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Kurzweil PC4-7 Test

Schon seit den frühen Tagen von Klassikern wie K2000 und PC88 gliedert sich das Produktsortiment von Kurzweil in zwei Linien: Auf der einen Seite die K-Serie, die sich als Sampler/Synthesizer-Workstation-Line eher an Sounddesigner und Studiomusiker richtet und die PC’X‘-Serie auf der anderen. Sie adressiert eher Keyboarder und Live-Musiker, verzichtet dabei auf Sampling-Möglichkeiten und stellt eher den Performance-Aspekt in den Mittelpunkt der Konzeption. Das Kurzweil PC4 ist das aktuelle Modell dieser Serie, das als „PC4“ mit einer 88 Tasten Hammermechanik-Tastatur ausgestattet ist, wohingegen die hier zum Test antretende „PC4-7“-Version zwar über die gleiche Klangerzeugung verfügt, dabei aber deutlich leichter und lediglich mit 76 leichtgewichteten, anschlagdynamischen Tasten ausgestattet ist. Wo die Stärken und Schwächen liegen klärt dieser Testbericht.

Kurzweil PC4-7 Test (Foto: Numinos)
Kurzweil PC4-7 Test (Foto: Numinos)

Details

Was wird geboten?

Mit dem PC4-7 (76 Tasten) bringen Kurzweil eine kompakte Variante ihrer PC4-Workstation (88 Tasten) heraus. Wobei Workstation die Sache auch, aber nicht ganz trifft, denn vornehmlich versteht sich das PC4-7 als Performance-Instrument – ein Keyboard also, das man auf die Bühne nimmt und spielt. Und das sollte mit der 7er Version ein bisschen leichter fallen als mit der 88-Tasten Variante, denn sie ist rund drei Kilo leichter, was wohl hauptsächlich auf das Weglassen der Hammermechanik zurückzuführen ist. Ansonsten kann das PC4-7 auf die bewährten Qualitäten des Schwestermodells zurückgreifen (entsprechend gilt alles, was dieser Test in Bezug auf die Klangerzeugung herausfindet auch für das große PC4): Allen voran eine 256-stimmige Polyphonie, die sich auf 16 Parts und 16 Tastaturzonen/Layer verteilen lässt. Die Klänge stammen dabei wahlweise aus Kurzweils V.A.S.T.-Engine (Variable Architecture Synthesis Technology), die auf zwei Gigabyte Rom-Samples zurückgreifen kann oder entstammen der 6-Operator-FM-Engine, der „KB3 ToneReal“ Orgel-Simulation oder der „K.S.R.“ (Kurzweil String Resonance).

Das Kurzweil PC4-7 zeigt sich mit tollem Sound und als idealer Partner für Sounddesigner & Co.
Das Kurzweil PC4-7 zeigt sich mit tollem Sound und als idealer Partner für Sounddesigner & Co.

Das ist ganz schön viel Synthese-Power, die von den Sounddesignern bei Kurzweil in über 1.000 (!) Presets, übersichtlich in 13 Kategorien geordnet, zur Anwendung gebracht wird, womit sich live, wie auch im Studio so ziemlich jeder Soundwunsch schnell realisieren lassen sollte. Auch und besonders, da weitere zwei Gigabyte Speicher für den Benutzer reserviert sind und beliebig mit WAV/AIFF-Samples oder P3K/K-Serien-Patches befüllt werden können. Unterstützend stehen 32 Effekt-Einheiten, ein 16-Spur Sequenzer, 16 Arpeggiatoren und RIFF-Generatoren (dazu später mehr) bereit. Dynamische Interaktionsmöglichkeiten bietet zudem eine frontseitige, frei programmierbare Controller-Sektion mit neun Fadern, Potis und Tastern. Um die Vielzahl der Möglichkeiten im Griff halten zu können, bieten Kurzweil – neben der Bedienung am Gerät – eine Editor-Software für alle gängigen Plattformen (WIN, OSX, IOS) zum Download an.

