sE Electronics X1 T und X1 USB Test

sE Electronics X1 T und X1 USB bei bonedo im Test – Mit den Einsteigermodellen X1 und Magneto zeigen sE einmal mehr, dass man auch bei geringem Budget nicht auf Großmembran-Kondensatortechnik versichten muss. Das X1 kann als Begründer einer kleinen Familie betrachtet werden, denn neben dem X1 gibt es mittlerweile insgesamt fünf verschiedene Mikrofone, die mit dieser Buchstaben-Zahlenkombination beginnen. Das X1 D ist das vom X1 vielleicht entfernteste von uns getestete Derivat, verwendet es doch eine Titankapsel, kommt in einem anderen Gehäuse und ist, das indiziert das “D”, für die Verwendung mit Schlaginstrumenten optimiert. 

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Die Kürzel “T” und “USB” bei den Mikrofonen dieses Tests stehen natürlich für die Unterschiede zum Standard-X1. “USB”, das ist nicht schwer zu erraten, bedeutet, dass man dieses Mikrofon per Universal Serial Bus direkt an einen Computer anklemmen und sich die Verwendung von Mikrofonvorverstärker und Audio-Interface also sparen kann – sie sind eingebaut. Das “T” steht für “Tube” und kennzeichnet, dass dieses Mikrofon eine Röhre beinhaltet, was veränderte klangliche Eigenschaften zur Folge hat. Ich habe beide aufgebockt und Erfahrungen im Praxisbetrieb gemacht.

Details

3-Pin XLR bei keinem der Mikros

Was das X1 ohne USB-Interface und ohne verbaute Röhrenstufe ausmacht, könnt ihr im Test des X1 Studio-Bundles nachlesen. Durch die besonderen Ausstattungen von X1 USB und X1 T findet man bei beiden Mikrofonen im Fuß keine mXLR-Buchse wie bei fast allen anderen Mikrofonen: Das Röhrenmikrofon muss schließlich erst noch mit einem Multipin-Kabel mit seinem Netzteil verbunden werden, von wo unter anderem die Röhre geheizt wird. Eine Fernumschaltung der Richtcharakteristik durch das Netzteil des X1 T gibt es übrigens nicht, wie alle X1 wird eine Nierenkapsel verwendet. Selbstredend kommt das X1 USB mit einer USB-B-Buchse für das 24Bit/192kHz-Interface im Fuß daher. An einen Rechner angeschlossen, leuchtet im Inneren des bus-powered Mikrofons eine blaue LED auf. USB 2.0 ist der Verbindungsstandard, das X1 USB unterstützt Mac, PC und sogar iOS.

Fotostrecke: 5 Bilder USB-B-Buchse im Fuß des X1 USB

Netzteile und Kopfhörerausgänge

Die Power Supply des Röhrenmikrofons ist spartanisch, denn das Hochpassfilter und das 10dB-Pad schaltet man am Mikrofon selbst, eine Patternumschaltung fällt aus genannten Gründen aus. Ein Multipin-Ein- und ein ein Dreipol-Ausgang sind gemeinsam mit den typischen Netzteilbestandteilen (IEC-Buchse, Schalter, Sicherung, Spannungswahschalter und Power-LED) die einzigen Elemente der kleinen Blechkiste. Wie schon beim X1, so sind auch beim T-Modell die Bedienelemente als Schiebeschalter im Metallkorpus ausgeführt. Die USB-Variante ist zusätzlich noch mit einem Drucktaster ausgestattet, welcher die Abhörlautstärke regelt: Schließlich sollte ein USB-Mikrofon auch ein Monitoring ermöglichen. Das tut es zwar, sogar auf dem latenzfreien analogen Weg, doch kann man über den seitlichen 3,5mm-Klinkenausgang ausschließlich das Mikrofonsignal hören. Will man also zu seinem Musikstück in der DAW Vocals singen, kann man das vergessen. Das finde ich ein bisschen dämlich. sE degradieren ihr X1 damit zum reinen Podcaster-Mikrofon und bescheren dem Mikrofon einen dicken Eintrag in der “Contra”-Liste dieses Tests.  

Fotostrecke: 4 Bilder Natürlich benötigt das Röhrenmikrofon eine Power Supply.

