Bei der Entwicklung virtueller Amps hat sich einiges getan. War es Anfang der 90er Jahre noch schier undenkbar, mit digitalen Mitteln auch nur in die Nähe eines Röhrenamps zu kommen, so zeigen Hersteller wie Fractal Audio, Kemper, Avid und Line6, dass die Abstände zwischen Ampsimulation und Röhre sich doch zunehmend verringern.

Da auch beim Hardware-Equipment letztendlich das Rezept lautet: “Prozessorleistung trifft auf intelligente Algorithmenprogrammierung, das Ganze gewürzt mit einer Prise Impulsantwort”, war es nur eine Frage der Zeit, bis die Softwarehersteller hier nachziehen konnten.
An der DAW gestaltet sich dieses Konzept als Softwarelösung nicht ganz so einfach, da die natürliche Prozessorleistung des Rechners hier dem Ampmodelling Grenzen setzen kann und auch Soundkarten unterschiedlich klingen und wandeln. Nichtsdestotrotz schreitet auch hier die Entwicklung unaufhaltsam voran und wir wollen es uns nicht nehmen lassen, euch verschiedene Ampsimulationen auf Softwarebasis vorzustellen.
Da die Zeit auch vor Plugins nicht halt macht und die in vergangenen Tests vorgestellten virtuellen Amps, Cabinets und Effekte schon seit geraumer Zeit erhältlich sind, ergänzen wir die Software-Ampsimulationen in diesem Artikel immer wieder, um einige neuere Modelle, die teilweise signifikante Verbesserungen und Updates aufweisen.
- 1. Positive Grid Bias FX 2
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2. Native Instruments – Guitar Rig 7 Pro – das Urgestein
- 3. Universal Audio – der Spezialist
- 4. IK Multimedia – AmpliTube 5/ToneX – der italienische Klassiker und der Platzhirschprofiler
- 5. Scuffham S-Gear – Boutique Amps meet the Classics
- 6. Overloud TH-U Full – der erste Profiler
- 8. Neural DSP – Archetype: Petrucci – Signature Sounds zu fairem Kurs
- 9. ML Sound Lab Amped Series – Ampsimulation made in Finland!
Die Software Ampsimulationen im Überblick:
1. Positive Grid Bias FX 2
Positive Grid legt mit dem Bias FX 2 ein tolles Facelift zum bereits etablierten Bias FX vor. Über 100 überarbeitete Ampsimulationen, mit Celestion entwickelte Cabinet-Simulationen und IRs, eine Tone-Match-Funktion für Gitarrentypen, neue Effekte und vieles mehr sind hier an Bord.
Das Bias FX 2 ist in verschiedenen Ausbaustufen von der günstigeren Standard- bis zur Elite-Version erhältlich und kann dank jeder Menge Expansion-Packs erweitert werden. Den vollständigen Test findet ihr hier:




Plus:
– drei verschiedene, preislich gestaffelte Ausführung
– große Ampvielfalt
– Gitarren Tone Match
Minus:
– Gitarrenanpassung funktioniert nicht immer
2. Native Instruments – Guitar Rig 7 Pro – das Urgestein
Native Instruments schuf mit Guitar Rig eine der ersten Softwares, mit denen man Amps, Verzerrer und Cabsimulationen virtuell abbilden konnte. Neben allen erdenklichen Ampmodellen hat Guitar Rig 7 Pro (Test) außerdem ein riesiges Arsenal an Pedalen und Effekten, aber auch Producertools und einen Looper in petto.
Die aktuelle Version verspricht mit der neuen ICM-Technologie, Gitarrenverstärker und Drivepedale nun noch plastischer abzubilden. Sie liefert einen Cabinet IR Loader mit Impulsantworten von 3 Sigma Audio, Kohle Audio Kult, Lancaster Audio, Bogren Digital und cabIR. Zu den vielen Factory-Voreinstellungen bekommt man beim Guitar Rig 7 Pro außerdem einige Artist Presets von z.B. Phil Collen, Pete Thorn oder Vernon Reid mit an die Had.
Plus:
– riesige Ampvielfalt
– Integration vieler NI Studioeffekte
– Preis gemessen an Flexibilität
Minus:
– Ampmodeling nicht vollständig auf dem zeitgemäßen Stand
Guitar Rig 7 Pro: 199,- Euro


3. Universal Audio – der Spezialist
Keine Frage, Universal Audio liefert im Gitarrensektor absolute Benchmark Plugins. Erst kürzlich schrumpfte die Company mit dem Dream ’65, Ruby ’63, Lion‘ 68und demWoodrow ’55 den Sound einiger ihrer hochgelobten UAFX Pedale auf Plugin Größe. Die Klangqualität aber auch das Konzept bleibt: ein ausgewählter Grundamp, dazu sechs Speakersimulationen und der eine oder andere Effekt.