Fotostrecke: 4 Bilder So sieht die OSX-Version des PC4-Editors aus. (Foto: Numinos)

Familienbande

Kurz zur Einordnung des PC4: Urvater (respektive Mutter) aller Entwicklungen bei Kurzweil ist die K-Synthesizer-Serie, in der auch sämtliche Synthese-Algorithmen (auch und besonders die V.A.S.T., die Variable Architecture Synthesis Technology) und darauf aufbauend auch „Flash Play“ (direktes Sample-Streaming aus dem Speicher) sowie die Tonewheel-Simulation ihren Ursprung haben. Die PC’X‘-Serie dagegen versteht sich eher als Performance-Instrument und weniger als Synthesizer/Sampler zum Sounddesign, wohingegen die Artis/Forte-Serie vornehmlich Gebrauch von der Kurzweil Flash-Play-Technologie machen, um als Digitalpianos agieren zu können. Im Gegensatz zur Artis/Forte-Serie ist beim PC4 allerdings die gesamte Klangerzeugung zugänglich – man hat es hier also gewissermaßen mit einem etwas abgespeckten K2700 zu tun, dem neuen Flaggschiff-Synthesizer von Kurzweil (Test folgt in Kürze).

Auspacken

In einem großen Standard-Industriekarton kuschelt sich das PC4-7 eng in drei Styropor-Formteile, die einen sicheren Transport gewährleisten sollten. Das weitere Durchstöbern der Verpackung fördert ans Licht: Ein Netzteil, eine Kurzanleitung (vollständiges Manual als Download), ein Sustainpedal, ein USB-Kabel, sowie zwei symmetrische Klinken-Kabel. Das nenne ich eine vorbildliche Zubehörausstattung, wobei mir insbesondere das mitgelieferte Sustainpedal gut gefällt, da es bei vielen anderen Herstellern oft als separater Zubehör-Artikel erworben werden muss.

Fotostrecke: 3 Bilder Hier kommt ein Karton. Und zwar mit dem Kurzweil PC4-7. (Foto: Numinos)

Erster Eindruck

Mit seinen knapp neun Kilo lässt sich das PC4-7 relativ gut alleine durch die Gegend manövrieren und sollte sich so auch gut auf die Bühnen der Welt bringen lassen. Hat das Keyboard auf dem Ständer Platz genommen, vermittelt es optisch einen recht sachlichen Eindruck. Das hat eine gewisse (gute) Tradition, denn die Design-Sprache von Kurzweil-Keyboards ist schon seit den frühen Tagen der K-Serie eher eine nüchtern-technische. Dennoch leistet sich das PC4-7 einige – zugegeben eher dezente – optische Raffinessen: So werden die Flanken durch etwas „Stealth“-mäßig wirkende Seitenteile abgeschlossen, Potis und Fadern wurden metallisch-blau schimmernde Beschläge spendiert, zusätzlich sind sämtliche Bedienelemente mit einer farblich korrespondierenden, blauen Hintergrundbeleuchtung ausgestattet. In Verbindung mit der leicht pultförmig, zum Anwender hin geneigten Frontplatte wirkt das PC4-7 durchaus einladend und aufgeräumt. Positiv nehme ich zu Protokoll, dass das Kunststoffmaterial der Frontseite mit einer gebürsteten Micro-Textur versehen wurde und damit – im Gegensatz zu den glatten und entsprechend stark spiegelnden Hochglanz-Oberflächen bei anderen Herstellern – angenehm reflexionsfrei ist.

Fotostrecke: 4 Bilder Pitchbend und Modulationsrad sind dezent blau beleuchtet. (Foto: Numinos)

Der Griff zur halb-gewichteten 76-Tasten-Klaviatur mit Anschlagdynamik und Aftertouch liefert dagegen einen eher ungewohnten Eindruck. Zugegebenermaßen ist sie leichtgängig und die Tasten fühlen sich hochwertig an. Das Anschlagverhalten dagegen ist irgendwie seltsam „flubberig“ – man verzeihe mir an dieser Stelle das recht untechnische Attribut, aber es beschreibt tatsächlich am besten den Umstand, dass die Tasten ein – gefühlt – exponentielles Rebound-Verhalten haben: Im ersten Drittel des Rückwegs sehr weich, dann druckvoll und im letzten Drittel wieder sanfter. Man hat hier also durchgängig eine Art Trampolin-Effekt unter den Fingern, der bei Rhodes- und Clavinet-Sounds zwar durchaus Spaß macht, beim expressiven Pianospiel dagegen nur schlecht funktioniert. Zudem neigt der Keyboard-Rahmen im Gerät offenbar dazu, sich bei kräftigem Spiel aufzuschwingen, was zu einer hörbaren tonalen Resonanz führt. Kurzweil waren hier offenkundig nicht gut beraten, vom bisherigen Hersteller Fatar abzuweichen und eine Young Chang-Eigenentwicklung zu verbauen.

