowie die Projekt-Übersicht zur Verwaltung der einzelnen Sets.

Die Pad-Matrix von Hook.
Die Pad-Matrix von Hook.

Hook gibt dem Benutzer die gleichzeitige Kontrolle über 22 x 6 Clips, es stehen also sechs Spuren zur Verfügung, um beispielsweise Drums, Bass, Synths und FX getrennt voneinander abzuspielen und zu mischen. Untereinanderliegende Pads lösen sich gegenseitig ab. Dabei werden natürlich nicht alle der möglichen Slots gleichzeitig angezeigt, per Finger scrollt man einfach zum gewünschten Clip. Somit bleibt das Layout auf dem iPhone mit maximal 12 angezeigten Pads schön übersichtlich, auf dem iPad wird naturgemäß mehr angezeigt.
Der Mixer in Hook beinhaltet die sechs Spuren der Pad-Matrix und gibt pro Kanal Zugriff auf einen Level-Fader, Mute/Solo sowie einen Pan-Regler, um Audio im Stereofeld verteilen zu können. Hinzu kommen noch ein Master-Level sowie zwei Potis, um Lautstärke und Threshold eines Kompressors zu steuern, der die Summe des Mixers verarbeitet.
Die FX-Sektion bietet drei Effekte: Reverb, Delay und Chorus/Flanger. Diese können mit mehreren Parametern bearbeitet, zum Takt oder frei synchronisiert und in die Sends geschickt werden. Zusätzlich, und das verspricht Gutes, ermöglicht der Slot „Inter-App-Effect“, noch eine weitere iOS-Anwendung als FX-Quelle einzusetzen. Im dritten Unterbereich des Mixers finden sich dann die den Effekten zugehörigen Sends, die das Routing auf einzelne Kanäle sowie die Summe zulassen. Hinzu kommt ein Dreiband-EQ.  

Fotostrecke: 3 Bilder Die Mixing-Sektion von Hook

Der Editing-Bereich bietet umfangreiche Features. So kann zunächst das gewünschte Sample selbst aufgenommen, aus einem bestehenden Sample-Pack ausgesucht oder sogar mittels des auch von Retronyms herausgegebenen Tools „AudioCopy“ aus einer damit kompatiblen weiteren iOS-App per Copy-Paste übertragen werden. Des Weiteren gibt es die Möglichkeit des Imports via Spotify oder iTunes, also der auf dem iOS-Gerät befindlichen Musiksammlung. Die Samples können dann in Taktungen von 2 bis 32 geloopt werden, dabei helfen Funktionen wie in der Empfindlichkeit einstellbare Transienten-Marker, eine grafische Anzeige der Wellenform inklusive Zeitangabe sowie diverse Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich des Abspielmodus. Also ob die Pads gedrückt gehalten werden müssen, One-Shot oder im direkt triggerbarem Loop loslegen.

Zusätzlich kann jedes Sample um eine Oktave noch oben oder nach unten transponiert werden, Finetuning ermöglicht Schritte dazwischen. Panning sowie Lautstärke sind ebenso einstellbar. Als letztes Editing-Feature kann dem Sample noch ein Effekt beigemischt werden, zur Auswahl stehen hier Drive, Ringmodulator und Crush.

Fotostrecke: 2 Bilder Der Editing-Bereich für Samples …

Ein interessantes Feature stellt der sogenannte „Flux-Fader“ dar, ein Crossfader, der für Spannungsaufbau im Set sorgen soll. Die Sample-Clips in Hook können nämlich in zwei verschiedenen Modi abgespielt werden (in Grün und in Blau), der Fader blendet dann zwischen den beiden „Decks“ über und dient dabei gleichzeitig auch als Trigger für Clips. Dieser Flux-Fader funktioniert jedoch nicht nur wie normal von links nach rechts, zusätzlich werden auch von unten nach oben, ähnlich einem XY-Pad, Spannungseffekte wie „Pump“, „Swarm“ oder „Hi Pass“ aktiviert und dosiert. In der Musik-Library können schließlich die Sample-Packs und eigenen Aufnahmen bzw. Loops verwaltet werden.
Die globalen Einstellungen lassen das Verbinden mit Retronyms Wej zu, auch können hier MIDI-Mappings und Inputs festgelegt und Projekte verwaltet werden. Richtig cool: Ableton Link ist bereits an Bord der Software.

