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Soyuz SU-017 Test

Soyuz aus Russland ist ein brandneuer Mikrofonhersteller – und mit dem Röhrenmikrofon SU-017 haben wir eines der beiden Mikros für einen Testbericht erhalten. Nun sind die Zeiten längst vorbei, in denen man die Hersteller von Kondensatormikrofonen an zwei Händen abzählen konnte.

Soyuz_SU_017_Roehre Bild

Deutschland, Österreich, später Schweden und Japan, aber eben auch Russland waren die Herstellungsländer von kapazitiven Schallwandlern, lange bevor in größerem Stil die USA oder gar China auf den Plan traten.
Die Industrie der zentralrussischen Großstadt Tula in der gleichnamigen Oblast ist für die Herstellung von Waffen, Samowaren und eben Mikrofonen bekannt. Dort wurden schon ab 1935 Mikros gefertigt, von einem Unternehmen, welches später mit seinen Oktava-Mikros bekannt wurde – und es bis heute ist, wie das mittlerweile legendäre MK-012 beweist. Während der Zeit des Kalten Krieges waren Mikrofone aus Russland zwar zuverlässig, gut klingend und beliebt, doch als erste Wahl für Recording-Studios, TV- und Radio-Stationen galten die R.F.T.-Mikrofone des Neumann-Nachfolgeunternehmens im thüringischen Gefell.

Details

Kapsel mit der magischen Sieben

Nicht nur in damaligen Staaten des Warschauer Pakts hat der Name Neumann eine besondere Anziehungskraft auf Tonschaffende. Und dort wiederum sind es U 47 und U 67, die zu Recht einen grandiosen Ruf haben. Beim Kapseldesign haben Soyuz sich an die mittenkontaktierte, verschraubte Neumann K 67 gehalten, nicht an die ältere K 47 oder gar die M7, die mit geklebter PVC- statt Mylarmembran arbeitet. Und so ist eine nur frontseitig aktivierte 34mm-Kapsel mit für vordere und hintere Membran gemeinsamer Gegenkathode mit den typischen Resonanzlöchern verbaut worden. Ganz recht: Das Mikrofon hat eine feste Richtcharakteristik, und zwar die Niere.

Fotostrecke: 3 Bilder Mittenkontaktierte Kondensatorkapsel mit großer Membranfläche

Russische Technik auch im Inneren

Als Röhre ist die selten in Mikrofonen verbaute russische 6J1P am Werk, der benachbarte Ausgangsübertrager ist ebenfalls aus russischer Produktion. Er ist gekapselt und gegen Einstreuungen gesichert. Ganz offensichtlich ist man beim Design des Soyuz SU-017 bemüht gewesen, den Signalweg kurz und einfach zu halten, denn es ist erstaunlich leer im Body des Mikros. Pad oder Hochpassfilter findet man nicht, genauso wenig natürlich eine Patternumschaltung. Allerdings ist wohl geplant, dass zukünftig verschiedene Wechselkapseln angeboten werden, welche dann offenbar aufgeschraubt werden.

Fotostrecke: 5 Bilder An Material wurde nicht gespart – im Soyuz ist viel Messing verbaut.

Messing – und zwar viel

Eine Mikrofonmanufaktur ist zu einem nicht unerheblichen Teil ein metallverarbeitender Betrieb, so auch Soyuz. In Tula, wo das moderne Werk steht und Fachkräfte in ausreichender Zahl vorhanden sind (und nach Aussage eines der Eigner auch sehr fair bezahlt werden), werden alle Metallteile des SU-017 gefertigt. Und das sind viele – und massive: Schraubt man etwa den Fußring aus Messing ab, fällt auf, dass er wirklich viel wiegt, da er aus einem Block gedreht wurde. Auch das Skelett des Bodys ist von rustikaler Wuchtigkeit, an Material wurde nicht gespart. Das Mikrofon wiegt dadurch insgesamt knapp ein Kilo.

