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Waldorf Kyra Test

Es erscheint in diesen Tagen, in denen aktuelle Synthesizer-Veröffentlichungen eher wie Zeitreisen in die 1970er und 1980er Jahre wirken; fast schon mutig einen volldigitalen Synthesizer auf den Markt zu bringen. Die Rede ist von Waldorfs multitimbralen VA-Synthesizer „Kyra“. Seine Besonderheit ist, dass die Klangberechnung hier durch einen FPGA-Chip erfolgt (Field Programmable Gate Array) – einem Mikroprozessor der – anders als klassische CPUs, die Prinzip-bedingt Alleskönner sind – hoch optimiert auf eine feste Aufgabe programmiert werden kann und sie entsprechend schnell und vor allen Dingen parallel erledigt. Im Fall des Kyra berechnet der FPGA-Chip satte 128 Stimmen, die auf acht eigenständige Parts verteilt werden können von denen jeder mit 9 Effekten gleichzeitig belegt werden kann. In der Summe warten im Geräte also 72 (!) Effekte auf ihren Einsatz.

Waldorf Kyra Test (Foto: Numinos)
Waldorf Kyra: Innovativer Synthesizer mit einer Vielzahl an Klangparametern und leistungsfähiger VA-Engine. (Foto: Numinos)

Details

Es gibt – neben der Leistung – noch einen zweiten Aspekt der den Einsatz von FPGAs im Gegensatz zu DSPs im Design Virtueller Synthesizer hervorhebt. Der geistige Vater des Kyra, Manuel Caballero beschreibt das so: Bei einem DSP-Synth werde das Verhalten eines Filters durch Algorithmen berechnet – man nähert sich also mit einer Formel einer elektronischen Wirkung an. Bei einem FPGA-Chip dagegen definiere man virtuell eine Signalverschaltung, die dann innerhalb des Chips einer physischen Hardware entspricht, so der Entwickler. Überhaupt ist die Geschichte von Manuel Caballero und Kyra recht bemerkenswert, denn schon im Jahr 2018 hatte er ihn in Eigenregie unter dem Namen „Exodus Valkyrie“ auf der Musikmesse vorgestellt und verstand ihn als gedankliche Fortführung des „Access Virus“-Konzept. Wie es auf Messen nun mal so ist, war der Kontakt mit Waldorfschnell gemacht und man einigte sich schnell auf eine Kooperation, die nun als Kyra erhältlich ist.

Auspacken

Aus dem unscheinbaren Karton aus dem Hause Waldorf entnehme ich Kyra selbst, ein 12-Volt-Netzteil, sowie eine Kurzanleitung. Die vollständige Bedienungsanleitung steht auf der Herstellerseite in Deutsch und Englisch zum Download bereit. Zudem finden sich dort auch die Windows-USB-Audio-Treiber, die aktuelle Firmware und eine Firmware-Manager-Software (Win/MacOS).

Fotostrecke: 2 Bilder Waldorf Kyra in seiner Umverpackung.

Erster Eindruck

Kyra ist in einem cremeweißen Metallgehäuse untergebracht, das sich mit seiner Pult-artigen Form dem Anwender freundlich entgegen neigt. Für das Design zeichnet – in bewährter Waldorf-Tradition –  der sympathische Routinier Axel Hartmann verantwortlich. Funktionsgruppen werden durch eine graue Lackierung optisch zusammengefasst, während die hintergrundbeleuchteten Taster in schwarz und die Potiköpfe in matt-silber gehalten sind (bis auf zwei Ausnahmen – nämlich Filterfrequenz und Gesamtlautstärke in schwarz). Die Seitenteile sind aus hellem Holz gefertigt, was dem Synthesizer eine charmante technologisch-organische Anmutung verleiht. LEDs strahlen in weiß aus dem Gehäuse und das regelbare OLED-Display bietet ausreichend Helligkeit, um es auch bei starkem Umgebungslicht gut ablesen zu können. Allein die Schärfe, respektive der Kontrast wirken ein bisschen „verwaschen“, was meinem Eindruck nach mit der Kantenglättung in Zusammenhang steht. Das ist allerdings eher eine ästhetische Frage und tut der Ablesbarkeit keinen Abbruch. Ebenfalls im Bereich der Geschmacksfragen angesiedelt ist der Umstand, dass die grauen Bereiche und deren Beschriftung, ein bisschen wie vom Tintenstrahler „gedruckt“ und nicht wie lackiert/geätzt wirken. Man kann nur spekulieren, ob Hartmann hier vielleicht bewusst eine granular-organische Anmutung schaffen wollte.

