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Synthesizer Basics Workshop: Subtraktive Synthese und deren Funktion

Oszillator, Voltage Controlled Filter, Envelope Generator, LFO… Nie gehört? Macht nichts! In diesem Artikel erklären wir euch, wie ein Synthesizer aufgebaut ist und Töne erzeugt. So könnt ihr dann die Praxis-Folgen unseres Workshops durchgehen, ohne dabei von allzu viel Theorie erschlagen zu werden. Wenn ihr Hintergründe zu einem speziellen Thema sucht, schaut ihr einfach hier nach.

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Ein Synthesizer erzeugt einen Klang mit elektronischen Bauteilen – früher analog, heutzutage meist digital, per digitaler Simulation analoger Schaltungen oder gleich auf Software-Basis. Doch was charakterisiert eigentlich einen Klang? Drei Komponenten liegen jedem Klangereignis zu Grunde: Die Lautstärke, die Tonhöhe und die Klangfarbe. Die Lautstärke erklärt sich von selbst. Die Tonhöhe eigentlich auch – sie bezeichnet die Frequenz der Schwingung. Interessant wird es bei der Klangfarbe. Ein Grund, weshalb wir den Klang verschiedener Instrumente wie Trompete, Violine oder Flöte sofort voneinander unterscheiden können, ist die unterschiedliche Obertonstruktur der Klänge – ihre Klangfarbe. Um verschiedene, unterscheidbare Sounds erzeugen zu können, muss ein Synthesizer also Einstellmöglichkeiten für alle drei dieser Komponenten haben. Und ein wichtiger Faktor kommt noch hinzu: Die Zeit. Tonhöhe, Lautstärke und Klangfarbe bleiben nämlich selten im Zeitverlauf konstant. Ein auf dem Klavier angeschlagener Ton klingt langsam aus, ein Cellist kann stufenlos von einem Ton zum nächsten “rutschen” und ein Trompeter kann die Klangfarbe seines Instruments mit dem Anblasdruck radikal verändern, und zwar auch während er einen Ton hält. Um lebendige Sounds zu erzeugen, braucht ein Synthesizer also auch die Fähigkeit, die drei Grundkomponenten im Zeitverlauf zu verändern. Die Bausteine mit den erstmal kryptischen Abkürzungen erfüllen jeweils einen ganz bestimmten Zweck, um diese verschiedenen Facetten eines Klangs zu formen.  

Subtraktive Synthese

Am Anfang steht jedoch eine einfache Schwingung, sozusagen das Ausgangsmaterial. Und hier sind wir bei der ominösen “subtraktiven Synthese” angekommen. Dieses Syntheseprinzip war eines der ersten, die zu Beginn der Synthesizerära entwickelt wurden, und noch heute arbeiten die allermeisten Synths auf diese Weise. Es beginnt mit einem Oszillator; einer elektronischen Schaltung, die eine elektrische Schwingung erzeugt. Gibt man diese über Lautsprecher aus, wird sie hörbar. Da analoge Oszillatoren mit vertretbarem Aufwand nur eine Reihe von einfachen Schwingungsformen – auch Wellenformen genannt – produzieren können, wird noch ein Bauteil benötigt, das die Veränderung der Obertonstruktur, also der Klangfarbe, ermöglicht. Diesen Job übernimmt bei einem subtraktiven Synthesizer das Filter. Dahinter verbirgt sich eine Schaltung, die bestimmte Frequenzen aus dem Klang entfernt, also herausfiltert. Und damit wird auch klar, warum man von subtraktiver Synthese spricht: Aus einer relativ obertonreichen Schwingung werden nachträglich Frequenzen entfernt – die Obertöne werden also subtrahiert. So können die unterschiedlichsten Klangfarben entstehen.  