Endkontrolle vom Designer des SU-017

Zum Lieferumfang gehört neben einer Spinne klassischer Bauart und passender Farbgebung eine Holzschatulle mit Magnetverschlüssen für das Mikrofon selbst, ein Multipol-Kabel und natürlich ein Netzteil. In diesem ist ein großer Ringkerntransformator verbaut, aber Schaltfunktionen gibt es auch hier keine. Neben dem Datenblatt, das dem Mikrofon unter anderem eine Empfindlichkeit von 16 mV/Pa und ein Eigenrauschen von 20 dB(A) bescheinigt, liegen bebilderte und unterschriebene Karten der Assembly-Dame (“Olga Andreev”) und des Designers (“Vladimier Seleznev”) bei, der auch gleich die Endkontrolle übernommen hat. Auch ein individueller Frequenzgang gehört zu den Unterlagen. Hier erkennt man typische, aber insgesamt eher leichte Nichtlinearitäten, wie einen kleinen Dip unterhalb von 10 kHz und eine leichte Erhöhung kurz darüber.

Fotostrecke: 3 Bilder Unterschriebene Quality-Control-Karten
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Praxis

Erstkontakt Musikmesse

Auf der diesjährigen Musikmesse waren Soyuz mit einem eigenen Stand vertreten, wir haben von dort berichtet und das Unternehmen mit seinen beiden bisherigen Röhrenmikrofonen SU-017 und SU-011 in unsere Highlights mit aufgenommen, die ihr hier sehen könnt. Seither hatte ich mich auf den Tag gefreut, an dem ich das pillenförmige Mikrofon im Zaren-Chic auf meinen Mikroständer stöpseln kann.

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Golden mit dem Goldenen Schnitt

Die Verarbeitung des SU-017 macht einen guten Eindruck, die Toleranzen sind gering, allerdings ist das Messing unbehandelt und muss dann und wann poliert werden. An die Hochpräzisionsarbeit deutscher, skandinavischer und einiger japanischer Premium-Mikrofonhersteller kommen Soyuz fast heran. Zwar hat Soyuz angeblich bei vielen Gehäuseproportionen den Goldenen Schnitt beherzigt, doch ist der Tubus um das Gehäuse perfekt rund (…was strenggenommen akustisch keine gute Lösung ist, von vielen Herstellern aber bekanntlich so gemacht wird) und gibt einen doch recht eindeutigen Ton von sich, wenn man es mit dem Fingerknöchel anschlägt. Im Klangbild konnte ich jedoch keine negativen Eigenschaften ausmachen, die auf diesen Umstand zurückzuführen gewesen wären.

Überraschend schlank und knackig

Wie üblich, begutachte ich den Sound des Soyuz SU-017 zunächst mit einem schnellen, ultra-cleanen Preamp. Es begrüßt mich aus Boxen und Kopfhörern ein überraschend klares Klangbild. Ein etwas dunkler, warmer Teint wie bei Neumanns altem U 67 kann ich trotz langer Aufwärmzeiten nicht ausmachen, eher aufgeräumte, transparente Mitten und durchaus kantige, annähernd schneidende Präsenzen. Der Detailreichtum gerade in den Höhen ist für ein Großmembran-Röhrenmikrofon wirklich erstaunlich, sodass von Texturen von Stimmen und Instrumenten, besonders aber von Rückwürfen aus Räumen fast nichts verloren geht – hier machen sich offenbar die hochwertigen Bauteile und ihre geringe Anzahl positiv bemerkbar. Zudem zeigt sich, wie gering stellenweise die Aussagekraft von Pegelfrequenzgängen ist, denn schließlich geht es wie bei jedem nicht per Elektronik kompensierten Großmembraner oberhalb von 10 kHz deutlich nach unten mit der Übertragungskurve. Etwas weiter unten im Spektrum zeigt sich ein ähnliches Bild wie in den Höhen und Mitten: Die Tiefmitten sind schlank und knackig, der Bass ist stramm, impulsfest und trocken. Es ist möglich, sich der Schallquelle stark zu nähern, ohne dass dabei der Bass indifferent und schwammig wird.

