Yet another Saturation Tool?! EQs und Sättigung, das scheint bei der Plugin Alliance wirklich schwer angesagt. Plugin Alliance The Oven, ein neues Mojo-Tool, basierend auf der Hardware-Kooperation von Mastering-Guru Maor Appelbaum und der Boutique-Gear-Anbieter HendyAmps passt da gut ins Bild.
Fast nebensächlich, dass einige alte Native Instruments Plugins nun auch im Abo zu haben sind – die Soundwide Supergroup-Fusion, bestehend aus Brainworx, Plugin Alliance, iZotope und NI, machte es möglich.
Um diese Hochzeit zu feiern, schlug PA mit dem Mega-Sampler zunähst in eine ungewohnte Richtung. Interessant dabei: Die fette Ami-Investmentfirma hinter allem ist die Francisco Partners – und die hat vor kurzem auch die Mehrheit am Publisher Kobalt Music übernommen. Und Kobalt wiederum hat erst letztlich alle bestehenden Lizenzdeals mit Meta (Facebook und Instagram) auslaufen lassen. Das könnte noch spannend werden!
It’s cooked!
The Oven ist das neuste Plugin der Plugin Alliance und standesgemäß für alle wichtigen Formate konzipiert: VST, AU und AAX, sogar eine M1-Version ist am Start! Im Grunde handelt es sich dabei um einen Verzerrer mit EQ, der für den dezenten Einsatz im Mastering-Kontext gedacht zu sein scheint. Spoiler: Er packt doch auch mal kräftiger zu und macht müde Drums munter!
Wie die überwiegende Mehrzahl aller PA-Plugins, die man einzeln oder im Abo bekommt, diente auch diesem Stück Software echte Hardware zum Vorbild. The Oven von HendyAmps ist dabei ziemlich Boutique und wird dementsprechend nur auf Anfrage und mit Anzahlung produziert. Kostenpunkt hierfür: 6.600 US-Dollar vor Steuern und Versand. Insofern lockt das Plugin mit seinem aktuellen Preis von 99 US-Dollar wieder einmal sehr, zumal PA regelmäßig krasse Deals rausschießt.
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Was kochst du denn da?
Der Ofen kocht und brutzelt! Der Hersteller nennt es eine Mojo-Box mit Coloration und Vibe für tonales Shaping. Damit fällt das Plugin in eine Kategorie mit Culture Vulture, Black-Box HG-2, Vertigo VSM-3, Overstayer und SSL Fusion. Allessamt tolle, teils sehr teure Hardware – und sowohl auch als Plugin erhältlich, viele davon sogar von Plugin Alliance. Da frag ich mich: Wann kommt eigentlich das Plugin vom Neve 542?
Wie bei vielen dieser Spezialvertreter mutet die Bedienoberfläche etwas kryptisch an. Doch hier hat man es nun auf die Spitze getrieben. Aber sind wir ehrlich: Saturation ist ohnehin ein schwer greifbares Thema. Das Ziel ist aber immer das gleiche: Mit Obertönen mehr Biss und Durchsetzungsfähigkeit erzeugen. Möglichst ohne, dass es dabei allzu kratzig klingt, und bestenfalls mit „analoger“ Wärme – was auch immer das konkret bedeuten mag. Wärme? Ofen! Ja, ich verstehe.
11 is One More – The Oven macht laut
Die Hauptparameter heißen hier: TEMPERATURE, COOK, BURN, SIZZLE und FLOW, die wählbaren Optionen: BAKE, BOIL, ELECTRIC, GAS und BUNSEN. Da war aber jemand kreativ. So esoterisch wie Layout und Beschriftung liest sich allerdings auch das Handbuch. Richtig schlau wird man daraus nicht.
Der gute PluginDoctor hilft wie immer weiter und löst das Parameter-Wirrwarr zumindest ein wenig auf: Im Grunde regeln Headroom, Calibration-Mode und Temperatur nur den Eingangspegel auf unterschiedliche Arten. Und grundsätzlich boostet the Oven bereits ohne Zutun etwas Bass und Mitten, senkt Höhen dezent und liefert eine solide Grundverzerrung mit überwiegend ungeraden Harmonischen (1,2,3,5,7,9) – „Ordentlich Farbe“, wie Feinschmecker sagen würden. Mit HIGH-Temperature gibt es etwas mehr Bass-Boost.