Plus:
– sehr hohe Klangqualität
– authentische Ampabbildungen
– Dynamik und Ansprache
– integrierter Room Reverb (außer Dream ‘65)
Minus:
– unterstützen nicht das Laden eigener IRs
– noch kein High Gain Amp Plugin auf Basis der UAFX Pedale
Preise:
Universal Audio Guitar Amp Bundle: 108,-€
Universal Audio Woodrow ’55 Instrument Amp: 64,-€
Universal Audio Lion ’68 Super Lead Amp: 64,-€
Universal Audio Ruby ’63 Top Boost Amp: 64,-€
4. IK Multimedia – AmpliTube 5/ToneX – der italienische Klassiker und der Platzhirschprofiler
Auch IK Multimedia zählt zu den Mitstreitern, die schon sehr lange im Amp Plugin Business tätig sind, und so ist AmpliTube mittlerweile in der 5. Version erhältlich (hier geht es zum AmpliTube 5 Max Test). Auch hier zeigen sich neben einer Fülle an virtuellen Amp Simulationen auch diverse Effekte, Bodentreter und ein Mikrofon Controllroom, der sehr großzügige Eingriffe ermöglicht.




Neben dem etablierten AmpliTube sorgte IK Multimedia unlängst mit der ToneX Software für Furore. Mit dieser stellen die italienischen Musik-Soft- und Hardware-Spezialisten eine Computer-App vor, die das Erstellen digitaler Abbilder, sprich das Profiling, der eigenen Amps ermöglicht. Die unten aufgeführten Soundfiles wurden jedoch mit AmpliTube 5 erstellt.
Plus:
– große Ampvielfalt
– sehr gute Modeling Qualität
– Profilingfunktion des ToneX
Minus:
– ToneX Software u.U. komplex für Einsteiger
5. Scuffham S-Gear – Boutique Amps meet the Classics
Die britische Company Scuffham bietet mit dem S-Gear eine vielfältige Sammlung diverser klassischer Gitarrenamps, Speaker Cabinets und Effekte für Windows PC oder Mac. Hierbei kann die Software sowohl als Standalone-Anwendung als auch als Plugin für die DAW genommen werden.
An Amps findet man folgende Modelle, die jedoch wesentlich stärkere Eingriffe erlauben als die Vorlagen:
- Custom 57: basierend auf Fender Tweed
- The Wayfarer: basierend auf Fender Twin und Reverb-Deluxe-Modellen
- The Duke: basierend auf Dumble
- The Steeler: basierend auf Marshall/Park 75 Amp
- The Jackal: basierend auf Soldano SLO 100
Für die Effektsektion stehen eine Delay-, Reverb- und Modulationseinheit bereit. Die Cabinet-Simulation wird von der Proconvolver-Einheit bestritten, die auf Faltungsbasis arbeitet und mit Redwirez IR bestückt ist, allerdings auch das Laden von eigenen oder Faltungen von Drittanbietern erlaubt.
Plus:
– Preis
– Soundqualität
– leichtes Handling
Minus:
– kein britischer Low Gain Crunch Amp
Preis (Stand August 2024):
Scuffham S-Gear V3.2: 129,- USD
6. Overloud TH-U Full – der erste Profiler
Die italienische Firma Overload hat ein größeres Portfolio an Amp und Effektplugins. Bisher war das Flaggschiff das TH-3, doch seit kurzem ist mit dem TH-U eine revolutionäre Neuerung erhältlich, die neben eigenen Ampmodellen auch das Laden eigener Amp-Profile erlaubt und damit eine ähnliche Vorgehensweise ermöglicht wie beim Kemper.
89 Gitarrenamps, 4 Bassamps, 50 Gitarren-Cabinets, 2 Bass-Cabinets, 77 Pedal- und Rackeffekte sowie 18 Mikrofone mit bis zu vier Mikes pro Cabinet sind in der Software inkludiert. Neben klassischen Ampmodellen finden sich hier auch Kandidaten, die sonst eher selten in Amp-Kollektionen der Plugins anzutreffen sind, wie z.B. Randall, DV Mark oder Brunetti.
Besonders erfreulich ist hier eine sehr intuitive, grafische Benutzeroberfläche, das flexible Routing der Signalkette und natürlich die Möglichkeit, neben eigenen Profilen auch noch eigene IRs zu laden.