Die 76-tastige Klaviatur des Kurzweil PC4-7. Foto: Numinos
Die 76-tastige Klaviatur des Kurzweil PC4-7. Foto: Numinos
Audio Samples
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Kurzweil PC4-7: Tastengeräusch beim Anschlagen

Anschlüsse

Die Rückseite bietet ein ziemlich voll ausgestattetes Bild. Es finden sich hier – von links nach rechts: Zunächst der Einschaltknopf, dann eine Strombuchse, ein MIDI-In/Out-Duo gefolgt von einem Mini-Poti zum Regeln der Display-Helligkeit, eine USB-A-Buchse zum Anschluss eines Datenträgers, dann eine USB-B-Buchse für den Computer-Verbund. Danach folgen vier Klinken-Buchsen zum Anschluss von Fußpedalen: SW1 (Sustain), SW2 (Sostenuto), CC1 (Volume) und CC2, wobei es sich bei den genannten Zuweisungen natürlich um die Default-Einstellung handelt, die vom Anwender frei modifizierbar ist und sich so auch Programm-Changes oder andere CC-Werte steuern lassen. Die darauffolgende Cat-45-Buchse dient nicht etwa der Integration ins Netzwerk, sondern wartet auf den Anschluss von Kurzweils Ribbon-Controller, der sich für effektvolle Bühnen-Performances anbietet. Rechts daneben dann ein regelbarer Stereo-Eingang (Klinke und Miniklinke) zur Entgegennahme von Line-Signalen, vier Klinkenbuchsen zur Ausgabe von zwei Summen-Signalen (A/B) sowie abschließend ein Stereo-Kopfhörerausgang.

Fotostrecke: 2 Bilder Umfangreiche Konnektivität: Ein- und Ausgänge auf der Rückseite. (Foto: Numinos)

Klang-Architektur

Das PC4 beherbergt das gesamte Arsenal des Kurzweil-Synthese-Frameworks, das in den zurückliegenden 30 Jahre (seit der Markteinführung des K2000 im Jahr 1991) immer weitergewachsen ist und sich zu einer ganz eigenständigen Klangentwicklungsumgebung entwickelt hat. Stellenweise fühlt man sich hier ein bisschen an das Betriebssystem Windows erinnert, das – auch wenn man eine brandneue Version 11 installiert hat – im Kern immer noch Komponenten der ersten 95er-Versionen mit an Bord hat, was den Vorteil bietet, dass sich auch noch Programme aus dem letzten Jahrhundert in Betrieb nehmen lassen, auf der anderen Seite aber den Nachteil hat, dass man eine ganze Menge Ballast mit an Bord hat. Sprich: Wir haben es hier im Grunde mit nicht weniger als fünf verschiedenen Synthese-Konzepten zu tun (V.A.S.T. – Sample Playback, KB3 – Tonwheel Simulation, FM – 6-Operator FM-Synthese, KSR – Kurzweil String Resonance, KVA – Anti-aliased Synthesizer Oszillatoren), die zudem noch in einer semi-modularen DSP-Matrix (es gibt 178 DSP-Verschaltungsalgorithmen) miteinander verschaltet werden können.
Spätestens hier beginnt man zu verstehen, dass der gedankliche Vater der Synthese – der Futurologe Raymond Kurzweil – heute Leiter der technischen Entwicklung bei Google ist. Positiv gesprochen, ist die Klangerzeugung also unfassbar „deep“, negativ gesehen, hat sie eine Komplexität erreicht, die sie eher zur Entwicklungsumgebung für Sounddesigner macht – Spezialisten, also, deren täglicher Job das Programmieren von Klängen mit der V.A.S.T.-Synthese ist. Hobbymusiker dürften hier erst nach erheblicher Einarbeitung dazu in der Lage sein, zielgerichtet Klänge zu programmieren. Nicht ohne Grund hat das vollständige Download-Handbuch einen Umfang von 356 Seiten – es gibt abgeschlossene Historien-Romane, die kommen mit deutlich weniger aus.