Interessant wird es auch bei COOK. Es schraubt am Pegel und beeinflusst ebenfalls die Harmonischen, fährt Mitten etwas mehr dynamisch rein und minimiert den Bass wiederum dezent. Exakt auf 10 kippt der Sub-Bass dann überraschend weg und es gibt besonders viele Harmonics. Bei krassem Drive will man aber auch meist nicht so viel Bass. Das passt.
Alles wird maßgeblich vom letzten Regler beeinflusst: FLOW, der eigentlich den Ausgangspegel abfangen soll, legt bei HIGH-Temperatur und hohem Pegel ebenfalls noch ‘ne kräftige Schippe Sub-Bass auf den Brutkasten mit drauf. Er variiert außerdem die Gewichtung der einzelnen Obertöne. Dank der typischen BX-Ergänzungen im unteren Bereich der GUI bekommt man so aber auch einen explizit „cleanen“ Gain.
Mr. Burners und Mrs. Sizzle – ungewöhnliche EQs, die funktionieren
Noch mehr „Variation“ erhält man mit den drei BURNERS, bei denen es sich um etwas ungewöhnliche EQs handelt. Ihre Charakteristik geht mit den Burn Types etwas steiler. LOW liefert eine Sub-Shelf von ungefähr 1,5 dB Gain max. und unter 70 Hz. MID wiederum arbeitet zwischen 100 Hz und 1 kHz sehr breit als Glocke, und das mit bis zu 4 dB. HIGH indes ist ein Shelving mit maximalen 2,5 dB Boost ab 2k. Also so ungefähr.
Warum die zusätzlichen Charakterschalter dermaßen verrückt zu den Drehreglern sind? Ich weiß es nicht. Der B-Typ der Mitten ballert auch nochmal gut Bass rein. Wichtiger: Die Charakteristik unterscheidet sich, je nachdem, ob man rein- oder rausdreht. Grundsätzlich ist alles aber eher breit angelegt.
SIZZLE ist ein weiterer EQ, der spitz bei 1k boostet und den Nervfaktor parallel um die 2,5k absenkt. Auch hier gibt es verschiedene Types, die Auswirkungen sind dezent. BUNSEN liefert eine dezente Mittenabsenkung von 0,5 dB rund um die 500 Hz und kompensiert das mit weiteren, hauptsächlich geraden Obertönen.
Last but not least: Die Oven-Charakteristik ELECTRIC boostet im Vergleich zu GAS bei 100 Hz, das Ganze bleibt an sich eher unauffällig, wäre da nicht wieder der krasse Pegelunterschied und das zusätzliche Abschneiden des Subs. Der Kipppunkt der Änderungen ist bei ungefähr 100 Hz einzuordnen. Zusätzlich boostet es die Gerade.
Dicker Sound, keine Frage
Nach meiner kleinen Forschungsreise, die ich durchaus skeptisch angetreten bin, muss ich dann aber doch feststellen: The Oven klingt mit seinem wilden Eigenleben schon auch saftig und “verdichtet” angenehm dezent in den Mitten! Zusätzlich bilde ich mir ein, dass auch leichte Envelope-Änderungen hinzukommen. Drumloops smacken etwas mehr, Kicks drücken mehr ohne zu krass im Sub zuzulegen.
Ließt man die „User-Kommentare wichtiger Endorser” auf der Herstellerseite, bin ich wohl nicht der Einzige, der nicht so recht versteht, was hier genau passiert. Scheint wohl ein Chaoskonzept zu sein. Trotz der schrägen Parameter findet man sich dennoch überraschend gut zurecht.
Insofern muss man seinen eigenen Ohren vertrauen – das ist grundsätzlich ja schon mal gut. Ob die zickigen Pegelsprünge einen aber so verarschen müssen, kann jeder selbst entscheiden. Ich finde das ohnehin eine nervige Krankheit vieler PA-Plugins. Aber auch andere Hersteller setzten auf solche „billigen Tricks“. Zugegeben, ich weiß nicht, wie es sich bei der echten Hardware verhält – aber selbst wenn – Schaltungstechnisch kann ich das analog zumindest nachvollziehen.
