Waldorf nw1 Test

Mit dem nw1 eröffnete Waldorf seine neue Eurorack-Serie, die inzwischen um die anderen Module dvca1, mod1 und cmp1 sowie das Keyboard kb37 erweitert wurde. Begonnen hat es aber mit dem Wavetable-Oszillator nw1, der auf der Software Nave basiert. Im Test erfahrt ihr, wie das Waldorf nw1 Modul klingt und was es kann.

Mit dem nw1 eröffnete Waldorf seine Eurorack-Serie.
Der Waldorf nw1 bietet Wavetable-Synthese auf hohem Niveau.


Tja, sagt man sich da, was es nicht alles gibt. Jetzt gibt’s also schon iOS Apps für 22 Euro in Eurorack-Format für das 16-fache des Preises. Zumal es Nave ja auch als VST/AU-Plugin gibt und den Blofeld gibt es schließlich auch noch. Allesamt berechtigte Fragen, weswegen wir bei unserem Test besonders darauf eingehen, wie sich der nw1 in der Eurorack Umgebung verhält.

Details

Erstmal die Basics: Der nw1 ist ein Wavetable-Oszillator, gefüllt mit 80 Wavetables der alten Waldorf Klassiker und 50 Text-to-Speech-Wavetables. Dazu gibt es eine Software, mit welcher der nw1 auch mit eigenen Sounds bespielt werden kann. Außerdem besteht die Möglichkeit, Sounds gleich am Gerät selber aufzunehmen und in Wavetables umzuarbeiten, was sich zuerst einmal so anhört, als wäre der nw1 sogar auch noch ein Sampler. Dazu später noch mehr.
Was das Modul selbst angeht: Es ist 500 Gramm schwer und besetzt 32 HP Breite. Damit dürfte es in den meisten Eurorack-Systemen sicher zu den größten Modulen gehören und man muss ordentlich Platz reservieren, um den nw1 unterzubringen. Durch das ungeheuer große Klangspektrum, das die 80 gespeicherten Wavetables abdecken, ist das aber zu rechtfertigen. Die Drehregler sitzen leider nicht so sicher und fest wie beim kb37, was angesichts ihrer Größe nachdenklich stimmt.

Das Modul belegt 32 HP Breite – für den Waldorf nw1 muss man reichlich Platz reservieren!
Das Modul belegt 32 HP Breite – für den Waldorf nw1 muss man reichlich Platz reservieren!

Im Gegensatz zu einigen Low-fi-Wavetable-Oszillatoren im Eurorackmarkt kann der nw1 beides, nämlich Luxus und Trash. So können die Wavetables zwischen 8 und 4096 Waves haben, die Samplelänge pro Wave kann 32, 64, 128, 256, 512 oder 1024 Samples betragen und der nw1 löst in 16 bit auf. Auf diese Weise deckt der nw1 viele Klangcharakteristika ab: hochwertige Auflösung wie beim Nave, 80er-Feeling wie beim Microwave und Aliasgeraspel für die Freunde noisiger Tonkunst.
Waldorf macht es dem Benutzer leicht und ergeht sich erst gar nicht großartig in Erklärungen, was ein Wavetable eigentlich ist. Stattdessen wird ein Sound einfach als Sample betrachtet, das sich bei gedrückter Taste immer wiederholt und das man vorwärts und rückwärts abspielen kann. Außerdem kann man bestimmen, an welcher Stelle das Sample anfangen soll, was in Graden ausgedrückt wird: 0° ist der Anfang, 180° die Mitte und 360° das Ende, wonach es dann wieder bei 0° losgeht. Und schließlich kann man auch bestimmen, in welcher Geschwindigkeit das Sample einmal ganz abgespielt werden soll. Hier hat man die Möglichkeit von Stillstand bis 240 RPM, weshalb man sich das Ganze vielleicht auch wie eine Schallplatte mit genau einer Rille vorstellen kann. Die Geschwindigkeit der Umdrehung heißt beim nw1 übrigens “Travel”, die Startposition der Nadel “Position”. Dabei wird – und das ist der Unterschied zum Sample – die Tonhöhe beim verschieden schnellen Abspielen nicht verändert. Das kann man durch die “Tune” Funktion erreichen, bei der man die Auswahl aus drei verschiedenen Oktaven und einen Finetune-Regler hat.