Fotostrecke: 3 Bilder Sieht doch ganz harmlos aus: Die schematische Darstellung der Klangerzeugung. (Foto: Numinos)

Um nur ein paar Schlaglichter auf die Tiefen dieses Synthese-Kosmos zu werfen: Es stehen innerhalb eines Programms beispielsweise nicht weniger als drei Hüllkurven mit jeweils sieben Segmenten (A1/A2/A3/D1/R1/R2/R3) bereit. Reicht einem diese Komplexität nicht, kann man auch zur so genannten „Natural Amplitude Envelope“ greifen. Dabei wird das Lautstärkeverhalten der Samples innerhalb einer Keymap als Grundlage der Oszillator-Hüllkurve gemappt – ich kenne keinen Soft- oder Hardwaresampler, der das kann. Weitere Komplexität im Klangverhalten lässt sich mit den Möglichkeiten von „Funktions“ erzielen: Mit ihnen können zwei beliebige Parameter der Klangerzeugung über eine mathematische Formel miteinander verknüpft und als neuer Parameter ausgegeben werden. Macht man Gebrauch vom DSP-Synthese-Teil kommt man unweigerlich in Kontakt mit dem Block-Konzept der V.A.S.T.-Synthese, acht Blocks pro Sound. Während sich also ein einfaches Pitch oder Amp-Modul mit einem Block bescheidet, knappst sich ein zweipoliges Lowpass-Filter schon zwei, ein ausgewachsener „FM Saw Operator“ volle vier Blöcke Synthese-Power ab.

Fotostrecke: 2 Bilder DSP-Module können semi-modular verschaltet werden. (Foto: Numinos)

Und, um den Betriebssystem-Gedanken noch mal aufzugreifen, sei lobend erwähnt, dass das PC4 ein gehöriges Stück Rückwärtskompatibilität liefert. Denn es ist nicht nur der Import von von WAV- und AIF-Samples (16 Bit / max. 96kHz), sondern auch von Kurzweil-Formaten (u. a.: .P3K, .KRZ, .K25, .K26) und FM-Sysex-Dateien möglich.

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Praxis

Den Praxisteil möchte ich in zwei Abschnitte gliedern, denn im Grunde gibt es zwei Ebenen mit dem Gerät umzugehen: Die eine ist, Sounds auszuwählen und sie entsprechend der gewünschten Sound-Performance anzupassen und zu spielen. Sprich: Splitten, Layern, im internen Mischpult ausbalancieren und mit Effekten auszustatten. Die andere – weitaus komplexere – Ebene ist die Soundprogrammierung am Gerät oder unter Zuhilfenahme eines externen Editors. Hier wird es dann deutlich komplizierter und entsprechend fällt mein Urteil für diesen Bereich auch anders aus. Wer also absehen kann, das PC4 vornehmlich als Performance-Keyboard unter Einsatz der Preset-Sounds zu nutzen, dürfte sich mit einer zwar immer noch steilen, aber nicht ganz so vertikal ansteigenden Lernkurve wie im Bereich des Sounddesigns konfrontiert sehen.

Program Mode

Das PC4 startet nach dem Einschalten und Hochfahren (nach ca. 20 Sek.) automatisch im „Programm Mode“. Hier agiert es wie ein typisches 16-fach multitimbrales Instrument: Mit den Channel-Tastern wechsle ich zwischen den 16 Parts, die werksseitig den 16 MIDI-Kanälen zugeordnet sind. Zum Auswählen von Klängen kurbelt man sich wahlweise mit Alpha-Dial oder den Previous-/Next-Tastern durch die Listen oder wählt die praktische Abkürzung über die Kategorie-Taster. Hier kann bereits ein Einzelklang ein monströses Stück Programmierarbeit beinhalten, denn es sind bis zu 32 Layer möglich, die aus insgesamt 3.651 sogenannten Key-Mappings gebildet werden können.
Erfreulicherweise haben sich die Werksprogrammierer bei allen Programmen um eine weitgehend konsistente Zuweisung von Klangparametern auf die Controller-Sektion gekümmert. Allerdings auch nicht durchgängig und so gibt es immer wieder Fälle, wo man tentativ ausprobieren muss, welchen Parameter man durch welchen Controller steuert. Entsprechend habe ich eine Ansicht im Display vermisst, in der man eine Übersicht der zugewiesenen Mappings sieht. Wechselt man in den Editier-Modus, fällt auf, dass das im unteren Bereich des Displays platzierte Menü nicht begrenzt ist. Man skippt sich also mit den Soft-Buttons durch die Einträge ohne genau zu wissen, wie viele Seiten man noch vor (oder hinter) sich hat.
Ein simpler Zähler (Seite X von Y) sollte hier Abhilfe schaffen und wird in einem künftigen Update hoffentlich noch nachgereicht. Überhaupt wirkt die Bedienung über Cursor, Plus/Minus und Alpha-Dial etwas anachronistisch – ein Touch-Display wäre nicht nur zeitgemäß, sondern hätte den Workflow deutlich vereinfacht. Insbesondere bei so mächtigen Funktionen wie beispielsweise dem CC-Sequenzer der – wahlweise definiert oder anteilig randomisiert mit 18 verschiedenen Modi und mit bis zu 64-Steps – einen beliebigen CC-Wert automatisiert moduliert und das wahlweise autonom oder synchron zum globalen Tempo.

