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Solid State Logic 611EQ & 611DYN Test

Solid State Logic 611EQ & 611DYN im Test – Der britische Traditionshersteller großer Mischpult-Dickschiffe hat mit dem X-Rack-Format schon länger ein eigenes Modulsystem im Programm. Doch nun erscheinen zusätzlich zwei 500-Module: Auch SSL konnte sich wohl dem Sog von APIs Standard nicht länger entziehen.

SSL-Kompressor und -EQ jetzt auch für API 500 erhältlich!
SSL-Kompressor und -EQ jetzt auch für API 500 erhältlich!


SSLs Mischpulte der 4000-E-Serie gehören zu den größen Equipment-Klassikern der 80er-Jahre. Diese Konsolen halfen, den Sound einer Ära zu prägen, bis heute schwören Engineer-Größen überall auf der Welt auf die Qualitäten eines solchen Mischpultes. Diese Pulte zeichnen sich einerseits aus durch die ungemein flexiblen Routing-Möglichkeiten, was in der Prä-DAW-Ära auf keinen Fall unterschätzt werden konnte. Andererseits kann man den SSL-Konsolen dieser Ära durchaus einen ziemlich mittig-rockigen Charakter unterstellen. Sie klingen zwar weniger dick und sämig als ein diskretes Neve-Pult aus den frühen 70ern, aber sie färben und beeinflussen den Klang stärker als die aktuellen SSL-Geräte, die mit den zeitgemäßen „SuperAnalogue“-Schaltungen gefertigt werden.
Seit jeher begeisterten SSL-Konsolen mit umfangreichen Eingriffsmöglichkeiten. Die Baugruppen, die nun in Form zweier 500-Module auf den Markt kommen, waren einst Bestandteil eines jeden Mischpultkanalzugs. Und mit 4-Band-EQ und einer recht üppig ausgestatten Dynamikabteilung kann man nur sagen: Viel vermisst man hier nicht, da gibt es zahlreiche Outboard-Einheiten, die schmaler ausgestattet daherkommen. Wer sich nun also kernigen 80er-Jahre-SSL-Sound in seine Lunchbox holen möchte, der hat zwei Möglichkeiten: 611EQ oder 611DYN. Beide Module basieren auf dem klassischen SSL-611E-Kanalzug, sie kommen in offener Steckkarten-Form und verfügen über randvoll mit SMD-Bauteilen gespickte Platinen. Die 500-Module sind kleiner als SSLs hauseigenes X-Rack-Format, und sie verfügen nicht über die Total-Recall-Möglichkeit, die SSL mit den eigenen X-Rack-Frames anbietet.

Details 611EQ

Die vier aktiven RC-Bänder des E-Series-EQs teilen sich in zwei Gruppen auf: HF und LF sind semiparametrisch, können aber wahlweise im Peaking- oder Shelving-Modus arbeiten. Die beiden Peaking-Mittenbänder hingegen verfügen über jeweils ein eigenes Poti für die Filtergüte. Der EQ kann global aktiviert werden, zudem lässt sich die Charakteristik der Filter zwischen „Brown“ und „Black“ umschalten. Der Fachmann weiß: Das bezieht sich auf die beiden populärsten Varianten der drei Versionen dieses EQs, die über die Jahre angeboten wurden. Anhand der Farbe der Potikappen des Bass-Bandes konnten diese auch visuell unterschieden werden, daher die Bezeichnungen. Die „Brown“-Abstimmung entspricht dem ursprünglichen Filter-Design, das SSL in den ersten E-Series-Konsolen anbot. In diesem Modus arbeitet der EQ generell etwas weicher: Der maximale Q-Faktor in den Mittenbändern beträgt 2,5, die maximale Amplitude aller Bänder liegt bei ±15 dB. Die Shelving-Filter haben eine Flankensteilheit von 6 dB/Oktave und eine feste Güte von 0,8 im Bell-Modus. Die stufenlos durchstimmbaren Frequenzbereiche der einzelnen Bänder bleiben in beiden Betriebsvarianten jedoch die gleichen: LF 30-450 Hz, LMF 200 Hz – 2,5 kHz, HMF 600 Hz – 7 kHz sowie HF 1,5 kHz – 16 kHz.