Praxis

Ein Vorteil der Wavetablesynthese ist, dass man ganze Klangverläufe aufzeichen kann. Und so gibt es auch viele Wavetables, die Filterfahrten oder ähnliches beinhalten. Mit ein wenig “Travel” erreicht man so, dass sich der Klang ständig verändert und viel abwechslungsreicher ist als der statische Klang eines normalen analogen Oszillators. Der nw1 bietet zusätzlich zu den oben beschriebenen Möglichkeiten dabei auch noch die Möglichkeit, das Verhalten der Bewegung im Bezug auf ein einkommendes Gate Signal, also zum Beispiel Tastenanschlag, zu regeln. Im “Gated Mode” fängt das Sample bei jedem Anschlag immer an der durch “Position” bezeichneten Stelle an. Im “Free Mode” läuft das Sample immer durch, weshalb man bei jedem Tastenanschlag an einer anderen Stelle des Samples landet. Und schließlich gibt es auch noch den “Step Mode”, bei der das Sample immer an vordefinierten Stellen des Samples weiter spielt.
Dadurch, dass die Wavetablesythese im Stande ist, gleich ganze Klangverläufe zu spielen, ist in vielen Fällen eigentlich gar keine weitere Klangbearbeitung wie zum Beispiel durch einen Filter nötig. Aber Waldorf hat mit “Spectrum”, “Brilliance” und “Noisy” dem nw1 die gleichen Klangbearbeitungsmöglichkeiten wie dem Nave spendiert, und die Ergebnisse von zumindest Spectrum und Brilliance sind spektakulär. Während Spectrum die Obertöne eines Klanges verschiebt, sorgt der Brilliance-Regler für den Detailreichtum der Obertöne. Den Noisy-Regler kann man sich vielleicht am ehesten als eine Art Bit Crusher vorstellen, den man bei Gelegenheit zum Hinzumischen von noch ein bisschen mehr Dreck verwendet.
Hier ein Überblick über einige der gespeicherten Wellenformen. Zur beachten ist hier, dass man natürlich nicht immer komplett durch eine Welle hindurch fahren muss sondern jedes in den Wellenformen vorkommende Timbre auch einzeln, quasi stehend, zur Verfügung hat.

Audio Samples
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Wave Overview

Allein mit dem Oszillator und seinen Parametern kann man dann schon ganz ohne irgendwelche Hilfsmittel den Klang so verbiegen, dass man eigentlich gar nichts anderes mehr braucht. Die folgende Sequenz, einmal ohne und einmal mit Hall, wurde allein mit dem nw1 gespielt – ohne Tastatur, ohne LFO, ohne Hüllkurve. Welcher Oszillator kann das schon?

Audio Samples
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Osc Solo Osc Solo (mit externem Hall)

Das ist Wavetablesynthese auf klangtechnisch hohem Niveau. Wer es gerne ein bisschen dreckiger mag, der kann ja noch ein bisschen Noise dazu mischen. Aber, mag der skeptische Leser einwenden, das ist ja alles gut und schön, aber das kann man aber eben auch viel billiger und praktischer als App oder VST oder gar als ganzen Synthesizer in Form des Blofeld haben. Und das ist sicherlich richtig, aber den Mehrwert gilt es in den drei regelbaren CV-Eingängen zu suchen, die jeweils drei verschiedene Ziele ansprechen können. Zur Auswahl stehen dabei:

  • “Tune”, die Tonhöhe
  • “Position”, der Anfangspunkt des Samples
  • “Travel”, die Abspielgeschwindigkeit und -richtung des Samples
  • Spectrum
  • Brilliance
  • Noise

Dabei kann man Position und Travel durchaus von zwei verschiedenen Modulationsquellen bearbeiten lassen. Und die Ergebnisse sind ganz wunderbar, denn auf einmal werden die sich auf Dauer doch auch recht monoton wiederholenden Wavetables lebendig. Es ist ganz erstaunlich, wie der nw1 auf herein kommende CV-Werte reagiert, nämlich vor allem durch unerwartete und sehr musikalische “Unebenheiten”, wie man sie ja vielleicht gerade in einem modularen System sucht. Da springt das Sample nicht einfach nur “digital” auf einen anderen Punkt, sondern sondert dabei leise und nicht dazu gehörende Töne ab, dass man meint, man hätte gerade einem analogen Filter einen kleinen Spannungsschub verpasst. Bei den Parametern Travel und Position ist ja zunächst einmal klar, dass man das Sample zeitlich zerhackt und die Laufrichtung und -geschwindigkeit ändert, und soweit ist das ja nicht unbedingt etwas Neues. Aber anders als bei Stutter-Effekten reagiert der nw1 anders, unerwarteter und lebendiger. Da ist den Leuten von Waldorf doch ein großer Streich gelungen, denn eine so lebendige Reaktion eines rein digitalen Oszillators auf analoge Steuersignale passiert nicht von allein.
Zwei Beispiele dafür: Im ersten Beispiel wird eine einfache Wellenform mit einem LFO in der Tonhöhe moduliert, also eigentlich das einfachste von der Welt. Der nw1 allerdings ändert sein Verhalten so oft, dass es eine absolut faszinierende Reise wird:

Audio Samples
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Synth + LFO 1

Im nächsten Beispiel werden noch ein paar Modulationseingänge mehr benutzt. Es geht mir bei diesen Beispielen im Übrigen nicht unbedingt um sofort brauchbare Ergebnisse, sondern darum zu zeigen, was dieser einzelne Oszillator für eine große Varietät an Klängen hervorbringen kann.

