Sennheiser HD 490 Pro Plus Test

Sennheiser hat in den letzten Jahrzehnten bereits diverse Kopfhörerikonen für professionelle Anwender und Audioenthusiasten geschaffen, deren Auflistung den Rahmen hier sprengen würde. Zuletzt hatten wir den offenen Studiokopfhörer HD 660S2, quasi eine Weiterentwicklung des legendären HD 600 im Review. Der HD 660S2 überzeugte auf ganzer Linie, weshalb meine Neugier auf den brandneuen HD 490 Pro groß ist. Der gemäß Modellbezeichnung und UVP etwas unterhalb der 6XXer-Serie positionierte Kopfhörer wird in zwei Verkaufsvarianten angeboten: HD 490 Pro und HD 490 Pro Plus. Wo genau die Ausstattungsunterschiede liegen und ob es sich tatsächlich um ein empfehlenswertes Profi-Tool handelt lest ihr in unserem Sennheiser HD 490 Pro (Plus) Test!

Neuer Profikopfhörer von Sennheiser

Quick Facts zum Sennheiser HD 490 Pro / HD 490 Pro Plus

  • offene Bauart
  • ohrumschließende Ohrmuscheln
  • Übertragungsbereich: 5 bis 36100 Hz (-10 dB)
  • Impedanz: 130 Ohm
  • beidseitig verwendbares abnehmbares Kabel
  • waschbare Ohrpolster (2 unterschiedliche Paare aus Velours / Textil)
  • Dear Reality dearVR mix SE Software (nur HD 490 Pro Plus)
  • zweites Kabel + Bügelpolster, Hardcase (nur HD 490 Pro Plus)

Bauweise und technische Merkmale des HD 490 Pro

Der HD 490 Pro ist ein offener Studiokopfhörer mit ohrumschließenden Ohrmuscheln. Seine dynamischen Wandler haben einen Durchmesser von 38 mm und werden von einem Neodym-Magneten angetrieben. Eine Impedanz im dreistelligen Bereich, wie die 130 Ohm des Sennheiser Kopfhörers, sind bei Kopfhörerneuerscheinungen fast schon ungewöhnlich. Dennoch spielt der HD 490 Pro mit einer kräftigen Lautstärke am Kopfhörerausgang meines älteren iPad. Der Übertragungsbereich wird mit 5 bis 36100 Hz (-10 dB) angegeben. Die weiteren technischen Angaben, findet ihr am Ende des Testberichts.

Aufsicht Hörmuschel
Offene Bauweise mit perforierter Abdeckung der Schallwandler

Ausstattungsvarianten

Wie zuvor erwähnt gibt es Sennheisers offenen Studiokopfhörer in zwei Ausstattungsvarianten. Doch bereits das Basisangebot hat interessante Ausstattungsmerkmale wie zum Beispiel zwei unterschiedliche Ohrpolsterpaare. Eins aus Velours und ein weiteres aus einem etwas „jeans-ähnlicheren“ Textilstoff. Doch hier geht es nicht um den passenden Look zum Oberteil, sondern um unterschiedliche Klangsignaturen. Während die Velours-Variante vom Hersteller zum (kreativen) Producing empfohlen wird, bewirken die Textilpolster eine etwas analytischere Wiedergabe, die laut Hersteller Vorteile bei kritischen tontechnischen Eingriffen bieten soll. Mehr hierzu im Praxisteil. Ein weiteres tolles Basis-Feature ist die Wahlmöglichkeit zwischen der linken und rechten Ohrmuschel zum Anschließen des abnehmbaren 1,8m-Kabels.

Unterschied Pro und Pro Plus
Das zweite abgebildete Kabel (3 m) gibt es nur in der Plus-Angebotsvariante.

Das Plus-Angebot geht für einen Aufpreis von derzeit ca. 75 Euro noch einen Schritt weiter: Es gibt ein zusätzliches längeres Kabel (3m) sowie ein zweites Paar Kopfbügelpolster mit dem gleichen Bezugsmaterial der Mix-Ohrpolster aus Textil. Das vormontierte Bügelpolster besitzt den Veloursbezug der „Production-Polster“. Außerdem wird das komplette Set in einem stabilen Transport-Case geliefert. Ein weiterer wichtiger Ausstattungsunterschied ist eine Lizenz der Mixing Environment Software dear VR MIX-SE:

VR MIX-SE

Bei VR MIX-SE handelt es sich um ein AU-/AAX-/VST3-Plug-in, dass im Masterbus verwendet wird. Wie bei vergleichbaren Plug-ins anderer Hersteller werden unterschiedliche Abhörsituation inklusive diverser Anpassungsmöglichkeiten simuliert. Ein weiteres interessant erscheinendes Feature ist die sogenannte HP Compensation. Hier lassen sich alle relevanten HD-Modelle von Sennheiser sowie die quasi aus gleichem Hause stammenden Neumann Kopfhörer NDH 20 und NDH 30 anwählen. Ob das „SE“ im Namen nun für Special Edition oder Sennheiser steht lässt sich nur mutmaßen. Das Ziel der Anwendung ist jedenfalls, ein individuell auf das Kopfhörermodell angepasstes Matching der simulierten Abhörumgebungen zu erreichen. Mehr hierzu im Praxisteil.

dearmix
Kopfhörermodelle der HP Compensation-Funktion

Sennheiser HD 490 Pro: Verarbeitung und Design

Der Sennheiser HD 490 Pro ist ein wertig und robust erscheinender Kopfhörer im attraktiven Studio-Look. Besonders markant ist der breite Kopfbügel aus Federstahl und der fast freie Blick auf die Wandler durch das perforierte Metallgitter der Ohrmuscheln. Die übrige Gehäusekonstruktion besteht aus Kunststoff. Dieser wirkt zweckdienlich und stabil, ist seitens der Materialanmutung aber ein (legitimes) Unterscheidungsmerkmal zu vielen Kopfhörermodellen höherer Preisregionen mit einem noch edler anmutenden Materialmix. Haptik und Verarbeitung des in Rumänien per Hand gefertigten Kopfhörers sind dennoch tadellos.

Fotostrecke: 4 Bilder Sennheiser HD 490 Pro: markante Optik und gute Verarbeitung

Sennheiser HD 490 Pro (Plus) im Praxis-Check

Der Test erfolgte über den Zeitraum mehrerer Tage an den folgenden Kopfhörerverstärkern:

Vor der eigentlichen Klangbeurteilung möchte ich anmerken, dass der HD 490 Pro den Qualitätssprung des SPL Kopfhörerverstärkers gegenüber den HP Outs des Apollo Audiointerfaces durchaus darstellt und mit einer „satteren“ und noch (!) hochwertigeren Wiedergabe honoriert. Doch wie eingangs erwähnt spielt der 130-Ohm-Kopfhörer auch am iPad noch sehr souverän.

Zum unmittelbaren Vergleich waren meine offenen Referenzkopfhörer Focal Clear Mg Professional und AKG K812 im Einsatz. Diese beide Modelle werden im vierstelligen Eurobereich angeboten, sind damit deutlich teurer, haben aber die gleich Zielgruppe. Ob die Rechnung „teurer = besser“ aufgeht, erfahrt ihr im übernächsten Abschnitt.

Die klangliche Beurteilung des HD 490 Pro inklusive der dearVR mix SE Software erfolgte anhand vertrauter Produktionen und Produktionselemente sowie Signalgeneratoren in Apple Logic.

Sennheiser HD 490 Pro im Test: Die neue Referenz im Regieraum?

Anwendungsbereich

Mit seinen offenen Ohrmuscheln besitzt der HD 490 Pro keine nennenswerte Dämmung. Somit kommt sein Einsatz weder bei Mikrofonaufnahmen noch unter lauten Umgebungsgeräuschen in Frage. Sein Revier sind in erster Linie Regieräume oder sonstige DAW-Arbeitsplätze zum Mischen Mastern, Producing und Editing. Auch zum heimischen Musikkonsum könnte Sennheisers Pro-Kopfhörer aufgrund seiner hochwertigen und analytischen Wiedergabe Freunde finden, aber wie klingt er denn eigentlich im Detail?

Sennheiser HD 490 Pro (Plus) im Test: So klingt er!

Die Wiedergabeeigenschaften des Sennheiser HD 490 Pro sind beeindruckend und angesichts des in Relation zur Qualität günstigen Preises aus meiner Sicht ein No-Brainer für professionelle Anwender und Audioenthusiasten. Klanglich spielt Sennheisers Neuling mühelos in der Liga meiner deutlich teureren Referenzkopfhörer, doch was sind die Unterschiede und was ist denn nun so toll am am HD 490 Pro?

