Eigentlich war es schon immer klar: Irgendwann wird es einen würdigen Nachfolger der Korg Wavestation geben. Während der NAMM-Show 2020 war es dann plötzlich so weit: Mit der Wavestate erscheint offiziell der neue „Wave Sequencing Synthesizer“. Entwickelt wurde das digitale Musikinstrument im sonnigen Kalifornien von Korgs R&D Team, das seinerzeit schon für die Korg Wavestation verantwortlich zeichnete. Die beste Nachricht zuerst: Korgs Wavestate lässt sich ganz ohne Vorwissen spielen und genießen. Man muss also bislang nicht mit dem Wave Sequencing, oder mit einem der klassischen Wavestation-Modelle in Kontakt gekommen sein. Wegen der bekannten Historie und der klaren konzeptionellen Parallelen drängen sich aber immer wieder Vergleiche zwischen der Wavestate und der Ur-Wavestation auf, die im Test natürlich zur Sprache kommen sollen. Ebenso gibt es zahlreiche Hörbeispiele, die direkt mit dem Testgerät live eingespielt wurden und einige besondere Soundcharaktere der Korg Wavestate akustisch herausstellen.
Wie schaut es mit der Marktposition aus? Ist die Korg Wavestate nun ein Anwärter für einen Digital Vintage Award? Für mein Gefühl zielt dieser Synthesizer eigentlich weniger auf die Retro-Welle ab, sondern ist vielmehr dem jüngsten Trend für digitale Klangerzeuger zuzurechnen. Kompakte Synthesizer wie Arturia MicroFreak und Modal Argon8 werden immer beliebter und verdeutlichen, dass es auch abseits des moogschen Oszillator-Filter-Modells noch etliche reizvolle Klangspektren zu entdecken gilt. Für Hobby-Synthesisten, die ein wenig Spiel- und Schraubspaß haben möchten, sind die inneren Werte der Korg Wavestate sicherlich überdimensioniert. Selbst routinierte Klangtüftler könnten bei der enorm großen Funktionalität an ihre Grenzen kommen. Doch schauen wir uns das Instrument erst einmal genau an.
Details
Kompakt und leicht = mobil
Schon nach dem Auspacken ist man überrascht: Die optisch attraktive Korg Wavestate ist ein extremes Leichtgewicht, das mit einer Breite von knapp 57 cm lediglich 2,9 kg wiegt – Kunststoff macht es möglich. Im überfüllten Projektstudio sollte sich immer ein Plätzchen finden, als Reisegepäck ist die Wavestate ebenso einfach zu verstauen. Die Schale macht einen robusten Eindruck, die gesamte Hardware fühlt sich gut an. Als Spielhilfen sind ein klassisches Handräder-Paar und ein Vectorstick vorgesehen. Im Unterschied zur ursprünglichen Wavestation trumpft die Wavestate vor allem noch mit jeweils acht Drehreglern – den Mod Knobs für spontane Eingriffe auf freiwählbare Parameter – auf. Ein OLED Display ist vorhanden, verlangt aber ein gutes Sehvermögen. Die Tastatur erstreckt sich über drei Oktaven mit 37 Tasten normaler Größe. Leider reagiert sie nicht auf Druckdynamik, polyfoner Aftertouch kann aber, über ein entsprechendes Controller-Keyboard erzeugt, empfangen werden.
Anschlüsse auf der Rückseite
Auf der Gehäuserückseite findet sich neben dem Haltepedal-Anschluss ein Stereo-Ausgang (TRS-Klinkenbuchsen) und ein Kopfhörer-Anschluss (Stereoklinkenbuchse). Einzelausgänge werden nicht geboten. So lassen sich einzelne Klangprogramme einer Performance nicht separat zum externen Mischer führen. Weiterhin gibt es ein 5-Pol DIN MIDI-Duo (IN/OUT), die Anschlussbuchse für das externe 12-Volt-Netzteil sowie einen USB-B-Port.