Fotostrecke: 7 Bilder Einige Beispiele für subtraktive Synthesizer aus 5 Jahrzehnten: Moog Prodigy

Die subtraktive Synthese ist bei weitem nicht das einzige Syntheseverfahren. Es wurden auch verschiedene andere Technologien entwickelt, allen voran die additive Synthese, die – richtig – durch Addition bzw. Überlagerung bestimmter Schwingungen zum gewünschten Ergebnis führt, was in etwa dem Funktionsprinzip einer Orgel entspricht, und die FM-Synthese (Frequenzmodulation) des 80er-Jahre-Bestsellers Yamaha DX7 – von der selbst zu ihrer Blütezeit maximal zehn Leute auf der Welt wussten, wie man sie eigentlich genau programmiert. Hinzu kommen allerhand exotische Syntheseverfahren, die meist Nischenprodukte blieben. In diesem Workshop wollen wir uns aber zunächst nur mit der subtraktiven Synthese befassen, denn diese ist nach wie vor das am weitesten verbreitete Prinzip (und nebenbei das einfachste).

Fotostrecke: 2 Bilder Der Yamaha DX7 von 1983 revolutionierte die Synthesizerwelt. Trotzdem konnte seine FM-Klangerzeugung die subtraktive Synthese nicht verdrängen. (Bild zur Verfügung gestellt von Yamaha)
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Oszillatoren

Ein Oszillator ist eine elektronische Schaltung, die eine elektrische Schwingung mit einer bestimmten Frequenz erzeugt. Wandelt man die Schwingung über Lautsprecher in Schallwellen um, wird sie hörbar. Der Oszillator steht ganz am Anfang der Signalkette und liefert das Ausgangsmaterial zum Sounds bauen. Bei analogen Synthesizern wird die Frequenz der Oszillatoren mit einer Steuerspannung geregelt, daher sind die Oszillatoren solcher Geräte oft mit VCO (Voltage Controlled Oscillator) bezeichnet. Diese Steuerspannung wird im einfachsten Fall von der Tastatur bestimmt (verschiedene Tasten ⇒ verschiedene Spannungen ⇒ verschiedene Oszillatorfrequenzen ⇒ verschiedene Töne), kann aber auch von den anderen Bausteinen des Synths moduliert werden. Zum Beispiel lässt sich mit einer Hüllkurve ein fließender Verlauf der Steuerspannung erzeugen, sodass sich die Tonhöhe während eines Tons verändert. Da analoge Oszillatoren vor allem zu Beginn der Synthesizerära nicht besonders stimmstabil waren (man musste den Synth wie eine Gitarre immer wieder nachstimmen), wurden später Verfahren entwickelt, um den Oszillator digital zu “überwachen”. Ein solcher Oszillator heißt oft DCO (Digitally Controlled Oscillator). In der Bedienung und Programmierung ergeben sich dadurch aber in der Regel keine Unterschiede.
Ein Synthesizer kann einen oder mehrere Oszillatoren haben, üblich sind bis zu vier. Bei polyphonen Synths, also solchen, die mehr als einen Ton gleichzeitig erzeugen können, spricht man oft von der Anzahl der Oszillatoren “pro Stimme”. Das hat seinen Ursprung darin, dass bei analogen polyphonen Synths die entsprechenden Schaltkreise tatsächlich mehrfach vorhanden sind – für jede Stimme einmal. Bei einem zwölfstimmigen Analogsynth mit drei Oszillatoren pro Stimme sind also insgesamt sechsunddreißig einzelne Oszillatorschaltungen auf den Platinen verlötet, von denen jede wiederum aus etlichen Bauteilen besteht. Führt man sich den technischen Aufwand vor Augen, um einen polyphonen Synthesizer mit acht oder mehr Stimmen komplett in analoger Technik aufzubauen, wird schnell deutlich, warum solche Geräte seinerzeit nicht nur sehr groß, sondern auch beinahe unerschwinglich waren und nicht wenige Synthesizerhersteller in den Ruin trieben.

Fotostrecke: 5 Bilder Einige Beispiele für die imposanten polyphonen Synthesizer auf dem Höhepunkt der Analogära: Yamaha CS-80 (Bild zur Verfügung gestellt von Yamaha)

Mit vertretbarem Aufwand können analoge Oszillatoren nur eine Reihe von einfachen Basiswellenformen erzeugen, die für den klassischen Synthesizersound verantwortlich sind und noch heute in beinahe jedem Synth zu finden sind. Für die weitere Klangformung ist dann das Filter zuständig. Die wichtigsten Wellenformen sind Sägezahn, Rechteck, Dreieck und Sinus. Sie haben sehr unterschiedliche Obertonstrukturen und Klangcharakteristiken, sodass man schon mit diesen wenigen Wellenformen sehr abwechslungsreiche Sounds erzeugen kann.  