Dem HD 490 gelingt es, sämtliche Frequenzbereiche und Impulse/Transienten so konturiert und detailliert dazustellen, ohne dass die Wiedergabe überambitioniert oder unnatürlich erscheint. Dabei wirkt der Blick auf einzelne Frequenzbereiche oder Mixbestandteile nicht überzeichnet oder „gefeatured“, sondern wie der ungewohnt klare Blick durch ein frisch geputztes Fenster. Die Frequenzwiedergabe empfinde ich als homogen und „irgendwo zwischen“ dem Focal Clear Mg Professional und dem AKG K812. Gegenüber dem Focal Kopfhörer hat der HD 490 Pro etwas weniger Druck im Bass und definiertere obere Mitten und Höhen, wodurch er sich besser zum Editing und der finalen Mixkontrolle eignet. Doch auch die Beurteilung und Bearbeitung tiefer Frequenzen bis in den Subbass gelingt mit dem Sennheiser Kopfhörer mühelos. Im Vergleich zur AKG-Referenz hat der HD 490 Pro wiederum mehr Präsenz im Bass, subjektiv etwas natürlichere Mitten und weniger Schärfe in den hohen Frequenzen.

Alle bisher geschriebenen Erkenntnisse erfolgten übrigens unter Verwendung der Ohrpolster aus Velours (Producing), die ich zweifellos auch zum professionellen Mischen und Mastern verwenden würde. Die eigentlichen Mix-Ohrpolster klingen im Vergleich noch eine Spur analytischer aber auch etwas kühler mit weniger Präsenz im Bass. Es ist definitiv ein Pluspunkt, diese Auswahlmöglichkeit zu haben, die Velourspolster entsprechen aber eher meinen Hörpräferenzen.

Frequency Response beider Ohrpolster (Quelle: Sennheiser)

Ein vergleichsweise natürlicher Raumeindruck zählt bekanntermaßen zu den Eigenschaften von Kopfhörern offener Bauart wie dem HD 490 Pro. Der hochauflösende Sennheiser Kopfhörer überzeugt mit einer Luftigkeit, Transparenz und Tiefenstaffelung auf Referenzniveau. Die präzise Lokalisation einzelner Mixbestandteile/Instrumente und Darstellung von Impulsen und Transienten begünstigt kritische Beurteilungen und tontechnische Eingriffe. Was Sennheiser hier abliefert ist sehr überzeugend und katapultiert den HD 490 Pro ganz oben auf meine Einkaufsliste, obwohl ich mit meinen offenen Focal und AKG Kopfhörern bereits auf hohem Niveau ausgestattet bin.

Dear Reality dearVR mix SE

Nicht annähernd so überzeugt bin ich von der Mix Environment Software des „Plus-Angebots“, was natürlich eine höchst subjektive Bewertung ist. Die Verwendung des dearVR mix SE Plug-ins resultiert in für mich nicht nachvollziehbaren oder in irgendeiner Weise verwertbaren Klangverfärbungen. Paradoxerweise bewirkt die modellspezifische Anpassung der HP Compensation-Funktion einen noch unnatürlicheren Wiedergabecharakter. Meine Einschätzung als professioneller Anwender, der in vielen Produktionsabschnitten, auch beim Mischen und Mastern Kopfhörer einsetzt: Der HD 490 Pro kann definitiv ohne ein solches Processing als verlässliches Abhör-Tool eingesetzt werde. Aber ein bisschen Crossfeed schadet bekanntlich nie. Im Betrieb an meinem SPL Phonitor mini profitiert die empfundene Natürlichkeit (Raumeindruck, Ortung) von der Aktivierung der Crossfeed-Funktion, welche das Übersprechen zweier Stereolautsprecher simuliert.

Meinung: Das dearVR MIX-SE Plug-in ist eher Gimmick als Profi-Tool

Tragekomfort

„Wow!“ war meine Gedankenblase beim ersten Aufsetzen des neuen Sennheiser Kopfhörers mit den vormontierten Polstern aus Velours. Doch es sind nicht die Polster allein, die dem HD 490 Pro zu einem wirklich exzellenten Tragekomfort verhelfen. Der Sitz des 260 g leichten Kopfhörers ist einfach fantastisch und sollte sich dank der flexibel gelagerten Ohrmuscheln jeglicher Kopfform anpassen. Außerdem ist der Anpressdruck spürbar geringer als alle mir bekannten Kopfhörer der 600-/650-/660-er Serie von Sennheiser und sitzt dennoch sehr sicher auf meinem Kopf. Selbstverständlich wurden während des Tests auch die Mix-Ohrpolster (Textil) verwendet. Deren Komfort gibt ebenfalls keinen Grund zur Beanstandung, aber dennoch gilt „velours is king“ 😉

Weiterhin ist positiv anzumerken, dass unangenehmer Körperschall durch Berührung des Kabel beim HD 490 Pro schlicht und einfach nicht existiert. Laut Hersteller sind die Windungen unterhalb des Steckers zur Ohrmuschel der Grund hierfür.