Soyuz-Logo auf der Power Supply
Soyuz-Logo auf der Power Supply

Keine übertriebene Farbe

Nun ist das Soyuz SU-017 schließlich ein Röhrenmikrofon, welches neben Glaskolben natürlich noch über einen Mikrofon-Ausgangsübertrager verfügt. Der spezielle Soyuz-Transformer scheint eher von der zurückhaltenden Sorte zu sein, denn von Grobkörnigkeit oder übertriebener Farbe ist im Signal nicht viel zu spüren. Das Soyuz legt nur einen ganz sanften Schimmerteppich über das aufzunehmende Material. Ich bin geneigt zu sagen, dass es gerne etwas mehr sein dürfte, doch dann würde wahrscheinlich die Genauigkeit dieses Mikrofons leiden. Dementsprechend profitiert das Soyuz von einem etwas charaktervolleren Vorverstärker. Statt am True Systems oder direkt am Lavry AD-11 betrieben ist die Art, mit der ein Tube-Tech MP-1A, besonders aber, wie ein Heritage `73 das Signal veredelt, ein klarer Gewinn.

Audio Samples
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Abstand 10 cm Abstand 20 cm Abstand 50 cm Abstand 30 cm, 45 Grad UM92.1S, Abstand 10 cm UM92.1S, Abstand 50 cm

Dynamisch gut aufgestellt

Es ist kein Wunder, dass das Tube-Mikro dynamisch hervorragend aufgestellt ist, wenn ich eben schon Adjektive wie kantig und detailliert benutzt habe. Es ist schnell und vermag Konsonanten sehr genau darzustellen, aber auch Anschlaggeräusche von Gitarrensaiten und dergleichen. Ein Grenzschalldruckpegel ist nicht angegeben, doch bleibt das Mikrofon auch bei hohen Pegeln lange “ruhig”, ein Versuch mit der Trompete offenbarte aber, dass es recht auffällig und ohne Warnung umbricht, wenn der Pegel deutlich zu hoch ist. Allerdings sind Mikrofonierungen von sehr hochpegeligen Signalen nicht unbedingt das Metier von Röhren-Kondensatormikrofonen. Als Outer-Bassdrum-Mike kann man es trotz fehlenden Pads getrost einsetzen.

Polar-Pattern

Das Polar-Pattern des Mikrofons ist im Frontbereich ausreichend stabil, rückseitig jedoch durchaus etwas wild: Rückseitige Signale weisen teilweise ordentliche Löcher auf. Aber mal unter uns: Das ist auch bei vielen der angesprochenen Klassiker nicht anders…

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Fazit

Eine Kernaussage über das Soyuz SU-017 lässt sich treffen, und sie ist kurz: Das Röhrenmikrofon ist wirklich sehr gut, aber es ist einfach verdammt teuer – zu teuer. Es klingt sehr fein und klar, nicht warm und dick, wie man vielleicht vermuten könnte. In jedem Fall ist es aber ein sehr hochwertiger Sound. Wenn man aber überlegt, welche anderen hervorragenden Röhrenmikrofone im gleichen Preissegment liegen oder sogar darunter, muss man festhalten, dass das Aufrufen von 3800 Euro (UVP) nur sehr schwer zu rechtfertigen ist. Für essentiell weniger erhält man ein Microtech Gefell UM92.1S, mit PVC-M7-Kapsel und umschaltbarer Richtcharakteristik. Das umschaltbare Neumann-Schlachtschiff M 149 Tube ist etwas teurer als das SU, genauso Brauners Top-Modelle und die Bottle von Blue. Manche Telefunken-Nachbauten sind preiswerter, ebenso Horch RM3, Manley Reference Cardioid … das wird auf dem Markt nicht einfach für das russiche Mikro. Würde es die Hälfte kosten, hätte ich Soyuz eine hervorragende Preisgestaltung attestiert.

Unser Fazit:
4,5 / 5
Pro
  • sehr detailliert
  • transparenter, konturierter Sound
  • robuste Bauweise
Contra
  • sehr teuer
Artikelbild
Soyuz SU-017 Test
Für 3.495,00€ bei
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Features und Spezifikationen
  • Membrangröße: groß
  • Empfängerprinzip: Druckgradientenempfänger
  • Wandlerprinzip: Kondensator
  • Richtcharakteristik: Niere
  • Frequenzgang: 20 Hz – 20 kHz
  • Eigenrauschen: 20 dB(A)
  • maximaler Schalldruckpegel: Keine Angabe
  • Ausgang: XLR an der PS
  • Lieferumfang: Mikrofon, Holzschatulle, Spinne, Multipin-Kabel
  • Preis: € 3.799,– (UVP)
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