Fotostrecke: 5 Bilder Design-Routinier Axel Hartmann zeichnet für die Gestaltung verantwortlich. (Foto: Numinos)

Anschlüsse

Der Blick auf die Rückseite zeigt ein vollausgestattetes Bild: Neben der Strombuchse sitzt ein Stereo-Kopfhörerausgang (der das Signal des Output A spiegelt), gefolgt von vier Einzelausgängen, die als Stereo-Pärchen ausgelegt sind (Out A – D). In der Mitte befindet sich dann das bekannte MIDI-Trio (In, Out, Thru), rechts daneben eine USB 2.0 Buchse zur Kommunikation mit dem Rechner. Eine ganz rechts ins Gehäuse gefräste Kensington-Aussparung soll Langfingern die Arbeit erschweren. Verbindet man Kyra mit einem Rechner, präsentiert sich der Synth als vollwertiges 16 In/2 Out-Audiointerface. Es lassen sich also alle acht möglichen Parts (in Stereo) direkt in Einzelspuren der DAW adressieren – sehr gut.

Fotostrecke: 2 Bilder Die Anschluss-Sektion ist gut bestückt. (Foto: Numinos)

Klangarchitektur

Entsprechend seiner mächtigen FPGA-Ausstattung, schöpft die Klangarchitektur aus dem Vollen: Bis zu zehn Oszillatoren in zwei Gruppen liefern wahlweise die Elementarwellenformen Sägezahn und Puls oder bedienen sich zusätzlich aus den insgesamt 4096 Waves (18-Bit-PCM-Single-Cycle-Wavetables mit 32-fachem Oversampling, die eine Vielzahl von synthetischen und emulierten Klangquellen abdecken). Winfried Schuld von Waldorf betont im Gespräch, dass es sich um einzelne Wellenform-Durchläufe handelt und nicht um „Wavetables“ (für die Waldorf ja bekannt ist). Entsprechend können diese auch nicht „durchfahren“ oder interpoliert werden. Kyra (Waldorf verwenden in ihrer Dokumentation keinen Artikel für „Kyra“) sei nämlich als VA-Synthesizer (Virtuell Analog) und nicht als Wavetable-Synth konzipiert.

Flankierend steht jeder Gruppe noch ein unabhängig einstellbarer Sub- (oder Sekundär-) Oszillator mit vier Elementarwellenformen zur Seite. Zwischen den Oszillatorgruppen ist die Modulation via Hard Sync, Ringmodulation und FM möglich. Der Klangrohling trifft dann auf mehrfach overgesampelte 12/24-dB Multimode Filtermodelle, die wahlweise im Single- oder Dual-Modus (inklusive True Stereo) arbeiten. Für Bewegung im Klang sorgen 3 LFOs, die aus einem Arsenal von 128 Wavetable-Wellenformen bestückt werden können und in verschiedenen Modi laufen können: Monophon, polyphon, zufällig, gegenphasig und quadratur-stereo-phasig und das auf Wunsch auch noch zur MIDI-Clock synchronisiert. Das alles kann über eine mächtige Modulationsmatrix dynamisiert werden, die über insgesamt 6 Kanäle mit bis zu 3 Modulationszielen verfügt, was in der Summe ganze 18 Routings ermöglicht.

Das alles landet schlussendlich in der Effektsektion an, die für jeden einzelnen Part zur Verfügung steht und insgesamt 9 Module bietet: 3-Band-Shelving-EQ, Formant-Filter, 5-Mode-Distortion-Modul, zwei Limiter, Stereo-Delay-Modul, 6-Stage-Phaser mit speziellem Stereo-Multishape-LFO, Chorus-/Flanger und Reverb. Die so erzeugten Klangkreationen können in insgesamt 3328 Speicherplätzen (26 Bänke á 128 Sounds) abgelegt werden. Neben Audio-über-USB können die Klänge der acht Parts über insgesamt vier symmetrische Stereoausgänge ausgegeben werden – dabei ist auch der Mischbetrieb mit USB-Audio möglich. Zum Einsatz kommen hier 32-Bit-Koverter, die mit 96 kHz Abtastrate arbeiten. Das macht Sinn, denn bereits intern werden die Klänge mit 32-Bit, 32-fachem Oversampling und 96 kHz berechnet.