Fotostrecke: 3 Bilder Sennheiser HD 490 Pro mit montierten Velourspolstern

Alternativen zum Sennheiser HD 490 Pro Plus

Sennheiser HD 660S2Steven Slate Audio VSX Essentials Edition
etwas teurerer Pro-Kopfhörer von Sennheiser mit exzellenter Wiedergabe und etwas hochwertigerem Look und Datenblatt; 300 Ohm Impedanz; bisher keine Bundle-Angebote mit SoftwareAlternative für Fans von Mix Room Emulationen; geschlossene Bauweise; Wiedergabequalität des Kopfhörers erreicht nicht das Niveau des HD 490 Pro

Test des Sennheiser HD 490 Pro: Fazit

Der Sennheiser HD 490 Pro verdient eine klare 5-Sterne-Wertung und ist eine Top-Empfehlung für jeden, der einen Studiokopfhörer für das Producing, Mixing und Mastering sucht! Die Wiedergabeeigenschaften und auch den Langzeittragekomfort bewerte ich als herausragend – das Ganze zu einem äußerst fairen Preis. Lediglich die Software Dear Reality dearVR mix SE der Verkaufsvariante HD 490 Plus vermag mich nicht soweit zu überzeugen, dass ich subjektiv einen Mehrwert darin sehe. Daher vergebe ich 4,5 Sterne als Gesamtwertung. In diesem Punkt muss jeder selbst entscheiden, ob man sich für die abgespeckte Variante oder das „Plus-Angebot“ inklusive Software, Case sowie einem zweiten Kabel und Bügelpolster entscheidet, für das aktuell ein Aufschlag von 75 Euro verlangt wird. So oder so: Der Sennheiser HD 490 Pro ist für mich eine der heißesten Neuerscheinungen auf dem Pro-Kopfhörermarkt!

  • offene Bauart
  • ohrumschließend
  • Treiber: dynamischer 38mm-Treiber
  • Impedanz: 130 Ohm (1 kHz)
  • Nennbelastbarkeit: 300 mW
  • Kennschalldruck: 128 dB SPL
  • Empfindlichkeit: 105 dB SPL (1 kHz, 1 Vrms)
  • THD: < 0,2 %
  • abnehmbares gerades 3,5mm-Klinkenkabel (1,8 m, Kabelführung wahlweise links oder rechts) mit
  • 6,35-mm-Schraubadapter
  • Zusatzausstattung der Plus-Variante: 3m-Kabel, 2. Bügelpolster, Hardcase, Dear Reality dearVR mix SE Software (AU, AAX, VST3)
  • 2 abnehmbare waschbare Ohrpolster (Stoff + Velours)
  • Übertragungsbereich: 5 – 36.100 Hz (-10 dB)
  • Gewicht: 260 g (ohne Kabel)
  • hergestellt in: Rumänien (handgefertigt)
  • Webseite: sennheiser.com
  • Preis HD 490 Pro: € 389,– (Straßenpreis am 12.2.2024)
  • Preis HD 490 Pro Plus: € 465,– (Straßenpreis am 12.2.2024)
Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • Referenz-Sound für Mix/Producing zum vergleichsweise günstigen Preis
  • transparentes, analytisches Klangbild
  • natürlich wirkende Frequenzabbildung mit konturiertem Bass
  • abnehmbares Kabel wahlweise links oder rechts montierbar
  • exzellenter Sitz und Tragekomfort
  • in Handarbeit gefertigt
Contra
  • Dear Reality dearVR mix SE subjektiv nicht überzeugend
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Sennheiser HD 490 Pro Plus Test
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Profilbild von Jonathan Graber

Jonathan Graber sagt:

#1 - 27.02.2024 um 09:09 Uhr

0

Mich würde ein direkter Vergleich zum Neumann-NDH-30 interessieren. Diesen habe ich bereits, aber vielleicht hat Sennheiser mit dem 490 Pro den nochmal getoppt?

Profilbild von Peter Koenemann

Peter Koenemann sagt:

#2 - 27.02.2024 um 10:50 Uhr

0

Hallo Jonathan, den NDH 30 hatte ich vor knapp 2 Jahren im Test https://www.bonedo.de/artikel/neumann-ndh-30-test/ Für mich ist der günstigere Sennheiser Kopfhörer überzeugender, wobei ich jetzt nicht beide Kopfhörer im Direktvergleich hatte. Meine Hauptkritik am Neumann Kopfhörer war die uneinheitliche Klangsignatur, bedingt durch den lockeren Sitz der Ohrmuscheln mit gerichteten Wandlern. Hierbei erschienen die hohen Frequenzen teilweise etwas matt. Ich kann den Check des 490 Pro nur empfehlen ... teile uns gerne deine Erkenntnisse mit! Viele Grüße, Peter

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