Fotostrecke: 3 Bilder Sägezahnschwingung

Die Sägezahnschwingung (Saw) hat viele Obertöne und klingt hell und schneidend:

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Sägezahnschwingung

 Die Dreieckwelle (Triangle) besitzt deutlich weniger Obertöne und klingt dumpfer:

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Dreieckschwingung

Die Sinuswelle (Sine) hat theoretisch überhaupt keine Obertöne, wobei kaum ein analoger Synth einen lupenreinen Sinus erzeugt. Viele frühe Synthesizer haben die Sinusschwingung gar nicht erst mit an Bord. Wegen des Mangels an Obertönen eignet sie sich nicht gut für die subtraktive Synthese (ihr erinnert euch: das Verfahren beruht auf dem Entfernen von Obertönen) und erfüllt eher die Funktion, Klängen eine solide Basis zu verschaffen. Sie klingt sehr dumpf:

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Sinusschwingung
Rechteckschwingung
Rechteckschwingung

Die Rechteckwelle (Square) ist hingegen bei fast allen Synthesizern zu finden. Sie hat viele Obertöne, klingt aber hohler und „plastikmäßiger“ als der Sägezahn:

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Rechteckschwingung

Die Rechteckwelle ist symmetrisch, das heißt, dass die positiven und negativen Abschnitte der Schwingung gleich lang sind. Es gibt aber auch viele Synths, bei denen man die Pulsbreite oder Pulsweite (Pulse Width / PW) einstellen und dynamisch modulieren kann – das heißt dann Pulse Width Modulation (PWM). Beim u-he Tyrell N6, den wir für diesen Workshop benutzen, ist die Modulation der Pulsbreite ebenfalls möglich. Im folgenden Video wird auf einem Oszilloskop sichtbar, wie sich bei der Pulsbreitenmodulation das Verhältnis von positiven und negativen Phasen der Schwingung verschiebt. Außerdem ist gut zu sehen, dass die Wellenform in der Praxis durchaus etwas vom Ideal wie in der letzten Grafik abweichen kann. Solche Abweichungen machen einen Synthesizer aber nicht schlechter, sondern verleihen ihm Charakter.

Jede einzelne dieser unzähligen Abstufungen kann als Basis für einen Sound genutzt werden, die Möglichkeiten sind also fast unbegrenzt.
Vor allem bei modernen Synths gibt es Oszillatoren, die noch viel mehr und komplexere Wellenformen erzeugen können. Das ist von Gerät zu Gerät sehr verschieden. Eine häufige Sonderform ist der Sample-Oszillator, wie er in sample-basierten Synths wie den meisten Workstations zum Einsatz kommt. Er erzeugt keine klassische Basis-Wellenform, sondern spielt ein zuvor aufgezeichnetes Sample mit der vorgegebenen Tonhöhe ab. So wurde es gegen Ende der 80er-Jahre möglich, akustische Instrumentenklänge einigermaßen “realistisch” nachzubilden.

Suboszillatoren

Zusätzlich zu den “normalen” Oszillatoren haben viele Synthesizer einen sogenannten Suboszillator. Dieser hat meist weniger Wellenformen und Einstellmöglichkeiten (viele Synths bieten hier nur eine oder zwei umschaltbare Wellenformen) und klingt eine oder zwei Oktaven unter dem “echten” Oszillator, an dessen Tonhöhe er gekoppelt ist. Vor allem bei alten Synths haben Suboszillatoren wegen ihrer starren Kopplung an einen “normalen” Oszillator oft keinen vollwertigen “Oszillator-Status”, sondern lassen sich einfach nur zuschalten. Bei modernen Geräten bieten auch die Suboszillatoren mehr Möglichkeiten. Noch immer eignen sie sich aber in erster Linie, um Sounds zusätzlich anzudicken. Vor allem bei Bässen kommt der Sub natürlich wie gerufen.