Fotostrecke: 4 Bilder Vier Bänder, die äußeren auf Shelf umschaltbar: SSL 611EQ E-Serie

Schaltet man den EQ nun in den „Black“-Modus, so wird das EQ-Layout aktiviert, das SSL Mitte der 80er-Jahre gemeinsam mit der Producer-Legende George Martin entwickelte. Der Black-EQ packt in allen Aspekten stärker zu. So erhöht sich die maximale Filteramplitude in allen Bändern auf satte ±18 dB, die Filter werden generell steiler. In den Mittenbändern beträgt der schmalste Q-Faktor nun 4, und in den beiden Außenbändern 1,3. In anderen Worten: Während der klassische Brown-EQ sich besser fürs „Sweetening“ eignet, sollte man für „chirurgisches“ Filtern eher zur Black-Variante greifen. Toll, dass SSL auch im 500-Modul beide Varianten anbietet.
Abgesehen von den im 500-Format prinzipbdedingt fehlenden Recall-Funktionen (diese erfordern die spezielle Ausstattung des X-Rack-Frames) und den wegen der kleineren Frontplatte eingesparten Status-LEDs an den Druckschaltern entspricht das 500-Modul somit exakt der X-Rack-Version dieses Equalizers.

Details 611DYN

Die Dynamikeinheit der E-Serie bietet für einen Mischpult-Kanalkompressor vergleichsweise viele Optionen. Genau dies war auch eines der revolutionären Merkmale dieser Konsolen, als SSL in den späten 70ern auf der Bildfläche erschien: Eine – zumal so vielseitige – Dynamikeinheit in jedem Kanalzug hatte es bis dato in dieser Form nicht gegeben. Schon mehr als 10 Jahre vor SSL hatten die EMI-TG-Mischpulte Limiter in jedem Channelstrip, doch erstens waren und sind diese Pulte echte Exoten, zweitens kann der TG-Limiter hinsichtlich der Vielseitigkeit mit dem SSL nicht ansatzweise mithalten.

Fotostrecke: 4 Bilder Hard Knee oder Soft Knee nutzbar: SSL 611DYN

Wie auch beim 611EQ lassen sich die Kompressor-Parameter mittels Potis stufenlos einstellen. Ratio reicht von 1:1 bis 1:∞, der Threshold kann zwischen +10 und -20 dB gesetzt werden. Der Release-Parameter überstreicht mit 0,1 bis 4 Sekunden einen ungewöhnlich weiten Bereich, für die Attack-Zeit bietet das Modul immerhin zwei unterschiedliche Presets: Mit entweder 3 oder 30 mS bleibt dieser Kompressor aber immer punchy, Ansprechzeiten im Mikrosekundenbereich sind nicht möglich. Dazu gesellen sich dann eben noch die Schalter für Hardknee/Softknee (von SSL, die anfangs sogar  VCAs dieses Herstellers einsetzten, in bester DBX-Tradition „Over Easy“ genannt) und für die lineare/logarithmische Release
.Neben der Kompressoreinheit bietet das Modul auch eine Gate/Expander-Sektion, die mit den Raten ∞:1 (Gate) sowie 2:1 (Expander) arbeitet. Mit dem Range-Poti lässt sich der maximale Hub von bis zu 40 dB einstellen. Der Release-Parameter entspricht dem der Kompressorsektion, die Ansprechschwelle kann zwischen -30 und +10 dB eingestellt werden. Eine automatische Hysteresefunktion sorgt im Gate-Betrieb dafür, dass das gefürchtete „Flattern“ weitestgehend vermieden wird: Je niedriger der Threshold-Parameter, desto gutmütiger reagiert das Gate, damit die Ausschwingvorgänge des Signals möglichst gut erhalten bleiben. Auch die Gate/Expander-Abteilung bietet zwei Attackwerte, welche mit 100 μS sowie 1,5 s deutlich schneller als beim Kompressor sind.
Die Aktivität jeder Sektion wird mit zwei LED-Ketten mit jeweils fünf Segmenten angezeigt. Das ist nicht üppig, angesichts des eingeschränkten Platzes auf einer Modul-Frontplatte aber zu verschmerzen. Als optische „Hausnummer“ funktioniert die Anzeige gut, für den Rest sind eh die Ohren da… Gegenüber dem X-Rack-Modul muss man bei der 500-Kasse wiederum auf die Status-LEDs verzichten. Auch der Link-Modus wurde eingespart.

