Thomas Margolf kommt aus Deutschland, lebt seit vielen Jahren in Holland und ist der Gründer von XOR Electronics. Mit dem Nerdseq präsentiert er uns sein erstes und bis jetzt einziges Produkt seiner Ein-Mann-Firma, welches zur Zeit der einzige Tracker Sequenzer in Hardwareform auf dem Markt ist.
Thomas ist seit vielen Jahren in der Chiptune Musikszene sehr aktiv und so basiert sein Sequenzer auch auf den klassischen Tracker-Sequenzern der 1980er Jahre, welche maßgeblich für die Entstehung der Chiptune Szene verantwortlich waren. Dieses interessante Tracker-Sequenzer Konzept hat als eine Idee für einen Desktop-Sequenzer und Sampler begonnen, wurde jetzt aber zunächst als Eurorackmodul verwirklicht. Ob dieser vielseitige und komplexe Sequenzer nur für Nerds und Freunde von Chiptune Musik interessant ist, werden wir in diesem Test prüfen.
Details
Aufbau
Der Nerdseq nimmt 32TE Platz in Anspruch und zeigt einen farbigen, 480 x 320 Pixel großen Screen als Hauptmerkmal. Zur Bedienung stehen zehn große und sechs Tasten in halber Größe zur Verfügung, die einen hochwertigen Gesamteindruck vermitteln. Sie fühlen sich sehr gut an und bieten einen angenehmen Druckpunkt. Die sechs kleineren Tasten führen direkt in die verschiedenen Bereiche des Nerdseq Sequenzers, wobei diese Tasten ebenfalls weitere Funktionen bieten, die per gedrückter Shift-Taste zugänglich sind. Vier von den zehn großen Tasten sind als Cursor-Tasten ausgelegt, ähnlich wie bei einer Computertastatur. Die restlichen sechs Tasten dienen zur schnellen und einfachen Kontrolle der umfangreichen Funktionen dieses Moduls. So hat es hier Start, Stop, OK, Shift sowie Page-Up und Down.
Der Nerdseq bietet insgesamt acht Spuren zum Arbeiten. Sechs davon sind für die Steuerung von Eurorackmodulen gedacht und zwei Spuren dienen dazu interne Samples abzufeuern und mit Effekten zu versehen. Jede der beiden Sample-Spuren bietet jeweils zwei interne Sequenzer und so können pro Sample-Sequenzer-Track zwei unterschiedliche Samples gleichzeitig abgespielt werden. Die Samples sind also vierfach polyphon, denn es können vier unterschiedliche Samples gleichzeitig abgespielt werden. Die vier Samples werden aus zwei Monobuchsen ausgegeben, wobei jeweils zwei Samples der jeweiligen Tracks auf jeweils eine Ausgangsbuchse gemischt werden. Außer den beiden Ausgangsbuchsen für die Samples bietet Nerdseq 18 Ausgangsbuchsen für die sechs Modular-Spuren, denn jede der sechs Modular-Tracks verfügt über einen Gate- und zwei CV-Ausgänge, wobei einer der beiden CV-Ausgänge auf 1 V/Okt. geeicht ist.
Die letzten beiden Ausgänge sind für Clock und Reset vorgesehen. Als Eingangsbuchsen finden wir zwei Buchsen ebenfalls für Clock und Reset, wobei vier weitere Eingangsbuchsen für eingehende Steuerspannungen vorgesehen sind, um eine Vielzahl an Funktionen per CV fernzusteuern. Die Ausgänge für 1 V/Okt. sind als ‚CV Outputs‘ gekennzeichnet und die zweiten CV-Ausgänge der sechs Modular-Tracks sind als ‚Mod Output‘ gekennzeichnet. Auch gibt es zwei kleine Kippschalter, mit welchen sich CV-Outputs und Mod-Outputs zwischen einer Ausgabe von -5 Volt bis +5 Volt oder 0 Volt bis 10 Volt umschalten lassen. Zusätzlich gibt es noch einen SD-Karten Einschub. Auf der SD-Karte werden komplette Projekte und Samples gespeichert.
Sequenzer
Ein Projekt des Nerdseq besteht aus Sequenzer, Pattern, Patches und Tables. Zudem gibt es noch Automation-Slots und die besagten Sample-Slots. Der Sequenzer-Screen dient zum Arrangieren der einzelnen Pattern. Da es sich hier um einen Tracker handelt, läuft der Sequenzer nicht von links nach rechts, sondern von oben nach unten. Das funktioniert sehr ähnlich wie bei Ableton Clips mit Follow Actions. Ist ein Pattern durchlaufen, so wechselt es automatisch zum nächsten. Wenn es kein nächstes Pattern in der jeweiligen Spur gibt, weil man eine Lücke gelassen hat, so springt der Sequenzer automatisch auf das erste Pattern zurück und spielt so die Pattern in einem Loop ab. Man kann Pattern einzeln starten und stoppen oder gleich eine ganze Reihe, genau wie bei der Scenes Funktion in Ableton.
