Shure SM86 Test

Das Shure SM86 ähnelt ein wenig dem Beta57A und dem SM58, ist aber anders als diese ein Kondensatormikro.

Shure_SM86_6

Shure baut nicht nur Mikrofone, die mit der in verschiedensten Produkten eingesetzten Unidyne-III-(Tauchspulen-)Kapsel arbeiten (SM57, SM58, SM7B, 545SD, 5575LE, 55SH II, Super 55…), das sollte bekannt sein. So fertigte das amerikanische Unternehmen seit der Übernahme der kleinen Mikrofonschmiede Crowley & Tripp 2009 auch Bändchenmikrofone sowie natürlich solche, die das Kondensatorprinzip für sich nutzen. 

Details

Kondensatorkapsel

Kondensatormikrofone haben gegenüber den dynamischen Tauchspulenmikrofonen einige Vorteile. Sie können aufgrund der geringeren bewegten Masse Details genauer darstellen und erlauben eine recht lineare Übertragung auch noch der höheren Frequenzen. Das gilt besonders dann, wenn die Membranfläche, wie beim Shure SM86 der Fall, nicht besonders groß ist. Nachteile gibt es auch, etwa den höheren technischen Aufwand (der sich auch im Preis niederschlägt) und die größere mechanische Empfindlichkeit. Bedenkt man aber, dass das Shure SM86 ein ausgewiesenes Bühnenmikrofon ist und Kondensator-Handhelds keine Seltenheit mehr sind, sollte man sich darüber nicht den Kopf zerbrechen. Das Korbgitter des Shure SM86 ähnelt dem des SM58, auch der Korpus ist „sturdy“, wie man es von vielen Mikros der Firma kennt. Mit 278 Gramm ist es dennoch kein Schwergewicht.
Der Preis ist vergleichsweise gering, das Mikrofon wird zum Zeitpunkt dieses Tests für 149 Euro angeboten. 

Fotostrecke: 3 Bilder Hinter diesem abgeflachten Korb arbeitet eine Kondensator-Mikrofonkapsel.

Kein linearer Frequenzgang – bewusst

Im Frequenzgang zeigt sich das Mikro, wie auch von einem durch den Hersteller in erster Linie für Gesang zu verwendenden Schallwandler zu erwarten, nicht komplett linear, sondern die Aufnahme der Stimme positiv unterstützend. So sind bei Messungen mit höherem Abstand die Tiefen deutlich zurückgefahren, um den Nahbesprechungseffekt zu kompensieren. Dadurch ist das Shure SM86 auch im Nahbereich nicht zu bassig. Ein genereller Boost zwischen 2 und 12 kHz liefert Präsenz und Höhenreichtum, gegenläufige Einkerbungen unterhalb von 10 kHz sind oft bei Mikrofonen zu finden, bei denen die Schärfe vermindert werden soll. Diese tritt in erster Linie durch S- und T-Laute auf. Der angegebene numerische Frequenzgang beträgt 50 Hz bis 18 kHz, wobei man der Fairness halber nicht verschweigen sollte, dass bei 18 kHz schon eine Dämpfung von 10 (!) Dezibel zu erwarten ist.
Klassisch ist die Richtwirkung, die auch vom Polardiagramm als Niere ausgewiesen ist. Genau von der Rückseite ist das SM86 somit am wenigsten empfindlich für die meisten Frequenzen.  

Fotostrecke: 3 Bilder Shure SM86 neben seinem mitgelieferten Halter

Technische Daten

Mit 3,15 mV/Pa ist das Shure kein Mikrofon, welches enorme Pegel an den Mikrofonvorverstärker liefert, auch 23 dB(A) Rauschen sind keine Wunderwerte. Allerdings ist es dafür pegelfest: Erst bei 147 dB SPL werden 1% THD+N erreicht. Das ist ein guter Wert. Da es keine Batterieversorgung gibt, muss das SM86 zum Betrieb mit Spannung über das Mikrofonkabel versorgt werden. Schon eine 12V-Speisung ist dafür ausreichend, natürlich kann auch die klassische 48V-Phantomspeisung verwendet werden.  

