Nur wenige Themen werden in den einschlägigen Foren ähnlich kontrovers diskutiert wie das Thema “Vintage-Instrumente”. Aber klingen Vintage-Bässe, also besonders alte E-Bässe, tatsächlich besser als neue? Sind sie tatsächlich besser eingeschwungen? Besitzen sie mehr “Mojo”? Sind Vintage-Bässe wirklich ihr Geld wert? Macht es Sinn, in ein Vintage-Instrument zu investieren? Werden im Studio von den E-Bass-Profis wirklich nur Vintage-Bässe verwendet – und wenn ja, warum? Fragen wie diese bewegen die Musikergemeinde ständig! Doch nicht immer lässt sich eine Antwort finden, denn vieles liegt im Bereich des persönlichen Geschmacks und der Emotionen. Mit diesem Artikel möchte ich dennoch auf ein paar Aspekte zu diesem Thema eingehen und vielleicht die eine oder andere Frage beantworten.

Inhaltsverzeichnis
Vintage-Bässe: Klangvergleich “alt gegen neu”

“Die Wahrheit liegt auf dem Platz!” – dieser alte Fußballer-Spruch trifft in ähnlicher Form auch auf Instrumente zu. Hier liegt die Wahrheit allerdings nicht auf dem Spielfeld, sondern im Bandmix. Die entscheidende Frage muss also lauten: Wie verhalten sich E-Bässe klanglich in einem bestimmten musikalischen Kontext?
Daher gibt es gleich zu Beginn erst einmal einen Blindtest. Hierfür habe ich drei stilistisch unterschiedliche Soundbeispiele mit drei unterschiedlichen Bässen gleicher Bauart eingespielt. Die Reihenfolge der verwendeten Instrumente wechselt bei jedem der Klangbeispiele.
Die Kandidaten sind:
- “All Original” Fender Precision Bass von 1976 (Wert: ca. 3000,- Euro)
- Aktueller Fender Precision Bass aus mexikanischer Fertigung (Wert: ca. 750,- Euro)
- Moderne Precision-Kopie (NP: ca. 3500,- Euro).

Nun seid ihr gefragt: Hört ihr, welcher Bass in welchem Soundbeispiel gespielt wurde? Hört ihr den Vintage-Bass heraus? Oder könnt ihr gar den Hersteller bestimmen? Und: Könnt ihr vom reinen Klang her auf den Preis des Instrumentes rückschließen? Oder auf sein Alter?
Wer keinen Unterschied hört: Nicht verzagen, die Lösung des Rätsels ist im weiteren Verlauf des Textes versteckt – ich lasse euch also nicht im Regen stehen!
Nun aber hört ihr erst einmal alle drei Bässe im Mix:
Soundbeispiel 1 (Tonblende: – 80%)
Soundbeispiel 2 (Tonblende: 100%)
Soundbeispiel 3 (Tonblende: – 30%)
Hupps, das ist ganz schön schwierig, oder? Wer hier zweifelt, dem sei versichert, dass ihr tatsächlich alle drei Bässe zu hören bekommen habt. Und: Auch ich persönlich kann bei diesen Beispielen kaum einen Unterschied ausmachen, und ich habe die Beispiele immerhin eingespielt!
Aber vielleicht klappt es ja etwas besser, wenn man die Instrumente ohne Backing hört? Bei den nachfolgenden Beispielen habe ich einen Lauf über fast das gesamte Griffbrett gespielt, um ein möglichst breites Frequenzspektrum zu abzubilden.
Außerdem habe ich ein Plektrum benutzt, welches mit seinem erhöhten Attack noch etwas mehr Obertöne im Sound hervorkitzelt.
Soundbeispiel 4 (Testbässe solo)
Lasst uns als Erkenntnis festhalten: Wenn man den reinen Klang vom persönlichen Spielerlebnis und der visuellen Erfahrung trennt, ist das Ergebnis vergleichsweise ernüchternd: Bässe gleicher Bauart, aber unterschiedlicher Preisklassen und einem Altersunterschied, der sogar Jahrzehnte auseinander liegt, klingen zumindest im Mix mit anderen Instrumenten relativ gleich!
Hört man die Instrumente solo, so sind immerhin geringe Unterschiede auszumachen. Aber sind diese so groß, dass man die Soundbeispiele zielgenau einem bestimmten Modell zuordnen kann?
Vintage-Bässe: Sound und subjektives Empfinden