Solid State Logic 611DYN und 611EQ
Solid State Logic 611DYN und 611EQ
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Praxis

Im praktischen Einsatz unterscheiden sich beide Module ein Stück weit voneinander. Der Equalizer erklärt sich gewissermaßen von selbst. Abgesehen von den unterschiedlichen Black/Brown-Charakteristiken gibt es keine Funktion, die man nachschlagen müsste. Demgegenüber gestaltet sich die Arbeit mit dem Dynamikmodul in rein praktischer Hinsicht etwas komplizierter. Die Kassette verfügt ja nicht über ein Ausgangspegel-Poti und die Auto-Gain-Funktion liefert je nach Einstellung fast schon erratische Ergebnisse. Im Extremfall bedeutet dies, dass man den nachfolgenden A/D-Wandler übersteuert und dann das Signal innerhalb der DAW leiser machen muss, bevor es überhaupt in den Kompressor läuft. Nur, dass man dann ebenfalls den Threshold-Parameter nachregeln muss, was etwas kompliziert ist. An der SSL-Konsole ist das kein Problem, dort gibt es ja noch den Kanal-Fader, der den Ausgangspegel des Kanals bestimmt, doch am Standalone-Modul würde ich mir doch ein Makeup-Poti wünschen, zumal man im Zweifelsfall gleich zwei Threshold-Potis nachjustieren muss, wenn man Kompressor und Gate/Expander zeitgleich einsetzt.

Die SSL 611DYN-Kassette lässt ein Poti für das Ausgangslevel vermissen
Die SSL 611DYN-Kassette lässt ein Poti für das Ausgangslevel vermissen

Klanglich liefern die beiden Kassetten genau das, was man von SSL erwartet: Klare, knackige Ergebnisse. Hier handelt es sich nicht um sanfte Schönfärber, sondern um Arbeitswerkzeuge, mit denen man den Job nach Hause bringen kann. Als Funktionsgruppen eines Mischpultkanalzugs müssen sich dieser EQ und dieser Kompressor in der Theorie auf jedem erdenklichen Signal bewähren, und das gleich dutzendfach parallel in einer Mischung – da dürfen sich diese Einheiten keine geschmäcklerischen Mätzchen erlauben, sondern sie müssen einfach klar und geradeaus funktionieren. Für den EQ bedeutet dies: Sowohl korrigierendes Filtern als auch klangformende Aufgaben gelingen gleichermaßen gut. Die Filter packen zu, gehen aber vergleichsweise unscheinbar zu Werke. Es geht hier eher darum, Signale in einen Kontext einzupassen, als darum, ihnen das „gewisse Extra“ mitzugeben, und das macht der SSL-EQ in bewährter Qualität. Brown- und Black-Modus sind dabei gern mitgenommene Alternativen. Insbesondere das Bassdrum-Beispiel zeigt die unterschiedliche Abstimmung: Die Black-Filterkurven klingen deutlich resonanter und wuchtiger, hier lässt sich auf jeden Fall noch ein Extra-Quäntchen Fundament herauskitzeln. Kurzum: Der EQ arbeitet effektiv, aber im positiven Sinne unscheinbar – ein echtes „Workhorse“ für den Alltagsgebrauch.

Audio Samples
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Gitarre Original Gitarre Boost (Shelving) bei 1,5 kHz Gitarre HMF-Sweep im Brown-Modus Gitarre HMF-Sweep im Black-Modus Kontrabass Original Kontrabass Boost (Shelving) bei 200 Hz und 600 Hz Bassdrum Original Bassdrum Boost 50 Hz, 10 kHz, Cut 0,2 und 2,5 kHz (Brown-Modus) Bassdrum Boost 50 Hz, 10 kHz, Cut 0,2 und 2,5 kHz (Black-Modus)