Demovideo mit Waldorf Kyra Ambient und Techno Presets

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Oszillatoren

Grundsätzlich gilt es im Bereich der Oszillator-Sektion zwischen Wave- und Hypersaw-Modus zu unterscheiden. Im Wave-Betrieb lassen sich Sägezahn-, Puls- und Wavetable-Oszillator frei zusammen mischen und durch einen separaten Suboszillator (in wählbarer) Oktavierung und mit den Elementarwellenformen Sägezahn, Rechteck, Puls und Dreieck unterfüttern. Über einen so genannten Aux-Oszillator lassen sich zudem wahlweise Rauschen oder Ringmodulation beimischen.
Aktiviert man die Funktion „Hypersaw“, fasst Kyra automatisch sechs Oszillatoren zusammen und generiert damit ein komplexes Sägezahn-Gemisch, das über die Parameter „Intensity“ und „Spread“ gesteuert wird. Sowohl im Wave- und im Hypersaw-Betrieb steht die Option Dual-Mode bereit, die aus dem Klang durch Stimmverdoppelung ein echtes Stereo-Signal macht.

Optional können beide Oszillator-Gruppen wahlweise im Hard-Sync und/oder über Frequenzmodulation miteinander verschaltet werden. Auffällig war im Test, dass sich die Oszillator-Anteile an bestimmten Positionen nahezu auslöschen. Hier im Beispiel mal die Mischung von Sinus (Wave) mit der Pulswelle (50%). Dreht man die Pulswelle bis zur Hälfte rein, verschwindet der Sinus fast ganz und wird erst wieder hörbar, wenn Puls voll aufgedreht ist.

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Dual Mode Oszillator Mix (Sinus/Rechteck)

Filter

Im Normalzustand werden beide Oszillator-Gruppen zusammen gemischt und zu einem einzigen Filter(Filter 1) geleitet. Im Dual-Modus dagegen wandern beide Gruppen getrennt in zwei Filter, hier ist dann Prinzip-bedingt keine getrennte Regelung möglich, sondern beide Filter folgen den Einstellungen von Filter 1. Zur Auswahl stehen hier sechs Typen (Tiefpass, Bandpass und Hochpass) mit wahlweise 12 oder 24 dB/Oktave Flankensteilheit. Die Charakteristik der Emulation orientiert sich am Kaskadendesign klassischer Analogsynthesizer.

Hüllkurven

Kyra hat drei Hüllkurven-Generatoren an Bord: EG1 zur Modulation der Lautstärke, EG2 für das Filter, EG3 für externe Modulationen. Alle Hüllkurven sind als ADSR-Generatoren mit regelbarem Slope ausgelegt. EG1 und 2 besitzen zudem noch den Parameter Bass Delay, der verhindern soll, dass der interne Click-Suppressor des Kyra bei sehr tiefen und schnellen Bässen (kurzer Attack) den Sound abschneidet.

LFO

Selbstverständlich hat Kyra auch Niederfrequenzoszillatoren an Bord und auch davon gibt es drei Stück, die mit wählbarer Wellenform, Phase und Geschwindigkeit als Modulationsquelle herangezogen werden können. Ist die Synchronisation via MIDI-Clock aktiv, lässt sich Geschwindigkeit praktischerweise auch in metrischen Teilern festlegen. Daneben gibt es verschiedene Modi: Bei „Monophonic“ läuft der LFO frei, ist „Polyphonic“ ausgewählt, wird die Phase für jede eingehende Note zurückgesetzt, „Random“ bewirkt einen zufälligen Start, während „Dual Antiphase“ die Phasen (im Dual-Modus) gegeneinander dreht und „Dual Quadature“ zusätzlich noch für eine Rückung der Phase um 90-Grad sorgt. Wem das alles noch nicht reicht, der hat die Möglichkeit, über die Modulationsmatrix, einen LFO als Frequenzmodulator für einen anderen LFO zu adressieren.

Mod-Matrix

Und damit kommen wir auch schon zur mächtigen Modulationsmatrix von Kyra. Sechs Kanäle stehen hier zur Verfügung, denen eine breite Palette von Quellen und Zielen zugewiesen werden kann. Dabei kann die Stärke der Modulation zusätzlich über diverse dynamische Parameter gesteuert werden. Gleichzeitig ist Kyra in der Lage, sowohl monophone wie polyphone Quellen (Agents) zu verwalten und entsprechend zu adressieren.