Zum Glück sind wir aber Menschen mit Emotionen – das subjektive Empfinden beim Spielen eines Basses ist deshalb ein ungemein wichtiger Faktor. Wenn wir unseren Lieblings-Bass spielen (egal, ob vintage oder neu), sind wir daher definitiv inspirierter und motivierter – und das beeinflusst unser Spiel ohne Frage positiv!
Dies ist allerdings rein subjektiv und findet hauptsächlich in unserem Kopf bzw. “Herz” statt, ist dadurch aber durchaus real für uns.
Letztendlich muss man daher wohl festhalten: WIR klingen mit Bass A besser als mit Bass B, WIR machen den Unterschied, weniger der Bass, dessen Alter, Marke oder Preis.
Und dieses gilt natürlich auch für Vintage-Bässe: Manche Bassleute schwören eben auf das spezielle “Mojo” aus jahrzehntelanger Musikgeschichte, die in das Instrument geflossen ist und werden dadurch beim Spielen beflügelt. Warum das so ist, hat wohl mit unseren Vorbildern, musikalischer Prägung, optischen Vorlieben etc. zu tun, wird aber in Teilen immer ein Rätsel bleiben.
Und das ist auch gut so, denn sonst würden wir ja alle den gleichen Bass spielen und die Welt wäre ziemlich langweilig! Aber auch für die Liebhaber von Vintage-Bässen gilt, dass eher wir als Spieler den Unterschied machen, wenn es um ein “besser klingen” geht, und eben nicht der Bass und erst recht nicht dessen Alter.
Vintage-Bässe: Finanzielle Aspekte – Investition vs. Ausgabe
Nach den Emotionen kommen wir zu den harten Fakten: Geld! Hier können Vintage-Bässe auf jeden Fall punkten, denn sie sind eine Investition. Der Markt ist zwar permanenten Schwankungen unterworfen, aber auf lange Zeit gesehen wird das geliebte Schätzchen ohne Frage immer mehr wert werden.
Das Geld ist also gut investiert – sogar die Deutsche Bank hat vor wenigen Jahren alte Instrumente als Wertanlage empfohlen. Dies bezog sich zwar eher auf klassische Instrumente, gilt aber für E-Bässe genauso, denn auch hier sind logischerweise im Laufe der Zeit immer weniger Instrumente im Umlauf. Das erhöht die Exklusivität und damit steigt auch der Preis!
Bei einem neuen Bass verhält es sich andersrum, denn er wird direkt nach dem Kauf weniger wert und ist im Vergleich zur Investition eher eine Ausgabe ‑ rein finanziell betrachtet natürlich! Wenn man sich also gerade ohnehin einen neuen Bass kaufen möchte und eine Affinität zu Vintage-Bässen hat, sind diese in Sachen Wertstabilität und Wertsteigerung gesehen die bessere Wahl.
Vintage-Bässe: Player vs. Sammler
Natürlich haben nicht alle Fans von Vintage-Bässen nur immer den finanziellen Aspekt im Kopf. Viele Bassisten lieben es einfach, auf solchen Instrumenten zu spielen und fühlen sich auf ihnen zu Hause. Für diese Bassisten/innen – in der Szene auch “Player” genannt ‑ ist es nicht so entscheidend, ob jede Lötstelle, jeder Draht, jedes Poti, die Lackierung etc. auch wirklich noch original ist. Hier zählt eher das Mojo und ob man mit dem Bass interagiert.