Oscillator Sync

Synthesizer mit mehreren Oszillatoren bieten oft die Möglichkeit, diese zu synchronisieren. Dabei wird einer der Oszillatoren an den Anfang seiner Schwingung zurück “gezwungen”, wenn auch der andere Oszillator seine Wellenform neu beginnt. Wenn die beiden Oszillatoren unterschiedliche Frequenzen haben, kann das recht drastische Effekte zur Folge haben. Oscillator Sync eignet sich besonders gut für schneidende, aggressive Sounds, kann aber eine Vielzahl überraschender Klänge liefern.

Prinzip der Oszillator-Synchronisation
Prinzip der Oszillator-Synchronisation

Beim u-he Tyrell N6 verbirgt sich dieses Feature hinter dem Regler SOFTSYNC in der OSC MOD-Sektion. Dreht man ihn ganz auf, wird der zweite Oszillator hart zum ersten synchronisiert. Wenn man dann mit TUNE2 an der Frequenz von OSC2 dreht, klingt das so (in diesem Beispiel liefern beide Oszillatoren Sägezahnwellen):

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Oszillator-Synchronisation (2 Sägezahnwellen)

Dreht man zu Anschauungszwecken den ersten Oszillator (also den nicht gesyncten) aus dem Mix heraus und macht nur die synchronisierte Wellenform des zweiten Oszillators auf einem Oszilloskop sichtbar, sieht das so aus wie in diesem Video. Es ist deutlich zu sehen, wie durch die Synchronisation zusätzliche „Zacken“ in der Wellenform entstehen, die dem Klang ein anderes Obertonspektrum verleihen.

Oscillator Sync ist eine weitere Möglichkeit, aus den wenigen Ausgangswellenformen sehr vielseitige Klänge zu formen.

Rauschgenerator

Viele Synthesizer haben neben den Oszillatoren noch eine weitere Klangquelle: einen Rauschgenerator, der Rauschen erzeugt. Dieses lässt sich mit den Signalen der Oszillatoren mischen oder stattdessen verwenden. Rauschen eignet sich vor allem zur Erzeugung von perkussiven Klängen wie Schlagzeug (die meisten analogen Drummachines basieren zumindest teilweise auf Rauschgeneratoren) oder Effektsounds. Manche Synths – darunter der Tyrell – bieten noch die Möglichkeit, die “Farbe” des Rauschens einzustellen. “White Noise” und “Pink Noise” sind die Rauschfarben, denen man bei Synthesizern am häufigsten begegnet. In die Physik hinter diesen verschiedenen Farben möchte ich hier nicht einsteigen – nur soviel: Weißes Rauschen beinhaltet theoretisch alle Frequenzen in der gleichen Stärke, während Rosa Rauschen mehr tiefe Frequenzen enthält und dumpfer und gedeckter klingt. Beim Tyrell lässt sich das sogar stufenlos überblenden.

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Filter

Nach den Oszillatoren folgt in der Signalkette eines subtraktiven Synths zumeist ein Mixer, der die Signale der Oszillatoren, des Rauschgenerators und ggf. weiterer Klangquellen zusammenmischt und an ein oder mehrere Filter weiterleitet. Einige Synths erlauben hier sehr flexible Verschaltungen, so ist es bei vielen Geräten möglich, das Signal von Oszillator 1 durch Filter 1 zu schicken, während das Signal von OSC 2 ein zweites, unabhängiges Filter durchläuft. Die endgültige Mischung der Signale erfolgt dann erst nach den Filtern. Am wenigsten festgelegt ist man bei vollständig modular aufgebauten Synthesizern, bei denen man die gesamte Verschaltung händisch oder virtuell mit Patchkabeln vornimmt und daher völlig frei bestimmen kann.  

