Modartt Pianoteq 8 Test: Klaviere und Konzertflügel sind bei traditionellen Musikern die Königsdisziplin. Zu einer Menge an virtuellen Pianos mit hohem Sample-Aufkommen findet sich eine Alternative: Physical Modeling. Dieses Klangverfahren zählt zu den Top Five der Syntheseformen.
Den Klang erzeugen nicht Samples, sondern er wird errechnet. Das hat zumindest drei Vorteile: Man braucht wenig Speicherplatz, das natürliche Klangverhalten lässt sich besser simulieren und man kann beliebige instrumentale Klänge konstruieren und auch neu erfinden. Man ist also bereit für ein ambitioniertes Piano-Sounddesign.
Etabliert hat sich Pianoteq, eine Software des französischen Herstellers Modartt, hinter dem ein kompetentes Entwicklerteam steht. Wir machen uns ein Bild vom aktuellen Stand: Pianoteq 8.
Checkliste zum Kauf von Modartt Pianoteq 8
- Pianosoftware auf Physical-Modeling-Basis
- Emulation historischer Tasteninstrumente, Mallets und mehr
- Feature „Note per Note Edit“
- Interne Effekte, Mikrofon-Settings
- Crossgrade iOS-App
- Zahlreiche optionale Instrument Packs
DETAILS UND PRAXIS
Modartt Pianoteq in mehreren Versionen
Bei Modartt Pianoteq 8 hat man die Wahl: Pianoteq 8 Stage ist die Budget-Lösung für rund 140 Euro mit Klangerzeugung plus Effekte. Bei Pianoteq Standard gibt es noch Morphing, Layering, Mikrofonierung und eine umfangreichere Bearbeitung der Piano-Modelle, was einen Preis um 270 Euro erklärt. Pianoteq 8 Pro für rund 400 Euro bietet ein exklusives Feature: Das Note-per-Note-Edit erlaubt es, alle physikalischen Parameter für jede Klaviertaste individuell zu bearbeiten.
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Seit Frühjahr 2023 ist Pianoteq zudem als Standalone-App und AUv3-Plugin auf dem iPad spielbar. Das Besondere ist die Cross-Platform-Lizenzierung. Erwirbt man die Mac/PC-Version, bekommt man die iOS-Variante gratis – und umgekehrt. Für Musiker, die eine App sehr günstig abstauben möchten, geht dieses Konzept nicht auf.
Darüber hinaus offeriert Modartt noch über 20 Instrument Packs (je 49 Euro). Man erhält historische Tasteninstrumente, E-Pianos, Celeste, Vibrafon, Xylofon, Gitarre oder Harfe.
Modartt Pianoteq 8
Pianoteq 8 bringt vor allem ein optimiertes GUI, verbesserte Instrumente und die Kompatibilität zur iOS-Version. Bei den modellierten Instrumenten kommt eine klassische Gitarre hinzu. Vorrangig geht es aber um Konzertflügel. Pianoteq bietet Modelle von sehr beliebten Fabrikaten. Die Liste ist lang: Steinway, Bechstein, Petrof, Steingräber, Grotrian, Blüthner, Kawai oder Yamaha gehören dazu wie auch seltene historische Vorläufer moderner Klaviere.
Jedes dieser Modelle lässt sich in Tuning, Voicing und Design programmieren. Es ist also kein 08/15-Konzept aus „Multisample-Filter-Hüllkurve“, sondern man bekommt eine Parametrisierung, die den physikalischen Gegebenheiten akustischer Instrumente entspricht.
Note-per-Note-Edit
Pianoteq 8 hat in der Pro-Version ein besonderes Alleinstellungsmerkmal: Note für Note lassen sich physikalische Parameter wie etwa Hammerstärke, Saitenlänge oder die Position des Dämpfers individuell einstellen. Im Spectrum Profil von Pianoteq Pro lassen sich sogar Obertöne für jede einzelne Taste des Instruments modifizieren. Wer möchte, kann also kreativ ein Piano Tuning betreiben und über die gesamte Tastatur individuelle Klänge designen, die nur mit Modartt Pianoteq Pro realisierbar sind. Was in der Natur theoretisch nicht möglich ist, lässt sich mit Pianoteq fabrizieren. Die Pro-Version verfügt zudem über Abtastraten bis 192 kHz, während Pianoteq Stage und Standard auf 48 kHz limitiert sind.
Morphing und Layering
Eine weitere Zugabe von Modartt Pianoteq 8 (Standard und Pro) ist das Morphing und Layering. Es wurde eigentlich schon in Version 7 eingeführt. In der Praxis muss man – mangels guter und vieler Presets – schon selber aktiv werden. Dabei wird man recht bald merken, dass sich vor allem das Layern längst nicht so komfortabel und klanglich reizvoll gestaltet wie bei einem Multimode-Flaggschiff à la Spectrasonics Omnisphere. Dennoch ist es eine sinnvolle Option für den Pianoteq-Anwender. Spannender ist das Morphing. Hier kann man schon so einige neue Soundkreationen gewinnen.
