Während der 1990er Jahre feierte man erstmalig das Comeback analoger Synthesizer und drei namhafte Hersteller brachten entsprechend aktuelle Produkte auf den Markt. Clavia stellte 1995 auf der Frankfurter Musikmesse den ersten Nord Lead vor, Roland folgte ein Jahr später mit dem JP-8000 und der Yamaha AN1x komplettierte 1997 – parallel zum Debüt des Access Virus – das Trio der ersten virtuell-analogen Tastatur-Synthesizer. Seitdem ist das „Analog Modeling“ die am weitesten verbreitete Form des Physical Modelings.
Im Gegensatz zu seinen Konkurrenten hat der Roland JP-8000 eine stabile Basis. Es gibt zudem direkte Nachfolger des Nord Lead: ein Nord Lead 4 oder ein Nord Lead A1 sind aus heutiger Sicht die bessere Wahl. Der unterschätzte Yamaha AN1x öffnet sich dem Sounddesign allerdings nur per Software-Editor. So begeistern der JP-8000 und seine Rackversion JP-8080 als intuitiv zu bedienende Instrumente mit dem originalen Vintage-Sound der 1990er Jahre. Ein Blick auf die Preisentwicklung (Stand Frühjahr 2023) zeigt: Die Preise für gebrauchte Exemplare halten sich (noch) in moderaten Grenzen. Zugreifen?
Details & Praxis
Roland JP-8000 im Überblick
Im Grunde ist der zwischen 1996 und 2001 gebaute Roland JP-8000 ein klassischer Synthesizer, der zeitgemäß adaptiert worden ist. Seine Ausstattung umfasst Motion Control, Realtime Phrase Sequencing (RPS) und interne Chorus- und Delay-Effekte. Ein weiteres nicht unwichtiges Ausstattungsmerkmal ist die „Super Saw“-Wellenform der DSP-Oszillatoren. Diese ermöglicht eine wesentlich effizientere Nutzung des VA-Synthesizers für die Musik der 1990er als die frühen Analogsynthesizer. Der JP-8000 ermöglicht ohnehin einen umfangreichen direkten Parameter-Zugriff wie auch das Speichern von Sounds und Klangmodulationen. Eine der 128 Performances des JP-8000 kann zudem zwei Parts (Upper/Lower) als Split oder Layer anordnen, die sich auf unterschiedlichen MIDI-Kanälen ansprechen lassen. In puncto MIDI ist er jedenfalls viel kontaktfreudiger als die meisten Vintage Synthesizer. Das Marketing lässt grüßen: Bei der Namensgebung stand wieder einmal der großartige Roland Jupiter-8 Pate. Dabei sind weder der 1985 erschienene JX-8P noch der JP-8000 ernsthafte Alternativen zum Flaggschiff – deren acht Stimmen klingen einfach anders.
Roland JP-8000: Geburt der Super Saw-Wellenform
Der Roland JP-8000 produziert mit seinem Super Saw Oszillator ganz einfach richtig fette, breite und schwebende Sounds mit bis zu achtfacher Polyphonie. Damit etablierte er sich damals schnell zur Trance-Maschine der späten 90er. Überdies spielt er auch bei verwandten Stilen wie Hands Up, Dance oder Hardcore Techno eine prominentere Rolle. Der Super Saw ist heute als Oszillator-Modell im ZEN-Core System und somit in den allermeisten aktuellen Roland-Synthesizern wie beispielsweise auch dem Juno-X enthalten. Als „Hyper Saw“ schwirrt er in einigen Modellen des Access Virus und auch in so einigen Software-Instrumenten umher. Die Idee dabei ist es, sieben Sägezahn-Oszillatoren mit nur einem OSC-Modell samt variablem Detuning anzubieten. Schon weil der Super Saw die Quintessenz des Roland JP-8080 darstellt, zeigen wir ihn schon einmal anhand eines Videos.