Bei analogen Modularsystemen werden die Komponenten frei miteinander verbunden (Foto: Chris Adam)
Bei analogen Modularsystemen werden die Komponenten frei miteinander verbunden (Foto: Chris Adam)

Beim u-he Tyrell N6 und vielen anderen Synths müssen wir uns mit einem Filter begnügen, was aber nicht weiter schlimm ist, denn auch damit kann man allerhand anstellen.
Ein Filter ist eine elektronische Schaltung (oder deren Software-Emulation), die bestimmte Frequenzen aus dem Klang entfernt. So erhält man die Möglichkeit, aus den simplen Schwingungen der Oszillatoren viele verschiedene Klangfarben zu erzeugen. Das Filter ist mindestens genauso stark für den charakteristischen Sound eines Synthesizers verantwortlich wie die Oszillatoren selbst. Einige Designs für Filterschaltungen aus der Analogära wurden selbst zu Legenden und werden noch heute gebaut, kopiert und imitiert – allen voran das klassische “Moog-Ladder-Filter”, dessen Sound viele noch immer für unerreicht halten.
Der Filtertyp, der bei Synthesizern mit Abstand am häufigsten verwendet wird, ist das Tiefpassfilter (Lowpass / LP). Dieses lässt alle Frequenzen unterhalb einer einstellbaren Grenzfrequenz (Cutoff) ungehindert passieren und filtert die Frequenzen darüber heraus. Andere Filtertypen sind Hochpass (Highpass / HP), Bandpass (Bandpass / BP) und das Kerbfilter (Band Reject / BR / Notch). Das Bandpassfilter lässt nur die Frequenzen innerhalb eines bestimmten Bereichs passieren und ähnelt damit einem Wah-Wah-Pedal, während das Band-Reject-Filter nur einen bestimmten Bereich herausfiltert. Viele Synthesizer haben sogenannte Multimode-Filter, die sich zwischen verschiedenen Filtertypen umschalten lassen. Auch der Tyrell besitzt ein Multimode-Filter mit den Typen Tiefpass, Hochpass und Bandpass, wobei man hier zwischen Tiefpass und Hochpass überblenden kann, was interessante Möglichkeiten eröffnet.
Im folgenden Video seht ihr anhand eines Frequenzanalysetools, wie sich die Filtertypen Lowpass und Highpass auf das Frequenzspektrum einer Sägezahnwelle auswirken, wenn man am Cutoff-Regler dreht.

Flankensteilheit

Übrigens schafft es kein analoges Filter, die Frequenzen absolut exakt an der Cutoff-Frequenz zu teilen, und das würde auch komisch klingen. Es entsteht immer eine gewisse Kurve im Frequenzspektrum. Beim Tyrell (und bei vielen anderen Synths) lässt sich aber einstellen, wie steil diese verlaufen soll. Das ist die sogenannte “Flankensteilheit” des Filters – was für ein schönes Wort! Sie wird in dB pro Oktave angegeben, also wieviel Absenkung des Pegels das Filter im Frequenzbereich von einer Oktave schafft. Beim Tyrell stehen die Flankensteilheiten 12 db/Oct, 24 db/Oct und 36 dB/Oct zur Verfügung und lassen sich per Klick auf VCF POLES umschalten. Stellt das Tyrell-Filter einmal auf die verschiedenen Flankensteilheiten ein und experimentiert ein bisschen. Im folgenden Video seht und hört ihr, wie sich die verschiedenen Einstellungen auswirken. Das Filter ist zunächst auf 12 dB/Oct, dann auf 24 dB/Oct und schließlich auf 36 db/Oct eingestellt. Im Frequenzanalysetool ist gut zu sehen, wie die Kurve jedes Mal ein bisschen steiler wird. 

Der klangliche Unterschied ist ebenfalls zu hören. Bei 36 dB/Oct ist das Filter “zupackender” als bei 12 dB/Oct. Diese Einstellung ist deshalb prädestiniert für schärfere, schneidendere Sounds. Sanfte, warme Flächensounds klingen dagegen wahrscheinlich mit einer Flankensteilheit von 12 db/Oct besser. Übrigens ist 36 dB/Oct eine sehr hohe Flankensteilheit, die kaum ein echter analoger Synth schafft. Die großen Klassiker der Analogära hatten meist Filter mit maximal 18-24 dB/Oct – daher ist dies die Standardeinstellung für die meisten klassischen Synth-Sounds.