Plus:
– Soundqualität
– intuitive Bedienung
– Vielfalt
Minus:
– kein
8. Neural DSP – Archetype: Petrucci – Signature Sounds zu fairem Kurs
Die finnische Softwarecompany, die sich durch das Neural Quad mittlerweile auch im Hardwarebereich austobt, ist inzwischen zur etablierten Anlaufstelle im virtuellen Amp-Plugin-Business avanciert und wird von allen Seiten mit Lob überhäuft. Das Firmenkonzept sieht nicht vor, ein umfassendes Plugin mit allen erhältlichen Amps abzuliefern. Stattdessen beinhaltet es stilistisch spezialisierte Software für individuelle Soundvorlieben.
So wurden bereits unzähligen Künstlern wie Cory Wong, Plini, Tosin Abasi oder Gojira eigene Custom-Plugins auf den Leib geschneidert. Diese kommen zwar mit einer begrenzten Amp-, Cab- und Effektauswahl daher, bieten dafür aber eine relativ hohe Flexibilität und unterstützen auch das Laden eigener IRs. Als Stellvertreter für die gesamte Bandbreite der Neural Plugins haben wir euch den jüngsten Streich, das Archetype: Petrucci Plugin, ausgesucht. Die anderen Neural Softwares haben selbstverständlich nichts an Aktualität eingebüßt.
Plus:
– sehr gute Soundqualität
– hohe Presetvielfalt
– sinnvolle Selektion an Effekten
9. ML Sound Lab Amped Series – Ampsimulation made in Finland!
Der finnische Softwarehersteller ML Sound Lab bietet mit der Amped Serie diverse Amp-Plugins, die neben der Simulation jeweils eines klassischen Gitarrenverstärkermodells noch einen Cabblock und diverse Bodentreter bietet. Optisch und konzeptionell lässt sich hier die Nähe zu Neural DSP nicht ganz leugnen, allerdings trumpfen die Plugins mit einem deutlich niedrigeren Preis und ebenfalls fantastischen Sound.



Plus:
– hohe Soundqualität
– intuitive GUI
– gute Selektion an Effekten
Minus:
– optische Aufmachung teilweise etwas old school
Soundbeispiele der Amp-Simulationen
Dies soll kein wirklicher Vergleich mit Bewertung oder Ranking der einzelnen Plugins sein, da diese teilweise andere Modelle und auch andere Faltungen benutzen und somit keine wirkliche 1:1 Gegenüberstellung ermöglichen. Vielmehr sollen die Soundbeispiele die einzelnen Software-Ampsimulationen vorstellen, die sich für meinen persönlichen Geschmack auch je nach Disziplinen und Amptypen unterschiedlich gut schlagen.
Auch wenn die Plugins diverse Effekte an Bord haben, soll es in dieser Auflistung in erster Linie um den reinen Amp-Sound gehen und daher wurde die Effektsektion weitestgehend ausgespart.
Für die Beispiele wurde das Gitarrensignal direkt durch einen API 512c HiZ Eingang in eine RME Fireface UFX geschickt. Innerhalb einer Disziplin wird das exakt identische DI Gitarrenfile mit dem Plugin belegt und die Dateien wurden in der Lautstärke normalisiert. Bei den Einzelfiles kamen keine Effekte oder EQs zum Einsatz und beim Beispielsong wurde in der gedoppelten und hart links-rechts gepannten Gitarrenspur lediglich ein Low Cut angesetzt. Die Songbeispiele wurden ganz rudimentär gemastert.
1. Clean Picking – Fender Stratocaster – Bridge
2. Blues Low Gain – Telecaster – Neck
3. Rock Midgain – Les Paul – Bridge
4. Vintage Rock – Stratocaster – Neck
5. Metal – Les Paul – Bridge (Drop D)
6. Lead – Ibanez AZ2204 – Bridge
7. Sound im Bandkontext – Ibanez AZ2204 – Bridge (double tracked)
Tabellarische Übersicht der Kernfeatures
Positive Grid Bias FX2 | NI Guitar Rig 7 | UA diverse | Scuffham S-Gear | Overloud TH-U | Mercuriall diverse | Neural DSP diverse | ML Sound Lab diverse | |
Kategorie | Allrounder | Allrounder | je nach Modell, spezialisiert | Allrounder | Allrounder | je nach Modell, spezialisiert | je nach Modell, spezialisiert | je nach Modell, spezialisiert |
Ampmodelle | 116 (Elite Version) | 26 | 1-3 | 5 | 93 | 1-4 | 1-3 | 1-2 |
Effekte | Ja | Ja | teilweise (Booster, Reverb, Tremolo) | Ja | Ja | Ja | Ja | Ja |
Laden eigener IRs | Ja | Ja | Nein | Ja | Ja | teilweise | Ja | Ja |
Marce sagt:
#1 - 23.10.2023 um 14:09 Uhr
Ich bin total fasziniert davon, dass die Produkte von ML Sound Lab hier fehlen. Die Amps sind der Hammer! Unbedingt mal antesten! :-)
Haiko (Bonedo) sagt:
#1.1 - 25.10.2023 um 09:50 Uhr
Hi Marce, danke für den Hinweis! Ist schon in Arbeit;)!