Im Gegensatz zum “Player” sieht es für den “Sammler”, der auf eine Wertsteigerung setzt, anders aus: Hier ist der möglichst originale Zustand zwar keine Voraussetzung, aber natürlich immer der “Heilige Gral”. Dies verspricht einfach den höchsten Wert und die bessere Lukrativität bei einer Investition.
Um nur mal eine Zahl in den Raum zu stellen: Ein Pre CBS Fender Jazz Bass im Originalzustand aus den frühen 60er-Jahren kostet heute schon mal an die 15.000,- Euro – da kann einem schon schwindelig werden! Berücksichtigt man die Inflation, so lag sein Neupreis dereinst bei ca. 1.500,- bis 1.700,- Euro.
Vintage-Bässe: Qualität und Praxiswert

Nehmen wir mal einen Durchschnittspreis von 3.000,- Euro für einen Vintage-Bass und vergleichen ihn mit einem neuen Bass in dieser Preisklasse, so wird man in letzterer sicherlich “mehr” für sein Geld in Bezug auf Ergonomie, Handling, Bespielbarkeit, Flexibilität und Verarbeitungsqualität bekommen. In all diesen Bereichen hat sich in den letzten Jahrzehnten unglaublich viel getan – das Know-How im Instrumentenbau ist heute um ein Vielfaches größer.
Einige Spieltechniken, welche heute populär und Standard sind, waren damals noch gar nicht erfunden. Daher konnten sie also auch bei der Konstruktion der damaligen Instrumente noch gar nicht mit in die Überlegungen einfließen.
Für den genannten Preis darf man bei einem neuen Instrument bereits eine Selektion der verwendeten Hölzer in Sachen Qualität und Gewicht erwarten. Und auch in Sachen Pickups und Hardware hat sich natürlich sehr viel weiterentwickelt. Betrachtet man die Sache also einmal ganz nüchtern und emotionslos, so haben moderne Instrumente qualitativ hier ganz deutlich die Nase vorn!

Andererseits ist unumstritten, dass Instrumente ihr Schwingungs- bzw. Klangverhalten verbessern, je häufiger und länger sie gespielt werden. Vereinfacht ausgedrückt: Das Holz muss im Laufe der Zeit erst einmal “lernen”, dass es kein Baum mehr ist, sondern ein Bass. Je ausgedehnter diese Periode ist, desto besser. Hier punkten also klar die Vintage-Instrumente!
Nun wird Vintage-Instrumenten aber auch häufig ein besonders “warmer” Ton nachgesagt. Die einfache – völlig unromantische – physikalische Erklärung in diesem Zusammenhang ist allerdings: Dies liegt in erster Linie daran, dass die Tonabnehmer ihre magnetische Kraft verlieren, und die Folge dieses natürlichen Alterungsprozesses ist ein Verlust in den Höhen, den wir als “warm” empfinden.
Vintage-Bässe – Fazit

Dies waren einige meiner Gedanken zum Thema Vintage-Bässe. Ein wirkliches Fazit zu diesem Thema kann es eigentlich nicht geben, wohl aber die Erkenntnis, dass es enorm viele subjektive und emotionale Faktoren gibt, die allesamt relevant sind. Interessant ist für mich aber, dass sich vieles schnell relativiert, wenn man den Sound vom Spielerlebnis trennt ‑ und das gilt übrigens nicht nur für Vintage-Bässe!
Auf der anderen Seite finde ich es jedoch auch erfreulich und beruhigend, dass das persönliche subjektive Empfinden wohl die größte Rolle dabei spielt, ob wir uns unsterblich in einen Bass verlieben oder nicht (egal, ob dieser alt, neu, preiswert oder teuer ist). Wir alle sind nun einmal Individuen mit unterschiedlicher Geschichte, musikalischer Prägung, Vorbildern, optischen Geschmäckern etc. – das ist der beste Garant für eine große Vielfalt. Und die macht die Sache ja erst interessant!
Ach ja, ganz am Ende habe ich natürlich auch noch die Lösungen für den Blindtest zu Beginn des Artikels für euch. Diese lauten:
- Soundbeispiel 1: Lakland, Mexiko, 76er
- Soundbeispiel 2: Mexiko, 76er, Lakland
- Soundbeispiel 3: 76er, Lakland, Mexiko
- Soundbeispiel 4: Lakland, 76er, Mexiko