Fotostrecke: 4 Bilder Zugriegel-Einstellungen werden am Display visualisiert, andere Performance-Controller leider nicht. (Foto: Numinos)

Grundsätzlich befindet sich das PC4 im Programm-Modus auch gleichzeitig im 16-kanaligen Multimode. Zum Umschalten zwischen den Parts betätigt man einfach die Layer-Up und Down-Taster. Möchte man die Lautstärke-Verhältnisse ändern, führt der Weg über den Global-Taster in die Mixer-Ansicht. Wenn man schon im Global-Menü stöbert, führt einen das Soft-Touch-Menü auch zum Master-EQ und Kompressor. Genau jener Schaltung also, die am Kurzweil Forte mit leicht zugänglichen Hardware-Controllern umgesetzt wurde, was weitaus praxisgerechter ist, als sie im Menü zu verstecken. Denn gerade beim Livespiel geht es ja darum, schnell und unkompliziert den Gesamtklang an die Beschallungssituation anzupassen. Was einem allerdings nach kurzer Zeit ebenfalls auffällt ist die Tatsache, dass es keine einfache Instanz zur Speicherung einer kompletten Multimode-Zusammenstellung gibt. Möchte man Zusammenstellungen erneut aufrufen, muss man sich also mit dem Umweg über einen Song behelfen. Ein Tastendruck auf den Split- oder Layer-Softkey im Programm-Modus befördert einen unter Beibehaltung des aktuellen Klangs automatisch in den:

Multi Mode

Hier können bis zu sechzehn verschiedene Programme wahlweise über (Layer) oder nebeneinander (Split) organisiert werden. Dabei sind auch Mischformen möglich (Zone- in Verbindung mit Velocity-Layern). Die hier vorhandenen 4.000 Speicherplätze für Eigenkreationen sollten mehr als genug sein, um sich für so ziemlich jede Bühnen-Show vorbereiten zu können. Ein weiteres Performance-Feature ist die so genannte Riff-Funktion. Das können so ziemlich alle Formen von MIDI-Daten sein: Angefangen bei einer einfachen Sequenz bis zum kompletten Song, was sich natürlich besonders im Live-Geschäft als mächtige Waffe erweist, um beispielsweise wiederkehrende Motive oder Läufe, die noch nicht sicher sitzen elegant mit einem einzigen Tastendruck abzufeuern.

Die Visualisierung von Splits/Layern ist gelungen. (Foto: Numinos)
Die Visualisierung von Splits/Layern ist gelungen. (Foto: Numinos)

Song Mode

Mit einem Druck auf den Taster „Song“ wechselt das PC4 in den Sequenzer-Betrieb, wo insgesamt 16 MIDI-Spuren auf die Entgegennahme von Noten-Informationen warten. Der Funktionsumfang entspricht hier einem ausgewachsenem Hardware-Sequenzer. Das Einspielen von Spuren erfolgt dabei wahlweise in Echtzeit (inklusive u. a.: Loop-Record, Punch-In/Out und Overdub) oder via Eingabe in eine Event-Liste. Zudem stehen unterschiedlichste Bearbeitungsfunktionen wie beispielsweise Copy/Paste (bei Kurzweil: Grab), Transposition, Skalenkorrektur, Velocity-Operationen und Quantisierung zur Verfügung. Trotz oder gerade wegen der sehr leistungsfähigen Aufnahme- und Bearbeitungsmöglichkeiten, zeigen sich hier – wie auch in vielen anderen Bereichen, wie beispielsweise der Klangprogrammierung – die Grenzen der Cursor/Alpha-Dial-Bedienung. Irgendwie fühlt es sich im Jahr 2021 wo sich auf iOS-Geräten bequem ganze Akkordstrukturen mit dem Finger markieren und verschieben lassen, von der Mausbedienung im Grid-Editor moderner DAWs ganz zu schweigen, nicht mehr zeitgemäß an, mit einem Cursor durch Listeneinträge zu navigieren, dann die Edit-Taste zu drücken, um danach an einem Rad zu drehen, bis der gewünschte Parameterwert erreicht ist (ausgenommen sind natürlich Bedienkonzepte, die wirklich kompromisslos und mit einem innovativen Ansatz den Weg der Tasteneingabe gehen, wie beispielsweise der Tracker von Polyend