Fotostrecke: 2 Bilder Der aktivierte Flux-Fader blinkt deutlich.

Praxis

Sound

Der Sound von Hook ist sehr gut. Das auf dem iPhone inbegriffene Sample-Pack „House Essentials“ orientiert sich am klassischen House-Sound, ohne dabei einer übermäßigen Retro-Nostalgie nachzuhängen. David Guetta mäßigen Hands-up House muss man hier nicht befürchten, das spricht für die Fachkenntnisse der Entwickler. Die Bässe, Drums, FX und Vocals klingen zeitgemäß und sind richtig gut aufeinander abgestimmt. Auch die Qualität der Samples ist hoch, alles klingt druckvoll, klar und ausgeglichen. Beim Stöbern im Content Store können diese Eindrücke bestätigt werden, die Vorschauen der sinnvoll eingegrenzten Pakete machen Lust auf mehr. Wie bereits erwähnt, fehlt leider noch etwas Auswahl an organischeren Sounds, der Fokus auf elektronische Instrumente grenzt dann natürlich auch die Zielgruppe der App ein.

Audio Samples
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Sample Pack „House Essentials“

Workflow

Obwohl die Anzeige von Hook nicht alle Sektionen vollständig darstellt und man somit aufs Scrollen angewiesen ist, um beispielsweise alle Pads oder Kanäle des Mixers erreichen zu können, bleibt die Bedienung sehr leicht. Der Workflow beim Abfeuern der Sample-Pads ist flüssig, die guten Sounds tun ihr Übriges, um schnell ein erstes Erfolgserlebnis zu verbuchen. Nur dass es keinen generellen Play/Pause-Button gibt, stört ein wenig, die Loops müssen demnach einzeln gestoppt werden, das nervt manchmal. Die Mixing-Sektion ist sinnvoll aufgebaut, alle Funktionen sind leicht zu erreichen, auch lassen sich mehrere Fader gleichzeitig bewegen. Die Equalizer klingen gut und nützlich, lassen das Signal aber nicht auf eine gänzliche Null filtern. Der Kompressor arbeitet ordentlich und macht als Summeneffekt in dieser Umgebung auch Sinn, ebenso wie die hochwertig klingenden Effekte Reverb, Delay und Chorus/Flanger. Toll ist hier die Möglichkeit, externe Apps als Insert-Effect zu nutzen. Dies hat im Test auch wunderbar geklappt und erweitert sinnvoll die Fähigkeiten von Hook. Wünschenswert wäre allerdings eine Liste oder Übersicht der damit kompatiblen Anwendungen, so tappt man ein wenig im Dunkeln.

Sample-Editing

Richtig gut funktioniert auch die Bearbeitung der Samples. Wo andere Apps teilweise durch fummelige Bedienung und fehlende visuelle Hilfen für Frust sorgen, ermöglicht Hook ein angenehmes und schnelles Editieren. Innerhalb von Sekunden werden Songausschnitte automatisch analysiert und taktgenau geloopt. Wenn es dann einmal vorkommt, dass der Beat nicht richtig sitzt, helfen angenehm steuerbare Nudge- und Transienten-Buttons.
Für die weitere Bearbeitung kommt dann die Transportsektion zum Einsatz. Hier ist positiv zu erwähnen, dass ein automatischer Tuner die Tonhöhe des Samples anzeigt, tolles Feature! Die drei Drive-, Ring- und Crush-Effekte, die pro Audio-Clip einzeln eingesetzt werden können, sind auf dem gleichen hohen Niveau wie die FX der Mixing-Sektion. Einzig eine ADSR-Hüllkurve könnte man vermissen, dennoch ist das Sample-Editing insgesamt wirklich toll gelungen und verdient ein ausdrückliches Lob.

