Puuh, fast 1600 Euro für einen Kopfhörerverstärker? Das schraubt meine Erwartungshaltung an das Gerät recht hoch. Ich war neugierig und habe mir den SPL Phonitor einmal genauer angesehen.
Nachdem ich mich kürzlich genauer mit Abhörproblemen und Lösungen für den kleinen Geldbeutel beschäftigt habe („RICHTIG ABHÖREN“), gehe ich das Thema in diesem Test von einer anderen Seite an: Den Phonitor bewirbt der Hersteller SPL als „Kopfhörer-Monitor-Verstärker“ – eine bislang unbekannte Gattung. Ich nehme die Fährte auf und versuche zunächst aufzuklären, was es mit dieser neuen Gerätekategorie auf sich hat.
Was ist ein Kopfhörer-Monitor-Verstärker?
Um es auf eine kurze Formel zu bringen: Der Phonitor wurde entwickelt, um Probleme zu minimieren, die typischerweise beim Mischen mit Kopfhörern auftreten. Der Nutzer soll mit dem Gerät also Mixing-Ergebnisse erzielen können, die mit Lautsprechermixes vergleichbar sind. Angepeilte Zielgruppe sind demnach primär solche Anwender, die aus verschiedenen Gründen darauf angewiesen sind, ihre Mischungen über Kopfhörer zu kontrollieren. Aber was ist eigentlich so schlimm an Kopfhörer-Mischungen, dass man ein recht teures Gerät benötigt, um die Schwächen auszubügeln?
Unterschiede zwischen der Abhörkontrolle per Lautsprecher und Kopfhörer
Die Wahrnehmung von Musik über einen Kopfhörer unterscheidet sich erheblich von der über Lautsprecher. Wenn ein Studio akustisch geplant wird, geht es unter anderem darum, eine möglichst reflektionsarme Abhörsituation zu schaffen. Sprich: Die Eigenschaften des Raumes sollen das Hörerlebnis des Menschen am Mischpult nicht stören, wenn er über Lautsprecher hört. Trotz aller Bemühungen gelingt es nicht, einen Umstand auszuschließen: Beim Hören über Lautsprecher nimmt das rechte Ohr Signale aus dem linken Lautsprecher wahr und umgekehrt. Dieser Umstand ist ein wesentlicher Bestandteil des Stereo-Hörens über Lautsprecher.
Bei der Kopfhörer-Wiedergabe ist es anders: Die Schallquellen sitzen direkt am linken und rechten Ohr und die Trennung zwischen beiden Signalen beträgt 100 Prozent. Es gibt kein Übersprechen. In der Folge wirken alle Aufspreizungen im Panorama viel stärker. Es ergibt sich ein viel extremeres Stereobild als über Lautsprecher. Dazu kommt der „Mikroskop-Effekt“ des Kopfhörers: Effekte wie Hall und Echo wirken drastischer, die Unterschiede zwischen lauter und leiser gemischten Signalen treten viel deutlicher zutage. In der Praxis neigt man bei Kopfhörermischungen dazu, wesentlich vorsichtiger zuwerke zu gehen als über Lautsprecher. Das Panning ist weniger extrem, die Effektanteile werden zurückgenommen usw. Solche Mixes klingen über Lautsprecher dann häufig flach und breiig. Um Missverständnissen vorzubeugen: Das eben Gesagte soll nicht heißen, dass Kopfhörer grundsätzlich ein schlechteres Werkzeug als Lautsprecher sind. Der „Mikroskop-Effekt“ des Kopfhörers hat in vielen Situationen der Audiobearbeitung Vorteile: Etwa beim Schnitt einer Instrumentenaufnahme, um Übergänge ohne Knackser sicherzustellen oder bei Sprachaufnahmen zur Kontrolle von störenden Nebengeräuschen (Außengeräusche, Magengeräusche des Sprechers, etc.). Über Kopfhörer nimmt man bei diesen Aufgaben Details wahr, die Lautsprecher bei normalen Abhörlautstärken unterschlagen. Für die Mischung gilt der Kopfhörer bislang jedoch als unterlegenes Werkzeug, weil das Ergebnis meist über Lautsprecher konsumiert wird. Der SPL Phonitor tritt an, die Prinzip-bedingten Unterschiede zwischen Kopfhörer- und Lautsprecher-Mixes zu beseitigen, indem das Hörerlebnis über „Ohrwärmer“ dem über Boxen so weit wie möglich angenähert wird.