Fotostrecke: 3 Bilder Die Grundansicht im Song-Modus. (Foto: Numinos)

Effekte

Jedes Programm kann mit bis zu 16 Insert-Effekten in beliebiger Reihenfolge ausgestattet werden. Jede der sogenannten Effekt-Boxen kann dabei mit einem von insgesamt 500 Effekt-Programmen bestückt werden. Das Arsenal ist wirklich gewaltig und deckt so ziemlich alles ab, was die Studiotechnik an Hall-, Modulations-, Delay- und Verzerrungsalgorithmen kennt. Hinzu kommen noch zwei globale Aux-Effektwege, die sämtlichen Layern innerhalb eines Programms zur Verfügung stehen.

Leider ist der Master-EQ und Kompressor, der beim Kurzweil „Forte“ noch im Direktzugriff lag, in die globalen Einstellungen gewandert. (Foto: Numinos)
Leider ist der Master-EQ und Kompressor, der beim Kurzweil „Forte“ noch im Direktzugriff lag, in die globalen Einstellungen gewandert. (Foto: Numinos)

Sound

Wie schon bei der Klangarchitektur, handelt es sich auch beim Soundvorrat des PC4 um eine historisch gewachsene Library. Die beiden Flügel-Sounds – einer stammt von einem deutschen Konzertflügel mit einem „D“ im Namen, der andere von einem japanischen C7-Modell, die man in Keyboarder-Kreisen regelmäßig mit den Namen „Steinway“ und „Yamaha“ in Verbindung bringt – haben ihren Ursprung in der Forte-Serie, ein weiterer gewichtiger Teil stammt aus dem Vorrat des PC3 und der Kore 64-Erweiterung. Bestehende Kurzweil-Anwender werden sich also beim Blättern in den Klangkategorien auf Anhieb zu Hause fühlen.
Geboten wird hier die klangliche Vollausstattung mit allem, was das moderne Popmusik-Instrumentarium so hergibt und das in überwiegend guter Qualität. Herausstechend sind die beiden Pianos und natürlich die Orgel-Sounds, die sich über die Zugriegel-Simulation im Controller-Bereich schnell und intuitiv an die eigene Klangvorstellung annähern lassen. Ausgesprochene Highlights finden sich auch im Bereich der synthetischen Klänge und dort vornehmlich im Bereich der dynamischen Flächen und organisch morphender Sounds – hier hört man die Anwesenheit einer vollwertigen FM-Synthese und die immensen Möglichkeiten der V.A.S.T.-Synthese. Freunde narrativer Klänge kommen hier auf jeden Fall auf ihre Kosten, denn viele der cineastischen Pads laden augenblicklich dazu ein, mit ihnen den Score für eine Polardokumentation, ein Fantasy-Abenteuer oder einen Science-Fiction zu komponieren.
Hier macht sich an vielen Stellen auch die automatische CC-Modulation sehr positiv bemerkbar, sodass die Klänge – synchronisiert via MIDI-Clock – auch im Umfeld elektronischer Tanzmusik gut zum Einsatz gebracht werden können. Deutlich schwächer geht es im Bereich der Naturinstrumente zu. Besonders die Bereiche Bläser und Streicher können nicht wirklich überzeugen. Schön sind dagegen die gezupften Gitarren. Ihnen kommt entgegen, dass die Klangcharakteristik der Ausgangsüberträger zu einer leichten Betonung der Mitten neigen. Noch nicht ganz im Griff haben Kurzweil offenbar das schon vom „Forte“ bekannte Problem der FlashPlay-Engine, das bewirkt, dass der neue Klang bei einem Soundwechsel gelegentlich mit einer gewissen Latenz startet.