Mixing und Echtzeit-Kontrolle
Modartt Pianoteq liefert ein räumliches Klangbild. Es gibt nicht nur ziemlich brauchbare interne Effekte wie Hall, Delay, Amp, Wah-Wah sowie EQ und Kompressor, sondern auch eine Mehrkanalmischung. Bis zu fünf virtuelle Mikrofone lassen sich positionieren, die einigen Klassikern (U87) nachempfunden wurden. Pianoteq unterstützt auch Binaural Audio für den auditiven 3D-Genuss über einen Kopfhörer.
Die Software von Modartt ist schließlich ein Instrument für den Performer und kann auf dem Laptop oder Tablet-PC mit niedriger Latenz betrieben werden. Außerdem lassen sich wichtige physikalische Parameter via MIDI-Controller steuern, was der klangexperimentellen Live-Performance zugute kommt.
Wo liegen die klanglichen Stärken von Mdoartt Pianoteq 8?
Auch wenn es der Hersteller nicht gern hört, ist Pianoteq nicht die allerbeste Wahl für einen sehr authentischen Grundklang. Hier haben Sampling-Instrumente noch immer die Nase vorn. Dies trifft übrigens auch für andere Instrument-Typen wie Brass oder Gitarre zu. Wenn es aber um Echtzeit-Kontrolle, spontane Sound-Variation und simuliertes Klangverhalten geht, ist das Piano Modeling quasi unschlagbar.
Wie die live eingespielten Audiodemos vermitteln, kann Pianoteq bei möglichst viel installierten Sound Packs ganz verschiedene Klänge erzeugen. Cembalo und andere historische Tasteninstrumente sind authentisch und auch Mallet-Klänge liefert Pianoteq hervorragend. Akustische Harfe, Gitarre und klassische E-Pianos überzeugen ebenso, sodass man nicht zwangsläufig nur bei Pianos hängenbleibt. Der größte Reiz liegt aber beim Sounddesign, wenn man instrumentale Klänge entwirft, die es in der Wirklichkeit so nicht gibt. Hierbei ist die Zufallsfunktion schon sehr nützlich und per Note-per-Note-Edit lassen sich letztlich abstruse Ideen verwirklichen.
Fazit
Modartt Pianoteq ist und bleibt einmalig unter den Software-Pianos. Pianoteq 8 bietet weit mehr klangliche Möglichkeiten als eine gewöhnliche Piano-Library, der Basisklang erreicht aber nicht diesen hohen Realismus von Sampling-Instrumenten.
Die Preise sind eher happig (komplettes Studio Bundle für rund 900 Euro), die Produktpflege seit vielen Jahren ambitioniert. Pianoteq 8 ist vor allem für Filmmusik, historische und experimentelle Musik und so auch fürs Sounddesign empfehlenswert. Ein wenig bedauerlich ist es, dass man Pianoteq nicht als kostengünstige iOS-App bekommt und nachträglich per Upgrade auf die Win/Mac-Version wechseln kann. Auf dem iPad und iPhone stellt sich Pianoteq jedenfalls schon einmal gut auf.
Keine Frage: Dieses Piano Modeling sollte man kennen und wenn es klanglich wie konzeptionell passt, auch intensiv nutzen. Am besten lädt man einmal die Demoversion von Modartt Pianoteq 8 herunter und spielt sie selber an.
Features
- Piano Modeling Software
- Drei Versionen (Play, Standard, Pro)
- Flügel, Klavier, Cembalo, E-Piano, Mallet, Gitarre und andere Sounds
- Mehrkanal-Mischung mit fünf Mikrofonen, Binaural Audio
- Note-per-Note-Edit in der Pro-Version
- Über 20 optionale Instrument Packs
- Systemvoraussetzungen: Ab Windows 7 (64-bit), Mac OS X (64-bit) ab 10.11, Linux (x86 und AR), Ab iOS 15, iPhone 6S, Online-Aktivierung
- VST, VST3, AU, AAX, Standalone
- PREIS
- 139 Euro (Pianoteq Stage)
- 269 Euro (Pianoteq Standard)
- 399 Euro (Pianoteq Pro)
- 49 Euro (Instrument Pack)
- Piano Modeling auf hohem Level
- Einzigartiges Note-per-Note Edit
- Klanglich erweiterbar mit vielen Packs
- Ansprechendes GUI
- Design neuartiger Instrumentalsounds
- Mehrkanalmischung
- hoher Preis
Tonkaempfer sagt:
#1 - 01.02.2024 um 01:32 Uhr
Pianoteq kann auch eine wunderbare Ergänzung sein zu Pianosamples in Keyboards. Benutze es z.B. in Verbindung mit einem Genos. Im richtigen Verhältnis kann man die Keyboardsamples mit denen Klanganteilen ergänzen, die fehlen. Standalone gefallen mir die Pianos eher nicht so ganz. Aber als Ergänzung zum Concertgrand im Genos ergibt sich ein super dymamisch spielbarer Klaviersound, der keinen Vergleich mit Keyscape o.ä. guten VST´s scheuen muß. Selbst ohne Hammermechanik.