Roland JP-8000 Hardware
Keine Frage, der Roland JP-8000 ist ein wirklich adretter und trotz Kunststoff-Schale auch robuster Hardware-Synthesizer. Im Studio und auf der Bühne wirkt das acht Kilogramm leichte und kompaktere Gerät (92,5 × 34,9 × 11,3 cm) bereits als ein Blickfang. Seine 49 Tasten kann man passabel und dynamisch differenziert spielen, sie verarbeiten aber keinen Aftertouch. Für den Echtzeit-Zugriff bietet der Roland JP-8080 nicht weniger als 38 Knobs und Slider. Als Spielhilfen kommen der Roland-typische Pitchbend/Modulation-Hebel sowie ein Ribbon-Controller hinzu.
Eher spartanisch zeigt sich das beleuchtete LC-Display mit 16 Zeichen verteilt auf zwei Zeilen. Die Rückseite wirkt ziemlich aufgeräumt. Hier gibt es neben zwei fünfpoligen MIDI-Buchsen vor allem einen Stereo-Ausgang neben dem Phones Output sowie zwei weitere Anschlüsse. Einmal „Hold“ für Sustain-Pedale sowie „Control“ für Expression-Pedale zur Steuerung von Lautstärke oder anderer Parameter.
Die Oszillatoren des Roland JP-8000
Die Roland-Entwickler haben mit dem DSP-Oszillator des JP-8000 einen Teil zur Geschichte elektronischer Musik beigetragen. Neben den klassischen Wellenformen bietet der JP-8000-Oszillator noch weitere Wellenform-Typen, die komplexere Sounds entstehen lassen. Zudem wartet die umfangreiche Oszillator-Sektion mit einer ausführlich programmierbaren Cross- und Ringmodulation auf.
Die JP-8000 Oszillator-Wellenform stellen wir der Reihe nach einzeln akustisch vor. Während der Sequenz-Wiedergabe verändern wir jede Oszillator-Wellenform anhand der beiden Control-Regler. Tatsächlich stehen jeder Wellenform zwei spezifische Parameter zur Verfügung, die wir bei den Audio-Demos (in Klammern) benennen.
Genau sieben Auswahlmöglichkeiten bietet OSC1: Super Saw, Triangle Mod, Noise, Feedback-Osc (nur einstimmig spielbar), Square (PWM), Saw, Triangle. Für OSC2 sind allerdings nur Saw, Rechteck und Triangel vorgesehen.
Audiobeispiele Roland JP-8000
Filter und Effekte im Roland JP-8000
Der Roland JP-8000 ist leider kein Hybrid-Synthesizer, der digitale Oszillatoren mit analogen Filtern kombiniert, wie es bei einigen aktuellen Synthesizern der Fall ist. Seine Filtersektion arbeitet digital und bietet drei Typen: Tiefpass, Hochpass und Bandpass mit jeweils 12/24 dB Flankensteilheit. Cutoff- und Resonanzregler, Key-Follow-Drehregler und eine vierstufige Hüllkurve stehen zur Verfügung. Die Filterfrequenz kann zusätzlich mit dem LFO 1 rhythmisch moduliert werden. Auch bei den Effekten steht ein Filter zur Verfügung. Dabei handelt es sich um einen 2-Band-Equalizer („Tone Control“), der aus einem Bass- und einem Höhenregler besteht. Außerdem verfügt der Roland JP-8000 über einen Chorus- und einen Delay-Effekt, die beide zum voluminösen Gesamtsound beitragen. Allerdings müssen die fünf Delay- und zwölf Chorus-Typen samt Parametrisierung über Tastenkombinationen aufgerufen werden. Dies bremst den schnellen Workflow des JP-8000 jedoch nur geringfügig.