Effekte

Schlussendlich trifft der Klangrohling dann noch auf eine umfangreiche Effektsektion, die über neun Stereo-Module verfügt und für jeden (!) Part separat verfügbar ist. Geboten wird hier ein weites Spektrum von klassischen Effekten wie Delay, Phaser, Chorus und Reverb, aber auch spezialisiertere Prozessoren wie ein parameterischer Drei-Band-Equalizer mit wählbarer Güte in den Mitten, ein Formantfilter, eine Dynamiksektion und ein Verzerrer, der zwischen klassischer Sättigung und Bitcrusher umschaltbar ist.

Die Effekt-Reihenfolge in Kyra ist fest vorgegeben. (Foto: Numinos)
Die Effekt-Reihenfolge in Kyra ist fest vorgegeben. (Foto: Numinos)

Schönes Feature: Das Effektsignal lässt sich separat auf einen Einzelausgang adressieren, so dass sich in der DAW Dry- und FX-Signal getrennt aufzeichnen lassen. Während mich der Bitcrusher nicht so recht überzeugen wollte, konnten mir die Modulationseffekte Phaser und Chorus ziemlich viel Honig in den Bart – respektive Schwebungen in den Klang – zaubern. Besonders der Phaser hat eine sehr schön „glatt“ laufende Klanglichkeit. Er wirkt also – wie es gute Phaser nun mal sollten – wie ein, den Ausgangsklang umwabernder Phasennebel und nicht wie ein (bei schlechten Phasern) nacheierndes Delay. Gleiches gilt für den Chorus, der den Klang harmonisch noch mal anreichert und aufwertet – sehr schön.

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Phaser Chorus Distortion/Kompression Reverb
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Praxis

Handhabung | Editierung

Dass Kyra kein ganz gewöhnlicher Synthesizer ist, zeigt sich schon beim Einschalten, denn einen klassischen Power-Taster auf der Rückseite sucht man hier vergeblich. Will man den schlafenden Synth erwecken, gilt es nämlich die beiden Transpose-Taster gleichzeitig zu drücken – ungewohnt, aber gar nicht mal schlecht.
Die ersten Klang-Erkundungen nimmt man natürlich durch das Blättern im internen Speicher vor. Und das kann einige Zeit brauchen, denn Kyra bietet insgesamt 26 Bänke mit jeweils 128 Patches an Klangspeicher, was in der Summe 3328 Patches macht. Zehn Bänke sind (derzeit) mit Werkssounds belegt. Dabei gilt es, die Unterteilung in RAM (A-G) und ROM (H-Z) zu verstehen: Ram-Bänke können frei beschreiben werden (auch mit Einzelsounds) in Rom-Bänke lassen sich immer nur komplette Bänke ablegen (also beispielsweise auch aus dem Ram). Dadurch gewöhnt man sich fast automatisch den Workflow an, neu designte Sounds in der Bank G zu speichern, die man dann, wenn sie mal gefüllt ist, in den Rom-Bereich kopiert.

Fotostrecke: 2 Bilder Ungewohnt: Ein- und Ausschalten erfolgt über das gleichzeitige Drücken der Transpositions-Taster. (Foto: Numinos)

Steigt man in das Editieren von Klängen ein, sollte man eine nicht ganz triviale Lernkurve einplanen. Das liegt zum einen natürlich an der schieren Anzahl an Parametern, die für einen einigermaßen komplexen Sound zu aktivieren sind (relativ simple Sounds sind natürlich weniger aufwändig). Zum anderen macht es einem Kyra nicht immer leicht, die Parameter zu erreichen, die man gerade unter den Fingern haben will. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen den Parametern, die direkt über die Potis zugänglich sind und den Sekundärfunktionen. Primärparameter lassen sich über den Direktzugriff natürlich wunderbar einfach steuern.
Aber schon bei den Sekundärparametern ist zumindest anfänglich immer eine kurze Orientierungspause erforderlich, welcher Regler denn nun mit welcher Funktion doppelt belegt ist. Noch etwas spröder wird es, wenn man in den Bereich der Funktionen geht, die nur über das Menü und die Kombination aus Cursor- und Value-Tasten zu erreichen sind. Dabei erreicht man die verschiedenen Seiten einer spezifischen Funktionsgruppe durch mehrmaliges Drücken der gleichen Taste. Je nach Gruppe (zeigt einem Kyra dann durch Punkte in der Titelzeile an, in welcher der möglichen Seiten man sich befindet. Allerdings sind diese Arbeitsschritte nicht in allen Menüs konsistent umgesetzt. In der Gruppe „Wave“ beispielsweise muss man mit den Seite-hoch/runter-Tastern blättern, während in der Filtergruppe das mehrmalige Drücken der Filter-Taste reicht. Auch die Funktionen „Shift Lock“ und „Follow“ (Display-Anzeige folgt dem aktuelle angefassten Parameter) ändern an dieser Problematik nur wenig.
Im Gegenteil: Oft ertappt man sich dabei, dass man an einem Parameter dreht und dann erst feststellt, dass ja „Shift Lock“ aktiviert ist und man nun etwas verstellt hat. Teilweise kommt es auch zu etwas irritierenden Überschneidungen: So sitzt die Filterhüllkurve ja direkt in der Gruppe Filter, während sich das zugehörige Menü im Bereich „EG“ befindet und über zweimaliges Drücken des „Amp“-Tasters zu erreichen ist – alles nicht so leicht. Schlussendlich gilt es beim intensiven Sounddesign, an vielen Stellen relativ lange Parameterlisten zu „durchskippen“. So muss man beispielsweise, um sämtliche Wavecycles zu erreichen, ganze 74 Mal auf den „Value“-Taster drücken. Eine Art Listen-Auswahl, idealerweise flankiert von einem Rotary-Encoder hätte die Arbeit hier deutlich erleichtert.