Wie funktioniert der Phonitor?
Zur Erzeugung eines Lautsprecher-ähnlichen Hörerlebnisses stehen beim Phonitor zwei Kippschalter und drei Drehregler zur Verfügung. Über die Schalter werden das Übersprechen zwischen den beiden Kanälen und die Absenkung des „Center“-Signals ein- oder ausgeschaltet. Die drei Potentiometer dienen zur Feinjustage. So kann man jederzeit über die beiden Schalter zwischen „normalem“ Kopfhörersound und der Lautsprecher-optimierten Wiedergabe des Phonitor umschalten.
Der Clou des Phonitor sind die drei Spezialparameter: Crossfeed, Speaker Angle und Center Level. Crossfeed simuliert dabei das frequenzabhängige, pegelbezogene Übersprechen beider Kanäle. Speaker Angle bestimmt die Stereo-Basisbreite und das Laufzeit-bezogene Übersprechen zwischen den beiden Kanälen. Mit Center Level reduziert man den Pegel des Mittensignals (im Gegensatz zum Pegel der Seiten), das durch die Einengung der Stereobasis schnell zu laut wird. Die Wortwahl „Center“ ist dabei etwas missverständlich, da es bei der Stereowiedergabe ja keinen speziellen (diskreten) Kanal für die Mitte gibt. Gemeint ist also die Phantommitte.
Der Hörtest
Beim Test des Phonitor kamen verschiedene Kopfhörer und weitere Kopfhörerverstärker zum Einsatz. In unserem Studio verwenden wir als Referenz-Kopfhörer fast ausschließlich den AKG K 271, ein geschlossenes Modell mit relativ ausgewogenem Klang. Zum Vergleich haben wir aber noch einen älteren Beyerdynamic DT990, einen ebenfalls betagten AKG-HiFi-Kopfhörer namens K500 und einen Koss Porta Pro (kleiner MP3-Player-Kopfhörer) herangezogen. Als weitere Kopfhörerverstärker standen mir ein Lake People F399D zur Verfügung, der mit etwa 950,- Euro gehandelt wird, und ein Behringer Powerplay Pro XL, der schon für knapp 100 Euro zu haben ist. Das Modell von Lake People ist ein anerkannter HighEnd-Verstärker, der bis zu acht Kopfhörer antreiben kann. Das Behringer-Gerät ist nicht nur sehr preisgünstig, sondern in vielen Studios vertreten und versorgt bei Bedarf ebenfalls bis zu acht Kopfhörer mit dem gewünschten Signal.
Der Phonitor als Kopfhörerverstärker – Bereits nach kurzem Vergleichshören fiel mir auf, dass bei den Kopfhörerverstärkern die Unterschiede in der Klangqualität geringer sind als ich es im Vorfeld des Tests vermutet hatte. Zwar gaben der Phonitor und der Lake-People-Verstärker die Signale auch bei höheren Pegeln stabil wieder, während der Powerplay mit Verzerrungen zu kämpfen hatte. Bei kleineren und mittleren Lautstärken waren die Unterschiede jedoch geringer, sodass auch der Behringer Powerplay Bässe, Mitten und Höhen vergleichbar gut übertrug. Im Beitrag „Richtig Abhören“ habe ich mich ja schon etwas aus dem Fenster gelehnt und die These aufgestellt, dass fast ausschließlich die Lautsprecher und der Abhörraum das Klangerlebnis prägen. Die anderen Elemente in einer Wiedergabekette, wie Abspielgerät und Verstärker, haben geringeren Einfluss auf die Klangqualität, wenn sie ein gewisses Mindestniveau erreichen. Beim Hören über Kopfhörer ist es offensichtlich ähnlich: Sobald der Verstärker keine größeren Schwächen offenbart, entscheidet vor allen Dingen der Kopfhörer über den Klang.