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Handbuch, Librarian Software und Updates
Angesichts der Features und Komplexität hätte ich schon ein gedrucktes Handbuch im Lieferumfang erwartet, tatsächlich ist die Bedienungsanleitung (auch in deutscher Sprache) als PDF Download und ein Flyer „Blitzstart“ mit einigen simplen Tipps zum erfolgreichen Auftakt zu bekommen. Die Hardware ist übrigens nicht alles. Korg spendiert einen Sound Librarian als Software, die ein Betriebssystem in der Version 1.0.3 bei der Wavestate voraussetzt. Entsprechende Aktualisierungen wird jeder Besitzer selber erledigen können. Es müssen lediglich der Computer und die Wavestate per USB-Kabel verbunden und das Updater-Programm gestartet werden.
Aufwendige Klangerzeugung
Wie bei der Korg Wavestation gibt es als oberste Ebene eine Performance, die sich aus bis zur vier Ebenen (Layer) mit jeweils wiederum einem vollständigen Sound (Program) zusammensetzt und über eine Vektorhüllkurve, Master Reverb und EQ verfügt. Für jede Ebene gibt es einen separaten Arpeggiator und ein Program, das auf einer Wave Sequence oder einem Multisample basiert. Damit lässt sich sehr viel arrangieren: Eine Performance kann komplette Groove-Arrangements aus einzelnen Elementen, oder ebenso aufwendige Split- und Layer-Kombination für den Band-Keyboarder haben. Die gesamte Struktur der Korg Wavestate vermittelt dieses Schaubild:
Die Klangerzeugung mit 64 Stereo-Stimmen leistet viel, greift auf ein umfangreiches Sample-ROM zurück und beherrscht neben Wave Sequencing zudem die mit dem SCI Prophet VS eingeführte und bei der Korg Wavestation übernommene Vector Synthese. Natürlich gibt es LFOs, Hüllkurven und Filterwie bei einem klassischen Synthesizer.
Der stattliche Fundus aus wohl einigen Gigabytes an Samples – die genaue Speichergröße kennen nur die Korg-Entwickler – setzt sich aus den Wellenformen der Wavestation, bekannten Einträgen aus der Kronos-Bibliothek und einer Auswahl von Plugin Guru (John Lehmkuhl) zusammen. Das sind etliche Sounds akustischer und elektronischer Herkunft.
Wave Sequencing
Das herkömmliche Wave Sequencing beinhaltet alle Parameter in einer Sequenz. Beim Wave Sequencing 2.0 der Korg Wavestate ist dies anders gelöst: Einzelne Parameter wie Sample, Tonhöhe oder Tondauer sind insgesamt sieben verschiedenen „Lanes“ (Zeilen) zugewiesen, die unterschiedliche Schrittlängen (maximal 64 Schritte) und auch eigene Start-, End-, und Loopunkte haben können. Somit lassen sich einfache und auch vertrackte polyrhythmische Muster herstellen. Ein Vorteil ergibt sich aus der Flexibilität, einzelne Linien schnell und verschieden miteinander kombinieren zu können. Die Wave Sequencen sind jedenfalls meist lebendige, rhythmische Muster und erzeugen mit weichen Überblendungen („Crossfades“) zwischen einzelnen Samples ebenso sanftere Klangfarbenwechsel. Per Velocity, LFOs und Hüllkurven oder via Modulationsrad oder andere MIDI-Controller können einzelne Positionen oder Schrittwerte moduliert werden. Somit muss es nicht beim „Daumenkino“ mit einer festen Abfolge einzelner Klangbilder bleiben, sondern der Performer kann den Ablauf einer Wave Sequenz je nach musikalischer Intention aktiv gestalten.
Die sieben Lanes einfach erklärt: Die Sample Lane ordnet die Wellenformen an, die Timing Lane definiert die jeweilige Zeitdauer in Millisekunden oder Notenwerten und auch Crossfades, die Pitch Lane legt die Tonhöhe für jeden Schritt fest, die Gate Lane bestimmt die Dauer eines Schritts in Prozentwerten, die Shape Lane gibt jedem Schritt eine Hüllkurve und die Step Seq Lane erzeugt Modulationsquellen zur Kontrolle von Klangparametern. Synchronisiert werden alle sieben Lanes per Master Lane. Es gibt für die einzelnen Lanes praktische Voreinstellungen. Eigentlich muss man nichts erfinden. Letztlich warten rund 1.000 Wave Sequencen im Speicher auf ihre Entdeckung. Wer selber Sequencen programmieren möchte, kann übrigens die 16 Taster auf der rechten Seite des Bedienpanels zur direkten Anwahl einzelner Sequencer-Schritte verwenden.
