“Was nichts kostet, taugt nichts”, hört man oft. Was im Zusammenhang mit Mikrofonen vor wenigen Jahren noch Gültigkeit hatte, stimmt so nicht mehr. Für wenig Geld erhält man heutzutage Schallwandler ordentlicher Qualität. Allerdings haben unsere bisherigen Tests gezeigt, dass man durchaus Pech haben kann, wenn man blind (besser: “taub”) ein preiswertes Mikrofon kauft. Liest man Kundenrezensionen über t.bone-Mikrofone, scheinen viele damit zufrieden zu sein, doch sind es häufig “Erstkäufer”, die ihr Statement möglicherweise aufgrund des Kondensator-Wandlerprinzips abgeben, denn gegenüber des dynamischen Prinzips gewinnt zumindest bei Gesang fast jedes Kondenser bei vielen Parametern. Es ist für bonedo also an der Zeit, ein derartiges Mikrofon bezüglich Verarbeitung, Handling und Sound zu analysieren.
Ein umschaltbares Doppelmembran-Kondensatormikrofon für weniger als 150 Euro Straßenpreis lässt aufhorchen. Ohne Witz: Bei manchen Herstellern erhält man zu diesem Preis nicht einmal die Mikrofonspinne! Ob nun mit diesem Preis endgültig die Quadratur des Kreises versucht (also auch nicht erreicht) wird, oder ob das SC1100 ein ernstzunehmendes Werkzeug ist, klärt dieser Test.
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Details
In einem kleinen Aluminium-Köfferchen findet man zusätzlich zur gerade genannten Mikrofonspinne ein passendes Mikrofon. Wie nett! Außerdem liegen der Metallaufhängung zwei Ersatzgummis bei, was man übrigens zur Pflicht machen sollte, wie ich finde. Das t.bone SC1100 selbst ist nicht – wie man vielleicht aufgrund des Preises erwarten würde –aus Plastik, sondern von Korb bis Tubus aus Metall gefertigt. Hinter dem Gitter bewegen sich zwei dünne Häutchen im Rhythmus der Luftschwingung. Mit 1,07 Zoll Durchmesser sind die beiden Membrane recht groß, über die Dicke gibt es keine Angaben. Die beiden Membrane lassen sich wie üblich zur Kugel- oder Achtercharakteristik verschalten. Die vordere Membran im Alleinbetrieb liefert dank des Laufzeitgliedes die beliebte Nierencharakteristik mit ihrer Off-Axis bei 180° (also völliger Auslöschung rückwärtig eintreffender Signale). Die Seite der Hauptaufsprechrichtung (im Regelfall gekennzeichnet durch das Firmenlogo) ermöglicht mit einem Schalter die Auswahl der drei Richtwirkungen. Auf der Rückseite kann bei Bedarf ein Hochpassfilter zugeschaltet werden, um tieffrequente Signalanteile frühzeitig aus dem Signalweg zu schmeißen. Über eine Vordämpfung verfügt das t.bone nicht, so dass in jedem Fall bei 125 dB(SPL) 0,5% Verzerrung erreicht sind.
Mit einer Empfindlichkeit von 16 Millivolt pro Pascal kann das t.bone nicht sonderlich angeben, auch ein Rauschverhalten von etwas unter 20 dB(A) setzt keine neuen Maßstäbe in der Mikrofonwelt. Den Frequenzgang des Kondensers gibt der Hersteller mit 20 Hz bis 20 kHz an, ohne dabei die Toleranzen zu erwähnen (also um wie viel die Pegel an diesen Extremwerten geringer sind). Der Drang der Teilchen zur jeweils gegenpoligen Elektrode in der Doppelkapsel wird durch die standardisierte Phantomspeisung von 48 Volt erzeugt, wie sie mittlerweile mit jedem halbwegs tauglichen Vorverstärker, Mischpult und Audio-Interface erzeugt werden kann. Bezüglich dieser trockenen Daten weist das t.bone SC1100 demnach wie zu erwarten keinerlei Besonderheiten auf. Der nächste und sicherlich spannendere Schritt ist die Installation des Schallwandlers auf einem Mikrofonstativ und vor einer Schallquelle. Nun, wirklich große Erwartungen hat man an ein solches Mikrofon genauso wenig, wie man erwartet, dass ein 9,99-Euro-T-Shirt vom allgegenwärtigen schwedischen Jungmenschen-Ausstatter mit dem roten Schriftzug nach fünfmaligem Waschmaschinen- und Trockneraufenthalt noch über die ursprüngliche Farbe, Passform und Erkennbarkeit des Druckes verfügt. Dennoch darf man gespannt sein!
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Praxis
Auf Richtcharakteristik Niere gestellt, kann das preiswerte Werkzeug direkt verblüffen, denn offensichtlich muss man aufgrund des kleinen Wertes vor dem Eurozeichen keinen dumpfen, verwaschenen Sound in Kauf nehmen. Im Gegenteil: Das SC1100 ist erstaunlich spritzig und „kristallig“. Dies fällt vor allem bei scharfen Konsonanten wie dem “S” und dem “T” auf, aber auch Kombinationen wie “ks” (bei “makes” im Beispielfile). Es ist bei Mikrofonen nicht primär der Pegel, der über die Übertragungsqualität bei hohen Frequenzanteilen entscheidet, vielmehr ist hier die “Schnelligkeit” ausschlaggebend. Reine Pegelverhältnisse kann später zur Korrektur ein Equalizer verändern.