Dip im Frequenzgang entschärft Sprache

In beiden Mikrofonen ist offensichtlich die gleiche Kondensatorkapsel verbaut wie im X1: Eine mittenkontaktierte, goldbeschichtete Großmembran bildet dabei den schwingenden Teil des Kondensators. Typisch für Membrandurchmesser von ungefähr einem Zoll ist der Abfall des Frequenzgangs im zweistelligen Kilohertzbereich. Laut der grafischen Standardfrequenzgänge gibt es durchaus Unterschiede zwischen den beiden X1, was nicht unbedingt den Kapseln, sondern der verschiedenartigen Elektronik zuzuordnen ist (…und natürlich, das sollte man nicht außer Acht lassen, immer bei den tatsächlichen Mikrofonen noch mal ein wenig anders als beim gemittelten Graphen). Beiden gemein ist die leichte Überhöhung etwas oberhalb von 10 kHz, bevor es mit der Kurve nach unten geht. Die Delle zwischen 5 und 10 kHz ist besonders bei der Aufzeichnung der menschlichen Stimme angenehm, denn hier werden scharfe Signalanteile etwas zurückgefahren. 

Fotostrecke: 5 Bilder Nachvollziehbar: T- und USB-Version haben zwar die gleiche Kapsel, unterscheiden sich aber dennoch etwas im Frequenzgang.

Zum Tube-X1 werden wenig weitere Daten geliefert, das Eigenrauschen des X1 USB wird mit etwas unter 20 dB angegeben. Selbst für den Fall, dass diese Angabe nicht A-bewertet ist, ist das nicht besonders herausragend, aber die Abstimmung des Mikros ist eher empfindlich und für gesprochene Stimme optimiert – zudem darf man die Preisklasse des X1 USB nicht vergessen. 

Praxis

X1 USB

Zunächst klebe ich das X1 USB per Kabel an meinen Mac. Die erste positive Eigenschaft ist damit schon beschrieben, denn USB-Mikros halten generell den Anschaffungs-, Verkabelungs- und Einstellungsaufwand sehr gering. Gerade für Personen, die wissen, dass sie sich nicht allzu tief mit der Recordingmaterie auseinandersetzen müssen, nicht mehrere Geräte anschaffen wollen oder können, ist das sE Electronics X1 USB sicher eine Überlegung wert. Was mir ein “Och nö” entlockt, ist allerdings die Tatsache, dass das eingebaute USB-Interface keinen Output bereitstellt. Zwar latenzfreies Monitoring zuzulassen und mit einer Pegelmöglichkeit auszustatten ist zwar vernünftig, doch für meine Aufgaben könnte ich das X1 USB schlicht und einfach nicht gebrauchen. Höchstens als zusätzliche Quelle im Rahmen eines “Aggregated Device” in die DAW gebracht, könnte es in einem etwas größeren Mikrofonierungssetup seinen Dienst tun. Aber dass man es im Grunde nicht einmal als Gesangsmikrofon benutzen kann, weil man nicht ein latenzfreies Mikrofonsignal und das Playback zusammen auf die Kopfhörer bekommt, ist weit mehr als nur schade.

Gleichzeitiges Monitoring von Playback und Mikrofonsignal? Geht nicht!
Gleichzeitiges Monitoring von Playback und Mikrofonsignal? Geht nicht!

Klanglich ist sofort zu erkennen, dass das X1 USB mit dem X1 nicht nur die ersten beiden Zeichen der Produktbezeichnung gemeinsam hat. So ist auch hier klar erkennbar, dass es sich um kein Kondensatormikrofon billigster Bauart handelt. Der Hersteller rühmt sich, die Kapseln selber zu entwickeln und zu fertigen, statt auf dem chinesischen Teilemarkt einzukaufen. Das scheint sich zu lohnen. Die Kritikpunkte am Klang des X1 lassen sich prinzipiell auch auf das X1 USB übertragen. So dürfte es gerne etwas straffer und frischer klingen. Besonders gelungen erscheint aber, wie auch das X1 USB auf sehr nahe Besprechung reagiert. Anstatt einen dicken, wabbeligen Bauch zu bekommen, ist der Basszuwachs schön verhalten, das Signal verliert nicht weiter an Präzision. Und ist es doch ein wenig zu viel Frequenzanteil der Tiefen, leistet das Hochpassfilter gute Dienste.