Filter und Effekte
Eigentlich kaum zu glauben, doch die Korg Wavestation muss mit einem resonanzlosen Tiefpassfilter auskommen. Die Wavestate glänzt hingegen mit einem ordentlichen Aufgebot in der Filtersektion. Über ein Dutzend an Filtertypen prägen den Klang und sind obendrein resonanzfähig (2-pole LPF/HPF/BPF/ Band Reject, 4-pole LPF/HPF/BPF/Band Reject, Multi Filter, MS-20 LPF, MS-20 HPF, Polysix). Sie harmonieren gut mit den Oszillatoren, die bei der Wave Sequencing weitaus öfter im Fokus stehen. Zur kleinen akustischen Kostprobe, schalten wir die einzelnen Filtertypen einmal bei laufendem Sequencer um.
Neben der Filtersektion sorgen vor allem die Effekte für eine Aufwertung des gesamten Klangbilds der Wavestate. Erinnern wir uns: Insbesondere die Reverb-Effekte der Korg Wavestation eignen sich weniger für Audiophile und trüben eher die ansonsten tollen atmosphärischen Sounds und Collagen. Die Korg Wavestate hat an Effekten bedeutend mehr zu bieten. Jede der vier Ebenen einer Performance bietet einen Pre FX, Mod FX sowie ein Delay. Eine Tiefenstaffelung und andere Mixing-Tricks sind mit 14 gleichzeitig verfügbaren Effekten sehr gut realisierbar. Bei Pre FX stehen Kompressor, EQ, Guitar Amps, Tremolo, Wave Shaper und auch ein Ringmodulator zur Auswahl. Die üblichen Modulationseffekte wie Chorus, Phaser, Flanger oder WahWah sind als Mod FX vorhanden. Bei den Delay-Effekten weiß ich die Reverse-Variante zu schätzen. Der Master Reverb bietet neben einigen Early Reflections den Typ „Overb“ (von Korg Oasys und Kronos übernommen), der durchaus weiche lange Hallwolken in angenehmer Qualität zustande bringt, die für die vielen atmosphärischen Klangfarben der Korg Wavestate so wichtig sind. Zwei Soundbeispiele demonstrieren den Reverb.
Arpeggiator und Modulation
Einen Arpeggiator gibt es bei der originären Wavestation nicht, bei der Wavestate kann er innerhalb einer Performance sogar vierfach, für jede Ebene separat, eingesetzt werden. Die Ausstattung ist angenehm unspektakulär. Es gibt fünf einfache Notenmuster (Up, Down. Alt1, Alt2 und Random) und die üblichen Parameter wie Swing, Oktave und Gate. Diese Einfachheit ist gut, schließlich kann man sich beim Wave Sequencing austoben. Bei geschickter Programmierung entsteht eine tolle Symbiose aus möglichst langen und einfachen Trigger-Noten und Wavesequencen. Wie ein simpler perkussiver Wavestate-Sound per Arpeggiator getriggert klingt, zeigen die nächsten Beispiele.
Gewaltig modulierbar sind die Klänge der Wavestate. In einer Modulationsmatrix lassen sich quasi alle Parameter, die im Display ersichtlich sind, per LFOs, Hüllkurven oder MIDI-Controllern steuern. Auch das Wave Sequencing kann einbezogen werden. Es ist sogar ziemlich einfach, Zielparameter und Quellen für eine Modulation zuzuweisen. Regen Gebrauch von diesen Modulationsverbindungen kann man mittels der acht Mod Knobs machen, die bei den Factory Performances vorbildlich bedacht werden. Mit diesen Reglern lassen sich die Performances klanglich wie rhythmisch sehr effizient modulieren. Am besten hören wir uns drei verschiedene Beispiele an. Wir halten wenige Tasten gedrückt und drehen an den acht Mod Knobs.