Demgegenüber gibt sich die Dynamikeinheit etwas divenhafter – allein was die Parametrisierung betrifft. Zwar kann auch der Kompressor eine Menge leisten, aber der Einsatz gestaltet sich deutlich kniffeliger als beim EQ. Die feinen Nuancen sind nicht ganz so das Metier des SSL-Comps. Der Feed-Forward-VCA wird zwar durch die RMS-gewichtete Sidechain etwas gezähmt, aber richtig gut klingt das Modul eigentlich vor allem immer dann, wenn es etwas heftiger zur Sache gehen darf – Vocals und vergleichbare Signale sind nicht das Lieblingsmaterial dieses Dynamik-Tools. Dafür kann es seine Vorzüge gerade auf Drums und anderen perkussiven Quellen ausspielen, welche auch genau die Anwendungen sind, bei denen klassischerweise gerne auf die Channel-Dynamics von SSL zurückgegriffen wird. Mal eben Bassdrum und Snare auf Linie bringen – das ist die Sorte Job, bei denen der E-Series-Comp auflebt.

Audio Samples
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Bassdrum Original Bassdrum 30 ms Attack, Release 0,1 s, Ratio 1:∞ Snare Original Snare Gate Snare Gate, Kompressor (Linear Release) Drumroom Original Drumroom Kompressor (Linear Release, Hardknee, 3 ms Attack)

Die Ergebnisse klingen frisch, knackig, und sie haben den typischen „VCA-Pop“, für den SSL bekannt ist. Mit Hardknee-Kennlinie und linearer Release stehen dazu noch zwei Optionen zur Verfügung, die die Ergebnisse noch muskulöser und aggressiver werden lassen. Gerade in Kombination mit der schnellen Attack und hohen Kompressionsraten lassen sich Signale vorzüglich crushen, wobei trotz der aggressiven Kompression der Ton selbst immer auf der klaren Seite bleibt, Verzerrungen und Sättigungseffekte muss man woanders suchen.

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Fazit

Unterm Strich bieten beide SSL-500er-Kassetten also ein leicht uneinheitliches Bild: Der 611EQ von Solid State Logic ist vielseitiger, aber klanglich möglicherweise etwas „langweiliger“, während der 611DYN-Kompressor in stärkerem Maßen seinen Charakter heraushängen lässt, sich dafür aber nicht für alle Anwendungen gleichermaßen eignet. Im Preisvergleich mit anderen 500-Modulen stehen die SSL-Kassetten recht gut da. Das dürfte auch an deren Schaltungsaufbau liegen, der ohne teure Bauteile wie Drehschalter oder Audio-Übertrager auskommt. Im Vergleich zu den entsprechenden X-Rack-Varianten stehen die SSL-500-Module sieht es aber anders aus, denn diese bieten bei ähnlichem Kaufpreis mehr Funktionen – unter anderem Total Recall, was einen nicht unerheblichen Hardware-Aufwand bedeutet, der bei den 500-Versionen eingespart werden musste. Ich hätte es also gerne gesehen, wenn die 500-Module in relativer Hinsicht günstiger wären, absolut gesehen bleiben sie dennoch ein ziemlich guter Deal.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • klassischer SSL-Sound im 500-Format
  • vielseitige Funktionen und Einstellmöglichkeiten
  • klarer, knackiger Klang
Contra
  • weniger Funktionsumfang als die X-Rack-Module bei ähnlichem Preis
  • kein Gain-Makeup-Poti beim 611DYN-Modul
Artikelbild
Solid State Logic 611EQ & 611DYN Test
Für 669,00€ bei
Nettes Doppelpack mit Einschränkungen als API-Module: SSL 611DYN und 611EQ
Nettes Doppelpack mit Einschränkungen als API-Module: SSL 611DYN und 611EQ
Technische Spezifikationen
  • 611EQ:
  • 4 Filterbänder auf Basis des SSL-611E-Kanalzugs
  • vollparametrische Mittenbänder
  • „Brown“- und „Black“-Modus
  • 611DYN:
  • vollständige Dynamikeinheit des SSL-611E-Kanalzugs
  • unabhängige Kompressor- und Gate/Expander-Sektionen
  • diskretes VCA-Regelelement mit RMS-Detektor
  • Hardknee/Softknee-Betrieb sowie lineare und logarithmische Release
  • Preise: je € 699,- (UVP)
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