Die Tatsache, dass die kritischen Laute so hochwertig übertragen werden, lässt sowohl Rückschlüsse auf eine ordentlich gefertigte Membran und deren Einspannung zu, als auch auf keine sonderlich schlimmen Malträtierungen des Signals durch die nachfolgende Elektronik. Selbst tiefer liegende Geräuschanteile wie die Wesentlichen des “F” profitieren davon. Im Mix wird man möglicherweise wieder etwas von der Klarheit und Offenheit zurücknehmen wollen. Immerhin hat man die Wahl! Ein starke Färbung der Vokale wird man beim t.bone nicht erwarten – und erhält sie auch nicht. Auch aus diesem Grund ist das SC gut Freund mit einem vernünftigen Röhren-Preamp, der dann seinen dünnen Klangschleier über das Signal werfen darf – wer das nicht will, nimmt eben einen “braven” Amp. Glücklicherweise hält sich die Kompression des Mikrofons in Grenzen, erst bei recht hohen Schalldrücken beginnt sie nach und nach nicht einmal unangenehm einzusetzen. Die Toleranz gegenüber massiven Schallfronten der Popp-Konsonanten “P” und “B” ist angenehm, außer bei geringem Abstand und frontalem Aufsprechen ist daher ein Popp-Filter möglicherweise verzichtbar. Schlecht designte oder mangelhaft umgesetzte Hochpassfilter werden in Mikrofonen auch der unteren Preiskategorie immer seltener. So auch hier: Das Filter des “T-Knochens” arbeitet sauber und bringt das Pass-Band nicht durcheinander.
Im Kontrast zu einem guten dynamischen Mikrofon (hier: ein vor allem in den USA nicht selten im Studio für Gesang eingesetztes Gerät) wird die konstruktionsbedingt höhere Klarheit des SC1100 deutlich. Allerdings kann man die Eigenschaften des t.bone auch in ein anderes Licht setzen: Besonders im Vergleich mit einem hervorragenden deutschen Vintage-Mikrofon lässt sich der Charakter des chinesischen Mikros auch als etwas “fundamentlos”, da mit eher schwachen Mitten bedacht, deuten. Auch hier gilt also: Der Geschmack, das Anwendungsfeld und nicht zuletzt die primär aufgezeichnete Stimme oder das Instrument entscheiden über “passend” oder “unpassend” – technisch ist das SC mehr als nur tauglich!
Damen-Stimmen haben bekanntlich deutlich höhere Grundtöne als die der Männer. Um auch im unteren Frequenzband dem Mikrofon etwas zum Fraß vorwerfen zu können, hat bonedo-Autor und Gitarrist Bassel El Hallak sein Zwölfsaiten-Orchester zur Hand genommen. Hier zeigt sich, dass es auch im höheren Bassbereich eine Überhöhung gibt.
Audio
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12 Str. Niere12 Str. VergleichsmikroNylonsaitengitarre12 Str. Kugel12 Str. AchtVocals u0026 Guitar
Nun ist Linearität nicht für alle Mikrofone und Anwendungen ein Ideal, doch zeigt das SC1100 eine recht deutliche “Badewannen-Charakteristik”. Dieser HiFi-Sound mag auf den ersten Blick imposant erscheinen, doch hat er im Mix häufig den Griff zum Equalizer zur Folge. Für die solo gespielte Nylonsaiten-Gitarre hingegen ist das Mikrofon offensichtlich ein idealer Partner. Ob ein Einsteiger-Mikrofon nun unbedingt umschaltbare Richtcharakteristiken haben muss, oder ob das Geld statt in die zweite Kapsel und die Verschaltungselektronik lieber in etwas anderes investiert werden sollte, ist natürlich jedem zu entscheiden freigestellt. Ich kann dies pauschal nicht beantworten, bin aber eher der Meinung, dass für viele Einsteiger – die ja nun mal mit einem Kondenser im Budget-Bereich oftmals ihren “Erstkauf” tätigen – die Richtwirkung der Niere vorerst ausreichen sollte. Ich benutze zwar sehr gerne Achten für Vocals, manche Instrumente, an Amps und für verschiedene Stereofonie-Techniken, sehe es jedoch als begründet an, warum viele Hersteller teurerer Mikrofone zugunsten des Preises bei preiswerteren Ablegern im Regelfall zuerst auf die rückseitige Kapsel verzichten. Diese Argumentation aufrecht zu halten, fällt mir angesichts des SC1100 auch nicht sonderlich schwer, denn es zeigt sich, dass die beiden Charakteristiken, die das Signal der hinteren Nierenkapsel positiv oder negativ zu dem der vorderen (ergo zur Kugel oder zur Acht) hinzu mischen, klanglich gegen das reine Nierensignal der Hauptkapsel zurückfallen.