Beim einfachen Vergleich der Kopfhörerverstärker und ohne Einsatz der speziellen Möglichkeiten des Phonitor kann er seine Stärken noch nicht zeigen. Nach meiner Einschätzung klingt er genauso gut wie der Lake People F399D, aber nicht besser. Die Qualität des Verstärkers allein rechtfertigt den hohen Preis also nicht. Und auch der preisgünstige Behringer Powerplay muss sich nicht verstecken: Erst bei höheren Pegeln steigt der Klirrfaktor hörbar und er muss sich seinen Konkurrenten geschlagen geben.
Der Phonitor als „Monitor-Verstärker“ – Um beim Phonitor ein Hörbild einzustellen, das meinem Lautsprecher-Setup ähnelte, musste ich den Kopfhörer ständig auf- und absetzen und immer wieder vergleichen – ein zugegebenermaßen recht zeitraubendes Vergnügen. Dabei erzeugte die Pegelabsenkung der Phantommitte die mit Abstand stärksten Veränderungen des Klangbildes. Außerdem erfordert es höchste Konzentration, will man veränderte Crossfeed/Speaker-Angle-Einstellungen hören. Ich habe erst nach mehreren Tagen die für mich idealen Einstellungen gefunden. Der Phonitor ist also ein Gerät, mit dem man sich eingehend beschäftigen muss – nix für ungeduldige Zeitgenossen, zu denen ich mich bisweilen auch zähle.
Tatsächlich war ich kurz davor, dem Phonitor ein nicht übermäßig positives Zeugnis auszustellen, als ich endlich an einem Titel eine hörbare Verbesserung des Kopfhörerklangs ausmachen konnte. Dabei handelte es sich um eine Produktion, die ich gerade erst eine Woche zuvor abgeschlossen hatte. Wie sich jeder vorstellen kann, war mein persönliches Bedürfnis, diesen Titel für den Phonitor-Test wieder und wieder zu hören, nicht besonders groß. Ich hatte ja während der Produktion bereits ausreichend das Vergnügen. Aber das ist eine andere Geschichte: entscheidend war, dass sich der Song mit dem Phonitor „richtig“ anhörte, im Klangbild also dem sehr ähnlich war, was ich bei der ursprünglichen Produktion des Songs auch über Lautsprecher wahrgenommen hatte. Den großen Unterschied machte in diesem Fall die durch den Phonitor generierte schmalere Stereobasis (im Vergleich zu einer normalen Kopfhörerwiedergabe).
Beim Test des Phonitor hatte ich bis dahin Musik verschiedener Genres gehört, von der ich wusste, dass sie sehr gut klingt. Allerdings habe ich mich dabei nicht so auf das Stereobild fokussiert, wie bei meinem eigenen Titel. Und genau deshalb konnte ich die speziellen Fähigkeiten des Phonitor nicht ausmachen.
Was bietet der Phonitor? Grundsätzlich kann man sagen, dass die Ergebnisse des Phonitor sich nicht spektakulär von denen mit einem normalen Kopfhörerverstärker unterscheiden. Im A/B-Vergleich ist der Unterschied aber leicht an der veränderten Stereo-Basisbreite auszumachen. Bei dem genannten Beispieltitel kam ich so nah an das Lautsprecherergebnis heran, dass ich dem Phonitor in puncto Panning vertraue. Damit ist ein wesentlicher Nachteil von Kopfhörermischungen eliminiert.