Audiobeispiele Roland JP-8000
Roland JP-8000 LFO, Hüllkurven und weitere Parameter
Für monofone Sounds wie Leads oder Bässe lässt sich der Roland JP-8000 in den Mono/Legato-Modus schalten. Überdies steht auch ein Portamento für die beliebten Gleiteffekte bereit. Wie für die Filtersektion gibt es auch zur Steuerung des Lautstärke-Verlaufs eine klassische ADSR-Hüllkurve. Zusätzlich möglich ist ein manuelles oder automatisches Panning für lebendige Stereo-Klänge. Das LFO-Aufgebot des Roland JP-8000 entspricht dem Standard. Tatsächlich bietet er Synthesizer zwei solide LFOs für Filter- und Lautstärke-Modulationen mit vier Wellenformen, deren Intensität sich einblenden lässt. Wie auch immer, der LFO 1 ist wie Chorus und Delay per MIDI tempo-synchronisierbar. Dies unterscheidet den JP-8000 positiv von den analogen Synthesizern der 70/80er Jahre, deren Klänge traditionell gespielt werden und so gut wie keinem BPM-Impuls folgen.
Roland JP-8000 Arpeggiator, RPS und Motion
Der Arpeggiator des JP-8000 liefert das klassische Auf und Ab sowie randomisierte Muster. Er kann beide Parts oder nur ein bestimmtes Patch triggern, etwa für Layer-Sounds aus Pad und Arpeggio-Synth. Musikalischer ins Detail geht allerdings die RPS-Funktion. Sie nimmt bis zu 48 Patterns mit jeweils maximal vier Takten auf. Die Noten werden nach der „Loop Mix Recording“-Methode in einem Tempo zwischen 20 und 250 bpm (Auflösung 24 Ticks pro Viertelnote) aufgezeichnet. Anschließend sind die RPS-Patterns mit nur einer Note abrufbar. Dabei lassen sich aber auch einzelne Noten wie komplette Patterns löschen. Sämtliche Arpeggios und Phrasen können überdies zum Songtempo der DAW synchronisiert werden. Für automatisierte Klangabläufe bietet der Roland JP-8000 die Motion Control-Sektion. Hier kann man vier Parameter-Bewegungen („Motions“) mit bis zu acht Takten automatisieren. Der Anwender entscheidet dann, ob eine „Motion“ beim Spiel neuer Noten gestartet werden soll oder nicht. Das ist sehr innovativ für einen 90er-Jahre-Synth!
Audiobeispiele Roland JP-8000
Roland JP-8000 Bedienung
Über die Bedienung muss man eigentlich nicht viele Worte verlieren: Der Roland JP-8000 ist eine echte Spaßmaschine, die auch Synth-Einsteiger schnell ins Boot holt. Am Anfang sollte man sich an die mitgelieferten Performance-Templates halten und zunächst im Single-Modus Patches erstellen. Dies funktioniert beim JP-8000 allerdings sehr flüssig. Erst wenn man den Arpeggiator gezielt dem Upper oder Lower Part der Performances zuweisen, andere Effekttypen auswählen und das RPS nutzen möchte, muss man schon einen Blick in die Bedienungsanleitung werfen. Obwohl sich der JP-8000 mit seinem gelungenen Panel angenehm programmieren lässt, erschließt sich bis zur Archivierung der eigenen Sounddaten nicht alles von selbst.
Wichtiger Tipp beim Kauf des Roland JP-8000: Audio-Ausgang prüfen
Ein Roland JP-8000 konfrontiert seinen Besitzer häufiger mit einem bekannten Problem: Der Stereo-Ausgang funktioniert überhaupt nicht mehr oder liefert nur einen geringen Pegel mit Zerrgeräuschen. Es kann aber auch sein, dass dieses Manko nach einigen Minuten nach dem Einschalten des JP-8000 wieder plötzlich verschwindet. Jedenfalls muss man von einem defekten Kondensator in der Mute-Schaltung ausgehen. Weil die übrigen Elkos des Mainboards ebenfalls technisch anfällig sind, werden sie von einem erfahrenen Techniker gleich mit ausgetauscht.
Für den rund zweistündigen Werkstattbesuch muss man etwa zwischen 120 und 150 Euro aufbringen. Weil die Reparatur relativ leicht von der Hand geht, könnte es auch ein technisch versierter Freund kostengünstig erledigen. Am besten versichert der Verkäufer des gebrauchten JP-8000, dass die Kondensatoren bereits ausgetauscht wurden.