Besonders die Kugel klingt nach unangenehmen Phasenauslöschungen: Da ist ein dickes Loch im Frequenzgang, wo keines hingehört. Glücklicherweise wird diese Charakteristik generell recht selten eingesetzt – und wenn, dann meistens von Mikrofonen mit kleiner Membranfläche und dem Druckempfänger-Wandlerprinzip statt des hier verwendeten Druckgradientenempfänger-Prinzips. Immerhin: Die Acht klingt deutlich sauberer, aber längst nicht so knackig und voll, wie man es erwarten könnte. Auch hier macht sich eine Phasenverschiebung bemerkbar, die so sicher nicht im Sinne des Erfinders war. Es beruhigt mich aber zu wissen, dass die meisten User den Umschalter sicher sowieso auf Nierenposition “festlöten” werden. Überhaupt nicht festgelötet ist das Mikrofon auf dem Stativ dank seiner Spinne. Diese elastische Aufhängung erscheint ausreichend robust, verfügt über eine starke Vorspannung und – sehr wichtig – lässt sich vorzüglich auf- und abbauen und ausrichten. Insgesamt hätte ich ein solches Handling und eine derart hohe mechanische Verarbeitungsqualität von einem Mikro dieser Preisklasse nicht erwartet: Die Spinne ist klasse, die Materialien sind ordentlich, die Schalter laufen gut, die Gewinde sind ordentlich geschnitten. Nun gibt es ja einiges, was in beide Schalen der Waage geschmissen werden kann. Auf der Fazitseite wird zusammengerechnet.
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Es ist durchaus erstaunlich, was man für den Preis von knapp zwei Auto-Tankfüllungen mittlerweile alles erstehen kann. Dabei möchte ich mich nicht über die Benzinpreise auslassen (denn die haben ja auch ihr Gutes – Umweltschonung und Steuereinnahmen), sondern unterstreichen, dass es keinen Grund mehr gibt, über das Für und Wider der Anschaffung eines Großmembran-Kondensers nachzudenken. Sicher kann das SC1100 klanglich nicht mit deutlich teureren Mikrofonen à la Neumann mithalten (das wäre ja auch eine verkehrte Welt), aber die Differenz ist nicht so groß, wie es der Preisunterschied suggerieren mag! Die leichte Unausgewogenheit des Frequenzgangs kommt vielen Usern möglicherweise sogar recht gelegen, wird das t.bone doch sicherlich in erster Linie von “Erstkäufern” zur Aufzeichnung der menschlichen Stimme eingesetzt. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, könnte jedoch auf die hintere Membran samt umschaltbarer Charakteristik getrost verzichtet werden. Der Straßenpreis von 139 Euro ist tatsächlich annähernd unfassbar.
Unser Fazit:
4 / 5
Pro
Preis-/Leistungsverhältnis (Straßenpreis)
Auflösung, Brillanz
sauber arbeitendes Filter
Contra
Sound der Charakteristiken mit hinterer Membran (Kugel und Acht) phasig
Könnte es sich um einen Produktionsfehler handeln, dass die zweite Membran versehentlich in der Produktion Phasenverkehrt angeschlossen worden ist? Mich reizt insbesondere die Kugel, da Gesang mit Kugel bei mancher Stimme einfach eine besondere Note hat.
Hallo Fabian,die zweite Membran bewirkt in gleicher Phasenlage gegen die Gegenelektrode die Richtcharakteristik Kugel, mit invertiertem Signal erhält man dann die Acht. Das Mikro wird immer noch angeboten, sodass Du es einfach mal ausprobieren kannst.Beste Grüße Nick Mavridis (Redaktion Recording)
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Fabian sagt:
#1 - 03.04.2018 um 16:59 Uhr
Könnte es sich um einen Produktionsfehler handeln, dass die zweite Membran versehentlich in der Produktion Phasenverkehrt angeschlossen worden ist?
Mich reizt insbesondere die Kugel, da Gesang mit Kugel bei mancher Stimme einfach eine besondere Note hat.
Nick (Redaktion Recording) sagt:
#1.1 - 04.04.2018 um 16:20 Uhr
Hallo Fabian,die zweite Membran bewirkt in gleicher Phasenlage gegen die Gegenelektrode die Richtcharakteristik Kugel, mit invertiertem Signal erhält man dann die Acht. Das Mikro wird immer noch angeboten, sodass Du es einfach mal ausprobieren kannst.Beste Grüße
Nick Mavridis (Redaktion Recording)
Antwort auf #1 von Fabian
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenFabian sagt:
#1.1.1 - 05.04.2018 um 21:12 Uhr
Danke für die Antwort. Es sollte Morgen bei mir ankommen.
Antwort auf #1.1 von Nick (Redaktion Recording)
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenmoberts sagt:
#1.1.1.1 - 12.02.2019 um 11:09 Uhr
Und? War es bei deinem Mikrofon genauso?
Antwort auf #1.1.1 von Fabian
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