Oben und unten ist ein kleines Lauflicht auf dem Screen zu sehen. Dieses zeigt 64 Schritte an, da ein Pattern auch aus maximal 64 Schritten bestehen kann. Außer der Tatsache, dass man dadurch eine gute Übersicht erhält, wo die Sequenz sich gerade befindet, bieten diese kleinen Lauflichter noch weitere, sehr praktische Funktionen. Die 64 Schritte sind in Teile von 16 Schritten unterteilt. Wird ein Pattern per ‚Start‘ aktiviert, so wartet der Sequenzer bis der erste von 64 Steps erreicht ist, um das Pattern zu starten. Bei einem Doppelklick auf den ‚Start‘- Knopf wird das Pattern bei der nächsten Unterteilung gestartet. Der Clou bei dieser Sache ist, dass man die Unterteilungen frei wählen kann. Hier kann man alles von 64 bis keine wählen. Im Verbund mit der Tatsache, dass man jedem Pattern eine beliebige Länge zuweisen kann, sind somit polyrhythmische Sequenzen und ungewöhnliche Taktarten ein Kinderspiel.
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Pattern
Pattern können beliebig zwischen den verschiedenen Spuren ausgetauscht, verschoben und kopiert werden. Es spielt also keine Rolle in welcher Spur ein Pattern erstellt wurde, da man es auf jede andere Spur anwenden kann. Dabei können Pattern, die auf den Modular-Tracks erstellt wurden, nicht auf den Sample-Tracks genutzt werden, und umgekehrt. Es gibt zusagen zwei Arten von Pattern, Modular-Pattern und Sample-Pattern. Der Pattern-Screen ist sehr übersichtlich. Wo beim Sequencer-Screen die einzelnen Tracks in Spalten angezeigt wurden, so werden hier pro Step Noten, Patches, Gates, Modulationen und Effekte in den einzelnen Spalten angezeigt.
Pattern beim Nerdseq sind extrem vielseitig und bieten eine große Bandbreite an Kontrolle über unzählige Parameter. Hier ist alles bis ins kleinste Detail konfigurierbar. Angefangen bei den Triggern und Gates, deren Verhalten und Längen auf verschiedenste Weise definiert werden können, über verschiedene Arten von Probability bis zu den Effekten. Die Liste der verfügbaren Effekte wächst ständig an, da das Nerdseq-Projekt ständig durch neue Firmware erweitert wird. Zurzeit gibt es Effekte für Pitch, Glide, Modulation, Trigger und verschiedene Wahrscheinlichkeiten, welche ebenso auf alles angewendet können. Bei den Sample-Tracks gibt es noch Effekte wie Bitcrush, Distortion und Verschiebung der Start- und Endpunkte der Samples.
Patches & Tables
Patches sind Speicherplätze, die alle Informationen beinhalten, die beim Nerdseq auch ausgeben werden können. Diese Patches können sich für jeden Step unterscheiden. So kann man z. B. jedem Step auch eine eigene BPM zuweisen um nur eine der vielen Möglichkeiten zu nennen. Tables sind weitere kleine Sequenzer, welche aus maximal 16 Schritten bestehen und innerhalb eines Pattern-Steps leben. Dabei können Pattern super schnell ablaufen, aber auch über mehrere Steps der Pattern andauern.
Wenn die Tables bis zu 16 Schritte bei jedem einzelnen Step durchlaufen, so erzeugen diese auch die typischen Chiptune Klänge, welche Akkorden ähneln monophon ausgegeben werden. Die Tables an sich haben wiederum so viele Einstellmöglichkeiten wie die Pattern selber. Auch hier gibt es Pitch, Effekte, usw. Diese Tables können auf verschiedenste Weise ablaufen. Als One-Shot, als Loop und nach vielen weiteren Definitionen. Tables können der Sequenzer-Clock folgen oder eine eigene Clock haben. Hört sich kompliziert an, ist es am Anfang auch. Dafür bietet der Nerdseq so viele Möglichkeiten, wie sie sonst von keinem anderen Sequenzer geboten werden, weder als Eurorackmodul noch von anderen Desktop-Sequenzern.
Automationen, Projekt und Setup-Screens
Außer Notenwerten, können auch verschiedene Automationen, wie z. B. LFOs oder Hüllkurven ausgegeben werden. Auch hier wächst die Liste der möglichen Modulationen ständig durch neue Firmware an. Auf den Projekt- und Setup-Screens kann man dann eine wirklich große Anzahl an verschiedenen Parametern für den Nerdseq einstellen und Samples laden oder umbenennen. Die Liste der verschiedenen Einstellmöglichkeiten würden den Umfang dieses Tests sprengen, aber hier wurde wirklich alles berücksichtigt, sogar Parameter, an die man ansonsten kaum denken würde. Dabei ist alles übersichtlich gestaltet und durch die Cursor-Tasten schnell zu bedienen und einzustellen.
Der Screen ist Mittelpunkt des Nerdseqs und immer sehr informativ ohne überladend zu wirken. So gibt es rechts neben den einzelnen Tracks eine Sektion, die genau informiert, was gerade geschieht. Hier werden die einzelnen Noten, Trigger und Modulationen fortlaufend angezeigt. So ist man immer auf dem Laufendem, was gerade genau passiert, falls die Ergebnisse des Sequenzers nicht das liefern, was man eigentlich erwartet. Der Screen schafft die nötige Übersicht. Zum Schluss gibt es unten noch ein bisschen Platz, wo mit einem Wort gezeigt wird, in welcher Zelle man sich gerade befindet, und was diese macht, oder ob man gerade etwas markiert, kopiert, verschiebt, usw. Man wird beim Nerdseq also nie im Stich gelassen und trotz der unglaublich vielen Funktionen, kann man immer deutlich sehen, was gerade passiert und welche Möglichkeiten man an dieser Stelle geboten bekommt.