Antwort auf #1 von Marce
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenStefan sagt:
#2 - 03.11.2023 um 21:34 Uhr
Moin liebe Tester, Vandal VST programmiert von Sascha Eversmeier nutzt keine Impulsantworten sondern simuliert den kompletten Amp mit Boxen inklusive aller Schaltkreise, Lautsprecher etc. physikalisch. Ich kenne keine Simulation, die in Sachen Sound und Spielgefühl an dieses Plugin herankommt.
Rootnix sagt:
#2.1 - 04.11.2023 um 23:34 Uhr
Ich habe mir den Vandal sogar ohne Samplitude gekauft und damals war er herrausragend. Leider ist er nicht großartig weiterenwickelt worden und erreicht heute nicht die Klasse von Neural DSP. Mit Apple ist man eh außen vor.
Antwort auf #2 von Stefan
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenMichael Elwert sagt:
#3 - 29.11.2023 um 16:55 Uhr
Warum findet der "Neural Amp Modeler" keinerlei Erwähnung? Auf diversen Youtube Kanälen schlägt er klangtechnisch alle anderen Anbieter. Liegt es vielleicht daran,dass das Plugin kostenlos ist?
Nadine sagt:
#4 - 04.02.2024 um 03:14 Uhr
Mixwave Milkman Creamer, bester Fender Cleansound Und Helix Native ist an Vielseitigkeit nicht zu überbieten.
Sascha Franck sagt:
#5 - 26.02.2024 um 11:56 Uhr
Schon mal was von Helix Native (Line 6) gehört? Wenn man einen Artikel über die besten Amp-Simulationen schreibt, gehört das da zwingend rein. Auch S-Gear sollte mMn nicht fehlen. Und der Murks von Positive Grid darf gerne weg, das Plugin versucht bei jedem Start, über 20 Webadressen anzutelefonieren, darunter so schöne Dinge wie Facebook, Googleadservices und Co.
Greco sagt:
#6 - 06.05.2024 um 12:04 Uhr
Cosa pensi di Tonocracy?
Wolfgang sagt:
#7 - 11.05.2024 um 12:31 Uhr
Danke für die Übersicht. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass auch Tonocracy von Atomic vorgestellt wird. Die Software ist mittlerweile frei erhältlich und klingt erstklassig. Kein Abo, keine Lizenzgebühren und viele User Presets, von denen einige sehr gut sind.
Torsten E sagt:
#8 - 11.11.2024 um 18:57 Uhr
Wenn der Artikel das Jahr 2024 im Titel trägt, dann sollte auch bei den Mercuriall-Plugins berücksichtigt werden, dass sich deren Angebot massiv verändert hat: die Basis ist nun das AmpBox-Plugin, in das die einzelnen Module wie Reaxis, Engl etc (inzwischen auch deutlich breitere Auswahl mit Marshall, Boogie, Bogner, Fender, ...) eingeklinkt werden. Inzwischen eine der besten und realistischsten Gitarren-Plattformen IMHO. Außerdem nicht vergessen: die ganze Palette von Igor Nembrini - auch sehr gute Modeling-Plugins. Last not least: die ganze Reihe an "Sampling"-basierten Plugins, die auf NAM basieren, wie NAM Plugin, Tonocracy oder Genome. Oder sind hier nur die Plugs gefragt, die man auch beim großen T erwerben kann??
STRomzAeHLEr sagt:
#9 - 18.12.2024 um 06:34 Uhr
Bei mir ist VANDAL nach wie vor eine feste Größe im Plug-in-Garten, hat eigenen Charakter, mehr Einstellungsmöglichkeiten am Amp als man anfangs glaubt und arbeitet ohne IRs (reines Modelling). Manchmal nutze ich auch nur den Octaver für Synths o.ä.
Abi sagt:
#10 - 28.05.2025 um 21:26 Uhr
Zu den Universal Audio Plugins hinzu zu fügen ist, dass diese exakt die gleichen sind, wie die von Brainworx/Plugin Alliance. Die Sachen sind alle von Igor Nembrini programmiert. Auf https://www.nembriniaudio.com finden sich eine Reihe weiterer Simulationen in ähnlicher Qualität. Am besten direkt seine eigenen Veröffentlichungen beziehen, dann müssen nicht so viele Plugin-Riesen wie Universal Audio oder Plugin Alliance sinnlos mit verdienen.