Audio Samples
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Synth + LFO 2

Text-to-Speech Engine

Was gibt es noch an Möglichkeiten? Wie schon vom Nave bekannt, gibt es eine Text-to-Speech Engine, bei der man im Editor einen Text eingeben kann, der dort umgewandelt wird und dann über ein USB-Kabel in den nw1 geladen werden kann. Das Ganze ist sehr retro gehalten und hört sich so an:

Audio Samples
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Bonedo Donald Trump is president

Import und Aufnahme von Samples

Zuletzt noch ein Wort zum Einspielen eigener “Samples”: Der nw1 ist weder Sampler noch Sampleplayer, auch wenn sich das zuerst vielleicht ein bisschen so anhört. Die Wavetablesynthese ist halt doch eine relativ alte Technik und heute bekommt man so etwas mit Granularsynthese viel besser hin. Die Aufnahme direkt am Gerät funktioniert technisch eigentlich sehr gut und der Hersteller hat sich wirklich Gedanken gemacht, wie man das auf dieser Oberfläche organisieren könnte. Aufnehmen kann man dann entweder automatisch gesteuert über Lautstärke oder von Hand. Das Problem bei beiden Verfahren ist, dass man kaum den richtigen Anfang und das richtige Ende des Samples erwischt. Ich habe damit tatsächlich einen Nachmittag verbracht, aber kein brauchbares Ergebnis erzielen können. Beim Einlesen von Samples und anschließender Umwandlung über den Editor wird einem dann auch schnell klar, dass die Höchstlänge von 7 Sekunden nur bei reduzierter Qualität erreicht wird. Ich habe dann am Ende ein einsekündiges Sample genommen und in diesem Audiobeispiel hört man erst das Original und dann das daraus generierte Wavetable:

Audio Samples
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Original und Wavetable

Auch hier habe ich einige Zeit damit verbracht, überhaupt ein Ergebnis zu erzielen. Man muss sich also im Klaren darüber sein, dass die Wavetables zu den Samples nur noch eine ungefähre Ähnlichkeit haben und dass die Veränderung wohl eher selten musikalisch auch interessant ist.

Fazit

Mit dem Wavetable-Modul nw1 ist Waldorf ein eindrucksvolles Debüt in der Eurorack-Welt gelungen. Die Qualität der Wavetables lassen keine Kritik zu, auch wenn ich mir zusätzlich zu den klassischen 80er-Klängen vielleicht noch mehr aktuellere Sounds gewünscht hätte. So gibt es zum Beispiel nur einen einzigen Drumloop, dafür aber für mein Gefühl zu viele Filterfahrten. Aber zumeist werden ja beim Thema Wavetables genau diese alten Klänge gewünscht, und die werden von Waldorf in höchster Qualität geliefert. Die aktuellen Wavetable-Oszillatoren im Eurorackmarkt sind so unterschiedlich, dass ein Vergleich schwer fällt. Vielleicht kann man am ehesten zwischen Lo-fi- und Hi-fi-Modulen unterscheiden, und da gehört der nw1 unbedingt zur Hi-fi-Klasse und ist da dann preislich auch am unteren Ende angesiedelt. Und das ist ein absolut fairer Preis für einen Oszillator mit sehr vielen Möglichkeiten, der die meisten Modularsysteme sehr bereichern kann. Die Text-to-Speech-Synthese gibt’s dann als kleines Schmankerl noch obendrauf.

Unser Fazit:
4 / 5
Pro
  • ausgezeichnete Klangqualität
  • gute Einbindung der Wavetablesynthese in das Modularsystem
  • organische Reaktion auf CV Modulationen
  • Preis
Contra
  • keine Möglichkeit eigene Wavetables zu laden (nur indirekt über Samples)
  • Live-Aufnahme von Klängen oft musikalisch unergiebig
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Waldorf nw1 Test
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Der Waldorf nw1 bietet Wavetable-Synthese auf hohem Niveau.
Der Waldorf nw1 bietet Wavetable-Synthese auf hohem Niveau.
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