Resonanz

Der zweitwichtigste Regler der Filtersektion liegt bei fast allen Synthesizern gleich neben dem Cutoff und heißt Resonance. Einige Hersteller benutzen andere Bezeichnungen, so heißt die Filterresonanz bei Moog traditionell Emphasis und bei Korg Peak. Dreht man sie auf, so wird die Cutoff-Frequenz betont und tritt im Klang stärker hervor. Bei guten Filtern geht das so weit, dass das Filter bei voll aufgedrehter Resonanz selbst zu schwingen beginnt und man mit der Cutoff-Frequenz Melodien spielen kann. Dieses Phänomen nennt sich Selbstoszillation. Je mehr Resonanz man hineindreht, desto schärfer und schneidender wird der Sound. Im nächsten Video wird die Resonanz in einem Frequenzanalysetool sichtbar. Bei der ersten Filterfahrt ist gar keine Resonanz eingestellt, dann etwa 50% und schließlich 100%. Der Unterschied ist nicht zu übersehen – und nicht zu überhören.

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Envelopes

Eine Hüllkurve, auch Envelope, EG (Envelope Generator) oder Moog-typisch Contour genannt, ermöglicht die Veränderung von Klangparametern im Zeitverlauf. So lassen sich zum Beispiel langsam anschwellende Klänge realisieren. So gut wie jeder Synthesizer hat mindestens eine Hüllkurve; oftmals gibt es mehrere, die mehr oder weniger flexibel zur Steuerung verschiedener Teile des Synths eingesetzt werden können.
Die drei klassischen Einsatzgebiete für Hüllkurven sind Tonhöhe (Pitch), Lautstärke (Amp) und Filter-Cutoff (also nicht ganz zufällig die drei eingangs erwähnten Komponenten eines Klangs). Manche Synths haben zu diesem Zweck drei eigenständige Envelopes, die fest mit diesen drei Parametern verbunden sind. Viele Geräte ermöglichen aber darüber hinaus eine flexible Zuweisung zu weiteren Parametern. Verfügt der Synth über eine gut ausgestattete Modulationsmatrix, kann man zum Beispiel auch Oszillator-Pulsbreite oder LFO-Rate und -Depth per Hüllkurve steuern. Das ermöglicht dynamische Klangverläufe. Beim u-he Tyrell N6 können die Hüllkurven als Modulationsquellen für fast alles dienen.
Die beiden Hüllkurven des Tyrell (ENV1 und ENV2) sind nach dem klassischen ADSR-Prinzip aufgebaut. Das steht für Attack-Decay-Sustain-Release und ist noch heute die häufigste Bauform. Die folgende Grafik veranschaulicht die vier Phasen einer ADSR-Envelope.

Die vier Phasen einer ADSR-Hüllkurve
Die vier Phasen einer ADSR-Hüllkurve

Die Attack-Zeit bestimmt, wie lange die Envelope nach dem Anschlag einer Taste braucht, um ihren maximalen Wert zu erreichen. Bei einer Amp- bzw. VCA-Hüllkurve wird also mit der Attack-Zeit kontrolliert, wie schnell die Lautstärke anschwillt; bei einer Filter-Envelope hingegen, wie schnell der maximale Cutoff-Wert erreicht wird. Danach folgt die Decay-Phase, in der das Level der Hüllkurve auf den Wert absinkt, der mit dem Sustain-Regler eingestellt wurde. Das Sustain wird gehalten, bis die Taste losgelassen wird. Danach folgt die Release-Phase, in der die Hüllkurve auf Null absinkt. Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass Attack, Decay und Release Zeiten angeben, während Sustain ein Level ist, also eine Lautstärke, ein Cutoff-Wert, eine Tonhöhe oder dergleichen – je nachdem, was man mit der Hüllkurve steuert.
Natürlich gibt es auch andere Envelope-Bauformen als ADSR. Die klassischen Moog-Synthesizer kamen mit drei Reglern aus, wobei Decay und Release sich den Knopf teilten. Vor allem bei modernen Synthesizern werden die Hüllkurven zunehmend flexibler und bieten mehr Phasen. Bei einigen Software-Synths geht das so weit, dass man die Envelopes mit der Maus frei zeichnen kann. Allerdings ist das ADSR-Prinzip immer noch ungeschlagen einfach in der Handhabung und wird uns deshalb noch eine Weile begleiten.