Letztlich ist das der große Kritikpunkt für den Ofen. Die drastischen Pegelzuwächse an vielen Stellen hätte man in der Software schon kompensieren können – eine zuschaltbare Auto-Gain-Funktion am Ausgang hätte auch Puristen sicherlich nicht vergrault – gibt es aber nicht. Und so hab ich tatsächlich den „BX“-Output-Regler konstant auf -10 dB gehabt und den Rest gut aufgerissen, damit man überhaupt was hört.
Denn, wenn man gut gain-matched, ist der Effekt vom Ofen sehr dezent – aber eben auch geil. Und manchmal ist das ja auch genau das Zünglein an der Waage. Spaßeshalber hab ich mal versucht, seine EQ-Kurven mit dem Fabfilter nachzubilden und mir Zerre von SSL Fusion oder Izotope Exciter zu holen – richtig gut hat das aber nicht funktioniert. Insofern ist die Obertonstruktur von the Oven schon auch einzigartig und für eine digitalen Effekt generell recht gefällig. Aliasing-frei ist das ganze natürlich auch nicht, aber dennoch weitestgehend unauffällig.
Die Wurst im Ofen
Kein PA-Plugin ohne TMT. TMT sorgt für Abweichungen in den Ergebnissen, sollte man mehrere Instanzen nutzen. Dabei fällt auf, dass Übertragungsverläufe und THD-Muster leicht variieren und alle TMT-Plugins grundsätzlich „unhörbar rauschen“, was Messungen zittrig und damit „analoger“ bzw. „unkorrelierter“ macht.
Der Stereo-Mode Analog/Digital ruft weitere Abweichungen zwischen linkem und rechtem Kanal hervor –bei krassen Settings im Oven fallen die Abweichungen zwischen Links und Rechts mit bis zu 0,5 dB sogar “noch stärker” aus. Komischer Fetisch, aber was soll’s: digital an, damit ist der Quatsch aus, und gut.
Den obligatorischen Mono-Maker und die Stereoverbreiterung nehme ich immer gern mit, genau wie die Möglichkeit, parallel zu mischen. Das sind nette Ergänzungen, so wie die schicke Skalierbarkeit und die üppigen A/B/C/D-Speicherplätze, mit denen man verschiedene Einstellungen vergleicht und ihre flinke Automation ermöglicht. Dass die Presets nun in die DAW-Organisation ausgelagert werden, finde ich hingegen eher unsexy.
Fazit – the Oven
Dass ein Blindflug oft tolle Ergebnisse liefert, kennt man. Und mit etwas Arbeit an der Materie bekommt man hier schon ein gutes Gefühl dafür, was die kryptischen Parameter machen und welche Pegelsprünge man wo zu erwarten hat. Nervig ist das trotzdem irgendwie. Die spezifischen BURNER-EQ-Kurven ergeben in diesem Zusammenhang Sinn, etwas mehr Klarheit in der Parameter-Kommunikation wäre zielführender. Grundsätzlich ist das Ganze geschmacklich aber schön – bleibt aber irgendwie auch esoterisch. Ich bin Pragmatiker und bevorzuge grundsätzlich einfache Tools, wie den einfachen Softube Overstayer oder die Black-Box HG-2. Wer allerdings im PA-Abo drin steckt, wird sich freuen, einen weiteren und eigenständigen Saturator gewonnen zu haben – alle anderen können auf den nächsten Kracher-Deal warten.
- schöne Farbe: dezent durchsetzungsfähiger, aber nicht kratzig
- spielerisch-experimenteller Ansatz
- tolle Ergänzung für Abonnenten
- viel manueller Pegelabgleich notwendig
- kein Value-Direct-Access via Tastatur
thetick sagt:
#1 - 12.11.2022 um 11:25 Uhr
Ich bin nicht besonders gut darin, aber ich höre exakt gar keinen Unterschied bei den Soundbeispielen.