Übrigens: Nach meiner Erfahrung funktioniert die einmal gefundene persönliche Idealeinstellung beim Phonitor auf allen Kopfhörern. In meinem Fall war es letztendlich die im Handbuch empfohlene Default-Einstellung: ein Speaker Angle von 30 Grad, Crossfeed 3 und eine Center-Absenkung von 1,2 dB. Hätte ich doch bloß zuerst das Handbuch gelesen und dann herumprobiert …Ob die Abstimmung von Bässen, Mitten und Höhen in Ordnung ist, hängt wesentlich davon ab, wie gut der eingesetzte Kopfhörer diese Bereiche wiedergibt und wie gut man ihn kennt.
Zwei Unterschiede zur Lautsprecherwiedergabe bleiben jedoch bestehen: die Distanz und die körperliche Schallwahrnehmung. Die Tatsache, dass beim Kopfhörer das Schallereignis nur wenige Millimeter vom Ohr entfernt stattfindet, während das Lautsprechersignal anderthalb Meter Luft bis zu meinem Trommelfell zu überwinden hat, irritiert mich nach wie vor. Diesen Unterschied kann auch der Phonitor nicht wettmachen. Die Wahrnehmung von Bässen über Lautsprecher ist ein Zusammenspiel von Hören und Fühlen, dieses Duett kann ein Kopfhörer nicht liefern – auch dann nicht, wenn er vom Phonitor getrieben wird.
Die abschließende Beurteilung des Phonitor fällt mir nicht leicht. Auf der Habenseite stehen zunächst das sehr ausgewogene und bis zu hohen Pegeln stabile Klangbild und eine exzellente Klangqualität. Und natürlich der Clou des Phonitor: die Simulation einer lautsprecherähnlichen räumlichen Abbildung des Stereofeldes. Dazu gesellen sich Sekundärtugenden wie eine gute Verarbeitung aller Schalter und Drehregler, eine gut geschriebene Anleitung und so weiter. Das einzige Manko ist nach meiner Ansicht der Preis. Für 1600 Euro gibt es schon wirklich akzeptable Lautsprecher oder ein wenig Raumakustik, mit der man die persönlichen Abhörbedingungen verbessern kann. Nach meiner Auffassung ist der Phonitor nicht die richtige Lösung, wenn man entweder schlechte Lautsprecher verwendet oder in einem Raum arbeitet, den man akustisch verbessern kann. Mit ihm kommt man dem Lautsprechererlebnis zwar näher als mit normalen Kopfhörerverstärkern, ein gutes Paar Boxen in einem halbwegs funktionierenden Raum ersetzt er aber nicht.
So richtet sich das Produkt primär an Leute, die aus anderen Gründen gezwungen sind, unter akustisch schlechten Bedingungen mit einem Kopfhörer zu arbeiten. Oder an solche, die auch beim Kopfhörermix keine Kompromisse eingehen wollen, etwa beim Mastering. Für beide Anwendergruppen ist er ein hervorragendes Gerät. Sicherlich muss man auch berücksichtigen, dass kompromisslose High-End-Technik häufig unter einem schwierigen Preis-Leistungs-Verhältnis leidet: Das letzte Quäntchen mehr Qualität ist oft mit einer Vervielfachung des Preises verbunden. So ganz möchte ich das für den Phonitor jedoch nicht gelten lassen, denn der Klang des Kopfhörerverstärkers ist nicht besser als der des ebenfalls recht teuren Gerätes von Lake People. Die wichtigste Erkenntnis für mich ist, dass die Lautsprechersimulation zwar sehr gut ist, aber eben kein vollwertiger Ersatz für Boxen, da der Distanzeindruck und das Fühlen von Bässen fehlen. So hinterlässt der Phonitor bei mir einen zwiespältigen Eindruck: Ein tolles innovatives Produkt, das meines Wissens keinen Konkurrenten hat, aber einen schwierigen Preis mit sich bringt.
Unser Fazit:
3,5 / 5
Pro
Simulation eines Lautsprecher-ähnlichen Hörerlebnisses
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