Fotostrecke: 3 Bilder Man braucht schon einige Zeit, um sich souverän zu orientieren. Oder hättet ihr auf Anhieb bemerkt, dass der „Dual Detune“ die Sekundärfunktion des Release der Hüllkuve ist?! (Foto: Numinos)

Dennoch gelingt einem nach einiger Einarbeitung ein recht flüssiger Workflow – auch und gerade, wenn es um das schnelle Modifizieren von Klängen geht, um beispielsweise Modulationsverläufe direkt in der DAW festzuhalten. Hier merkt man dann schon das Vorhandensein der insgesamt 34 Potenziometer, die den Direktzugriff auf viele Klangparameter ermöglichen. Allerdings gibt es auch hier einen kleinen Kritikpunkt: Zwar haben die Potis ein schön, sattes Regelverhalten – das heißt, man hat das gute Gefühl hier gegen einen leichten, angenehmen Widerstand zu arbeiten. Stellenweise ist mit aber ein leichtes „Nachspringen“ aufgefallen – sich der Parameter also noch mal um einen Wert ändert, nachdem man den Regler bereits losgelassen hat.

Fotostrecke: 3 Bilder Die LFOs arbeiten auch im MIDI-Clock – dann sogar mit metrischen Teilern. (Foto: Numinos)

Ausgezeichnet gelöst ist das Handling der unterschiedlichen Parts, den Kyra unterschiedet keine unterschiedlichen Modi, sondern befindet sich im Grunde immer im Multimode. Welchen Part man ansteuert, entscheidet man schlicht durch Umschalten mit dem Part-Taster. Eine Zusammenstellung aus verschiedenen Sounds und Einstellungen ist dann ein „Multi“, womit sich beispielsweise auch Layer- und Split-Szenarien realisieren lassen.

Waldorf Kyra Sound Demo (no talking)

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Arpeggiator

Besondere Erwähnung verdient der Arpeggiator, der für jeden der acht Parts separat zur Verfügung steht und wahlweise intern oder via MIDI-Clock synchronisiert werden kann. Er kennt insgesamt fünf Betriebsmodi (Up, Down, Up+Down, Chord und Random), arbeitet im Bereich von einer bis drei Oktaven und mit regelbarer Gate-Length. Als ob das noch nicht genug wäre, kann der Arpeggiator auch mit einem von 127 verschiedene Pattern bestückt werden. Das sind Kombinationen aus rhythmischen und dynamischen Akzentuierungen, die – besonders im Live-Betrieb – noch mal einen mächtigen Schwung an Variationsmöglichkeiten bringen.