Praxis

Shure? Sure.

Ich habe jetzt nicht gerade versucht, mit dem Shure SM86 Nägel in die Wand zu schlagen. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass das nicht das endgültige Aus für die Performance des Mikrofons bedeuten würde. So ist die konstruktive Ähnlichkeit zum in dieser Hinsicht sagenumwobenen Shure SM58 sicher nicht zufällig. Kondensatorkapseln sind gemeinhin empfindlicher, doch ist jene im Shure SM86 verbaute ganz offenkundig stark erschütterungsgedämpft. Dabei ist nicht nur wichtig, dass das Mikrofon keinen Schaden nimmt, wenn es mal auf den Bühnen-, Proberaum- oder Studioboden rauscht. Im gleichen Zuge wird meist auch eine gute Körperschallentkoppelung erzielt. Tritte gegen den Mikrofonständer, Klatschen mit dem Mikrofon in der Hand, all das sorgt schnell einmal für tieffrequente Störgeräusche. Diese Tests habe ich erfolgreich durchgeführt (im Gegensatz zu „Nagel und Wand“ …) und war durchaus zufrieden. Neben der Trittschall- ist übrigens auch die Poppempfindlichkeit in Ordnung. Schön ist das Handling für alle Handgrößen, der tiefe Kragen und die recht weit oben im Korb sitzende Kapsel verhindern ein versehentliches Zuhalten der rückseitigen Schallöffnungen.

Das Shure SM68 wird dem Ruf des Herstellers gerecht, robuste und verlässliche Mikrofone zu bauen.
Das Shure SM68 wird dem Ruf des Herstellers gerecht, robuste und verlässliche Mikrofone zu bauen.

Paradebeispiel

Klanglich zeigt sich das Shure SM86 durchaus ausgewogen und ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, den Unterschied zwischen Tauchspulen- und Kondensatormikrofon zu erklären. Der Frequenzgang reicht deutlich höher und ist im oberen Spektralbereich deutlich ausgewogener. Wirklich „luftig“ ist er aber nicht, was bei den meisten Mikrofonen dieses Typs schlichtweg daran liegt, dass bei der üblichen nahen Besprechung Strömungsgeräusche mit Metallgaze und/oder Schaumstoff verhindert werden müssen.

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Shure SM86, 15 cm Shure 545SD, 15 cm Sennheiser e865, 15 cm

Stimme wird schön präzise abgebildet, sodass sich Konsonanten klar und kantig herausarbeiten. Auch Stimmtexturen lassen sich damit besser übertragen als mit den langsameren dynamischen Mikrofonen. Für hauchige, rauchige Stimmen in Jazz und Folk ist das beispielsweise nicht unwichtig. Bei Sängern mit recht „deutscher“ Aussprache ist bei Handheld-Kondensatormikrofonen durchaus Vorsicht geboten. Das Shure SM86 ist zwar sicher in erster Linie für den heimischen US-Markt abgestimmt – Nordamerikaner artikulieren generell etwas breiter und weniger scharf –, aber dennoch funktioniert die Schärfedämpfung durch Pegelrücknahme recht gut.  

Audio Samples
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Sprache 5 cm Sprache 0 cm

Nicht ganz so hochauflösend

Man kann sich über die erhöhte Auflösung und Feindynamik gegenüber einem Tauchspulenmikro freuen, es gibt allerdings auch etwas zu bedenken: Das Shure SM86 ist nicht ganz so hochauflösend wie manche Konkurrenten oder sogar Studiomikrofone. Das sollte nicht verwundern, denn anders als die Handheld-Kondensatormikrofone von Neumann oder DPA ist das Shure SM86 ein wirklich preiswertes Produkt! Und auch das Sennheiser e865 kostet doch deutlich mehr als das Shure.  