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LFOs

Neben den Hüllkurven haben fast alle Synthesizer noch eine weitere Möglichkeit, den Klängen Leben einzuhauchen. Mindestens einen LFO hat so gut wie jeder Synth an Bord, bei besser ausgestatteten Geräten sind es schon mal drei oder vier. Ein LFO (Low Frequency Oscillator, bei manchen Synths z.B. auch Mod Osc o.ä.) ist ein vergleichsweise langsam schwingender Oszillator. Seine Frequenz (Rate) liegt in der Regel unterhalb des hörbaren Bereichs, der bei etwa 20 Hz beginnt. Es gibt aber auch LFOs, deren Frequenzbereich deutlich in die hörbaren Sphären hinein reicht, was zu sehr interessanten Klängen führen kann.

Die beiden LFOs des Tyrell
Die beiden LFOs des Tyrell

Anders als die VCOs dient der LFO nicht dazu, Klänge zu erzeugen. Stattdessen kann man ihn – ähnlich wie die Envelopes – nutzen, um verschiedene Parameter des Synths zu modulieren. Im Gegensatz zu den Hüllkurven bietet der LFO die Möglichkeit einer zyklischen, also wiederkehrenden Modulation. Wird der LFO zum Beispiel eingesetzt, um die Tonhöhe zu verändern, erhält man einen Vibrato-Effekt. Mit einem LFO, der die Lautstärke moduliert, lässt sich ein Tremolo erzeugen. Und auch der Filter-Cutoff kann bei den allermeisten Synths vom LFO beeinflusst werden. Je nachdem, wie flexibel die Modulationsmatrix des Synths aufgebaut ist, kann es auch möglich sein, noch ganz andere Dinge per LFO zu modulieren, wie beispielsweise die Pulsbreite. Hier sind die Möglichkeiten je nach Gerät sehr verschieden.
So hört es sich an, wenn die Tonhöhe, das Filter oder die Lautstärke per LFO moduliert werden. Die LFO-Depth (Modulationstiefe) wird jeweils langsam erhöht.

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Pitch-Modulation per LFO mit Dreieckwelle Cutoff-Modulation per LFO mit abfallender Sägezahnwelle VCA-Modulation per LFO mit Rechteckwelle

Auch die LFOs selbst sind von Gerät zu Gerät unterschiedlich ausgestattet. Das beginnt bei den verfügbaren Wellenformen. Während die LFOs vieler Synthesizer nur ein paar Standard-Wellenformen wie Sinus, Dreieck oder Rechteck bieten, gibt es auch Geräte, deren LFOs etliche verschiedene Schwingungen erzeugen können. Oftmals ist auch eine zufällig erzeugte Schwingung dabei (Random). Bei vielen Synthesizern lässt sich mit einem Delay-Parameter eine Einsatzverzögerung des LFOs einstellen. Auch kann man meist wählen, ob der LFO frei laufen oder bei jeder Note neu getriggert werden soll (Retrigger, Key Sync o.ä.). Moderne Hardware- und Software-Synthesizer ermöglichen es häufig, die Frequenz des LFOs zu einem MIDI-Clock-Signal zu synchronisieren, was temposynchrone Modulationen erlaubt.