Fotostrecke: 2 Bilder Sehr leicht bedienbarer und mit visuellen Hilfen ausgestattet:

MIDI und Sample-Import

Naturgemäß lassen sich auf iOS-Geräten, besonders iPhones, nicht alle Features der App gleichzeitig darstellen, somit kann es manchmal recht fummelig werden, wenn man beispielsweise gleichzeitig Zeit einen Loop starten und die EQs bedienen möchte. Dafür hat Retronyms aber passende Antworten gefunden, denn alle Parameter und Pads lassen sich per MIDI-Learn ganz einfach externen Controllern zuweisen. Hier bietet sich natürlich auch das bereits erwähnte „Wej“ an.
Doch auch ohne diesen Zusatz kann Hook mithilfe eines MIDI-Controllers als vollwertiger Loop-Sequencer live und professionell genutzt werden, beispielsweise als Ersatz für Ableton Live für Sets-Performances der selbst produzierten Tracks.
Auch im Studio kann Retronyms App positiv wirken, die Ableton Link Anbindung lädt zum Jammen ein, durch die sehr guten Import-Möglichkeiten können auch leicht inspirierende Remixe geschraubt werden.   Apropos Import: Retronyms hat wirklich verstanden, dass eine Sampling-Toolbox nur wirklich Spaß macht, wenn die Audio-Schnipsel auch leicht eingebunden werden können und bietet dafür mit iTunes, Spotify, der Möglichkeit zu eigenen Aufnahmen über das iOS-Mikrofon oder dem Line-Input, dem Content Store und ihrem eigenen Management-Tool AudioCopy zahlreiche Wege. Auch stolpert man zu keinem Zeitpunkt über die Meldung, dass das Format der zu importierenden Datei nicht unterstützt wird, Hook schluckt anscheinend alles, wirklich sehr gut gemacht.
Ein weiteres Feature, um die Limitierung der iOS-Displays zu umgehen und um den Workflow zu verbessern, ist der Flux-Fader. Dieses Spannungs-Tool erweitert den Handlungsspielraum der App. Die durchdachte XY-Steuerung lässt das Faden in zwei Richtungen gleichzeitig zu, so kann man simultan einen Build-up Effekte und den Einsatz zusätzlicher Clips steuern, ein sinnvolles und gut umgesetztes Feature.

Audio Samples
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WARBLE-Effekt WASP-Effekt

Fazit

Mit Hook hat Retronyms eine wirklich tolle App auf den Markt gebracht. Das stilvolle Design, der sinnvolle Aufbau und der flüssige Workflow sind klare Pluspunkte, nach einer kurzen Einarbeitungsphase und der Vergewisserung der Features und Möglichkeiten fällt einem der Einstieg auch leicht. Die bereits vorhandenen Samples klingen durchweg sehr gut, die Import-Möglichkeiten sind beeindruckend und sorgen in Kombination mit der tollen Sample-Bearbeitung für große Freude. Retronyms hat die Schwächen und Limitierungen der iOS-Geräte erkannt, sich aber keineswegs von ihnen behindern lassen. Im Gegenteil sorgen galante Lösungen wie der Flux-Fader, die Möglichkeit, Aufnahmen und Effekte anderer Apps auf demselben Gerät einzubinden sowie leichte MIDI-Anbindung dafür, dass Hook eine wirklich zu empfehlende, gelungene und professionell einsetzbare Anwendung geworden ist.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Ableton Link
  • tolle Sample-Bearbeitung
  • Einbindung weiterer Effekt-Apps
  • umfangreiche Import-Möglichkeiten
  • professionell für Live-Sets einsetzbar
  • MIDI-Learn
  • toller Workflow
Contra
  • keine Hüllkurven im Sample-Editing
  • kein globaler Play/Pause-Button
Artikelbild
Retronyms Hook iOS Test
(Bild: Retronyms)
(Bild: Retronyms)
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