Dem Signal gesellt sich etwas oberhalb des Schärfebereichs und in den Präsenzen eine Klangkomponente dazu, dieauf den ersten Blick etwas verbreiternd wirkt, aber bei längerem Hören etwas fremd und nicht zur Schallquelle gehörend wirkend. Dadurch wirkt das Signal etwas unsauberer, als es manchmal passend wäre. Ich will das aber nicht schlechtreden, denn manchen Stimmen steht das durchaus gut zu Gesicht! Hier heißt es einfach: mit der entsprechenden Stimme ausprobieren. Als Standardmikro für Verleiher oder die In-House-PA ist es daher vielleicht nicht die beste Wahl, als Alternative zu einem einfachen dynamischen Mikrofon allerdings schon!

Nah nicht zu bassig

Bei Nahbesprechung bleibt ein Bass-Overkill aus. Das ist für viele Stimmen durchaus angenehm. Nur für allzu dünne Stimmchen, die ein wenig mehr Fundament gebrauchen könnten, kann das auch bei Besprechung mit den Lippen am Grill zu wenig sein.

Audio Samples
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Shure SM86, 0 cm Shure 545SD, 0 cm Sennheiser e865, 0 cm Sennheiser e835, 0 cm

Laut? Kein Problem.

Es ist so gut wie unmöglich, das Shure SM86 nur mithilfe der menschlichen Stimme in Bereiche zu bringen, in denen Verzerrungen auftreten. Für den Livebetrieb geht das Rauschverhalten absolut in Ordnung, im Studio sollte der Signalpegel nicht besonders leise sein, wenn sehr hohe Kompressionsraten genutzt werden.  

Stabilität

Nicht nur das Gehäuse ist stabil, das Polar Pattern ist es auch. Das Shure besitzt einen recht großen nutzbaren Bereich, selbst wenn man es etwas schräg hält, brechen die Höhen nicht zusammen. Zusammen mit der etwas zurückhaltenden Bassanhebung durch den Nahbesprechungseffekt ergibt sich damit ein auch für unsicherere Mikrofonnutzer gut geeignetes Mic. Wie ärgerlich ist es doch, wenn jeder schon am Klang mitbekommt, wenn die Mikrofondisziplin eher schlecht ist und das Mikro beim Sprechen oder Singen verdreht wird oder nach unten wandert!

Fazit

Das Shure SM86 ist ein Kondensatormikrofon, welches die wesentlichen Anforderungen an ein solches Werkzeug erfüllt: Es löst höher auf als ein dynamisches Tauchspulenmikrofon, ist feindynamisch flotter und hat einen etwas höher reichenden Frequenzgang. Dass es in seiner Geräteklasse nicht die klanglich Speerspitze darstellt, liegt an einem seiner größten Vorteile: Das SM86 ist eingedenk seiner robusten Bauweise und der Tatsache, dass es sich um etablierte Markenware handelt, ein wirklich attraktiv preiswertes Mikro. Und für einige Stimmen liefert es genau das, was ihnen guttut. Tipp für rauchige Stimmen, die keine enorme Tiefenunterstützung benötigen!

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • gutes Pattern
  • bei vielen Stimmen gut funktionierende Dämpfung der Schärfeanteile
  • preiswert
  • robust
  • gutes Handling
Contra
  • Sauberkeit für ein Kondensatormikrofon eher mittelmäßig
Artikelbild
Shure SM86 Test
Für 179,00€ bei
Shure_SM86_2
Features und Spezifikationen
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Betriebsspannung: 48V Phantomspeisung
  • Frequenzgang: 50 Hz – 18 kHz
  • Übertragungsfaktor: 3,15 mV/PA
  • maximaler Schalldruckpegel: 162 dB SPL
  • Ausgang: XLR male
  • Preis: € 149,– (Straßenpreis am 6.3.2019)
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