Modulationsmatrix

Bei den oft kleiderschrankgroßen analogen Modularsystemen wird nicht nur der Audio-Signalfluss von einem Baustein des Synths zum nächsten per Patchkabel realisiert, sondern auch die Verteilung von Steuerspannungen. Somit ist es möglich, sehr frei zu bestimmen, was innerhalb des Synths von wo aus gesteuert werden soll. Bei kompakten Synthesizern sind viele Modulationsroutings fest verdrahtet, wodurch die Möglichkeiten unflexibler sind. Schon in der Analogära gab es aber auch Mischformen wie den Korg MS20, bei dem man die fest verbundenen Routings per Patchkabel “überschreiben” konnte.
Noch heute führt uns die Frage “Was kann ich womit steuern?” zu einem der wesentlichsten Unterschiede zwischen verschiedenen Synthesizern. Einfache Geräte bieten nur wenige, voreingestellte Modulationsmöglichkeiten, während andere sehr flexible Verschaltungen ermöglichen. Viele heutige Synths haben zu diesem Zweck eine sogenannte Modulationsmatrix, die eine mehr oder weniger freie Verknüpfung von Modulationsquellen (Envelopes, LFOs, Modulationsrad, Expressionpedal, Aftertouch etc.) mit Modulationszielen (Pitch, Amp, Cutoff und je nach Synth diverse andere Parameter) erlaubt. Auch der Tyrell bietet eine recht gut ausgestattete Modulationsmatrix, mit der man alle wesentlichen Parameter des Synths von vielen Quellen aus steuern kann.

Die Modulationsmatrix des Tyrell
Die Modulationsmatrix des Tyrell

Wie die Matrix im Einzelnen aufgebaut ist, ist von Instrument zu Instrument verschieden. Einige Synths haben eine gesonderte Matrix-Sektion, innerhalb derer alle Modulationseinstellungen gebündelt vorgenommen werden. Üblicher ist jedoch, dass direkt bei einem steuerbaren Parameter ausgewählt wird, welche Modulationsquelle wie stark zum Einsatz kommen soll. Beim Tyrell haben wir es mit einer Mischform zu tun: Bei Parametern wie Filter-Cutoff, Oszillator-Tuning, Pulsbreite, LFO-Rate und -Depth lassen sich Modulationen direkt definieren. Zusätzlich steht eine Matrix mit zwei Slots zur Verfügung, über die man weitere Modulationen realisieren kann.

Zum Schluss

Wenn ihr bis hierher durchgehalten habt, solltet ihr jetzt ein solides Grundverständnis der einzelnen Bausteine eines typischen Synthesizers haben. In den Praxis-Folgen dieses Workshops könnt ihr nun selbst Hand anlegen.
Natürlich gibt es Instrumente mit noch wesentlich komplexeren Möglichkeiten, die hier den Rahmen sprengen würden. Zum Glück geht die Entwicklung ja immer weiter. Zum Beispiel bieten einige Synthesizer spezielle Filtertypen wie Kamm- oder Formantfilter oder sind mit Ring- oder Crossmodulatoren ausgestattet. Die Hersteller haben sich im Laufe der Jahrzehnte allerhand einfallen lassen, um aus den simplen Wellenformen komplexe Klanggebilde herauszuholen. Viele dieser Features sind aber nicht sehr verbreitet und auf wenige, spezielle Geräte beschränkt, weswegen ich sie hier weglasse. Schließlich wollen wir uns auch nicht zu lange mit der Theorie aufhalten, sondern hauptsächlich Sounds programmieren! Wenn ihr nicht gerade vor einem analogen Modularsystem sitzt, könnt ihr beim Ausprobieren auch nichts kaputt machen – also: Ran an die Knöpfe!

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Profilbild von gaswerk-music

gaswerk-music sagt:

#1 - 09.02.2013 um 21:20 Uhr

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Sehr gut geschrieben und auch optisch bzw. akustisch ansprechend gestaltet.
Bin zwar kein "Neuling" mehr. Zur Auffrischung da und dort, schadet es nicht, alles zu lesen und Einiges davon neben dem Tyrell auch an interessanten Plug-ins wie dem Synth1, dem Sonigen Modular oder dem Blaukraut Charlatan zu exerzieren.

    Profilbild von wontus

    wontus sagt:

    #1.1 - 02.12.2017 um 01:11 Uhr

    0

    Hast Du jemals einen KORG gespielt?
    Egal welchen, wirst Du nie im Leben vergessen!
    Es sei denn, du hast einmal eine Kirchenorrgel probiert!!

    Antwort auf #1 von gaswerk-music

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