Audio Samples
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X1 USB X1

Den klanglichen Vergleich mit hochwertigen, cleanen Preamps und Wandlern muss ein preiswertes USB-Mikrofon quasi verlieren, denn sonst würde sich meine Weltordnung schließlich in Wohlgefallen auflösen. Doch auch, wenn wie im Beispiel ein MotU 828 mkIII zum Einsatz kommt, wird deutlich, dass Vorverstärker und Wandler niemals zu vernachlässigen sind – und bei den meisten Interfaces bessere Ergebnisse liefern als es die in Mikrofone eingebauten Systeme tun. Eigentlich haben USB-Mikros ja einen logischen Vorteil, nämlich dass Preamp und Wandler genau auf Kapsel und Elektronik des Mikrofons abgestimmt werden können – eigentlich, denn klanglich liefert die klassische Kette mit einem “normalen” X1 präzisere, klarere und feinere Ergebnisse. Riesig sind die Unterschiede nicht, aber sie sind da. 

Ein Preamp, der beispielsweise eine Vorverstärkung zwischen 12 und 80 dB zulässt, ermöglicht eine nahezu irrsinnig große Verstärkung oder eine recht moderate – und alles dazwischen. Nicht vergessen: Dezibel sind logarithmisch! Daher ist das wichtigste Bedienelement an einem Preamp das Gain, um die Signalverstärkung zwischen Grundrauschen und Verzerrungen einzubalancieren. Genau dieses Gain fehlt beim X1 USB jedoch. Bedenkt man, dass es durchaus so pegelfest ist, dass auch ein Shouter aus normalem Mikrofonabstand meist noch verzerrungsfrei übertragen wird, wir deutlich, dass man bei normaler Sprachlautstärke einiges an Headroom verschenkt. Dadurch ist das Signal bei üblichen Pegeln rauschiger, als es eigentlich sein könnte. Für die Wandlung gilt der gleiche Zusammenhang: Die 24 zur Verfügung stehenden Bit werden im Regelfall überhaupt nicht ausgenutzt. Aber das ist ja selbst bei 16 Bit kein riesiges Problem. Aber dennoch: Das X1 USB rauscht im Normalbetrieb prinzipbedingt stärker als das X1. Und Rauschen ist ja tendenziell erst einmal “böse”.

Was noch positiv auffällt: Anders als bei unserem X1-Testgerät sitzen die beiden Schieberegler für Pad und HPF deutlich fester, übrigens beim X1 T genauso. Und das Metallgehäuse ist nicht nur ein Garant für Langlebigkeit, sondern schützt auch vor elektromagnetischen Einstreuungen – das ist besonders für Mikrofone in der absoluten Nähe von Computern, was für das X1 USB mit Sicherheit zutreffend ist, eine gute Nachricht. Die haptische Rückmeldung der Pegelwippe für den Kopfhörerausgang könnte konkreter sein, aber ja mei: Schlimm ist das in diesem Fall nicht. 

Das X1 USB aus der X1-Serie hat mit einem strukturellen Nachteil zu kämpfen, dem Monitoring. Und das Röhrenmikrofon X1 T?
Das X1 USB aus der X1-Serie hat mit einem strukturellen Nachteil zu kämpfen, dem Monitoring. Und das Röhrenmikrofon X1 T?

X1

Ich stehe preiswerten Röhrenmikrofonen eher kritisch gegenüber, das ist kein Geheimnis. Ich kann wirklich gut klingende Vertreter dieser Geräteklasse nennen, die sehr verhalten oder auch recht auffällig dem Klischee des Röhrenklangs gerecht werden, doch fange ich diese Liste bei etwa 1500 Euro an. Außerdem sollte sich jeder fragen (lassen), was er sich von der Röhrentechnik im Mikrofon verspricht. Das X1 T liegt deutlich unter dem Preis eines MG UM 92.1S, Neumann M149 Tube, Blue Bottle und der ganzen anderen Schätzchen. But let’s give it a try, auch das X1 T verdient es, ganz unvoreingenommen betrachtet zu werden. 

Audio Samples
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X1 T 10 cm X1 T 30 cm X1 T 10 cm 45 Grad X1 T 10 cm mit Filter X1 10 cm MA-201FET 10 cm UM 92.1S 10 cm UM 92.1S 30 cm