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Arpeggiator – Variationen

Klang

Zunächst einmal gilt es, den Programmierern der Werks-Sets ein Kompliment auszusprechen, denn es ist durchweg eine Freude und hoch inspirierend, die 640 Presets durchzuhören, deren Bandbreite fast das gesamte Repertoire klassischer Synthesizer-Sounds abdeckt – darunter unzählige Pads, Leads, Arpeggio-Sounds und Bässe. Beim Durchhören schält sich dann – auch wenn Kyra grundsätzlich zu (fast) jeder Art von Klängen in der Lage ist – eine Tendenz heraus, wo er am überzeugendsten ist.
Um es direkt vorweg zu sagen: ‘Rotz’, Patina und Wärme sind Attribute, die ich im Zusammenhang mit Kyra nicht unbedingt an erster Stelle nennen würde. Seine großen Stärken liegt vielmehr im Bereich ätherischer Pads, idealerweise gepaart mit komplexen Modulationsbewegungen, dynamischen Sequenzer-Sounds und durchsetzungsstarker Leads. Dabei profitieren die Klänge von einer deutlichen Präsenz und Feinzeichnung in den Mitten und im Hochtonbereich, was ihnen stellenweise allerdings auch eine gewisse Aseptik verleiht. Es wirkt also eher nach Reinraum und weniger nach Punk-Kneipe, was hier die Wandler – respektive den USB-Port – in kristallklaren 96 Kilohertz verlässt.
Auffällig waren beim Arbeiten mit Kyra – je nach Parameter – minimale Stufigkeiten im Klangverhalten. Das beginnt beim Master-Volume, das bei Reglerbewegungen winzige Geräusche von sich gibt und findet sich auch beim Filter. Diese Stufungen betreffen allerdings nur das Editieren. Moduliert man den gleichen Parameter beispielsweise durch ein LFO wird dieser geschmeidig durchlaufen. Ein bisschen Feintuning darf auch der FM-Algorithmus noch erhalten, denn je nach harmonischer Verschiebung (besonders bei starken Dissonanzen), schleichen sich auch hier minimale Störgeräusche ein.

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FM-Störung Stufung des Filters Stufung der Lautstärke

Waldorf Kyra Sound Demo 2 (no talking)

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Fazit

Waldorfs Kyra ist ein innovativer Synthesizer, der den haptischen Zugriff auf eine Vielzahl von Klangparametern mit einer leistungsfähigen VA-Engine verknüpft. Er bietet ein weites Spektrum an klanglichen Möglichkeiten und empfiehlt sich dank üppigem Programm-Speicher, reichlich Einzelausgängen und haptischen Zugriffsmöglichkeiten sowohl für Studio- wie auch Live-Szenarien. Er ist allerdings nicht trivial zu bedienen und die Parametrisierung (Stichwort: Stufen-Interpolation) darf von Waldorf im Zuge eines Updates gerne noch optimiert werden. Und trotz der vielen physischen Drehregler ist und bleibt das Benutzerinterface ein Hybrid aus manuellem und digitalen Zugriff – sprich: Eintauchen in Menüstrukturen und Navigieren mit Cursor- und Value-Tasten ist hier unerlässlich, wenn man tiefer in die Synthese- und Modulationsmöglichkeiten vordringen will. Und lässt man mal den psychologisch-spirituellen Faktor an einer „echten“ Hardware zu sitzen mal außer Acht, muss man sich bei der Kaufentscheidung schon die eher nüchterne Frage stellen, ob einem die FPGA-Generierung von Klängen am Ende die rund zweitausend Euro wert ist, die man ausgeben muss, um sich Kyra ins Studio zu holen. Vielleicht bin ich persönlich durch die Verwendung von Plug-Ins schon ein bisschen „verdorben“ und kann mich nicht mehr ganz unvoreingenommen der kontemplativen Hardware-nahen Arbeit hingeben, aber spätestens wenn es im Menü von Kyra um das Auswählen von Wellenformen geht, wünsche ich mir von Waldorf dann doch noch einen externen Editor, der das Blättern in den Auswahllisten erleichtert. Das konzeptionelle Vorbild von Kyra, der Access Virus, kann damit jedenfalls aufwarten. Grundsätzlich ist der Kyra ein toller eigenständiger Synthesizer, den man sich auf jeden Fall näher anschauen sollte.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Flexible Klangarchitektur
  • Mächtiger Hypersaw-Modus
  • Echte Stereo-Klänge möglich
  • Viele Parameter im Direktzugriff
  • Multimode inklusive USB-Audio aller Parts
Contra
  • Workflow stellenweise inkonsistent
  • Teilweise physisch lange Menü-Wege
  • Gelegentliches „Nachziehen“ der Parameter, beim schnellen Loslassen von Potis
  • Hörbare Stufung einiger Parameter beim Editieren
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Waldorf Kyra Test
Für 1.099,00€ bei
Waldorf Kyra: Innovativer Synthesizer mit einer Vielzahl an Klangparametern und leistungsfähiger VA-Engine. (Foto: Numinos)
Waldorf Kyra: Innovativer Synthesizer mit einer Vielzahl an Klangparametern und leistungsfähiger VA-Engine. (Foto: Numinos)

Weitere Informationen zu diesem Produkt gibt es auf der Webseite des Herstellers.

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