Audiobeispiele zu Kurzweil PC4-7

Audio Samples
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Kurzweil PC4-7: Dyn9ft Grand Kurzweil PC4-7: Concert Piano Kurzweil PC4-7: Suitcase EP Kurzweil PC4-7: Dyno EP Kurzweil PC4-7: Clavi BC Kurzweil PC4-7: Big Rotary B3 Kurzweil PC4-7: Studio-Strings Kurzweil PC4-7: Vienna Octaves Kurzweil PC4-7: Evolving Pad Kurzweil PC4-7: Innervate Kurzweil PC4-7: Seargeant P Brass Kurzweil PC4-7: Vivaldi Orch Kurzweil PC4-7: Alpha Centauri Kurzweil PC4-7: Fluid Gtr Kurzweil PC4-7: Voxxed Elec12 Kurzweil PC4-7: LA-Kit Kurzweil PC4-7: Drum&Bass-Kit Kurzweil PC4-7: Birch Wood-Kit
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Fazit

Das Kurzweil PC4 will viel und kann tatsächlich auch viel. Egal ob man nun auf die Anzahl der Stimmen, Speicherplätze oder das immense Arsenal an Effektprogrammen schaut: Das PC4 spart nicht mit Features. Was auch und vor allen Dingen an der über viele Modell-Generationen „gewachsenen“ Synthese-Landschaft liegt, die mit V.A.S.T, FM und KB3 drei potente Engines zur Klangerzeugung umfasst. Dort finden sich viele Klanggestaltungsdetails wie etwa die ausgefeilte CC-Automation, die Natural Amplitude Envelope oder das semi-modulare Verschaltungskonzept, die extrem fortschrittlich sind. Der Zugang zu dieser Synthese-Power ist allerdings ausgesprochen kompliziert, woran das etwas altbackene Bedienkonzept aus Cursor, Alpha-Dial und Funktionstasten nicht ganz unschuldig ist. Ein von Grund auf neu gedachtes Benutzerinterface mit Touchscreen-Bedienung hätte hier viel Gutes bewirken können. Auch und gerade, weil die verfügbaren Editoren (Win, OSX, iOS) nur wenig Hilfestellung geben und an vielen Stellen noch nicht ganz ausgereift wirken. Hinzu kommt, dass das Instrument selbst – beispielsweise was die Tastatur betrifft – nicht ganz so wertig wirkt, wie das Preisschild suggeriert. Am Ende steht also ein etwas durchwachsenes Bild: Zwar hat man es hier mit einem sehr leistungsfähigen Instrument zu tun, dessen Möglichkeiten im Detail an manchen Stellen deutlich über das hinausgehen, was die Konkurrenz so ins Rennen wirft. Auf der anderen Seite fügt sich das alles nicht wirklich zu einem konsistent und selbstverständlich bedienbaren Instrument, sondern wirkt über weite Strecken eher wie eine Art „Framework“. 

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • Mächtige und vielseitige Klangerzeugung
  • Über 1000 hochwertige Presets inklusive Controller-Adressierung von Parametern
  • Sample-Import möglich
  • Kostenlose Editoren (PC/Mac/iOS)
  • Plug-In Editoren (VST/AU)
  • Vollständiges Zubehör
Contra
  • Komplexe Struktur
  • Tastatur resoniert
  • Rebound der Tastatur gewöhnungsbedürftig
  • Kein Touch-Display
  • Keine globale Speicher-Instanz im Programm Mode
  • Soft-Touch-Navigation-Menü nicht begrenzt
  • Gelegentliche Latenz der ersten Note bei FlashPlay-Sounds
Artikelbild
Kurzweil PC4-7 Test
Für 1.798,00€ bei
Das Kurzweil PC4-7 zeigt sich mit tollem Sound und als idealer Partner für Sounddesigner & Co.
Das Kurzweil PC4-7 zeigt sich mit tollem Sound und als idealer Partner für Sounddesigner & Co.
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Boris Lau sagt:

#1 - 20.09.2021 um 09:04 Uhr

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Vielen Dank für den Review! Was bedeutet denn "Im Gegensatz zur Artis/Forte-Serie ist beim PC4 allerdings die gesamte Klangerzeugung zugänglich"? Gibt es beim PC4 mehr Editiermöglichkeiten als beim Forte? Mich interessiert vor allem die Möglichkeit, eigene Samples zu verwenden.

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