Der Grundklang des X1 T erinnert mich wie beim X1 USB sofort an den “Clanchef”, das X1. Und im Direktvergleich mit dem Nicht-Röhren-X1 fällt auf, dass die Unterschiede auch wirklich nicht riesig sind. Es entspricht nicht der üblichen Erwartungshaltung eines Röhrenmikrofons, doch erscheint das X1 T zunächst ein wenig schlanker als das X1. Man muss schon genau hinhören und die beiden X1 kennenlernen, doch wird dann deutlich, dass das Tube-Mikro etwas aufgeräumter und konkreter daherkommt. Gepaart wird dies mit leicht dickeren Transienten – was kein Widerspruch ist: Konstante Anregungen, etwa durch gehaltene Vokale, sind beispielsweise beim MA-201FET (das ist kein Röhrenmikrofon!) deutlich dicker und gefärbter als beim X1 T. Setzt man das X1 T jedoch gegen ein sehr hochwertiges Röhrenmikro, in unserem Beispiel das Microtech Gefell UM 92.1S, werden auch Unterschiede deutlich, die man auch schlicht als Qualitätsstufen bezeichnen kann: Das deutsche 3000-Euro-Mikrofon ist weitaus höher auflösend, gleichzeitig deutlich voluminöser, runder, hochwertiger und mit einem sehr feinen Schimmer. Sicher, für den Preis des UM bekäme man gut sechs X1 T. Das sE ist knapp mit einem halben Tausender auch kein Schnäppchen und steht in Konkurrenz vor allem zu Rodes NTK, einem beliebten und verbreiteten Röhren-Mic. Das NTK ist im Nahbereich ein sehr warmes Mikrofon, wohingegen das X1 T wie seine X-Kollegen einen eher wenig ausgeprägten und straff wirkenden Proximity-Effekt aufweist. Das macht das X1 T zu einem interessanten Tool! Es klingt modern und recht offen, nimmt dem Kapselsignal im Vergleich zum X1 ein wenig die harschen Komponenten, ist gut zwischen konkret (das X1 ist streckenweise etwas schwammiger) und sanft ausbalanciert. Ja: Das X1 gefällt mir deutlich besser als das X1. Nachteile: Man muss mehr Geld berappen und muss es mit dem Röhrennetzteil betreiben. Mit deutlichem Rauschen oder sonst welchen auffälligen Qualitätsnachteilen erkauft man sich die Vorteile glücklicherweise nicht. Gut übrigens, dass man nicht noch versucht hat, zu diesem Preis eine Doppelkapsel zu integrieren. 

Fazit

Das sE Electronics X1 USB ist eine gewissermaßen praktische Weiterentwicklung des X1. Dem Vorteil, es direkt und ohne Preamp und Audiointerface per USB an jeden Rechner hängen zu können, stehen allerdings deutliche Nachteile gegenüber: Die Monitoring-Möglichkeiten sind zu sehr eingeschränkt, ein fehlendes Gain verringert in den meisten Fällen die Signalqualität. Für die hundert Euro Mehrpreis würde ich zu einem X1 mit einem einfachen Audio-Interface raten, womit nicht nur die mögliche Qualität zum gleichen Gesamtpreis höher ist, sondern auch eine höhere Flexibilität mit dem Equipment gewährleistet ist.
Mit dem X1 T hingegen ist sE ein interessantes Derivat gelungen, welches abseits der üblichen Erwartungen an ein preiswertes Röhrenmikrofon seine Stärken ausspielen kann. Das mit ihm aufgezeichnete Signal klingt schlicht hochwertiger und moderner als mit dem normalen X1. Es ist schlank, detailreich und ausgewogen – und somit eine interessante Alternative zu den entweder eher dicklich oder tendenziell kratzend klingenden Röhrenmikrofonen diese Preiskategorie. 
Der Daumen für das X1 T geht deutlich weiter nach oben als jener für das X1 USB. In einzelnen Testberichten hätte somit das T 4,5 Sternchen, das USB aber nur 3,5 der roten bonedo-Zackenzeichen einheimsen können. 

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • ordentlicher Sound
  • insgesamt gute Verarbeitungsqualität
  • Preise
Contra
  • kein Playback-Monitoring und kein Preamp-Gain (X1 USB)
Artikelbild
sE Electronics X1 T und X1 USB Test
Für 179,00€ bei
Das Tube-Mikrofon aus der X1-Serie macht eine bessere Figur als die USB-Variante.
Das Tube-Mikrofon aus der X1-Serie macht eine bessere Figur als die USB-Variante.
Spezifikationen
    X1 USB
    • Membrangröße: groß
    • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
    • Wandlerprinzip: Kondensator
    • Richtcharakteristik:Niere
    • Betriebsspannung: USB bus-powered
    • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz
    • HPF und Pad schaltbar
    • Besonderheiten: Preamp, Digitalwandler und Kopföreramp eingebaut
    X1 T
    • Membrangröße: groß
    • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
    • Wandlerprinzip: Kondensator
    • Richtcharakteristik:Niere
    • Betriebsspannung: über externes Netzteil
    • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz
    • HPF und Pad schaltbar
    Preis X1 USB: € 296,31 (UVP)
      Preis X1 T: € 522,411 (UVP)
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