Wie klingt der Roland JP-8000?
Die Gretchenfrage: Wie „analog“ klingt denn ein Roland JP-8000? Nicht besonders viel oder besonders rein! Der JP-8000 hat seinen eigenen spezifischen Sound, der beispielsweise weder einem Roland Jupiter-8 oder Juno-60, Oberheim OB-X oder Prophet-5 noch einem heutigen analogen Synthesizer nahekommt. Man muss ihn mögen. Insgesamt klingt der JP-8000 für einen virtuell-analogen Synthesizer vielseitig, warm und voll. Allerdings wirkt der Sound öfter künstlich als edel oder neutral. Mitunter produziert er auch – dank Feedback-Oszillator und Crossmodulation – Gift und Schmutz von digitaler Güte. Schwebende Flächen, disharmonische Synths, schneidende Leads, modulierende Arpeggios – der JP-8000 liefert viel. Indes sind prägnante Bässe nicht seine große Stärke. Anhand der Factory Sounds dokumentieren wir einige klangliche Eigenschaften.
Audiobeispiele Roland JP-8000
Freilich kann der JP-8000 noch mehr. In der Tat gibt es eine Vielzahl an guten Soundbanks von professionellen Sound-Anbietern zu erwerben – falls man nicht selber schrauben möchte.
Varianten und Nachfolger des Roland JP-8000
Roland selbst brachte 1998 eine überarbeitete tastenlose Version des JP-8000 heraus, den JP-8080, ein 6 HE großes 19“-Rackmodell. Dieses integriert zusätzlich einen Vocoder („Voice Modulator“), einen Distortion-Effekt und eine Noise-Wellenform bei OSC 2. Obendrein bietet es neben einem Smart-Media-Kartenslot einen größeren Speicher für Klangdaten. Leider sind die aber nicht hundertprozentig abwärts-kompatibel zum Tastaturmodell. Übrigens lässt sich ein JP-8080 nicht so bequem handhaben, weil er für den Desktop zu groß ist und im Rack meist abgelegen steht. Ein von Roland selbst emulierter JP-8000 wird sicher in der DAW ankommen. Im Software-Bereich tummeln sich bereits länger Plugins, die das Super Saw-Konzept aufgreifen. Hier sind beispielsweise der JP6K von Adam Szabo oder der kostenfreie Superwave P8 (beide nur Windows) zu nennen. Auf dem iPad ist es der Sunrizer von Beepstreet, eine der ersten Apps, deren Entwickler vom JP-8000 inspiriert wurden. Insgesamt ist das alles recht praktisch, aber keine Alternative zum Vintage-Synth.
Fazit
Respekt! Der japanische Konzern hat mit dem JP-8000 ein musikalisches Genre (EDM / Trance) forciert. Dabei haben die Entwickler nur ein Instrument produzieren wollen, das damals einen Spagat zwischen Vergangenheit und Gegenwart schaffen sollte. Stattdessen spielte man sich mit dem JP-8000 direkt und erfolgreich in die Zukunft. Selbst wenn Roland die beste Emulation in die Cloud stellt, bleibt der JP-8000 ein begehrenswertes Objekt für Sammler und Musiker, die sich gern mit digitalen Vintage-Synthesizern beschäftigen. Technisch sind die meisten Exemplare noch gut in Schuss und bekannte Mängel lassen sich leicht beheben. Auch die Preise bleiben erst einmal relativ moderat. Wer sich also einen zuverlässigen Retro-Synthesizer gönnen will, elektronische Musik der 90er Jahre mag, oder einmal den originalen Super Saw-Oszillator konsumieren möchte: viel Glück beim Gebrauchtkauf!
Pro
- Originaler „Supersaw“-Sound
- Dual/Split Mode
- Einfache Bedienung
- MIDI-Synchronsiation
- Motion Control für Klangfahrten
- Relativ moderater Preis
Contra
- Klanglich weder typisch analog noch digital
- Super Saw gibt’s inzwischen klanglich überzeugender bei Plugins